Professor Zamorra 1071 - Thilo Schwichtenberg - E-Book

Professor Zamorra 1071 E-Book

Thilo Schwichtenberg

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Beschreibung

ZAAHR ...!

Der Erzdämon erwachte.

"Wer ...", begann er und richtete sich auf seinem Lager auf.

Seine beiden Bargoren sprangen auf und hoben knurrend die Nüstern in die Höhe.

Doch da war nichts. Kein Angriff, kein Störenfried.

Seit wann träumten Dämonen denn?

"Runter mit euch und hört auf zu knurren!", befahl er.

Der Erzdämon legte sich erneut auf seine Lagerstatt und schloss die Lider.

ZAAHR ...!

KOMM ZU MIR. KOMM ZUR FLAMMENWAND. ICH HABE EINEN AUFTRAG FÜR - DEN FÜRSTEN DER FINSTERNIS ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Spiel um den Höllenthron

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Lingg

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-1301-7

www.bastei-entertainment.de

Spiel um den Höllenthron

von Thilo Schwichtenberg

ZAAHR …!

Der Erzdämon erwachte.

»Wer …«, begann er und richtete sich auf seinem Lager auf.

Seine beiden Bargoren sprangen auf und hoben knurrend die Nüstern in die Höhe.

Doch da war nichts. Kein Angriff, kein Störenfried.

Seit wann träumten Dämonen denn?

»Runter mit euch und hört auf zu knurren!«, befahl er.

Der Erzdämon legte sich erneut auf seine Lagerstatt und schloss die Lider.

ZAAHR …!

KOMM ZU MIR. KOMM ZUR FLAMMENWAND. ICH HABE EINEN AUFTRAG FÜRDEN FÜRSTEN DER FINSTERNIS …

Vor einiger Zeit

Mit einem gut gefüllten Kristall kehrte er zurück.

Für einen kurzen Augenblick nur schaute Faragol sich in der großen Halle um. Es war beeindruckend, was er im Laufe der letzten Monate geschaffen hatte. Er, der doch »nur« ein Sammler war. Hinter den glasierten Wänden der Halle huschten sie: nämlich all jene, denen er und seinesgleichen habhaft geworden waren.

Seinesgleichen … natürlich war er nicht allein. Doch es war sein Depot, sein Zwischenlager, das nur so lange existierte, bis die derzeitige Trennung von Hölle und Erde endlich der Vergangenheit angehörte. Doch die Kapazität der Halle war mittlerweile erschöpft.

Er betrat den Gang, lief weiter. Anfangs sah er sie auch in den Abzweigungen, doch bald schon hatte er einen Gang erreicht, der noch leer war. Er hielt den faustgroßen Stein in die Dunkelheit. Dann gab er den Impuls an den Kristall. Ein paar Dutzend der Schemen wurden in den Gang geschossen, doch ehe sie kehrt machen und ihn angreifen konnten, hatte er auch diesen Gang fürs Erste versiegelt.

Die Schemen knallen gegen die durchsichtige Barriere, doch er hörte ihre Pein nur gedämpft. Er kehrte in die große Halle zurück, auf seinen Thron, den er sich selbst erschaffen hatte.

Doch dort – saß ein anderer.

Ein Dämon!

»Wer bist du und was willst du hier?«, fragte er unwirsch.

Der Fremde lachte. »Dasselbe wollte ich dich gerade fragen.«

»Dies ist mein Seelendepot. Hier bewahre ich all jene auf, die nach der Überbrückung endlich überführt werden müssen.«

»Falsch«, sagte der Fremde und breitete die Arme aus. »Das hier ist der Garant für einen höllisch schnellen Aufstieg im neuen Reich der Schwefelklüfte. Jetzt entferne dich und beschaffe mir Nachschub!«

»Du weißt, dass das nicht den Regeln entspricht!«

»Och«, machte der fremde Dämon. »Die schlechte alte Hölle ist nicht mehr. Neue Hölle, neue Gesetze.«

»Das mag sein, doch die Gesetze sind gleich geblieben!«

»Was weißt du schon, Sammler! Geh deiner Pflicht nach und überlass das Regieren den Großen.«

Faragol zeigte mit seinem Kristall auf den Dämon. »Ich bin nicht ungefährlich.«

Im nächsten Moment spürte er bereits, dass diese Ansage absolut dämlich gewesen war. Denn eine Sekunde später spürte er schon, dass er aus seinem eigenen Depot hinauskatapultiert wurde …!

***

AvalonNeue Hölle

»Ich habe dieses äonenlange Geplänkel endgültig satt! Es kann nur einen geben – und der bin ich! Ich werde dieses Weib nicht nur in ihre Schranken verweisen, sondern vernichten! Avalon ist ein Geschwür in der Hölle. Und Geschwüre müssen, bevor sie sich ausbreiten, vernichtet werden!«

Tosender Beifall brandete im Thronsaal auf und zum Redner empor.

Merapis lächelte still in sich hinein. Mit ein wenig Terror, Angst und Schrecken, cholerischen Anfällen und etwas Schwund, mit dem man immer rechnen musste, war jedes Volk hinter seinen Herrscher zu bringen.

Vor ihm, auf der obersten Stufe des Thronsaals, stand der zukünftige Alleinherrscher der Schwefelklüfte, der Herr der finsteren Abgründe: Zaahr. Dessen riesige Gestalt überragte alle und jeden um gut das Doppelte. Er besaß mächtige Flügel, Hörner und Schweif, ledrige braune Haut, ein dreieckiges, uralt aussehendes Bocksgesicht mit tiefschwarzen Augen, die darin kaum auffielen.

Merapis schaute zum Blutthron des Dämonenfürsten, vor dem Zaahr stand, flankiert von zwei mächtigen Höllenhunden, den Bargoren. Was für einen Narren sein Herr an diesen Abscheulichkeiten gefressen hatte, verstand Merapis nicht. Ihre raubtierähnlichen Schädel besaßen Stachelmähnen und lange, leicht nach hinten gewundene Hörner. Ihre Vorderpranken waren mächtige Tatzen, während die hinteren Extremitäten in gefährlich zuschlagenden Hufen endeten. Gefährlich war zudem der Schwanz, denn dort hockte ein weiterer kleiner Schuppenkopf mit einem gefächerten Hornkranz und äußerst giftigen und scharfen Zähnen.

Der Reptildämon sah auf die verzerrten, unendlich leidenden Gesichter in der Lehne des Höllenthrons. Ihre Münder waren zu stummen, ewig währenden Schreien geöffnet. Ihre zu Klauen verkrümmten Nebelfinger schabten und bohrten unter der Oberfläche. Vergebens versuchten sie, sich aus dem peinigenden Seelenfeuer zu befreien.

Merapis seufzte verhalten. Sie mussten gut mit diesen Seelen haushalten, da aus bisher unbekannten Gründen der Seelenstrom in die Hölle versiegt war. Wo der ursprünglich überhaupt hergekommen war, wusste er selbst nicht. Warum hatte sich in all der Zeit noch niemand mit dieser Frage befasst und vor allem: Warum gab es ihn plötzlich nicht mehr?

Merapis spürte, wie es auch alle anderen spürten: Die Hölle begann langsam abzukühlen oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Die Hölle wurde krank.

Neue Seelen – oder vielmehr deren Fehlen – war der Hauptgrund dafür, warum die Höllischen Heerscharen unbedingt vereint werden mussten. Danach konnte man endlich zum alles vernichtenden Schlag gegen Lilith ausholen. Denn nur über den Schlund, der sich im Refugium der Herrin vom See befand, führte der Weg zu LUZIFERs FLAMMENWAND. Dahinter würden die Antworten des HÖLLENKAISERs liegen. Zum Beispiel, wo der Seelenstrom herkam und wie er erneut hergestellt werden konnte.

Zaahr hatte vor Kurzem den Ruf LUZIFERs empfangen. Machtgierig war er schon immer gewesen, doch nun war er sprichwörtlich von der Idee besessen, die Hölle zu einen, um als erster, einziger und ewiger »Fürst der Finsternis« in die Annalen der Höllengeschichte einzugehen. Mit dieser Legitimation konnte er dann zu seiner ersten Audienz beim HÖLLENKAISER vor die FLAMMENWAND treten. Vorausgesetzt natürlich, er schaffte Lilith, die Herrin vom See, aus dem Weg.

Äonenlang hatten sich die Höchsten der Hölle wie Zaahr, Melmoth, Berith, Mandurugo oder Grulfin befehdet, doch nun war endlich Zaahr von LUZIFER auserwählt worden, diese kleinlichen Streitereien zu beenden und sich über die ganze höllische Brut zu erheben.

Merapis blinzelte und betrachtete erneut den Blutthron. Die Seelen waren nicht mehr alleiniger Bestandteil der höllischen Sitzgelegenheit. Um seine Ambitionen auf den künftigen Titel »Fürst der Finsternis« zu untermauern, hatte Zaahr weitere Legitimationen in Bezug auf seinen Anspruch gesammelt: Melmoths Spinnenpanzer, die Fangzähne der Vampirfürstin Mandurugo oder die Schädel von Liliths Priesterinnen und Ur-Dämonen, sie alle zierten mittlerweile seinen Lieblingssitz. Hatte sich der Herr der finsteren Abgründe erst einmal zum Fürsten der Finsternis ausgerufen, so würde er, Merapis, bisheriger Berater des großen Zaahr, zum höllischen Erzkanzler aufsteigen. Also dann, dachte er und hob seine von der Gicht gezeichnete Schuppenpranke. Die Jubelschreie verstummten nach und nach, denn so war es abgesprochen.

»Herr, um Lilith zu vernichten, müsstet Ihr die Höllischen Heerscharen einen.«

»Natürlich«, schrie Zaahr. »Was denn sonst! Und wie du weißt, habe ich das auch schon getan.« Sein Körper glühte kurz auf.

»Herr, das würde bedeuten, dass Ihr künftig einen neuen Titel tragen dürft«, schmeichelte Merapis mit heiserer Stimme. »Ganz so, wie es das ewige Buch des Bösen geweissagt hat.«

»Welchen Titel?«, donnerte der Gehörnte.

Jetzt kommt mein Auftritt, dachte Merapis stolz. Er, der greise Reptildämon, würde nach all den Äonen nun doch noch ein wichtiges Zahnrädchen im Gefüge der Hölle werden. Nicht immer kam es auf Kraft und Größenwahn an. Manchmal erreichte man sein Ziel auch durch Speichellecken und Köpfchen. Merapis öffnete das Buch, das er bis jetzt in den Pranken gehalten hatte. Die Seiten waren aus Menschenhaut gefertigt und mit Blut beschrieben worden. Es hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass es bereits vor Beginn der Hölle existiert hatte.

Vorsichtig blätterte er mit seinen spitzen Krallen die Seiten um. Niemand im Thronsaal sprach ein Wort. Alle hingen gebannt an seinen Lippen. »Im Buch des Bösen, der Hölle und der Finsternis steht, dass das mächtigste Amt – gleich unter KAISER LUZIFER – das des Fürsten der Finsternis ist. Und nur der Mächtigste unter den Höllischen hat ein Anrecht auf diesen Titel.«

Unterwürfig und devot, das wusste Merapis, hatte Zaahr seine Untergebenen am liebsten. Allerdings war er stolz darauf, Zaahr in einer geheimen Unterredung klargemacht zu haben, dass es geschickter war, das Volk glauben zu lassen, es habe ihn auserkoren, als gleich zu verkünden, er sei durch LUZIFERs Gnaden zu ihrem Herrn geworden.

Um die spontanen Gedanken der Heerscharen allerdings perfekt zu kanalisieren, hatte Merapis mehrere Dutzend bezahlte Beifallsklatscher in der Audienzhalle verteilt.

Erst rief einer, dann zwei, dann vier, bald acht von ihnen Zaahrs Namen – und setzten so eine ungezwungen wirkende Lawine der Begeisterung in Gang.

Die Höllischen Heerscharen schauten sich kurz an, dann riefen sie in einem gewaltigen Sprechchor: »Zaahr, der mächtige Zaahr soll Fürst der Finsternis sein! Du sollst uns führen. Niemand ist dir gleich!«

Plötzlich umloderten Flammen die große Teufelsgestalt. Dann dröhnte seine Stimme, und das Echo hallte gespenstisch von den Wänden wider: »Ihr habt recht getan! Denn ich, Zaahr, der mächtigste Erzdämon in den Gefilden der Hölle wurde von KAISER LUZIFER persönlich auserwählt, um fortan als Fürst der Finsternis die vereinte Hölle in die alles entscheidende Schlacht gegen dieses Weib Lilith zu führen. Tragt deshalb folgenden Befehl in jeden Winkel der Schwefelklüfte: In einer Woche gibt es meine Inthronisation und die öffentliche Huldigung hier vor dem Blutthron des Fürsten der Finsternis. Wer nicht erscheint, ist ein Feind der Hölle und Feinde der Hölle, werden vernich …«

In diesem Moment explodierte der Blutthron. Eine alles verzehrende Flammenfront aus rotschwarzen Feuerwalzen jagte über Zaahr, Merapis und all die anderen Dämonen, Unterdämonen, Teufel, Hexen, Sukkuben, Inkuben, Vampire, Werwesen und Irrwische hinweg.

***

Harz, ElbingerodeGrube Büchenberg, Schacht III

Diese Stille!

Michael schaltete seine Stirnlampe aus und genoss die Finsternis. Hin und wieder fiel ein Tropfen ins Wasser, dann gluckste es irgendwo in der Schwärze kurz auf. Ein Windzug durchfuhr den Stollen, kitzelte seine Wangen, und trieb hinauf in den Schacht.

Kein nervendes Weltgeschehen, keine Missstände von Arbeit, keine zwischenmenschlichen Streitereien. Nichts. Hier unten war nichts. Nur stille, starre und verrottende, aber vor allem wunderschöne Vergangenheit.

Er befand sich in einem gigantischen Hamsterbau. Mit Hunderten von Gängen und Kammern. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Vorratskammern leer waren, die Schätze gehoben.

Nein, nicht ganz. Michael gestattete sich ein Lächeln. Andere Schätze waren zurückgeblieben. Vor allem aber waren sie über die Zeit hinweg gereift.

Er schaltete die Lampe wieder an und folgte mit den Augen ihrem Lichtkegel. Ein verrosteter Schienenstrang führte in die Dunkelheit des Stollens. Er sah eine vergammelte Grubenlok, Dutzende Kipploren, einen Schrapper und Stromkästen. Allesamt mit einer braunroten Streuselschicht bedeckt.

Man hatte das alles hier unten zurückgelassen. Damals, Ende der 60er Jahre.

Was die Nazis einst begonnen hatten, führte die DDR-Regierung nahtlos weiter: die Förderung von Eisenerz. Später wurden neue Vorkommen entdeckt und das Bergwerk ausgebaut. Ein neuer Schacht wurde abgeteuft und ein riesiges Fördergerüst aufgestellt. Als alle Neuerungen in Betrieb gehen sollten, entschied sich das ZK der SED plötzlich gegen die Weiterführung des Erzbergbaus im Ostharz. Man bezog das Roheisen lieber vom Großen Bruder, der UdSSR. Die Grube wurde 1970 stillgelegt. Doch Zeit zum Herausholen der neuen Technik blieb nicht, da die Pumpen versagten und das Bergwerk von der achten bis zur zweiten Sohle absoff. Erst später hatte man es geschafft, zumindest die zweite und dritte Sohle wieder trocken zu legen. Für all das technische Gerät war es allerdings zu spät gewesen.

Und nun verkam alles hier unten.

Verkam? Michael gestattete sich ein Lächeln. Nein, es wurde fotogen! Der Zahn der Zeit hatte aus den Untertagerelikten wahre Kunstwerke geschaffen. Hier unten befand sich eine Schatzkammer. Und diese galt es fototechnisch zu heben und einer breiten Community zur optischen Erbauung zur Verfügung zu stellen. Seine Fotos waren Stillleben, wie sie einzig die Zeit arrangieren konnte. Er selbst leuchtete nur aus, drückte auf den Knopf und konservierte diese Stimmungen für die Nachwelt.

Michael drehte sich und sah in die andere Richtung. Knapp unter ihm lag wieder die Schwärze. Doch war es diesmal nicht der Stollen, sondern der bis hierhin abgesoffene Schacht, der weitere hundert Meter tief, senkrecht in den Berg führte. Dort hinein wollte er sich wieder begeben, und so legte er endlich seine Taucherausrüstung an.

Der schlanke Endzwanziger machte sich nichts vor. Das, was er hier tat, war absolut illegal. Es war strengstens verboten, in die alten Bergwerke hinabzusteigen. Es bestand nach wie vor akute Lebensgefahr.

Niemand wusste von seinen Vorstößen in die Untertagewelt des Harzes, doch alle lobten seine Fotos. Da er sie nie betitelte, wussten die wenigsten, wo sie aufgenommen worden waren.

Wenn ihm jemals etwas zustoßen würde – Hilfe konnte er natürlich nicht erwarten. Doch dieses Risiko ging er ein. Es wartete niemand zu Hause auf ihn. Keine Eltern, keine Geschwister, keine Ehefrau und keine wirklichen Freunde. Er war ein Einzelgänger, der die Herausforderung liebte. Der bewundert und einzig über seinen Internetauftritt definiert werden wollte, auf dessen Seiten er die Kunstwerke der einstigen Industriekulturen publikumswirksam präsentierte, auf dem er aber auch angefeindet wurde.

Für die Bilder der konservierten Schönheiten in den trockenen Stollen hatte er bereits genügend Lob erhalten. Deshalb war er in den letzten Monaten auf die vierte Sohle hinabgetaucht und hatte begonnen, Unterwasserfotos zu schießen. Bei dieser Art von Bildern wurde das Stillleben noch um die Nuance der Mystik erweitert, denn es gab da diesen gewissen Schleier, den das Wasser erzeugte.

Interessant waren hier unten besonders die Böcke, Kisten oder Abstützungen aus Holz. Michael konnte die jeweilige Bestimmung noch erkennen, doch berührte er sie, stellte er schnell fest, dass sie nur noch ein Schatten ihrer selbst waren, da sie sich bei Kontakt einfach auflösten.

Die Community liebte seine Fotos und stachelte ihn an, immer verwegenere Bilder und mit ihnen auch den Nervenkitzel auszuprobieren. Nun war mittlerweile auch die vierte Sohle fototechnisch ausgereizt. Was blieb ihm denn anderes übrig, als zur fünften und sechsten Sohle vorzustoßen, auch, wenn diese Tiefen für Menschen nicht mehr geeignet waren?

»Versuch macht kluch«, hieß es bei den Versuchsingenieuren. Also versuchte sich Michael im Abtauchen. Klaustrophobie war hier fehl am Platze, denn zur Enge kam noch die Dunkelheit.

Er ließ sich ins Wasser fallen und hangelte sich an den alten Leitungen, die sich an der Schachtwand befanden, nach unten. Das kalte Wasser umschmiegte seinen Körper und ließ ihn trotz seines Neoprenanzuges frösteln. Der Lichtkegel riss einen Teil der Betonwand samt ihren Leitungen aus der Dunkelheit, und bald zeigte seine Lampe das schwarze Oval der vierten Sohle.

Tiefer und immer tiefer ließ er sich sinken. Es war egal, ob draußen Tag war oder Nacht, er hatte Urlaub, niemand würde ihn in der nächsten Zeit vermissen.

Der Druck nahm zu, das spürte Michael, doch unangenehm wurde er nicht. Weder in seinen Ohren, noch sonst irgendwo am Körper. Stück für Stück hangelte er sich an den verrosteten Leitungen weiter in die Tiefe hinab.

Nach Minuten (oder waren es Stunden?), sah er das nächste Oval, die 5. Sohle. Das waren ganze einhundert Meter unter Wasser! Das Auftauchen allein würde Stunden dauern!

Gerade als er in den Gang schwimmen wollte, sah er etwas unter sich aufglimmen. Eine Sinnestäuschung? Hatte er Halluzinationen? Hatte er doch seine Grenze überschritten?

Er verharrte, horchte weiter in sich hinein. Sein Pulsschlag hatte sich reichlich erhöht. Aber sonst? Er konnte klar denken, glaubte er zumindest.

Schon wieder! Etwas glomm orangefarben aus der Tiefe zu ihm herauf.

Ehe er sich versah, hatte er wieder die Leitungen umschlossen, die in die Tiefe führten. Michael hangelte sich weiter nach unten, weitere 60 Meter ins Innere des Berges! Das konnte doch kein Mensch aushalten! Er musste unweigerlich durch den Druck des Wassers zerquetscht werden. Doch Michael verspürte nicht wirklich eine Reaktion auf seinen Körper. Eigentlich war das absurd.

Was tat er hier, mitten im Bauch des Berges, in einem schwarzen Schacht voller Wasser? War er, ohne es zu wissen, doch dem Wahnsinn anheimgefallen?

Seine Beine baumelten plötzlich in der Luft. Ehe sich Michael versah, glitt er aus dem Wasser und fiel auf den trockenen Boden der sechsten Sohle!

***

AvalonNeue Hölle

»Fürst der Finsternis!« Der Bargor gönnte sich ein kehliges Lachen.

Doch seine Augen verfolgten weiterhin angespannt die Geschehnisse in dem glasähnlichen Empfänger-Stein. In dessen Zentrum war gerade die Explosion in Zaahrs Thronsaal übertragen worden.

Die Sender, zwei Steine aus demselben Material, baumelten jeweils am Hals der beiden Höllenhunde Zaahrs.

Das Bild drehte sich schnell und wurde dunkel. Auch seine beiden Kinder waren leider von der Feuerwalze erfasst worden. Alles andere wäre aufgefallen.

Seine Vorderpranken krallten sich in die Knäufe der Armlehnen seines Thrones, der aus dem magischen Gestein seines ehemaligen Schlafplatzes bestand. Dann beugte er seinen Oberkörper etwas nach vorn, kniff die Augenlider zusammen und fixierte das Bild. »Er wird trotzdem überlebt haben.«

»Bist du sicher?«

Er sah sein Gegenüber kurz an. Faszinierend und abstoßend zugleich kauerte sein Verbündeter – oder besser: seine Marionette – neben ihm. Sein eigenes Blut, Bargorblut, floss im Körper des anderen. Ganz so, wie sein Lehrmeister Asmodis es ihm beigebracht hatte.

»Zaahr tut so, als wenn er der einzige Kandidat wäre, dem LUZIFER in die Gedanken gesäuselt hat. Nun, ich weiß es besser. Und dank Asmodis habe ich ein paar wichtige Informationen dazu erhalten.«

Sein Gegenüber klackte mit seinen Beißwerkzeugen. »Wer, wenn ich fragen darf, ist Asmodis, mein Fürst?«

»Die Hölle ist krank, das spüren wir alle«, fuhr der Bargor, statt eine Antwort zu geben, fort. »Der Seelenstrom ist versiegt. Die Verbindung zur Erde ist, warum auch immer, gekappt.«

»Die Erde, mein Fürst?«