Professor Zamorra 1214 - Thilo Schwichtenberg - E-Book

Professor Zamorra 1214 E-Book

Thilo Schwichtenberg

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Beschreibung

Man sagt, LUZIFER persönlich habe sie erschaffen: Die Blume der Finsternis.
Aus seinen kranken Träumen formte er die allerschwärzeste Verlockung, und der große Lucifuge Rofocale persönlich habe sie vom HÖLLENKAISER zur Versuchung erhalten.
Man sagt, dass Lucifuge Rofocale nicht der Versuchung erlag, weil er LUZIFER mehr liebte als dessen versuchte Verblendung, doch verwahrte er sie gut.
Sie war eine Waffe unvorstellbaren Ausmaßes, konnte sie doch jeden bezwingen, der LUZIFER nur zum Schein liebte.
Man sagt, sogar das Chaos des Untergangs der Hölle habe einen Bogen um sie geschlagen und dass sie noch immer existiere: In den Dunklen Gärten der Königin Berith wird sie von den blinden Muhls persönlich beschützt.

Auftakt des packenden Zweiteilers!


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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah ...

Die Gärten der Finsternis

Leserseite

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Joe Prachatree / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0725-1

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

LUZIFER war Mitglied eines siebenköpfigen Schöpferkollektivs, das die Aufgabe erhalten hatte, unseren Teil des Multiversums mit Leben zu füllen.

Gegen den Willen der Geschwister erschuf er das Menschengeschlecht, damit dieses ihn anbetete. Doch die Menschen wandten sich von ihm ab.

Seine sechs Gefährten bannten und belegten ihn mit einem Fluch. In seiner Verbannung erschuf LUZIFER die Hölle und die Dämonen, damit wenigstens sie ihn anbeteten. Aus Rache an den Menschen gab er den Dämonen ein, sie zum Bösen zu verführen und mit ihren verdorbenen Seelen die Hölle zu nähren. So gerieten Hölle und Erde durch die Äonen hinweg in ein Gleichgewicht.

LUZIFER konnte sich nach Ewigkeiten vom Fluch der Geschwister, von ihnen unbemerkt, befreien. Doch die Hölle – und mit ihr die auf ihr lebenden Dämonen – ging dabei unter.

LUZIFER erschuf zwar um die Zeitenfähre Avalon herum eine neue Hölle (und erträumte neue Dämonen, denen er eine äonenwährende Vergangenheit einflüsterte), doch wollte er sich mit dieser Hölle in einer Dimension zwischen den Zeiten vor einem eventuellen Gegenschlag seiner Geschwister verbergen. Aus dem Grund gab er den neuen Dämonen das Menschen-verführen-Gen nicht mehr ein. Auch die bösen Seelen der Menschen sollten nicht mehr in die Hölle gelangen.

Was er in seiner Panik nicht bedachte, war, dass er so das Gleichgewicht der Kräfte gehörig durcheinanderwirbelte. Auf der Erde entstand ein Seelenstau. Der Wächter der Schicksalswaage bestimmte nun, dass Erde und Hölle wieder miteinander verbunden werden mussten, was Sara Moon als Merlins Nachfolgerin und Professor Zamorra nach mehreren Rückschlägen auch endlich bewerkstelligten. Während Lilith, die aktuelle Fürstin der Finsternis, den Hauptzugang blockierte (und nur die Seelen durchließ), bildeten sich weitere Weltentore, die allesamt jedoch instabil waren. Denn erst, wenn sich das magische Entropie-Gefälle zwischen beiden Welten normalisiert hatte (ähnlich dem Ausgleich zwischen einem warmen und einem kalten Körper), würden Erde und Hölle wie früher im Gleichgewicht stehen. Aktuell sind die neuen Dämonen der Hölle um ein vielfaches stärker, als es die alten je waren, da der Magiegehalt der neuen Hölle noch immer viel höher als der der Erde ist.

Doch ahnen die neuen Dämonen auch weiterhin nicht, dass es eine Erde gibt und was es mit dieser eigentlich auf sich hat ...

Lilith, als aktuelle Fürstin der Finsternis und Eingeweihte über die Hintergründe, gibt diese Informationen jedoch nicht weiter. Sie ist die allererste je von LUZIFER erschaffene Dämonin. Ursprünglich sollte sie ihn aus seinem Gefängnis befreien, was ihr aber nicht gelang. Stattdessen wurde sie als Herrin vom See die Herrscherin von Avalon. Zugleich war sie die Mutter von Merlin und Asmodis, dessen Vater LUZIFER war. Lilith passte es überhaupt nicht, dass LUZIFER gerade Avalon zur Flucht und für den Aufbau seiner neuen Hölle benutzen wollte. Sie hatte sich ihr eigenes Reich erschaffen, das sie weder an die Erde noch an die Hölle verlieren wollte. Und so versuchte sie ihn loszuwerden. Was ihr natürlich nicht gelang. In diesem Zuge versperrte sie auch den neuen Zugang zur Erde für die Dämonen. Doch LUZIFER schien ihr zu verzeihen, bestätigte er sie doch erneut als Fürstin der Finsternis.

Den Untergang der alten Hölle überlebten auch einige der alten Dämonen. Allen voran Asmodis, Vassago, Stygia, Astaroth, Agares, Zarkahr und Belial, dem die Flucht aus dem ORONTHOS, der Hölle der Dämonen gelang. Nach langem Hin und Her schafften es die Dämonen, in die Hölle zu wechseln (und an Stärke zu gewinnen). Dort wurden sie von Lilith in ihren Rängen als Erzdämonen bestätigt. So konnte sie diese Dämonen unter Beobachtung halten. Glaubte sie jedenfalls. Asmodis und Vassago besitzen jedoch eigene Möglichkeiten in die Hölle zu wechseln (und natürlich verfolgen sie auch eigene Pläne in Bezug auf LUZIFER).

Doch auch der Erste Magier konnte sich aus dem ORONTHOS befreien. Allerdings hafteten sich andere Dämonenbewusstseinssplitter an ihm an. Und so wurde er zum Superdämon LEGION, der auch Lucifuge Rofocale, Astardis, Sanguinus, Pluton, Rico Calderone, Leonardo deMontagne und Merlin in sich vereinte. Aktuell befindet sich LEGION, dank der Oberhoheit von Merlin, in Verwahrung. Mit dieser Aufgabe betraute Merlin die sieben russischen Knotenelementare rund um die Baba Yaga.

Doch auch in der Hölle gärt es. Lilith, als Fürstin der Finsternis, hat Konkurrenz bekommen. Da gibt es zum Beispiel die unabhängigen Ländereien von Berith, die sich nun dreisterweise Königin der Hölle nennt und anscheinend von LUZIFER geduldet wird. Und es gibt die Machtgelüste von Stygia, die die Herrin der alten Hölle gewesen war.

Auch LUZIFER hat weiterhin Sorge, von seinen Geschwistern entdeckt zu werden, und so versucht er natürlich, alle schädlichen Strömungen, die Hölle betreffend, bereits im Ansatz eliminieren zu lassen ...

Die Gärten der Finsternis

von Thilo Schwichtenberg

Man sagt, LUZIFER persönlich habe sie erschaffen: Die Blume der Verdammnis.

Aus seinen kranken Träumen formte er die allerschwärzeste Verlockung, und der große Lucifuge Rofocale persönlich habe sie vom HÖLLENKAISER zur Versuchung erhalten.

Man sagt, dass Lucifuge Rofocale nicht der Versuchung erlag, weil er LUZIFER mehr liebte als dessen versuchte Verblendung, doch verwahrte er sie gut.

Sie war eine Waffe unvorstellbaren Ausmaßes, konnte sie doch jeden bezwingen, der LUZIFER nur zum Schein liebte.

Man sagt, sogar das Chaos des Untergangs der Hölle habe einen Bogen um sie geschlagen und dass sie noch immer existiere: In den Dunklen Gärten der Königin Berith wird sie von den blinden Muhls persönlich beschützt.

Sibirien

Im Südosten der Taiga, Thronhalle des Erlik Khan

Die Höhlenwände glommen bronzefarben. Am Boden schien das Leuchten stärker, nach oben hin nahm es ab. Dunkle Bereiche, mal grob und mal fein gemasert, gewannen die Oberhand. Von der Decke hingen prächtige Tropfsteine, bestanden sie doch nicht aus Kalk, sondern aus purem Gold. Schwer und dunkel glänzten die metallenen Kostbarkeiten.

In der Mitte der Halle führten feuerrot glimmende Stufen zu einer Empore, auf der ein mannshoher Klumpen Gold thronte. Lehne und Sitzfläche waren grob herausgearbeitet. Davor stand Erlik Khan, der Herr der Unterwelt, des Großfeuers, des Bodens und der Bodenschätze. Lange schwarze Haare umflossen die muskulösen Schultern, die schlitzförmigen schwarzen Augen glommen düster im bronzefarbenen Gesicht. Der buschige Oberlippenbart zwirbelte sich an den Mundwinkeln zur Seite, und der geflochtene Kinnbart stach ihm bis vor die Brust. Er trug einen goldenen Stirnreif, eine nachtblaue Leinenhose und ein lilafarbenes Oberhemd mit goldenem Kragen, das durch eine goldene Kordel gerafft wurde.

Aus den Stufen vor ihm loderten safrangelbe Flammen. Darin war das ausgemergelte und faltenübersäte Gesicht einer Greisin erschienen. Die Haut schien aus Pergament und spannte sich rissig über den Wangen. Schlohweiße Haare umrahmten das Antlitz, doch die kleinen Augen blickten noch immer stechend und klar.

»Es ist so weit.« Khans Stimme donnerte dröhnend durch die Halle.

»Lass die Effekte«, knurrte die Alte. »Hier sind nur wir zwei. Sag, was du zu sagen hast, ich habe nicht mehr viel Zeit.«

»LEGION muss die Energiebahnen verlassen.« Die Stimme des Herrschers war nun ein angenehmer Bass.

»Das habe ich befürchtet. Natürlich passiert es im unrechten Augenblick.« Die Alte hustete. Schwarze Schlieren durchsetzten die gelben Flammen. »Ich bin bereits zu schwach. Meine Regeneration steht an. Du weißt, dass ich bald in mir selbst wiedergeboren werde.«

Der Herrscher der Bolschaja Semjorka, der Großen Sieben, winkte ab. »Dann regeneriere dich sofort in Broceliande, wie du es schon einmal getan hast.«

Die Baba Yaga schüttelte unmerklich das Haupt. »Dieser Weg steht mir nicht zur Verfügung.«

»Du willst nicht«, stellte Erlik Khan fest. Nur noch mühsam konnte er seine Wut unterdrücken. »Du bist gar nicht schwach, du spielt uns das nur vor!«

Das Gesicht der Alten zeigte keine Regung.

»LEGION muss da raus! Der Vorschlag, dass wir ihn bannen, kam von dir. Jetzt sieh zu, dass er wieder freigesetzt wird.«

»Schon gut.« Die Alte nickte. »Ich sende euch Ersatz in meinem Namen.« Die safrangelben Flammen fielen in sich zusammen. Das Gesicht existierte nicht mehr.

Erlik Khan drehte sich um und stieß mit der Faust in den mannshohen Goldklumpen. Als er die Faust zurückzog, hatte sich eine Delle gebildet. »Sie schickt Fremde in meinen Thronsaal, wo sie doch weiß, wie ich das hasse!«

Doch es half alles nichts. LEGION musste den Gefängniskokon, den die Knoten-Elementare vor einem halben Jahreslauf mittels der Energiebahnen magisch um den Super-Dämon gesponnen hatten, so schnell wie möglich verlassen. Er fing langsam an, die Energiebahnen mit seinem Gift zu verseuchen!

Erlik Khan klatschte in die Hände. Eine Gruppe Gnome löste sich von den Wänden und trat auf den Herrscher zu. »Bringt mir Leder und Münzen und das nicht zu knapp!«, blaffte er sie an. »Ich muss mich abreagieren. Ich muss jetzt irgendetwas putzen.«

Die Gnome entfernten sich rückwärtsgehend in gebeugter Haltung und brachten dem Herrscher das Gewünschte.

Wie doch das Putzen von Gold entspannte!

Am nächsten Morgen ging es dem Herrn der Unterwelt schon etwas besser. Er war nun durchaus gespannt, welches ähnlich starke Wesen ihm die Yaga senden würde.

Ähnlich stark, grübelte er. Wer war in der Lage, den Großen Sieben ebenbürtig zu sein?

Es gab nur eine Antwort darauf. Niemand! Sie waren einzigartig!

Bevor er mit der Faust erneut den Thron beschädigte, ließ sich Erlik Khan neue Münzen heranschaffen.

Frankreich

Château Montagne

Wann hatte er hier zum letzten Mal gestanden? Der Schlossherr lächelte. Vielleicht musste es auch heißen: War er überhaupt schon einmal an diesem Ort gewesen?

Professor Zamorra zuckte mit der Schulter, zog einen langen, schwarzweiß marmorierten Seidenschal aus der Tasche und wand ihn sich mehrmals um den Hals. Schon spürte er die Wärme, die sich an Kehlkopf und Nacken und an den Seiten ausbreitete. Er zog die weichen Lederhandschuhe über, öffnete das oberste Fenster des Nordturms und atmete aus. Der Wind riss ihm die weißen Wölkchen sofort von den Lippen.

Wie oft war er in der Hölle gewesen? Wie oft durch den Weltraum geflogen? Und wie oft war er hier, auf der Spitze seines eigenen Zuhauses, gewesen?

Vor ihm ergoss sich in epischer Weite seine Heimat. Nun, nicht die Heimat aus Kindertagen, aber ein Zuhause, das für ihn immerhin schon sechsundvierzig erfüllte Lebensjahre darstellte. Hier lebte er mit seiner Gefährtin, mit seiner immerwährenden Liebe. Hier empfing er all die Freunde, die sich ihnen im Laufe der letzten Jahrzehnte angeschlossen hatten. Und manchmal gewährte er einigen von ihnen sogar Asyl oder bot ihnen regelrecht eine neue Heimat an.

Er dachte an Fooly, den Jungdrachen, dessen Elter durch die Unsichtbaren umgekommen war und der allein nicht ins Drachenland zurückkehren konnte und somit von William kurzerhand adaptiert worden war. Er dachte an Lady Patricia und den kleinen Rhett Saris ap Llewellyn, von Nicole liebevoll Lord Zwerg genannt. Als Bryont Saris gestorben und seine Seele auf den nächsten Erbfolger Rhett übergegangen war und das Neugeborene naturgemäß seine magischen Kräfte nicht einsetzen konnte, hatte Zamorra Lady Patricia, den kleinen Rhett und Butler William zur Sicherheit zu sich ins Château geholt und ihnen eine neue Heimat gegeben. Im tollpatschigen Fooly hatte Rhett später einen wunderbaren Spielkumpan gefunden, mit dem es weiß Gott nie langweilig geworden war. Doch Lady Patricia lebte nicht mehr, Rhett hatte sich vorerst in ein normales Leben zurückgezogen, und Fooly, der mittlerweile den Namen Nastrodir trug, genoss die Wunder des Drachenlandes ...

Er dachte an Carrie Bird und musste unwillkürlich seufzen, an Nele Großkreutz oder Dylan McMour.

Und nun, er blickte über die Dächer des Gemäuers, war zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder mehrfaches Leben eingezogen.

Begonnen hatte es jedoch ... mit einem Gedanken.

Zamorra ging mittlerweile straff auf die achtzig zu. Nicole und er hatten in den letzten fast fünf Lebensjahrzehnten so viel Wissen im Kampf gegen die Mächte der Finsternis angesammelt, dass dieses Wissen eine ganze Datenbank füllte. Unwillkürlich musste er schmunzeln. Wäre sein Leben eine Spannungsromanserie, nun, tausend Bände hätte er locker damit füllen können, vielleicht sogar tausendzweihundert.

Allein, das Wissen steckte nur in elektronischen Dateien. Doch Zamorra war eben auch Professor für Parapsychologie. Da lag es nahe, sein Wissen an Schüler, an Studenten weiterzugeben. Doch dies, war schon seit Langem nicht mehr erfolgt, sah man mal von einigen Vorlesungen als Gastdozent an verschiedenen Universitäten ab.

Sicher, Nici und er waren durch den Genuss des Wassers aus der Quelle des Lebens relativ unsterblich geworden, was aber auch bedeutete, dass sie durch Fremdeinwirkung sehr wohl sterben konnten.

Und dann? Was blieb dann von ihnen außer Erinnerungen und eine prall gefüllte Datenbank?

Heftromane. Abermals lachte er auf.

Der Zufall hatte ihm in die Hände gespielt. Der Zufall? Oder war alles, was im Multiversum vor sich ging, nicht doch ein zusammenhängendes, aufbauendes und ineinandergreifendes Schicksal?

Egal, begonnen hatte es mit Gyungo Tensöng. Sein ehemaliger tibetischer Lehrmeister hatte beim gemeinsamen Kampf gegen einen Hungergeist nicht nur alle ihm unterstehenden Mönche der Klosters verloren, nein, auch das Kloster selbst war in einem magischen Feuer vernichtet worden. Der Lama stand vor dem Nichts. Und Zamorra hatte ihm eine zweite Heimat angeboten. Gyungo nahm an, war sich jedoch, trotz aller Dankbarkeit, bedeutungslos vorgekommen, da er nun kein Lehrmeister mehr war. Sein Wissen konnte junge Töpfe nicht mehr füllen.

Zamorra atmete tief durch. Die kalte klare Luft tat ihm gut.

Lucia Nowak hatte das Schicksal ebenfalls mehr als übel mitgespielt, wurde sie doch gleich von vier Männern von früher Jugend an vergewaltigt. Durch die jahrelange Traumatisierung wurde in Lucia jedoch ein gewaltiges Parapotenzial geweckt, das bisher passiver, unkontrollierter Natur war. Magische Angriffe auf Lucia verpufften und wurden von ihrem Unterbewusstsein auf Menschen in ihrer Umgebung umgelenkt, in der Regel auf solche, auf die sie bewusst oder unterbewusst einen Groll hegte. Zamorra und Nicole hatten es am eigenen Leibe zu spüren bekommen.

Auch Lucia war mittlerweile auf Schloss Montagne eingezogen. Erste Synergieeffekte stellten sich ein. Die mittlerweile Siebzehnjährige fand ein distanziertes Vertrauen zu Gyungo, und der gut achtzigjährige Mönch hatte ihr bei ihrer Vergangenheitsbewältigung helfen können.

Und dann kam Sam McTaggart. Der Ex-Sergeant aus der US-Armee war nach einem Para-Zwischenfall an der Front unehrenhaft entlassen worden. Seitdem kämpfte er mit aller Gewalt und im Alleingang gegen paranormale Gefahren, wo immer er sie aufspürte. Eine Ein-Mann-Armee gegen die Hölle. Er neigte nicht zu Nähe und Fürsorge. Er war ein Mann der Tat, ein Einzelgänger, knallhart und kompromisslos. Doch auch in ihm steckte ein zutiefst verletzter Mensch, den es behutsam wieder freizulegen galt.

Zamorra konnte sich Sam McTaggart gut als Lehrmeister vorstellen.

Und damit war auch eines klar. Château Montage war kein zweites Hogwarts. Hier würde es nie romantische Gefahren zu bestehen geben, hier würde es wohl nur selten ... ein Happy End geben. Dafür waren alle Beteiligten auf die eine oder andere Weise viel zu traumatisiert. Der Parapsychologe wusste, dass diese Zauberschule, wie sie ihr Vorhaben flapsig nannten, durchaus ein Pulverfass darstellte, das jederzeit hochgehen und alles vernichten konnte.

Doch jedes Wesen im Multiversum besaß das Recht, sich frei von allen Zwängen entwickeln zu dürfen. Das galt für die Lehrer wie die Schüler, das galt aber auch für alle anderen Wesen des Multiversums, die auf die eine oder andere Art unterdrückt wurden.

Damit dies geändert werden konnte, brauchte es mutige Streiter des Lichts. Und dafür boten die Gegebenheiten von Château Montagne beste Voraussetzungen.

Das war das hehre Ziel, das sich Nicole und Zamorra gestellt hatten: Das freie Recht auf Selbstentfaltung im gesamten Multiversum. Eine schier unlösbare Aufgabe, und eine, die nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen war, sicher, doch eine erstrebenswerte. Ihr Beitrag war die Zauberschule, und das Vermitteln von Wissen an die nächste Generation.

Der Meister des Übersinnlichen genoss diese Zeit zum Nachdenken, genoss die Stille und die Sicht über die Landschaft, die sich ihm von der Spitze des Nordturmes aus bot. Da waren Äcker und kleine Dorfschaften, da waren Weinhänge und die Loire, da waren die Autobahn und die Eisenbahn und hin und wieder auch ein Wäldchen. Von Saint-Cyriac her schlug leise die Glocke. Alles sah so friedlich aus.

O ja. Das war eine Pause nach seinem Geschmack. Eine kleine Insel des Kraftschöpfens, eine Auszeit. Nur er war hier, die Stille und die Weite.

Er musste sich bei Pascal bedanken, denn der Bibliothekar, mehr noch: der Freund, hatte ihn auf diese Oase hingewiesen.

Hier oben gab es keine Probleme und schon gar keine Geiseln der Menschheit wie jüngst den Corona-Virus.

Die Menschen erachteten Pandemien als etwas Böses, was sie natürlich nur bedingt waren. Die Viren waren ebenso ein Teil der Natur wie die Menschen.

Doch was brachte die Einsicht im Angesicht der vielen Toten und des unsagbaren Leids?

Pandemien wie Corona waren allerdings nur die sichtbare Spitze des Eisbergs ...

Unter der Oberfläche des Alltags lauerten die Dämonen, die dunklen Gefahren, die geschickt die Medien umgingen.

Die Medien, Zamorra lachte innerlich auf. Diese sogenannten Meinungsbildner, die sich anmaßten, über alles und jeden ihr Urteil fällen zu dürfen, die in der Theorie alles besser wussten, als es die Praxis umsetzte, die ahnten nicht einmal im Mindesten, was die Welt im Innersten wirklich zusammenhielt: Ein überaus kompliziertes Gebilde, das in der Schicksalswaage mündete.

Die Geheimnisse des Multiversums waren zu komplex, als dass es ein sogenannter Meinungsbildner für alle göttergleich zusammenfassen konnte. Doch der Mensch neigte schon immer zur Selbstüberschätzung, anstatt die eigenen Grenzen zu akzeptieren. Schuster, bleib bei deinen Leisten. Diese Erkenntnis wurde schon seit Urzeiten ignoriert.

Der Meister des Übersinnlichen zog die Nase kraus. Er rieb mit dem Leder seiner Handschuhe vorsichtig über das angefrorene Geruchsorgan, was ihm kurzzeitig Linderung verschaffte.

Knarrte da eine Treppenstufe? Zamorra drehte den Kopf leicht nach rechts, um besser hören zu können.

Tatsächlich. Jemand kam vorsichtig die Treppe nach oben.

Vom Gewicht her schied Pascal aus. Lucia und Madame Claire hätte man schon schnauben hören und Butler William sicherlich ebenfalls. Sam wäre heraufgepoltert und Gyungo geschritten. Nicole hätte sich schon längst bemerkbar gemacht oder wäre normalen Schrittes nach oben gekommen. Nein, hier versuchte jemand ja keine Geräusche zu machen oder besser, hier versuchte sich jemand anzuschleichen!

Zamorra tippte auf Faolan, den ehemaligen teuflischen Archivar.

»Du musst nicht Schleichhase spielen, Faolan«, gab der Schlossherr einen Schuss ins Blaue ab. Ein »Verdammt« glaubte er von unterhalb zu hören.

Schon zeigte sich der Kopf des Wölfischen im Turmgeschoß.

»Ich werde abnehmen, Chef, dass du dich nicht mehr gestört fühlst.«

Zamorra schmunzelte und schüttelte den Kopf. »Das lass mal schön bleiben. Ich fühle mich durch dich überhaupt nicht gestört.« Faolan besaß das Aussehen eines aufrecht gehenden und äußerst dürren, dafür aber sehr gepflegten Wolfes. Sein Fell schimmerte seidig und weich.

Der Schlossherr öffnete das Nebenfenster. »Bitteschön.«

Eine Weile sahen beide auf die Landschaft. Schwere Wolken zogen am Horizont auf. Erste Flöckchen fielen vom Himmel.