Professor Zamorra 1091 - Anika Klüver - E-Book

Professor Zamorra 1091 E-Book

Anika Klüver

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Beschreibung

Zamorra ist beunruhigt wie lange nicht mehr. Eigentlich ist es nicht an ihm, sich Sorgen um einen über 8000 Jahre alten Silbermonddruiden mit magischen Fähigkeiten zu machen - doch was, wenn dieser in der Vergangenheit gefangen ist und seine Magie sich nicht einsetzen lässt? Der Meister des Übersinnlichen ist am Ende mit seiner Weisheit. Er kann nur hoffen, dass Gryf und seine Schülerin Branwen sich aus eigener Kraft aus ihrer misslichen Lage befreien können ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Götter der Arena

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Arndt Drechsler

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-2779-3

www.bastei-entertainment.de

Götter der Arena

von Anika Klüver

Branwens Herz pochte so heftig, dass sie fürchtete, daran zu ersticken. Obwohl sich die Welt vor ihren Augen drehte, versuchte sie weiterzulaufen. Auf ihrer Netzhaut blitzte immer wieder das Nachbild des Grauens auf, vor dem sie floh. Sie hatte noch nie so viel Blut gesehen.

Die Lachen verschwammen vor ihrem inneren Auge. Sie flossen ineinander und wurden zu einem Meer aus Rot, das sie erbarmungslos mit sich riss. All ihre Gedanken wichen der Panik, doch eins wusste sie mit erschreckender Sicherheit: Wenn sie stehen blieb, würde ihr Verstand in diesem entsetzlichen Meer ertrinken und nur der Wahnsinn würde zurückbleiben …

»Asche macht alle gleich. Ungleich werden wir geboren, gleich sterben wir.«

Seneca, Epistulae morales 91,16

Kapitel 1 Schattenspiele

Der Berg Snowdon in WalesGegenwart

Mit jeder Minute, die verging, wuchs in Professor Zamorra das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Es lag nicht in seiner Natur, einfach aufzugeben. Doch hier oben in der Einsamkeit der Höhle auf dem Berg fiel es ihm schwer, seine übliche Entschlossenheit aufrechtzuerhalten.

Seit ihre Freunde, der Silbermonddruide Gryf und seine junge Schülerin Branwen Jones, spurlos verschwunden waren, suchten er und seine Partnerin Nicole Duval nach Hinweisen. Bislang waren sie dabei allerdings keinen Schritt weitergekommen. Das geheimnisvolle Artefakt, das offenbar mit dem Verschwinden der beiden zusammenhing, stand stumm auf seinem steinernen Sockel und schien sie regelrecht zu verhöhnen.

Per Zeitschau hatte Zamorra gesehen, dass die beiden Vermissten das goldene Gebilde, das einer Sonnenuhr ähnelte, berührt hatten. Dann hatte Gryf zu einem zeitlosen Sprung angesetzt, um nach Château Montagne zu reisen. Dort waren er und Branwen jedoch nie angekommen. Wo sie sich nun befanden, blieb ein Rätsel.

»William hat etwas gefunden, das in die richtige Richtung gehen könnte«, sagte Nicole und hielt Zamorra ihr Handy hin. Auf dem Display befand sich ein Text, den der treue Butler des Châteaus an Nicole geschickt hatte.

Diese Recherche aus der Ferne war ein wenig aufwändig. Aber Zamorra wollte auf jeden Fall vor Ort bleiben, falls das Artefakt irgendwelche Veränderungen zeigte. Und auf William war Verlass. Er bearbeitete die Anfragen seiner Arbeitgeber unermüdlich und lieferte ihnen das Material, das sie brauchten. Und dank modernster Technik konnten sie alle Informationen auch hier auf dem Berg empfangen.

»Es ist allerdings recht vage«, fuhr Nicole fort. »Wenn ich das richtig verstehe, geht es um einen uralten Blutkult, eine Gruppierung, die mächtige Wesen verehrt hat, die halb Mensch und halb Dämon waren. Sie brachten ihnen Menschenopfer dar.«

»Das würde zumindest zu den Höhlenmalereien hier passen«, meinte Zamorra und ließ den Blick über die Felswände wandern. Darauf prangten Darstellungen grausiger Wesen, die Menschen zerstückelten und fraßen. »Aber derartige Kulte gab es viele. Das grenzt es nicht wirklich ein. Steht da auch etwas über das Artefakt?«

»Nicht direkt«, sagte Nicole. »Hier steht nur etwas von der ›Zeit nach der Sonne‹. Das könnte mit diesem Sonnenuhrgebilde zu tun haben – oder auch nicht.«

»Blut und eine Zeit nach der Sonne«, wiederholte der Meister des Übersinnlichen. »Das klingt nach Vampiren, findest du nicht?«

»Schon möglich. Ich gebe das mal an William weiter. Ich wünschte, wir könnten diese Schriftzeichen entziffern.«

Der Blick der Französin wanderte zu den rot glühenden Symbolen auf dem Artefakt. Zamorra hatte diese Schrift noch nie gesehen und grübelte schon seit ihrer Ankunft darüber nach. Sie wirkte alt, noch älter als etwas aus der Antike. Beim Betrachten hatte Zamorra immer wieder den Eindruck, plötzlich etwas zu erkennen, doch dieses Gefühl verblasste so schnell, wie es ihn überkam. Es war fast so, als bestünden diese Symbole aus mehreren ihm bekannten Schriften, aus denen jemand etwas ganz Neues geschaffen hatte.

Doch ohne irgendeine Referenz konnten sie nicht mal ein einziges Symbol der Inschrift entziffern, falls es überhaupt eine Inschrift mit Bedeutung war. Ebenso gut mochte es sich einfach nur um eine kunstvolle Verzierung handeln.

»Das wäre zweifellos hilfreich«, stimmte Zamorra zu. »Aber das kann dauern. Und ich habe das ungute Gefühl, dass uns die Zeit davonläuft. Wo auch immer sich die beiden jetzt aufhalten, könnte es gefährlich sein. So gefährlich, dass das hier ein schlimmes Ende nimmt.«

Er musste seine Befürchtung nicht ausformulieren. Auch Nicole wusste, dass sie Gryf und Branwen womöglich niemals wiedersehen würden.

»Wir suchen weiter, bis wir etwas finden«, sagte sie fest. »Wir bekommen heraus, wo die beiden sind, und holen sie zurück.«

Ihre entschlossene Stimme hallte von den kalten Felswänden wider. Wären die Monster aus den Malereien real gewesen, hätte Nicoles unerschütterliche Zuversicht sie vermutlich kurz zusammenzucken lassen, dachte Zamorra. Doch es waren nur Abbildungen, die weiterhin ungerührt boshaft grinsten, während sie sich über ihre Opfer hermachten.

Zamorra wandte den Blick von ihnen ab und machte sich wieder an die Arbeit.

***

NuceriaDas Jahr 59 nach unserer Zeitrechnung

Splitter lösten sich von dem dicken hölzernen Pfosten und spritzten über den glühenden Sand. Mit jedem Hieb brachte das Holzschwert dem Pfahl weitere Kerben bei. Letztendlich würde der Pfahl gewinnen, doch das spielte keine Rolle. Es fühlte sich gut an, auf diese Weise einfach ein wenig Dampf abzulassen.

Gryf ap Llandrysgryf schlug erneut gegen den Holzpfosten und spürte, wie die Anstrengung seine Muskeln forderte. Später würde sein Körper ihm die Verausgabung womöglich übel nehmen, doch das kümmerte ihn nicht. Er rief sich Lucius Aurelius Magnus’ Gesicht vor Augen, projizierte es in Gedanken auf sein hölzernes Ziel und hieb darauf ein. Sein wirres blondes Haar klebte an seiner schweißnassen Stirn, sein Mund war trocken, und die Sonne brannte auf seinem nackten Rücken. Doch er konnte nicht aufhören.

Seine Gedanken kreisten unablässig um Branwen. Seine Schülerin hatte sich freiwillig in die Gewalt eines Vampirs begeben, um ihn zu retten. Sie war mit diesem Magnus nach Pompeji gegangen, auch weil sie hoffte, dort etwas über ihre ungeplante Reise in die Vergangenheit herauszufinden. Der Vampir schien etwas mit dem Artefakt zu tun zu haben, das sie hergebracht hatte.

Branwen war nicht dumm. Gryf hatte ihr einiges über die magischen Phänomene dieser Welt beigebracht. Aber ein so einflussreicher Vampir wie dieser Magnus, der alle Vorteile der römischen Oberschicht für sich nutzte, war sehr gefährlich. Branwens Fähigkeiten hatten sie zwar schon vor der Dämonin Stygia geschützt, doch sie konnte dieses Talent immer noch nicht zuverlässig steuern. Und was war, wenn der Vampir Branwen irgendwie in seinen Bann zog?

Er hätte sie niemals in diese Lage bringen dürfen. Wenn er in der Höhle auf dem Snowdon nicht so unüberlegt gehandelt hätte, wären sie niemals in der Vergangenheit gelandet. Er hatte die Macht des Artefakts gespürt, doch anstatt sich davon fernzuhalten, hatte er den Drang empfunden, es sofort in Sicherheit zu bringen, damit es nicht in die falschen Hände geriet.

Nun war er sich nicht einmal sicher, ob das tatsächlich seine eigene Entscheidung oder womöglich der Einfluss dieser alten Magie gewesen war. Vielleicht hatte sie sein Handeln gelenkt, ohne dass er es wahrgenommen hatte. Doch das war hier alles unwichtig. Hier zählte nur, dass er überlebte, damit er mit Branwen in die Gegenwart zurückkehren konnte.

Wenn er wenigstens über seine Kräfte verfügt hätte, wäre das Problem sehr viel überschaubarer gewesen. Doch aus irgendeinem Grund konnte er sie nicht einsetzen. Der zeitlose Sprung wäre in seiner Situation mehr als nützlich gewesen. Er vermisste auch seine anderen Talente, doch die Möglichkeit, sich ohne Zeitverlust und nur mithilfe seiner Gedanken an einen anderen Ort zu versetzen, fehlte ihm am meisten. Ohne diese Fähigkeit fühlte sich der Silbermonddruide fast hilflos. Und das nährte seinen Frust. Er saß hier fest und konnte nichts unternehmen. Und Branwen schwebte in größerer Gefahr, als ihr möglicherweise bewusst war.

Der Gedanke daran, dass sich seine junge Schülerin seinetwegen in der Gegenwart eines Vampirs befand, machte ihn ungewöhnlich wütend. Normalerweise verlor der Silbermonddruide nicht so schnell die Beherrschung, aber mit Blutsaugern hatte er besonders wenig Geduld.

Dieser Magnus hatte sich sofort nach ihrer ersten Begegnung als typischer Vertreter dieser arroganten Höllenbrut erwiesen. Er hielt sich für gottgleich und unsterblich, dabei wusste Gryf sehr gut, wie man dafür sorgte, dass ein Vampir nicht mehr nur untot, sondern richtig tot war und es auch blieb. Das hatte er schon unzählige Male eigenhändig zustande gebracht, und auch Magnus würde bald feststellen, dass er nicht so mächtig und unantastbar war, wie er wahrscheinlich glaubte. Doch dafür musste Gryf in seine Nähe gelangen, und das stellte momentan die größte Schwierigkeit dar.

Der Silbermonddruide ließ sein Schwert auf die Kante des Pfostens sausen und stieß dabei ein frustriertes Knurren aus.

»Ganz ruhig, Barbarenjunge«, ertönte hinter ihm eine amüsierte Stimme. »Vielleicht hast du es noch nicht gemerkt, aber dein Gegner wird nicht zurückschlagen. Spar dir deine Kräfte lieber für einen richtigen Kampf auf.«

Gryf ließ von dem Pfosten ab und drehte sich um. Sein Freund Titus stand vor ihm. Der junge dunkelhaarige Mann hielt ihm einen Becher mit Wasser entgegen. Gryf nahm ihn und trank dankbar.

»Wie geht es dir?«, fragte der Silbermonddruide. »Nach gestern Abend, meine ich.«

Titus zuckte mit den Schultern. »Ich mochte Ferox nicht besonders. Und wir alle sterben irgendwann. Aber das war unnötig.«

Gryf nickte ernst. Sie hatten die Leiche des Gladiators noch in der vergangenen Nacht bestattet. Sie hatten sich alle um den Scheiterhaufen versammelt und zugesehen, wie die Flammen den Körper des einst so unbesiegbaren Galliers in Asche verwandelten.

Magister Ursus, der bullige Ausbilder der Gladiatoren, hatte die Taten des Verstorbenen gerühmt und seine Siege in der Arena aufgezählt. Ferox’ Bruder Pugnax hatte während der gesamten Zeremonie keine Miene verzogen. Gryf vermutete, dass er seinem Bruder einen ehrenvolleren Tod gewünscht hätte als ein ruhmloses Ende in einem Schaukampf vor nur gut drei Dutzend Zuschauern, von denen mehr als die Hälfte selbst Sklaven waren.

Dennoch war er sich sicher, dass Pugnax trauerte – auf seine Art. Und genau an diesem Punkt wollte der Silbermonddruide ansetzen. Nun, da er wusste, dass die Gladiatoren es bei den Spielen in Pompeji mit Vampiren zu tun bekommen würden, war klar, dass sie nur eine Überlebenschance hatten, wenn er sie darauf vorbereitete. Doch dafür mussten sie ihm zuallererst einmal zuhören.

Und damit fingen seine Probleme bereits an. Pugnax konnte ihn schon seit seiner Ankunft nicht leiden, und die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten ihn sicher nicht gerade zugänglicher für die Worte eines Mannes gemacht, der in seinen Augen ein wertloser Schwächling war.

Trotzdem musste Gryf es versuchen. Die anderen Männer folgten Pugnax. Wenn er ihn überzeugen konnte, seine Hilfe anzunehmen, würden die anderen mitziehen. Zusammen mit Titus ging er zu dem kleinen überdachten Bereich, wo sich die Truppe für ihre Mahlzeit versammelt hatte. Die Stimmung war deutlich weniger ausgelassen als sonst. Ferox’ Tod und die bevorstehenden Spiele in Pompeji drückten offenbar jedem hier aufs Gemüt.

Gryf ging direkt auf Pugnax zu. Titus wollte ihn zurückhalten, doch er schüttelte den jungen Mann ab. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, Pugnax und die anderen von seinem Vorhaben zu überzeugen.

»Ich muss mit dir reden«, sagte er ohne Umschweife. Er sprach so laut, dass auch die anderen am Tisch ihn hören konnten. Pugnax mochte derjenige sein, der hier das Sagen hatte, aber diese Sache ging jeden von ihnen etwas an. Und Gryf würde mit jedem vorliebnehmen, der bereit war, sich seinem Plan anzuschließen.

Pugnax sah ihn nicht an. Stattdessen wandte er sich an seinen Sitznachbarn, einen großen dunkelhäutigen Mann, mit dem er öfter trainierte.

»Hast du das auch gehört, Auctus? Mir war so, als hätte ich ein Winseln vernommen. Hier muss irgendwo ein räudiger Hund sein.«

Auctus grinste und funkelte Gryf gehässig an.

»Hör zu, wir haben keine Zeit für dein kindisches Machogehabe«, fuhr Gryf unbeirrt fort. »Dein Bruder ist schon tot, und wenn wir nichts unternehmen, wird der Rest von euch es bald ebenfalls sein.«

Pugnax war bereits aufgesprungen, bevor Gryf den Satz beendet hatte. Er baute sich drohend vor dem Silbermonddruiden auf. In seinem Blick blitzte Mordlust auf. Doch dahinter sah Gryf noch etwas anderes. Ganz tief in den Augen dieses stolzen, unnachgiebigen Mannes schimmerte Trauer.

»Wage es nicht, von meinem Bruder zu sprechen!«, donnerte der große Gallier. »Du bist es nicht einmal wert, seinen Namen zu denken. Wir ehren sein Andenken, und ich werde nicht zulassen, dass ein Schwächling wie du es in den Dreck zieht.«

Gryf wich keinen Millimeter zurück. Pugnax wirkte irritiert. Er war es offensichtlich nicht gewohnt, dass jemand seinem Zorn standhielt und nicht vor Schreck zusammenzuckte.

»Du wirst genauso ehrlos sterben wie er«, sagte Gryf ruhig.

»Wenn ich sterbe, dann geschieht das in der Arena«, erwiderte Pugnax. »Ich werde kämpfen und siegen, bis ich auf jemanden treffe, der besser ist als ich. Und auch diesen Mann werde ich bekämpfen, bis zum letzten Atemzug. Ich werde dem Tod mit erhobenem Haupt ins Auge sehen, genau wie mein Bruder. Er hätte einen glorreicheren Tod verdient, vor den Augen einer gewaltigen Menge, die seinen Mut anerkennt. Aber die Götter haben es anders gewollt.«

»Die Götter haben damit nichts zu tun«, sagte Gryf. »Das Wesen, das deinen Bruder getötet hat, war weder ein Gott noch ein Mann. Und genau aus diesem Grund wirst auch du verlieren, wenn du gegen einen von Magnus’ Gladiatoren antrittst.«

Ohne Vorwarnung packte Pugnax Gryf an den Schultern und schleuderte ihn mit einem Brüllen zu Boden. Der Silbermonddruide landete hart auf dem Rücken. Für einen Augenblick drehte sich die Welt, doch er fing sich schnell.

Der große Gallier stand nun über ihm. Er schäumte vor Wut. Sein Gesicht war rot angelaufen, und die Adern an seinem Hals waren hervorgetreten. Dieses Mal feuerten die anderen Männer ihn nicht an. Alle Anwesenden beobachteten das Schauspiel angespannt.

»Ich sollte dich zerquetschen, du elender Wurm! Seit du hier bist, machst du nur Ärger. Du mischst dich in Dinge ein, die dich nichts angehen. Du kennst deinen Platz nicht.«

»Mein Platz unterscheidet sich nicht von deinem«, sagte Gryf. »Du glaubst, dass du eine Sonderstellung einnimmst, weil du der beste Kämpfer dieser Truppe bist. Aber in Wahrheit bist du nur ein Sklave, genau wie alle anderen hier. Für Metilius bist du Besitz. Du magst einen höheren Wert haben als andere, aber letztendlich bist du für ihn nur ein Ding, ein ersetzbarer Gegenstand. Und das Gleiche galt auch für deinen Bruder.«

»Metilius hätte gestern Nacht mich auswählen sollen. Er hätte mich gegen Magnus’ Mann antreten lassen sollen. Ich hätte gesiegt.«

»Nein, du hättest verloren und wärst jetzt tot.« Gryfs Stimme war sachlich, aber sanft.

»Aber Ferox wäre dann noch am Leben.«

Der große Mann wirkte plötzlich hilflos und verwirrt. Er schien sich nicht entscheiden zu können, ob er auf Gryf einschlagen sollte oder nicht.

»Er war mein Bruder«, fuhr er fort. Seine Worte klangen, als kämen sie von sehr weit weg. »Ich hätte für ihn einstehen und ihn beschützen müssen. Stattdessen habe ich zugesehen, wie er in einem einfachen Schaukampf abgeschlachtet wurde wie ein Opferlamm.«

Er hielt kurz inne. Für einen Augenblick sah es so aus, als würde ihn Trauer überkommen. Doch sie verwandelte sich schnell in Wut.

»Wenn Magnus zugelassen hätte, dass du gegen seinen Mann kämpfst, hätten wir jetzt keinen Verlust zu beklagen. Wenigstens werde ich zusehen dürfen, wie du bei den Spielen in Pompeji stirbst. Auch wenn du jetzt eigentlich angekettet in einer Zelle sitzen solltest. Ich habe keine Ahnung, warum Magnus dich dabeihaben will, aber danach werde ich dich für immer los sein.«

»Ihr werdet alle sterben, wenn ihr nicht auf mich hört«, versuchte Gryf es erneut. Er stand vorsichtig auf. »Ihr könnt nicht gegen Magnus’ Männer gewinnen, warum will das nicht in deinen sturen Dickschädel?«

»Dann werden wir einen ehrenvollen Tod in der Arena sterben«, knurrte Pugnax.

»Das hat nichts mit Ehre zu tun.«

Gryf drehte sich überrascht um. Titus war neben ihn getreten. Die Körperhaltung des jungen Mannes wirkte sehr entschlossen. Offenbar hatte er entschieden, Gryf in seinem Vorhaben zu unterstützen.

»Misch dich da nicht ein«, sagte Pugnax.

»Diese Sache geht uns alle etwas an. Sie betrifft jeden von uns.«

Er ließ den Blick durch die Runde wandern und wandte sich so auch an die restlichen Männer.

»Ihr alle kennt die Geschichten, die man sich über Magnus’ Kämpfer erzählt. Ich war nie sicher, ob ich sie glauben sollte oder nicht. Aber genau wie ihr habe ich gestern gesehen, was mit Ferox geschehen ist. Wie viele von euch haben ihm schon in einem Übungskampf gegenübergestanden?«

Die meisten der Männer hoben die Hände oder nickten bestätigend.

»Dann wisst ihr, dass er einer der besten Kämpfer war, die dieser ludus je hervorgebracht hat. Doch Magnus’ Gladiator musste sich nicht einmal anstrengen, um ihn zu besiegen. Wie gut dürften eure eigenen Chancen dann stehen, einen dieser Männer zu bezwingen?«

Er deutete nacheinander auf ein paar seiner Gefährten. Gryf erkannte, was sein Freund vorhatte. Er sprach die Männer persönlich an, damit sie sich nicht länger hinter Pugnax’ Draufgängertum verstecken konnten.

»Auctus«, sagte er und wandte sich an den großen Mann neben Pugnax. »Du kannst hervorragend mit dem Speer umgehen, aber bist du wirklich gut genug, um gegen einen Mann zu bestehen, der Ferox innerhalb weniger Augenblicke kampfunfähig gemacht hat?«

Auctus sah aus, als wollte er protestieren, doch dann senkte er einfach nur stumm den Kopf.

»Castor«, sprach Titus einen weiteren Mann an. »Du vernachlässigst zu oft deine Deckung, sodass selbst ich dir hin und wieder einen Schlag versetzen konnte. Der Gegner, den Magnus dir entgegenstellen wird, wird keinen hölzernen gladius haben wie ich beim Training. Du hast gesehen, wie schnell und wendig dieser Mann gestern war. Ein gut gezielter Treffer von ihm oder einem seiner ludus-Gefährten genügt, und deine Eingeweide landen auf dem Sand der Arena von Pompeji. Ihr alle seid gute Kämpfer. Aber ich glaube, dass keiner von uns eine echte Chance gegen Magnus’ Gladiatoren hat. Gryf hat recht, das sind keine gewöhnlichen Männer.«