Professor Zamorra 1072 - Manfred H. Rückert - E-Book

Professor Zamorra 1072 E-Book

Manfred H. Rückert

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Beschreibung

Die Herrin war zutiefst unzufrieden. Das zeigte sie ihren Untergebenen überdeutlich. Zu viele Tage waren vergangen, seitdem ihre Sklaven, ihr rechtmäßiges Eigentum, verschwunden waren!

Keiner der Sucher, die sie hinterher geschickt hatte, konnte ein Auffinden der Gesuchten melden. Das konnte die Herrin nicht einfach so hinnehmen. Jeder dieser Erfolglosen wurde mit dem Seelenfrost bestraft und begrüßte anschließend den Tod als seinen besten Freund.

Die Herrin selbst durfte sich nicht zu weit in Feindesland wagen, das gab ihre Paranoia nicht her. Aber sie konnte ihre zuverlässigste Untergebene schicken. Jemand, der sie bisher noch nie enttäuscht hatte.

Shenandorah ...!

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Seitenzahl: 130

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Inhalt

Cover

Impressum

Hexenjagd

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: JRDomingo / Norma

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-1302-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Hexenjagd

von Manfred H. Rückert

Die Herrin war zutiefst unzufrieden. Das zeigte sie ihren Untergebenen überdeutlich. Zu viele Tage waren vergangen, seitdem ihre Sklaven, ihr rechtmäßiges Eigentum, verschwunden waren!

Keiner der Sucher, die sie hinterher geschickt hatte, konnte ein Auffinden der Gesuchten melden. Das konnte die Herrin nicht einfach so hinnehmen. Jeder dieser Erfolglosen wurde mit demSeelenfrostbestraft und begrüßte anschließend den Tod als seinen besten Freund.

Die Herrin selbst durfte sich nicht zu weit in Feindesland wagen, das gab ihre Paranoia nicht her. Aber sie konnte ihre zuverlässigste Untergebene schicken. Jemand, der sie bisher noch nie enttäuscht hatte.

Shenandorah …!

»Des Menschen größter Verdienst bleibt wohl, wenn er die Umstände soviel als möglich bestimmt und sich sowenig als möglich von ihnen bestimmen lässt.«

Johann Wolfgang von Goethe, deutscher Dichter (1749 – 1832)

Château Montagne, Loire-Tal

Ein lang gezogener Schmerzenslaut klang durch das Arbeitszimmer von Professor Zamorra de Montagne. Ein schlanker Mann, der Mitte fünfzig sein mochte, kniete auf dem Boden und verzog das Gesicht.

»Verdammt noch mal! Irgendwann muss das ein anderer machen«, stöhnte der Butler und richtete sich wieder auf, wobei er sich an der Platte des Arbeitstisches abstützte. Er hielt die Hände in Hüfthöhe gegen die Seiten gestemmt und stieß die Luft aus. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. »Ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste.«

Die Feststellung stimmte, obwohl William trotz der schütteren, dunkelgrauen zurückgekämmten Haare weit jünger aussah als er in Wahrheit war und sich auch zumeist so fühlte. Doch woran das lag, verriet er noch nicht einmal seinem langjährigen Brötchengeber.

In und um Zamorras Schloss Château Montagne herum gab es immer Arbeit. Mehrmals pro Woche kamen Gärtner und Handwerker aus dem 300-Seelen-Dorf, das unterhalb des Schlosses lag. Zwei Reinigungskräfte und Madame Claire, die Köchin, gingen ebenfalls hier ein und aus. Sie arbeiteten nur stundenweise. Im Gegensatz zu ihnen war William der Einzige, der es auf über 40 Stunden in der Woche brachte. Ihm oblag das Kommando im Schloss, wenn sich die Herrschaften außerhalb befanden. Er besaß das uneingeschränkte Vertrauen von Zamorra de Montagne und Nicole Duval. Er hatte es noch nie ausgenutzt und sich stets als zuverlässig erwiesen.

Ohne William wäre Château Montagne nur halb so viel wert. Nach dem Tod seines Vorgängers, Raffael Bois, war er die gute Seele des über 900 Jahre alten Gemäuers. Das Château wurde um das Jahr 1100 herum von Zamorras schwarzmagischem Vorfahr Leonardo de Montagne als für damalige Begriffe recht futuristische Festung erbaut. Die architektonischen Grundzüge waren bis heute erhalten geblieben und ließen das Bauwerk als eine Mischung aus mittelalterlicher Burg und halbwegs modernem Schloss erscheinen. Mittels Schwarzer Magie und unzähliger Sklaven hatte Leonardo darüber hinaus ein Labyrinth von Gängen und Kammern tief in den gewachsenen Fels treiben lassen. Obgleich Hanglage, gab es eine das Château und den dahinterliegenden Mini-Schlosspark umgebende Wehrmauer mit Zugbrücke und an der Frontseite einen »Burggraben«, der seit vielen Jahren natürlich leer war. Die Feinde kamen heutzutage nicht mehr mit dem Rammbock und mussten nicht mehr mit kochendem Öl abgewehrt werden.

Im Nordturm des Châteaus hatte Zamorra sein Arbeitszimmer im zweiten Stock eingerichtet. Das Zimmer besaß ein von der Decke bis zum Boden reichendes Panoramafenster, das den Blick über die Loire und das kleine Dorf im Tal erlaubte; von außen war es getarnt und sah aus wie Mauerwerk und ein normal-kleines Fenster. William leistete sich den Luxus, seinen Blick einige Sekunden über die Loire schweifen zu lassen.

Der Butler war etwas zerstreut. In den letzten Monaten ging es ihm mehrere Male körperlich schlecht. Er wusste, woran es lag, und genau das war auch der Punkt, weshalb er des Öfteren Angst hatte.

»Dabei habe ich auch so schon lange genug gelebt«, murmelte er fatalistisch.

Er beendete seine Aufgabe im Arbeitszimmer. Sein Blick glitt über den großen hufeisenförmig geschwungenen Arbeitstisch mit den drei Plätzen, die Zugriff auf das hochleistungsfähige Computersystem erlaubten. Alles war aufgeräumt und blitzte vor Sauberkeit. Nicht ein Staubkörnchen war zu sehen. William hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Das war die Mindestanforderung, die er als Perfektionist an sich selbst stellte. Weniger ließ er nicht gelten.

»Keine Pause! Weiter ins Kaminzimmer!«, trieb er sich an. Er war mit seiner Arbeit im zweiten Stock fertig und würde nach dem Zurechtmachen des Kaminzimmers in der Küche bei Madame Claire einen wohlverdienten Tee trinken. So hielt er es an jedem Arbeitstag seit vielen Jahren.

Er streckte die Hand nach der Klinke aus und zuckte zusammen, gerade so als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten. Er spürte regelrecht, wie die Kraft aus ihm herausfloss.

Beginnt es schon wieder?, durchzuckte ihn die Furcht, dann kam die Erkenntnis: Die Abstände werden immer kürzer!

Er öffnete die Tür, betrat den Gang und bewegte sich vorbei an Zamorras besonders geschütztem »Zauberzimmer« – in dem der Meister des Übersinnlichen seine magischen Experimente vornahm – in Richtung Treppe. Auf dem breiten Korridor, an dessen den Fenstern gegenüberliegender Wand hing eine lange Reihe von Ahnenporträts.

Ich sollte besser in mein Zimmer gehen, nahm er sich vor. Dort würde er auf jeden Fall sicher sein. Dort befand sich auch sein Hilfsmittel. Auch wenn er nicht mehr allzu viel davon besaß.

Der Butler blieb an der unteren Tür zur Bibliothek stehen, die sich über zwei Stockwerke erstreckte, schloss kurz die Augen und griff mit beiden Händen gegen die Schläfen. Mit einem Mal plagten ihn starke Kopfschmerzen, die Umgebung verschwamm vor seinen Augen.

Wenn ich hier oben liegen bleibe, findet mich niemand, erkannte er. Die Archivare Pascal Lafitte und Faolan, das neue Mitglied der Schlossbewohner, befanden sich derzeit nicht hier. Ebenso wenig die Schlossherren. Sie befanden sich noch in Deutschland und wollten erst morgen wieder zurück sein. Was soll ich tun?

Er verwarf die Idee, sein Zimmer aufzusuchen, das im dritten Stock lag, und beschloss gleich in die Küche zu gehen und Madame Claire den Besuch abstatten. Sie hatte bestimmt schon mit dem Zubereiten des Mittagessens begonnen. Seine Gedanken verwirrten sich. Weshalb er sich zu diesem Entschluss durchgerungen hatte, konnte er sich in diesem Zustand nicht erklären.

Es kann nicht schon wieder soweit sein! Bitte nicht!

William ging die Treppe langsamer hinab als gewöhnlich. Er hielt sich am Geländer fest und schnaufte schwer. Körperlich war er noch recht gut in Schuss, schließlich betätigte er sich, so oft er konnte, in den auf das Modernste eingerichteten Trainingsräumen des Châteaus. Die Kurzatmigkeit musste also andere Gründe haben.

Seine um das Geländer verkrampfte Hand vibrierte. William hob die Linke und hielt sie in Bauchhöhe. Beide Hände zitterten. Außerdem erfüllte ihn wie aus dem Nichts heraus eine innere Unruhe.

Nein! Nicht schon wieder!, protestierte er in Gedanken, obwohl er wusste, dass es keinen Zweck hatte, sich gegen das Schicksal aufzulehnen. Ich will das nicht!

Die Härchen in Williams Genick stellten sich auf. Eine eisige Hand schien seine Wirbelsäule entlang zu gleiten. Sein Herz schlug schneller. Der Butler kniff die Augen etwas zusammen, sodass eine v-förmige Stelle zwischen den Brauen erschien.

Im Erdgeschoss angekommen torkelte er und begab sich gleich rechts nebenan ins Kaminzimmer. Bei den Temperaturen Ende Juni stand die Zimmertür stets offen. Er schloss die Tür und wollte mit seiner Arbeit beginnen. Alles drehte sich vor Williams Augen. Er stützte sich mit der rechten Hand auf dem großen Tisch ab und atmete schwer. Mit der linken wischte er über die Stirn und schüttelte den Kopf. Von einer Sekunde auf die nächste sah er um mindestens dreißig Jahre älter aus.

»In die Küche … zu Claire …«, murmelte er mit krächzender Stimme. Er kam nicht mehr dazu, seinen Vorsatz wahr zu machen. Er verdrehte die Augen und sackte zusammen.

William hatte Glück. Auf dem zwischen Kamin und Tisch liegenden Bärenfell, auf dem sich Zamorra und Nicole oft des intimen Ringkampfes befleißigten, schlug er mit dem Hinterkopf auf.

Madame Claire bemerkte nichts davon, dass ihr Freund bewusstlos war. Sie war in ihrem Element und kochte in der dem Kaminzimmer schräg gegenüberliegenden Küche. Die auf höchster Stufe laufende Dunstabzugshaube übertönte alle Geräusche.

***

Irgendwo

Shenandorah fühlte sich in der Trümmerhöhle nicht wohl. Sie fragte sich, warum sie hierher gerufen worden war. Und weshalb sie so lange warten musste, bis sie angesprochen wurde. Die Herrin hatte sie bei der Kontaktaufnahme doch zur Eile angetrieben. Weshalb also ließ sie ihre Dienerin jetzt warten? Shenandorah würde sie jedoch nicht laut nach dem Grund ihres Tuns fragen, sie wusste, wie unbarmherzig die Auftraggeberin auf kritische Fragen ihrer Untergebenen reagierte.

Düsternis und Zerfall erfüllten den Hohlraum, in dem sich ihr gegenüber die Meisterin aufhielt. Noch vor wenigen Jahren hatte sich hier ein weitläufiger Tempel befunden, in dem einer abstrusen Gottheit gehuldigt wurde, die der Fantasie eines kranken Gehirns entstammt sein musste. Jetzt war kein Anbeten oder Verehren mehr möglich, denn die Decke war heruntergebrochen. Viele Millionen Tonnen festen Gesteins hatten fast alles dem Erdboden gleichgemacht. Nur ein schmaler, von Schwefelgestank erfüllter Gang führte bis ans ehemalige Zentrum der Höhle.

Shenandorah blickte sich um. Sie musterte die Umgebung und verzog den Mund. Hier gefiel es ihr nicht. Sie war einiges gewohnt und zumeist nicht wählerisch mit ihren Rückzugsorten, aber selbst sie als schwarzmagisches Wesen stellte gewisse Mindestanforderungen an einen Ort, der sie repräsentierte.

Aber das hier kam ihr vor wie ein Albtraum. Irgendetwas musste sich die Herrin dabei denken, wenn sie Shenandorah unbedingt hier treffen wollte. Sie machte nichts ohne Hintergedanken.

In dieser Höhle wohnte das Böse schon seit Tausenden von Jahren, das hatte die Hexe dank ihrer Magie schon vom ersten Augenblick an gespürt. Die negative Ausstrahlung dieses Ortes war enorm. Selbst die abgebrühtesten Menschen hielten weiten Abstand zu dem Tempel, der mitten im Gebirge eines unglaublich großen Ödlands lag. Ab einer bestimmten unsichtbaren Grenze kam niemand näher, sogar Tiere hielten sich fern. Hier war schon seit Jahren kein Mensch mehr gewesen. Shenandorah nickte unwillkürlich. Die düstere Ausstrahlung, die stets im Hintergrund lag, passte perfekt zu der Herrin.

Shenandorah war mit einem Meter und achtzig etwas größer als die Herrin und sehr schlank. Die dunklen Haare trug sie schulterlang, das Gesicht war von hellen Zeichen verziert, der Oberkörper von dunklen. Sie trug als Kleidungsstück oben ein Bolerojäckchen, die Brüste waren dabei stets halb bedeckt. Die Hose mit dem Nietengürtel ging bis zu den Waden. Sie benötigte keine Schuhe, selbst hier in der Kälte nicht.

Ihr Blick suchte die Meisterin. Sie wollte endlich wissen, weshalb sie hierher zitiert wurde. Doch die Befehlsgeberin dachte nicht im Traum daran, ihren Wunsch zu erfüllen.

Die Unheimliche stand mit ausgebreiteten Armen in majestätischer Haltung vor den Überresten eines Altars, an dem getrocknetes, schwarzes Dämonenblut klebte und große Löcher in das Gestein gefressen hatten. Es handelte sich um ein überschlankes, nacktes, geschlechtsloses Wesen mit einem länglichen, unglaublich hässlichen Kopf, der von schulterlangen schwarzen Haaren umgeben war. Ihr Gesicht schien sich ständig zu verändern, gerade so, als gehörte es zu mehreren unterschiedlichen Wesen. In manchen Augenblicken vermeinte man sogar, das Antlitz einer attraktiven Frau darin zu sehen.

Shenandorah war fasziniert von dieser Entität. Die negative Ausstrahlung war so stark, wie sie es noch nie zuvor bei einem anderen Wesen gespürt hatte. Nie zuvor hatte jemand sie so beeindruckt. Keinem anderen fühlte sie sich so verpflichtet.

Die Bösartige kümmerte sich nicht um ihre Besucherin, stattdessen rezitierte sie einige magische Formeln. Sie hatte sie noch nie zuvor benutzt und war erfreut, dass sie wirkten, denn sie hatte nur durch Zufall von ihnen erfahren. Sie lagen genau wie die anderen Zauber- und Bannsprüche hier im Staub der Jahrtausende herum, wie alles, was sonst noch geschah. Man musste nur wissen, wo sie zu suchen waren.

Sie wusste es sehr genau. Sie wusste anscheinend auch, wie sie die Geduld ihrer Untergebenen ins Unendliche steigern und damit strapazieren konnte.

Shenandorah konnte den Blick nicht mehr von der Herrin wenden. Schwarze, pulsierende Adern schimmerten unter ihrer transparenten Haut und spannten sich um die dürren Extremitäten. Eins ihrer Opfer hatte vor seinem Tod behauptet, dass durch diese Adern reine Bosheit floss. Shenandorah konnte das bestätigen. Niemand, der je mit der Meisterin zu tun hatte, würde dieser Aussage widersprechen.

Aus dem Nichts heraus entstand das Bild zweier Wesen vor den Augen der Hexe. Bei dem einen handelte es sich um ein laufendes Skelett, das einen grüngrauen Umhang mit Kapuze trug und in dessen leeren Augenhöhlen es in einem rötlichen Ton irrlichterte. Das andere war ein stoisch dreinblickender Mann mit kurzen schwarzen Haaren. Er trug ein dunkles Sweatshirt und eine Jeans. Turnschuhe vervollständigten das Äußere des Mannes. So gekleidet würde er nicht allzu sehr Aufsehen erregen. Die Unauffälligkeit war sein größter Trumpf.

»Der Knöcherne ist Chaldron, der andere heißt Jaroslav«, sagte eine Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien. »Sie sind magische Zwillinge und gingen bei einem Einsatz … verloren.«

Die Herrin betonte das letzte Wort, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Doch den Gefallen tat sie ihrer Befehlsempfängerin nicht. Ihr Glaubensbekenntnis lautete: »So viel Druck wie möglich und so wenig Informationen wie nötig.« Trotzdem erschien kurz das Abbild einer schlanken Frau mit goldfarbenen Haaren vor Shenandorahs innerem Auge.

»Und du hast die Ehre und die Verpflichtung, die beiden zu suchen«, lautete der Befehl. »Von Chaldron heißt es, dass er verweht wurde, aber das glaube ich erst, wenn ich Beweise dafür kriege. Zu Jaroslavs Verschwinden gibt es keine weiteren Angaben. Ihn benötige ich noch mehr. Er soll meine ganze Gunst empfangen.«

Shenandorah senkte den Kopf als Zeichen dafür, dass sie verstanden hatte. Dieser Jaroslav sollte bestraft werden wie noch kein Wesen vor ihm. Und sie war diejenige, die ihn finden sollte. Ihn – oder seine Überreste. Sie musste zumindest irgendetwas von ihm finden, ansonsten würde es auch ihr schlecht gehen.

»Die Frau mit den goldenen Haaren heißt Teri Rheken«, erklärte die Befehlsgeberin. »Sie ist eine Silbermond-Druidin und wurde von Chaldron und Jaroslav gesucht, weil sie einen Auftrag zu erfüllen hat. Sie war es, die mir Chaldron entrissen hat.«

Sie ließ ein Abbild der Ereignisse in Shenandorahs Bewusstsein entstehen. Die Hexe stand stumm in der Trümmerhöhle, die Hände zu Fäusten geballt. Also wollte die Herrin auch die Druidin bestrafen.

»Wie und wo muss ich mit der Suche beginnen, Erhabene?«, wollte sie wissen. »Wo wurden die beiden zuletzt gesehen?«

»Auf einer Waldlichtung in Bulgarien«, antwortete die Meisterin. Sie projizierte ein Bild von dem betreffenden Ort in Shenandorahs Bewusstsein und verankerte es darin. Die Hexe würde die Informationen auf diese Weise nie vergessen.

»Du wirst erfolgreich sein, Shenandorah«, hörte sie die Aufforderung. »Enttäusche mich nicht. Enttäusche mich nie.«

»Herrin, du weißt, dass ich stets mein Bestes gebe, um dich zufriedenzustellen«, sagte die Hexe. Mit einem Mal fühlte sie sich, als würde sie von Kälte umhüllt.

»Dein Bestes wird nicht gut genug sein. Es ist niemals genug. Du solltest dich immer für mich zerreißen. Und mehr als das.«

Shenandorah hob den Kopf und schaute ratlos. Ihre Augen wurden groß. Was meinte die Meisterin mit ihren Worten?

»Und um dir zu beweisen, was dich erwartet, wenn du mich enttäuschen solltest, zeige ich dir etwas«, vernahm sie die Drohung ihrer Unterdrückerin. »Ich bin sicher, dass du es nie vergessen wirst.«

»Herrin, nein!«, stieß Shenandorah aus, als irgendetwas in ihren Körper und in ihr Bewusstsein eindrang. Etwas zutiefst Unangenehmes. Etwas existenziell Bedrohliches …

Nur wenige Sekunden darauf waren die telepathischen Schmerzensschreie der dunkelhaarigen Hexe zu vernehmen. So klang nur ein Wesen, das sich in höchster Not befand …

***