Professor Zamorra 1113 - Simon Borner - E-Book

Professor Zamorra 1113 E-Book

Simon Borner

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Beschreibung

Mysati ist begeistert. Die leidenschaftliche Hobbyköchin und Gefährtin von Ted Ewigk hat seit Neuestem gleich zwei neue Objekte, an denen sie ihre Künste ausprobieren kann: Eva und Carrie, die beide in Rom zur Schule gehen. Doch man ahnt es schon - wenn Ted Ewigk, die erfinderische Mysati, Carrie und Sara Moons kleine Schwester Eva an einem Ort sind, ist das Abenteuer nicht sehr weit ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Blut der sieben Hügel

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Arndt Drechsler

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4306-9

www.bastei-entertainment.de

Das Blut der sieben Hügel

Von Simon Borner

Marco schrie gellend laut, wütend und ängstlich und ratlos zugleich.

Und das Monster drehte den haarlosen Wolfsschädel zu ihm. Blutige Hautfetzen hingen ihm zwischen den spitzen Reißzähnen. Blut lief ihm auch über das verkrustete Kinn, den Hals, den Oberkörper. Es zischte, als es Marco bemerkte; wie eine wütende Gans, nur viel, viel lauter. Und wieder hörte der Junge es nicht mit den Ohren, sondern nur hinter seiner Stirn.

Noccchhh einerrrr,zischte das grauenvolle Ungeheuer, das dort über Marcos wehrlosem, blutenden Vater auf dem mit Blut durchtränkten Bett kauerte.

Nocchhhh einnnn Immmbisss …

»Wenn es die Hölle wirklich gibt, so steht Rom auf ihren Fundamenten.«

alte Redewendung

Kapitel 1 Marco

Sie kamen aus der Nacht, und sie brachten den Tod. Hünenhafte Gestalten mit Gesichtern voller Hass, entsetzlich missgestaltete Kreaturen ohne Moral und Gnade, Teufel durch und durch. Marco erwachte, als sie die Tür des kleinen Hauses eintraten, das er mit seinen Eltern bewohnte. Dann hörte er die Schreie.

»Pappa?« Angst packte den Neunjährigen. Seine Knie waren weich, als er die Beine aus dem Bett schwang und den Geräuschen nachging. »Pappa, was ist los?«

Marcos Schlafzimmer lag am Ende des schmalen Flurs, das seiner Eltern am Anfang, gleich neben dem Wohn- und Eingangsbereich. Draußen vor den Fenstern regierte die Dunkelheit. Selbst der Mond hatte sich hinter den dichten Wolken verborgen, als fürchte auch er, was in der bescheidenen Bleibe der italienischen Bauernfamilie geschah. Als fürchte auch er die Schreie.

Sie waren schrill, dann aber auch gurgelnd. Halb Flehen, halb Kapitulation. Und sie hatten kaum noch Menschliches an sich. Viel mehr klangen sie nach animalischen Lauten.

Marco hielt den Atem an. Eine eiskalte Hand schien ihm über den Rücken zu streichen, tief bis ins Mark. Seine Augen waren weit geöffnet, und doch glaubte er, in einem Albtraum gefangen zu sein. Was geschah hier? Was geschah mit seinen Eltern?

Als er den Anfang des Flures erreichte, sah er, dass das Wohnzimmer völlig zerstört war. Die Tür, die auf den Hof und nach draußen führte, hing schräg in ihren Angeln, und der kalte Nachtwind wehte herbstliches Laub in den Raum. Die Wohnzimmermöbel waren umgeworfen und zerschlagen. Glassplitter, Holzsplitter und Papierfetzen überall. Kissen waren aufgeplatzt – oder aufgerissen? –, und ihre Innereien quollen hervor wie Gedärme aus den Kadavern von Toten. Der alte Fernseher drüben in der Ecke schlug Funken, und obwohl sein Bildschirm zerschlagen worden war, konnte Marco etwas auf dem gerissenen Glas der Mattscheibe erkennen. Etwas Flackerndes, irreal Anmutendes. Hohe Felsen vor rotem Himmel, und Feuer, das aus der Tiefe empor leckte.

Die Schwefelklüfte, schoss es dem Jungen durch den Kopf. Er hatte das Wort nie zuvor gehört, und doch wusste er in diesem Moment, dass es der Name des Ortes auf dem Bildschirm war. Die Schwefelklüfte in der Hölle, wo die Seelen der bösen Menschen auf ewig gequält werden. Die Verlorenen. Verloren für alle Zeit.

Es war die Heimstatt der Kreaturen, die über den kleinen Bauernhof am Rande des Dorfes gekommen waren. Auch das wusste Marco so plötzlich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Und er wusste, dass er recht hatte. Die Wesen, die in sein Zuhause eingedrungen waren, waren keine Menschen, nicht einmal mehr böse. Sondern echte, grauenhafte Teufel aus der Hölle!

Schockstarr stand der Junge am Übergang zwischen Flur und Wohnzimmer, den Blick fassungslos auf das Chaos gerichtet. Ein entsetztes Wimmern drang über seine Lippen, bevor er sich bremsen konnte – just, als die Schreie im Nebenzimmer, an die Marco nicht denken wollte, verstummten. Das Wimmern hing in der kalten Nachtluft wie die weiße Fahne eines hoffnungslos unterlegenen Gegners.

Und hinter dem breiten Sofa, das mitten im Raum stand und dessen Polsterung aus zahlreichen frisch geschlagenen Rissen ins Freie drang, erhob sich ein Gigant! Das Wesen war gut und gern zwei Meter groß. Es trug keinerlei Kleidung, und seine Haut schien aus getrockneter Lava zu bestehen. Feuerrote Adern zogen über sie hinweg, und feuerrot war auch das Leuchten in seinen kreisrunden Augen. Es hatte keine Nase, spitze und weit abstehende Ohren – und ein breites Maul voller spitzer Reißzähne!

Haaaaacccchhh …, machte das Monster, als es Marco erblickte. Erst dann begriff der Junge, dass er es nicht mit den Ohren, sondern nur mit dem Verstand hörte. Haaaaccchhh …

Und Marco schrie. Just als das Monstrum über das Sofa hechtete, um ihn zu fangen, kam endlich wieder Leben in seine Beine. Marco wirbelte herum und rannte los, blindlings und voller Panik. Tränen standen ihm in den Augen, und sein Mund machte Laute, die nicht mehr das Geringste mit Logik und Vernunft zu tun hatten. Er lief und lief, und erreichte die erstbeste Tür auf seinem Weg. Es war die zum elterlichen Schlafzimmer. Und dass Marco sie in seiner Angst einfach öffnete, war der wohl schlimmste Fehler seines jungen Lebens.

Das Zimmer war rot vor Blut. Überall klebte der Lebenssaft – auf den Holzbohlen des Fußbodens, wo er dickflüssig werdende Pfützen bildete, als fontänenartig aussehende Spritzer an den tapezierten Wänden, sogar an der Decke und der eingeschalteten Lampe. Vor allem war jedoch das Bett blutig, ja, regelrecht durchnässt von Blut. Das Bett seiner Eltern.

Mamma war tot, das sah Marco sofort – auch wenn er nicht wusste, warum er es so sicher sagen konnte. Sie lag rücklings am Boden neben dem Bett, den Kopf in einem unnatürlichen Winkel verdreht. Ihre Beine waren sichtlich gebrochen, ihre Arme voller blutiger Schrammen. Auch ihr Nachthemd – einstmals weiß wie Schnee, nun rot wie der Himmel über den Schwefelklüften – wies unzählig scheinende Risse auf.

Der Grund dafür kauerte gerade über Pappa. Es war ein zweiter Gigant, größer noch als der vom Wohnzimmer. Splitternackt und mit einer Haut aus Lava. Ein fratzenhaftes Gesicht mit lang gezogener Wolfsschnauze. Hände mit Klauenfingern. Und ein Blick voller Hass, Gier und unendlicher Arroganz.

Pappas Brustkorb war weit geöffnet, und das Blut spritzte nur so heraus. Marco sah weiße Knochen, rotes Fleisch. Doch Pappa war nicht tot – noch nicht. Sein Mund stand offen, seine Augen waren schreckensweit, und seine Arme und Beine zuckten so hilflos wie Fische, die vom Angler an Land gezogen worden waren.

Marco schrie, gellend und laut, wütend und ängstlich und ratlos zugleich.

Und der Gigant drehte den haarlosen Wolfsschädel zu ihm.

Blutige Hautfetzen hingen ihm zwischen den spitzen Reißzähnen. Blut lief ihm auch über das verkrustete Kinn, den Hals, den Oberkörper. Er zischte, als er Marco bemerkte, wie eine wütende Gans, nur viel, viel lauter. Und wieder hörte der Junge es nicht mit den Ohren, sondern nur hinter seiner Stirn.

Noccchhh einerrrr, zischte das grauenvolle Ungeheuer, das dort über Pappa auf dem rot durchtränkten Bett kauerte. Nocchhhh einnnn Immmbisss …

Abermals wirbelte Marco herum, angetrieben von nichts als der Angst vor dem Tod. Und diesmal rannte er direkt in die Arme des ersten Giganten!

Das Wesen aus dem Wohnzimmer hatte hinter dem Jungen ausgeharrt. Es hatte einfach abwarten müssen, wie Marco sich entscheiden würde – ob er dem Kollegen im Schlafzimmer oder ihm in die Fänge geraten würde. Und Marco hatte sich entschieden, wenn auch unbewusst.

Unerbittliche Klauenhände packten den Jungen nun sofort an den Oberarmen, fest und hart wie Schraubzwingen. Feuriger Atem schlug ihm entgegen, heiß wie der Wind in den Schwefelklüften. Marco begriff, dass er keine Chance mehr hatte. Dass seine Niederlage schon längst geschehen war. Er würde sterben. Jetzt und hier.

Qualvoll.

Und ohne Antworten.

Der Gigant, der ihn hielt, legte den Kopf in den Nacken. Triumphales Siegesgeheul hallte durch Marcos Geist, als das Wesen das breite Maul weit aufriss und die Zähne präsentierte. Dann zuckte der Kopf des Unholds vor. Seine Zähne näherten sich dem wehrlosen Leib des Jungen, und das Monstrum biss zu!

***

Und Marco erwachte.

Er schrie noch immer gellend laut, und sein T-Shirt klebte ihm am schweißnassen Leib. Sein Atem ging stoßweise, seine Lider waren von Tränen verklebt. Erst nach mehreren Atemzügen glaubte er zu begreifen, dass er geträumt haben musste. Und er beruhigte sich – sehr, sehr langsam.

Vor dem Fenster seines Zimmers schien die Sonne auf Italiens Hügel. Morgentau lag auf den grünen Weidewiesen, die den kleinen Hof der Bauernfamilie umgaben. Die Tür zum Ziegenstall stand bereits offen, wie Marco sah, und eine große Schubkarre voller Mist stand davor. Pappa und Mamma hatten also schon mit dem Tagwerk angefangen.

Mamma! Sofort sprang Marco aus dem Bett. Ungewaschen und so, wie er war, rannte er in den Flur und zur Haustür. Nirgends sah er Spuren der nächtlichen Angreifer. Es schien sie nie gegeben zu haben. Pappa!

Dann war er im Freien. Die Herbstluft war kalt, erst recht für einen barfüßigen Neunjährigen, doch Marco störte sich nicht daran. Er lief einfach weiter, über den Hof und hinüber zum Stall. Schon von Weitem hörte er das Vieh. Die Laute beruhigten ihn mehr, als er in Worte hätte fassen können.

»Na, das nenne ich mal konsequent«, sagte Pappa, kaum dass Marco auf der Schwelle des Stalls erschien. »Erst verschlafen, und dann weder Zähne putzen noch anziehen. Gianna? Dein Sohn dreht jetzt komplett durch!«

Mamma kam hinter einem kleinen Verschlag hervor, die Stirn schweißnass und eine Mistgabel in Händen. Sie lachte, als sie Marco sah. »Schlafwandelst du jetzt, oder was?«

Für einen kurzen Moment war Marco versucht, ihnen alles zu erzählen. Den bösen Traum, die hungrigen Menschenfresser, die Schwefelklüfte und das Feuer in den Augen der beiden Giganten. Doch er bremste sich. Es war vorbei. Außerdem wollte er die Geduld seiner Eltern nicht über Gebühr strapazieren. Es war eine Sache, zu verschlafen und unfertig aus dem Haus zu eilen. Dann auch noch Ammenmärchen zu erzählen, stand auf einem anderen Blatt. Seine Eltern hatten wenig für Märchen und Phantastereien übrig.

»Bon giorno«, sagte er. Dann musste er grinsen. Unendliche Erleichterung machte sich in ihm breit. »Ich … ich will euch helfen.«

»Dann putz dir die Zähne und zieh dir eine Hose an, du Held«, schimpfte sein Pappa scherzend. »Ungewaschen kommt niemand in meinen Stall, capice?«

Marco nickte. Lachend lief er zurück ins Haus. Im Bad angekommen, zog er das schweißnasse Nachthemd aus und stieg in die Duschwanne. Just als er den Duschvorhang zuziehen wollte, sah er aus dem Augenwinkel eine Bewegung im Spiegel oberhalb des kleinen Waschbeckens. Für einen schrecklichen, kurzen Sekundenbruchteil erkannte er die Schwefelklüfte wieder: raue Felsmassive vor blutrotem Himmel, zwischen denen Feuer und Dampf emporstiegen und vor denen Flüsse aus brennender Lava vorbeizogen!

Dann blinzelte er, und der Spuk war vorüber.

Marco schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte sein Pappa tatsächlich recht, und zu viel Fantasie schadete nur. Wenn sie solche Träume hervorbrachte, dann konnte Marco auch gut auf sie verzichten, besten Dank!

Er drehte das Wasser auf und begann den neuen Tag in der Wirklichkeit.

Kapitel 2 Wie in alten Zeiten

»Helft mir, Signore Eternale. Ihr seid meine einzige Hoffnung.«

Ted Ewigk lehnte sich in seinem Sitz zurück und seufzte. So hatte ihn schon eine ganze Weile niemand mehr genannt, und das war ihm eigentlich auch sehr recht gewesen. »Ewigk genügt«, korrigierte er sein Gegenüber knapp. »Einfach Ted Ewigk. Nichts sonst.«

Der schmalbrüstige Bibliothekar zuckte mit den nicht minder schmalen Schultern. Er wirkte hilflos wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Der Mann, der Ewigk in die kleine Bar gebeten hatte, war mindestens Ende siebzig. Er hatte schlohweißes, dünnes Haar, einen gepflegten Ziegenbart und eine goldumrahmte Nickelbrille auf der nicht minder spitzen Nase. Seiner schmächtigen Statur nach genügte schon ein kräftiger Windstoß, ihn von den Füßen zu reißen, und der dunkle Anzug, den er trug, war in etwa so modern wie die Musik des frühen Barocks. Außerdem war der Mann unendlich nervös. »Wie Sie meinen, Signor«, sagte der Bibliothekar und schob sich zum gefühlt tausendsten Mal an diesem Abend die Brille die Nase hoch. »Ich … ich brauche Ihre Hilfe.«

Ewigk griff nach seinem Rotweinglas und nahm einen kleinen Schluck. Der Wein war gut, wenigstens das. Und Spitzbart bezahlte ihn, so lautete der Deal. Ewigk beschloss, gleich noch einen Schluck zu trinken. Diesmal einen größeren.

»Das sagten Sie schon, Marcello«, sagte er dann. »Kommen Sie doch bitte zum Punkt, ja?«

Es war schon eine ganze Weile her, dass Ewigk sich zuletzt mit potenziellen Informanten getroffen hatte. Seine Tage als rasender Reporter des Übernatürlichen lagen nämlich eigentlich hinter ihm. Nur in Ausnahmefällen wurde er heute noch selbst aktiv. Viel lieber verbrachte er seine Zeit daheim im Palazzo Eternale, seinem ebenso imposanten wie geheimnisvollen Anwesen am nördlichen Stadtrand. Dort lebte er schon seit einer ganzen Weile mit Mysati, der ehemaligen Herrscherin der Kuppel. Ewigk und sie verband eine Geschichte, wie es sie wohl nur einmal gab: bizarr, wendungsreich und geprägt von jeder Menge gegenseitiger Antipathie. Kein Wunder also, dass sich aus jenem unglaublichen Abenteuer zweier extrem gegensätzlicher Personen eine unsterblich scheinende Liebe entwickelt hatte! Mysati und Ewigk waren ein Paar geworden, als hätte das Schicksal es so für sie vorherbestimmt, und Ewigk – der blonde Hüne, der immerhin schon über sechzig war und mehr gesehen und durchgestanden hatte als andere in drei Leben – konnte sich ein Dasein ohne seine Partnerin mit den extremen Launen und dem ausgeprägten Faible für die Farbe grün inzwischen schon längst nicht mehr vorstellen.

Was allerdings nicht bedeutete, dass er nicht doch hin und wieder froh war, seine eigenen Wege zu gehen. Wie in alten Zeiten.

Marcello Pizulli, der spitzbärtige Bibliothekar, hatte ihn aus heiterem Himmel kontaktiert. Schon am Telefon war die Panik des alten Mannes überdeutlich gewesen. Und er hatte regelrecht darum gefleht, dass Ewigk sich schnellstens mit ihm traf.

Eigentlich lehnte Ewigk derlei Anfragen, wenn sie ihn denn mal erreichten, in neun von zehn Fällen ab. Diesmal aber hatte er sich gerade mal wieder mit Mysati gestritten gehabt und war um jeden Grund dankbar gewesen, das Haus zu verlassen. Bevor er richtig wusste, was er da tat, hatte er Pizulli daher schon zugesagt. Keine fünf Minuten später hatte er in seinem Wagen gesessen und war ins Zentrum von Rom gefahren.

»Zum Punkt«, murmelte der Spitzbart nun und lächelte entschuldigend. »Selbstverständlich. Also, Signore Eter … Ewigk, ich würde Sie sehr gern in einer … nun ja … in einer eher surrealen Angelegenheit in meine Dienste nehmen. Wenn meine Recherchen stimmen, verstehen Sie sich nämlich auf derlei Dinge. Und, bei Gott, ich brauche einen Experten!«

Ewigk seufzte innerlich. Ein Spinner, der einen Geisterjäger suchte? So klang das doch, oder? Mann, warum hatte er nicht genug Grips in der Birne gehabt und Pizulli gleich am Telefon abgesagt? Dämliche Mysati! Daran war allein sie schuld!

»Bedaure, Signore«, sagte er, »aber ich bin kein Dienstleister, wie Sie es meinen. Ich bin Journalist. Ich kämpfe nicht gegen das … Surreale, verstehen Sie? Ich schreibe darüber. Und auch das nur noch äußerst sporadisch, ehrlich gesagt.«

Pizulli schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Meine Unterlagen verweisen eindeutig auf heroische Taten Ihrerseits. Warten Sie, was habe ich da noch gleich gelesen? Der Fall mit der Hexe von Florenz? Ja, genau. Und dann diese eigenartige Sache mit der sogenannten Burg des Unheils? Und dem Geisterlord?«

Erstaunt hob Ewigk die Brauen. Die Worte des Alten weckten längst vergessen geglaubte Erinnerungen bei ihm, und nicht alle diese Erinnerungen waren positiver Natur. »Meine Güte, Marcello«, staunte er. »Da haben Sie aber ganz alte Kamellen ausgegraben … Die Hexe von Florenz? Das muss Jahre her sein. Ach was, Jahrzehnte!« Dann stutzte er. »Und Sie sagen, Sie haben Unterlagen darüber? Sie?«

Der Angesprochene nickte. »Oh ja, Signor. Über diese und viele weitere Ereignisse, an denen Sie … ähm … aktiv beteiligt waren.« Abwehrend hob er die Hand. »Selbstverständlich kann ich persönlich nicht bezeugen, dass sich diese so abgespielt haben, wie es dort verzeichnet wurde. Aber ich kenne meine Quellen, Signor Ewigk. Sie haben mich noch nie enttäuscht. Ich bezweifle daher sehr, dass sie es diesmal tun. Und deswegen bin ich hier. Signor, Sie sind meine letzte Hoffnung. Sie sind der Einzige in ganz Rom, der sich auf derlei Dinge versteht, fürchte ich.«

Ewigk seufzte. Allmählich schien das Gewohnheit zu werden. Er winkte dem Kellner mit dem leeren Weinglas, dann sah er zu Pizulli. »Also gut«, sagte er und hasste sich ein klein wenig für sein weiches Herz. »Ich höre. Was für Dinge sind es denn, die Sie plagen?«

Der spitzbärtige Bibliothekar senkte den Blick. »Wenn Sie gestatten … Also … Ich fürchte, das muss ich Ihnen eher zeigen als berichten. Könnten, ähm, könnten Sie mich vielleicht kurz begleiten? Nachdem Sie ausgetrunken haben, versteht sich.«

***

Ewigk wusste nicht, was ihn mehr irritierte: die unterwürfige Art seines Begleiters oder dessen konfus anmutende Weise, ein Gespräch zu führen. Über eine Stunde seiner Zeit hatte Ewigk dem Spitzbart nun schon geopfert, und er wusste, von vagen Andeutungen abgesehen, noch immer nicht, warum eigentlich.

In Ewigks Wagen fuhren sie durch das abendliche Rom. Die Bar, in der sie sich getroffen hatten, lag am äußeren Rand des Zentrums. Nun führte Spitzbart, der neben Ewigk saß und diesen dirigierte, den Reporter allerdings immer tiefer ins Herz der italienischen Metropole. Wobei: So ganz stimmte das nicht. Es ging nicht ins Herz Italiens, sondern …

»Der Vatikan?« Staunend sah sich Ewigk um. Er war seit Jahren nicht mehr in diesem Teil Roms gewesen. Dort gab es für seinen Geschmack zu viele Konservative, zu viele Geheimnisse und viel zu viele Touristen. Doch Spitzbart schien kein anderes Ziel zu haben. »Wir fahren in den Vatikan?«

Der Bibliothekar nickte. »Natürlich. Dort lebe und arbeite ich.«