Professor Zamorra 1115 - Anika Klüver - E-Book

Professor Zamorra 1115 E-Book

Anika Klüver

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Beschreibung

Wieder hat der kleine Marco eine Vision - und die ist nicht weniger grausig als seine erste. Immerhin, diesmal ist er in der Obhut des collegio Tomaso d'Aquino, wo sich derzeit nicht nur Mysati und Madame Claire, Zamorras Köchin, aufhalten, sondern auch der Meister des Übersinnlichen selbst. Doch auch Zamorra hat alle Hände voll zu tun, um die schaurigen Totenkopfmönche davon abzuhalten, den Schülern des collegio zu nah zu kommen und begibt sich dabei in tödliche Gefahr ...

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Seitenzahl: 164

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Inhalt

Cover

Impressum

Die ewig tote Stadt

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Arndt Drechsler

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4346-5

www.bastei-entertainment.de

Die ewig tote Stadt

von Anika Klüver

Das Licht der Kerzenflammen schimmerte unheilvoll auf der Klinge des Dolchs in seiner Hand. Er wollte ihn fallen lassen, doch seine Finger hielten die Waffe fest umklammert. Alles in ihm wehrte sich dagegen, die Bewegung auszuführen.Ich kann das nicht tun!,hallte es in seinem Geist wider. Doch es nützte nichts.

Sein Blick war fest auf das junge Mädchen gerichtet, das gefesselt vor ihm auf dem Altar lag. In ihren regenbogenfarbenen Augen sammelten sich Tränen.Es tut mir so unendlich leid, Carrie,dachte Professor Zamorra. Dann hob er die Hand mit dem Dolch und stach mit voller Wucht zu.

Cicero, Illinois, vor drei Jahren

Das muss ein Traum sein.

Kitty Mills schloss kurz die Augen und öffnete sie dann schnell wieder. Es war kein Traum. Das hier war tatsächlich echt. Es passierte wirklich! Sie hatte das Gefühl, dass kleine Stromstöße durch ihren Körper schossen, wann immer Mike sie berührte.

Seine Lippen fühlten sich auf ihren so unglaublich weich an. Sie hatte immer gedacht, dass sie rauer sein würden. In all den Nächten, in denen sie wach gelegen und sich vorgestellt hatte, wie Mike sie küsste, waren seine Küsse gröber gewesen. Doch in Wahrheit waren sie zärtlich. Und sie waren tausendmal besser als in ihrer Vorstellung.

Mike Decker sitzt mit mir auf meinem Bett und küsst mich, wiederholte sie ständig in Gedanken. Es fiel ihr nach wie vor schwer, diese Tatsache zu verarbeiten. Natürlich war es genau das, was sie immer gewollt hatte. Doch sie hätte nie gedacht, dass es eines Tages tatsächlich passieren würde. Immerhin war Mike einer der beliebtesten Jungs der Schule. Er war der Star des Footballteams und schon siebzehn, also ein ganzes Jahr älter als Kitty.

Normalerweise interessierten sich Jungs wie er nur für Cheerleaderinnen oder für ältere Mädchen, die schon aufs College gingen. Zumindest hatte das ihre Freundin Myra behauptet, und die hatte seit ein paar Monaten einen festen Freund, also kannte sie sich mit solchen Dingen besser aus.

Kitty war nie Cheerleaderin gewesen. Diese komplizierten Choreografien hätte sie nie im Leben hinbekommen und hübsch genug war sie auch nicht. Aber das hatte ihr nie viel ausgemacht. Sie war ganz zufrieden damit gewesen, in der Schule so gut wie unsichtbar zu sein. Die anderen ließen sie in Ruhe. Das war eindeutig besser, als gehänselt zu werden, wie sie es bei anderen Mitschülern beobachtet hatte. Sie konnte sich durch die Flure bewegen, ohne belästigt zu werden. Es war fast wie eine Superkraft. Sie konnte sich vor den Blicken der anderen verbergen und so die Schulstunden hinter sich bringen.

Doch wann immer Mike an ihr vorbeigelaufen war, hatte sie sich gewünscht, nicht nur sichtbar, sondern absolut umwerfend zu sein. So umwerfend, dass er nicht anders könnte, als sich in sie zu verlieben. Myra hatte ihr geraten, sich auffälliger zu kleiden. Doch als sie es zu Hause vor dem Spiegel ausprobiert hatte, war sie sich albern vorgekommen. Also hatte sie weiterhin nur von Mike geträumt und sich damit abgefunden, dass er sie niemals bemerken würde.

Und dann hatte er eines Tages nach dem Unterricht plötzlich vor ihrem Spind gestanden. Zuerst war Kitty im Flur stehen geblieben, denn sie war sich sicher gewesen, dass er dort mit jemandem verabredet war. Ihre Bücher konnte sie auch später in den Spind räumen, wenn er wieder weg war. Doch dann hatte er die Hand gehoben und ihr zugewinkt. Kitty war vor Schreck ganz starr geworden. Als Mike dann auf sie zugekommen war, wäre sie am liebsten weggelaufen, doch damit hätte sie sich lächerlich gemacht.

Wie sich herausgestellt hatte, war Mike tatsächlich ihretwegen dort gewesen. Er hatte auf sie gewartet. Und nachdem Kitty ihren ersten Schreck überwunden hatte, hatten sie angefangen, sich zu unterhalten. Am nächsten Tag hatte Mike erneut auf sie gewartet, und schließlich wurde eine ganze Reihe von Treffen daraus. Eine Woche lang hatten sie jeden Tag nach dem Unterricht Zeit miteinander verbracht.

Und heute hatte Mike dann gefragt, ob er Kitty nach Hause begleiten dürfe. Zuerst war sie unsicher gewesen. Ihre Eltern gingen beide arbeiten und waren um diese Uhrzeit nicht zu Hause. Sie würde ganz allein mit Mike sein. Aber das war gut, oder? Sie würden ungestört sein. Sie könnten sich in Ruhe unterhalten und vielleicht … vielleicht sogar noch andere Dinge tun.

Plötzlich spürte Kitty, wie Mike vorsichtig seine Zunge in ihren Mund schob. Alle Gedanken an die vergangenen Tage waren mit einem Mal wie weggewischt. Sie war wieder im Hier und Jetzt. Es gab nur sie und Mike und ihr Zimmer, das wie eine schützende Blase war, in der sie von der Außenwelt abgeschottet waren.

Wenn Myra ihr von den Zungenküssen erzählt hatte, die sie mit ihrem Freund austauschte, hatte Kitty die Vorstellung immer ein wenig eklig gefunden. Wer wollte schon eine fremde Zunge in seinem Mund haben? Doch nun verstand sie, warum Myra so begeistert davon war. Es fühlte sich aufregend an, und Kitty spürte ein Kribbeln im Bauch, das vorher nicht da gewesen war.

Und dann hörte Mike auf einmal auf, sie zu küssen, und zog sich ein Stück zurück.

Kitty wurde sofort eiskalt. Etwas stimmt nicht, dachte sie panisch. Er hat gemerkt, dass ich nicht gut küssen kann. Dass ich keine Erfahrung habe. Wahrscheinlich hält er mich für ein dummes kleines Mädchen.

Ihr Blick zuckte durch ihr Zimmer. Überall standen und hingen Gegenstände, die noch aus ihrer Kindheit übrig geblieben waren. Bislang hatten sie sie nie gestört. Doch jetzt hatte sie plötzlich das Gefühl, im Zimmer einer Achtjährigen zu sitzen. Kein Wunder, dass Mike keine Lust mehr hatte, sie zu küssen. Überall um sie herum lagen Stofftiere. An den Wänden hingen zwischen den Popstarpostern hier und da noch Bilder von Hundewelpen, die Kitty als Kind aufgehängt und dann nie abgenommen hatte. Und alles war so rosa! Das hier war ein Kinderzimmer. Und Mike war fast erwachsen.

In Kittys Kopf überschlugen sich die Entschuldigungen, doch keine davon war ausreichend. Mike würde aufstehen und gehen und nie wieder ein Wort mit ihr reden. Das war ihr vollkommen klar. Deswegen zuckte sie zusammen, als er eine Hand ausstreckte und ihr sanft eine Strähne ihres langen braunen Haars hinters Ohr schob.

»Du bist so heiß, dass mich das Küssen ganz durstig gemacht hat«, sagte er. »Hättest du vielleicht etwas zu trinken für mich?«

Für ein paar Sekunden glaubte Kitty, sich verhört zu haben. Dann sickerten die Worte langsam in ihren Verstand durch. Mike hatte nur Durst. Er wollte nicht weg.

Kitty sprang sofort vom Bett auf. Dabei verhedderte sie sich mit dem Bein in der Decke ihres peinlichen rosa Schmetterlingsbettzeugs. Sie verlor fast das Gleichgewicht und stolperte dann auch noch über Mikes Rucksack, der neben ihrem Bett auf dem Boden lag. Sofort schoss ihr das Blut ins Gesicht.

Mike lachte, aber es klang nicht gemein. »Du bist so niedlich.«

Nun hatte Kitty das Gefühl, dass ihr hochroter Kopf jeden Moment platzen müsste.

»Ich hole schnell was zu trinken aus der Küche«, stammelte sie und eilte aus dem Zimmer.

»Lass dir ruhig Zeit!«, rief Mike ihr hinterher. »Ich laufe nicht weg!«

Hektisch stolperte Kitty die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Ihre Beine waren wie Pudding. In der Küche suchte sie im Kühlschrank nach einem geeigneten Getränk für Mike. Was könnte er mögen? Vielleicht wollte er etwas mit Alkohol. Kitty hatte noch nie Alkohol getrunken, aber Mike sicher schon. Im Kühlschrank standen allerdings nur Limodosen und ein Kanister mit Orangensaft. Sie entschied sich für die Limo, schnappte sich zwei Dosen und eilte zurück nach oben.

Mike saß nach wie vor auf dem Bett und lächelte sie an.

Kitty hielt ihm eine der Dosen hin. »Was anderes hatten wir nicht«, begann sie entschuldigend.

»Das ist perfekt«, erwiderte Mike. Er nahm die Dose, öffnete sie gekonnt und trank mit langen Schlucken. »Ah, das ist lecker«, sagte er und stellte die Dose auf Kittys Nachttisch. Dann sah er Kitty mit diesem Blick an, bei dem sie regelrecht dahinschmolz. »Aber du bist noch viel leckerer. Komm her.«

Kitty setzte sich wieder zu ihm aufs Bett, und er fing sofort wieder an, sie zu küssen. Seine Lippen schmeckten nun süßlich und ein klein wenig nach Orange. Mikes Küsse waren fordernder und drängender als zuvor. Immer wieder schob er seine Zunge in Kittys Mund, und plötzlich war seine Hand unter ihrem T-Shirt und strich über ihren nackten Rücken.

Für einen Moment wusste Kitty nicht, ob das Gefühl in ihrem Bauch Aufregung oder Angst war. Es fühlte sich anders an als alles, was sie je empfunden hatte. Ja, sie hatte Angst. Aber ihr war ebenso klar, dass sie das hier unbedingt wollte. Myra und die anderen Mädchen an ihrer Schule waren schon mal mit einem Jungen zusammen gewesen. Und Myra redete seitdem ständig davon, als wäre es das Beste, was sie je erlebt hatte. Kitty hatte eine grobe Vorstellung davon, was dabei passierte. Sie war schließlich nicht dumm. Aber der Gedanke, dass es für sie jetzt wirklich so weit sein könnte, sorgte dafür, dass ihr ein wenig übel wurde.

Katherine Elizabeth Mills, jetzt reiß dich mal zusammen!, befahl sie sich. Dieser wahnsinnig tolle Junge mag dich und will mit dir zusammen sein, also solltest du ihn jetzt nicht vollkotzen. Damit würdest du alles ruinieren. Genau das hier wolltest du doch, also streng dich gefälligst an und mach mit, damit er dich auch weiterhin will.

Mike griff mit beiden Händen nach dem Saum ihres T-Shirts und zog es ihr über den Kopf. Dann warf er es achtlos beiseite und küsste sie wieder. Für einen Augenblick dachte Kitty darüber nach, dass sie andere Unterwäsche angezogen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass das hier passieren würde. Doch ihre Bedenken wurden immer kleiner, denn Mike schien zu gefallen, was er sah. Mittlerweile küsste er nicht mehr nur ihre Lippen, sondern auch ihren Hals und – du liebe Güte – ihren Bauch.

Kitty wich ein Stück von ihm zurück. Doch sie wollte das hier nicht beenden. Stattdessen streckte sie die Hände aus und packte Mikes T-Shirt, um es ihm auszuziehen. Er verhedderte sich kurz, aber es gelang ihr, ihn von dem lästigen Kleidungsstück zu befreien. Nun konnte sie seinen durchtrainierten Oberkörper bewundern. Zaghaft tastete sie sich mit einer Hand vor und staunte über die glatte Haut und die harten Muskeln, die sich darunter bewegten. Kein Wunder, dass Myra und die anderen Mädchen ständig davon redeten. Das hier fühlte sich einfach unglaublich an.

Es dauerte nicht lange, und Kittys Jeans gesellte sich zu ihrem T-Shirt. Nun trug sie nur noch ihre Unterwäsche, aber es fühlte sich nicht falsch an, sondern aufregend und gut. Mike packte sie und legte sie sanft auf den Rücken. Dann war er über ihr und küsste sie, als wäre sie Wasser und er ein Verdurstender in einer Wüste.

In Kittys Bauch breitete sich eine kribbelnde Wärme aus, die sich langsam auf ihren ganzen Körper ausweitete. Sie wollte nie wieder etwas anderes fühlen als das hier. Zärtlich ließ sie ihre Hände an Mikes Körper hinaufwandern und strich mit den Fingern durch sein volles Haar und über seine Schläfen.

Der Schock traf sie wie ein Blitz. Kitty hatte plötzlich das Gefühl, nach hinten zu kippen, obwohl sie doch mit dem Rücken auf dem Bett lag. Die Welt um sie herum drehte sich, und sie bekam kaum noch Luft. Sie sah eine kleine Kamera, die gegenüber von ihrem Bett im Regal stand. Doch von dort, wo sie lag, konnte sie das Regal gar nicht sehen! Woher wusste sie also, dass dort eine Kamera war? Und wo war sie hergekommen? Sie gehörte ihr nicht, und auch ihre Eltern besaßen kein derartiges Modell.

Ein Kaleidoskop aus Bildern stürmte auf ihren Geist ein. Sie sah Mike, der die Kamera aus seinem Rucksack holte, sie im Regal aufstellte und sich dann wieder auf das Bett setzte. Sie sah fremde Zimmer, die sie nicht kannte, in denen er das Gleiche tat. Und sie sah Mikes Gesicht. Doch auf seinen Zügen lag nicht das zärtliche Lächeln, das sie so liebte, sondern ein bösartiges Grinsen. Sie hatte bei einem Menschen noch nie so viel Verachtung gesehen.

Doch das Schlimmste war das Gefühl, das damit einherging. Nein, erkannte Kitty, es war kein Gefühl, sondern Gewissheit. Sie wusste plötzlich, was Mike vorhatte, sie kannte seinen Plan. Er hatte die Kamera aufgestellt, als sie die Getränke geholt hatte. Selbst seine Bitte um etwas zu trinken war nur ein Vorwand gewesen, um sie kurz loszuwerden. Er wollte das, was er hier mit ihr tat, filmen! Und er machte das nicht zum ersten Mal!

Erneut wurde Kitty übel. Sie glaubte, sich nun tatsächlich übergeben zu müssen, dieses Mal jedoch aus völlig anderen Gründen. Panisch schlug sie um sich, um Mike von sich wegzudrücken. Ihre Hände lagen längst nicht mehr an seinen Schläfen, aber das Echo dieser Berührung hallte immer noch in Kitty nach.

»Geh runter von mir!«, schrie sie. Es gelang ihr, Mike zur Seite zu stoßen. Sofort sprang sie vom Bett auf. Sie schnappte sich ihr T-Shirt vom Boden, wich ein Stück zurück und versuchte, sich mit dem Stoff so gut es ging zu bedecken.

»Was ist denn in dich gefahren?«, fragte Mike. Er schüttelte den Kopf, als wäre ihm schwindelig. »Was war das gerade? Das hat sich angefühlt, als hätte ich eine gewischt bekommen. Du stehst ganz schön unter Strom, was, Babe?« Er grinste frech.

Kitty wollte schreien. Sie wollte um sich schlagen und die ganze Nachbarschaft zusammenbrüllen. Doch sie war wie gelähmt. Sie konnte einfach nicht fassen, was sie da hörte. Sie wusste, was er mit ihr vorgehabt hatte. Sie hatte es gesehen! Wie konnte er wagen, so zu tun, als wäre das alles ein harmloser Spaß?

Mike schien sich schnell von seinem Schwindelanfall erholt zu haben, denn nun stand er auf und kam auf sie zu. Kitty wich weiter zurück.

»Komm mir nicht zu nah!«, warnte sie. »Ich habe gesehen, was du vorhattest. Du wolltest uns filmen!«

Mike zuckte mit den Schultern und grinste schief. »Na und? Da ist doch nichts dabei. Warum regst du dich so auf?«

»Jetzt tu nicht so blöd. Ich mag nicht viel Erfahrung mit Jungs haben. Aber selbst ich weiß, dass es nicht gut sein kann, wenn man ohne sein Wissen bei … solchen Sachen gefilmt wird.«

Die Verlegenheit, die sie plötzlich empfand, ärgerte Kitty. Sie wollte wütend sein, aber ihre Scham wuchs immer weiter und wurde größer als ihre Wut. Sie versuchte, den Stoff des T-Shirts noch ein wenig weiter zu spannen, um mehr von ihrem Körper zu bedecken.

»Das ist wirklich keine große Sache«, sagte Mike. »Es ist nur ein Hobby. Ich hätte eben gerne etwas, um mich an dich zu erinnern, wenn ich mal nicht bei dir sein kann, Babe.«

»Und was ist mit den anderen? Du hast schon öfter Mädchen ohne ihr Wissen gefilmt. Was machst du mit den Filmen? Gibst du damit vor deinen Freunden an? Oder stellst du das Zeug vielleicht ins Internet?«

Mikes Gesichtsausdruck genügte, um das vage Echo dieses Bilds, das sich in Kittys Kopf festgesetzt hatte, zu bestätigen. Diese Filme landeten tatsächlich im Internet! Kitty reagierte, ohne nachzudenken. Mit zwei Schritten war sie am Regal, nahm die Kamera und warf sie mit voller Kraft auf den Boden. Ein paar Kleinteile brachen vom Gehäuse ab. Wahrscheinlich war die Aufzeichnung dadurch nicht zerstört worden. Doch es hatte gut getan, ihre Wut an irgendetwas auszulassen.

»Bist du irre?«, entfuhr es Mike. »Das ist Sachbeschädigung!«

»Ich denke, dass du hier das weitaus schlimmere Verbrechen begangen hast«, erwiderte Kitty eisig.

»Ach ja? Und was willst du machen? Mich anzeigen? Viel Spaß dabei. Selbst wenn du dich das trauen solltest, wird dir niemand glauben. Mädchen erzählen andauernd so einen Mist, um sich an Jungs zu rächen, die sie zurückgewiesen haben. Ich bekomme nach meinem Schulabschluss ein Sportstipendium. Niemand wird zulassen, dass du meine Karriere als Profifootballspieler ruinierst!«

Kitty hätte darauf gerne etwas erwidert, doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Es war ungerecht, aber er hatte recht. Niemand würde ihr glauben. Sie war nur ein so gut wie unsichtbares Mädchen aus der Vorstadt. Er war die große Hoffnung für den amerikanischen Sport. Trotzig griff sie nach der Kamera, hob sie vom Boden auf und presste sie an sich wie einen Talisman.

Mike lachte auf. Der Laut klang kalt und hart. »Behalte das Ding ruhig. Ich kann mir jederzeit eine neue besorgen. Und der Film mit dir wäre ohnehin kein Highlight geworden. Der Typ Mauerblümchen ist gerade nicht besonders gefragt. Das war nur eine schnelle Sache für zwischendurch, bis nächste Woche das neue Cheerleaderinnenteam aufgestellt wird. Gegen diese Mädchen hat eine graue Maus wie du nichts zu bieten.«

»Verschwinde aus meinem Haus.« Die Worte kamen gepresst über Kittys Lippen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie die Kraft aufbrachte, überhaupt mit diesem widerlichen Mistkerl zu reden. Der Ekel, den sie in diesem Moment empfand, überlagerte alles. Er schien regelrecht an ihr hochzukriechen und jede Pore ihres Körpers zu verstopfen wie klebriger Schleim. Sie zwang sich, ruhig zu atmen und Mike direkt anzublicken. Sie würde ihn nur ihre Wut und ihren Abscheu spüren lassen. Ihre Angst würde er nicht sehen. Zumindest nahm sie sich das fest vor.

Mike hob abwehrend die Hände und nahm dann sein T-Shirt vom Boden. Er wirkte dabei so verdammt unbekümmert. Nichts schien ihm etwas anhaben zu können. Für ihn war das alles nur ein Spiel.

»Wie du willst«, sagte er und zog sich das T-Shirt über. »Aber du hast echt was verpasst, das garantiere ich dir. So viele Chancen wird jemand wie du nicht bekommen. Du wärst zwar damit im Internet gelandet, aber wenigstens hättest du dann mal ein bisschen Spaß gehabt.«

»Raus hier!« Kittys Stimme klang furchtbar schrill. Ihr Körper begann zu zittern, und sie konnte nichts dagegen tun.

»Schon gut, ich bin ja schon weg. Du hattest deine Chance. Ein schönes Leben noch.«

Damit verschwand er aus ihrem Zimmer.

Kitty schleuderte die Kamera mit einem frustrierten Aufschrei gegen die halb angelehnte Tür. Dieses Mal zersprang sie in zwei Teile, die auf dem Boden landeten. Dann hörte Kitty, wie unten die Haustür ins Schloss fiel. Mike war weg. Und doch würde sie die Erinnerung an ihn für den Rest ihres Lebens verfolgen.

Mittlerweile zitterte Kitty so heftig, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie wusste, was gerade passiert war, und doch begriff sie es nicht ganz. Alles war so schnell im Chaos versunken, dass sie nicht mehr mitkam.

Am liebsten wäre sie einfach zu Boden gesunken und hätte sich dort zusammengekauert und losgeweint. Doch ihr Magen hatte andere Pläne.

Die Übelkeit kam so plötzlich, dass sie es kaum bis ins Bad schaffte. Hilflos sackte sie über der Toilette zusammen und übergab sich minutenlang. Doch auch das half nicht, um das widerliche Gefühl loszuwerden, das sich in ihr festgesetzt hatte wie ein Parasit.

Mikes Gedanken blieben hartnäckig in ihrem Kopf und würden sie für immer daran erinnern, wie dumm sie gewesen war.

***

An einem unbekannten Ort

Die Dunkelheit war so allumfassend, dass sie das Licht der Kerzen fast schluckte. Nur der mittlere Gang des uralten Gemäuers war vom Schimmer der kleinen Flammen beleuchtet. Je näher man an die Wände kam, desto mehr verschwamm das Licht mit der Finsternis und erlag ihr schließlich ganz.