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Mit dem Kassengesetz und der Kassensicherungsverordnung wurden weitere Verschärfungen bei der Kassenführung beschlossen, die stufenweise umgesetzt werden sollen. Der Autor erklärt die neuen Vorschriften, zu denen auch Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten gehören. Er zeigt auf, wie Registrierkassen den gesetzlichen Anforderungen genügen und eine digitale Betriebsprüfung ermöglichen. So machen Sie Ihre Kassenführung prüfungssicher und schützen sich vor teuren Fehlern. Inhalte: - Kassenberichte, Registrierkassen und PC-Kassensysteme - Besonderheiten: Wiegekassen, Kassenanschluss an Warenwirtschaftssysteme, Taxameter u.a. - Aufbewahrung und Dokumentation: Kassenaufzeichnungen, Notizzettel, digitale Unterlagen bei Bargeschäften - Folgen einer fehlerhaften Kassenbuchführung - Die Fakten zum INSIKA-System - Neu in der 3. Auflage: Änderungen durch die Kassensicherungsverordnung, Neuerungen durch die GoBD und die Nichtbeanstandungsregelung, verschärfte Rechtslage für einzelne Branchen und der aktuelle Stand zur Belegausgabepflicht
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Seitenzahl: 508
Haufe Lexware GmbH & Co KG
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.
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ISBN 978-3-648-14046-8
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Joachim Kuhni
Prüfungssichere Kassenführung in bargeldintensiven Unternehmen
3. Auflage, Juli 2020
© 2020 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
www.haufe.de
Bildnachweis (Cover): © RODINA OLENA, Shutterstock
Produktmanagement: Dipl.-Kfm. Kathrin Menzel-Salpietro
Lektorat: Helmut Haunreiter
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Wenn die Geschäftskasse klingelt, fließt i. d. R. Geld - Bargeld. So soll es sein, denkt Rolf W., Inhaber eines Ladengeschäfts am Rande der Innenstadt. Er ist zufrieden, zumindest heute fließt das Geld auch in die richtige Richtung. Oft soll die Kasse klingeln, wenn es nach ihm geht, am liebsten dauernd. Aber es geht nicht immer nach ihm. Seine Kundschaft ist anspruchsvoll und wählerisch und kauft schon mal bei der Konkurrenz. Rolf W. muss sich ständig um seine Kunden bemühen - mal gelingt es ihm, mal nicht. Sein Umsatz schwankt. Heute jedoch ist ein guter Tag, beinahe rekordverdächtig, freut er sich.
Wäre da nicht dieses leichte Unbehagen …
Kürzlich erzählte ihm der Wirt seiner Stammkneipe, er hätte eine Betriebsprüfung gehabt. Er musste Steuern nachzahlen, und zwar ordentlich, obwohl er alles richtig gemacht habe, beteuerte der Wirt. Trotzdem habe der Prüfer einfach Einnahmen zu seinem Umsatz hinzugeschätzt! Darf der das überhaupt?
Ob der Wirt wirklich so ehrlich ist, wie er vorgibt, so ehrlich wie ich? Keine Ahnung, denkt Rolf W. Er selbst ist gelernter Buchhalter und kennt sich aus. Ein schlechtes Gewissen braucht Rolf W. nicht zu haben. Das meint auch sein Steuerberater. Aber wissen der Berater und sein Steuerfachgehilfe, mit dem er meistens zu tun hat, wirklich über alles so genau Bescheid?
Vor Kurzem hat sich Rolf W. eine elektronische Registrierkasse zugelegt. Ist einfach sicherer und praktischer als eine offene Geldschublade unter der Verkaufstheke. Jetzt kann Rolf W. auch mal eine Aushilfe beschäftigen, ohne immer darüber nachzugrübeln, ob in seiner Abwesenheit auch alles in die richtige Richtung fließt. Er hat sich ausgiebig beim Fachmann informiert. Mit dieser Kasse sei er auf der »sicheren Seite« und für die Zukunft bestens gewappnet. Absolut GDPdU-tauglich und GoBD-konform, hat der Kassenaufsteller gesagt. Keine Ahnung, was er damit meinte. Sogar eine TSE könne man nachrüsten, meinte er. »TSE? – davon hab ich schon gehört. Das ist doch diese Tarntaste für die Steuer-Einstellung? – So was brauch ich nicht«, beteuerte Rolf W. energisch. »Aber nein, im Gegenteil«, erklärte der Verkäufer, »das ist eine Technische Sicherheits-Einrichtung, die genau das verhindern soll. Ist jetzt Vorschrift!«
Sein Steuerberater hat ihm später zu verstehen gegeben, die Kasse allein reiche nicht aus, um bei einer Betriebsprüfung zu bestehen. Das ganze Drumherum ist genauso wichtig, wenn die Leute vom Finanzamt die Ordnungsmäßigkeit der Kasse prüfen. Ziemlich kompliziert sei es, sagte der Steuerberater. Es komme nämlich auch darauf [14]an, was für eine Registrierkasse man verwendet. Es gäbe unterschiedliche Vorschriften für jeden Kassentyp und außerdem ändere sich die Rechtslage ständig. Alles wird immer strenger. Außerdem kommen die vom Finanzamt jetzt persönlich vorbei, um die Kasse und das alles zu kontrollieren – und das auch noch unangekündigt.
Der Steuerberater sprach auch von formellen und materiellen Mängeln, obwohl er doch weiß, dass ich ehrlich bin und alle Einnahmen versteuere. »Fehler machen wir alle«, meinte er. Neben dem Kassenbuch war noch von Kassenzetteln, Journaldaten, Z-Bons, Artikel- und Bedienerberichten, Stornoaufzeichnungen, GT-Speicher, Protokollen und sogar von der Bedienungsanleitung für die Kasse die Rede. All das muss zusätzlich geführt bzw. aufbewahrt werden. Und dann sagte der Berater noch: »Denken Sie an Ihre unregelmäßigen, schwankenden Tagesumsätze - da kann ein Betriebsprüfer schon mal misstrauisch werden. Das ›Formelle’ muss auf jeden Fall stimmen - nur dann kann man wirklich sicher sein!«
»Wer soll sich da noch auskennen?«, fragte sich der ehemalige Buchhalter.
Rolf W. will es genau wissen und kauft sich ein Buch: »Prüfungssichere Kassenführung in bargeldintensiven Unternehmen«. Er hält es in den Händen und ist sicher: »Da steht alles drin, was ich wissen muss – und noch viel mehr.«
Joachim Kuhni
Eine Buchführung hat die Aufgabe, die periodischen Betriebsergebnisse der einzelnen Wirtschaftsjahre und das Gesamtergebnis eines Unternehmens von Beginn an bis zur Betriebsaufgabe festzustellen. Die Grundlage hierfür ist die laufende Dokumentation aller Geschäftsvorfälle.
Dem Unternehmer ist freigestellt, ob er seine Buchhaltung manuell oder mithilfe der EDV führt. Eine manuelle Buchführung ist heute nur noch selten zu finden. Aber es gibt sie noch: Einzelne kleinere Betriebe führen auch heute noch ein Buch, in das sie alle anfallenden Geschäftsvorfälle handschriftlich und nach Datum und Kontenbereich geordnet eintragen. Die aufsummierten Bewegungsdaten dieses früher viel verwendeten sog. amerikanischen Journals werden heutzutage regelmäßig in das EDV-System des Steuerberaters übernommen und dort abschließend verarbeitet.
Solche Ausnahmefälle beschränken sich jedoch auf Kleinstbetriebe, bei denen der Unternehmer aus Altersgründen und im Hinblick auf die in Kürze bevorstehende Betriebsaufgabe keine Umstellung zur EDV mehr vornehmen möchte.
Sind eigene Buchführungskenntnisse vorhanden, wird er vielleicht aus Kostengründen zumindest die laufenden Geschäftsvorfälle auf altherkömmliche Weise manuell erfassen.
Es gibt keine Verpflichtung zur digitalen Buchführung!
Zur Erfassung der Geschäftsvorfälle in chronologischer oder sachlich gegliederter Form unterscheidet die Buchführung:
Grundbücher,Hauptbücher,Nebenbücher undHilfsbücher.Alle diese »Bücher« müssen die ihr zugedachte Funktion in der Buchhaltung erfüllen. Form und Aussehen spielen keine Rolle. Ein »Buch« kann auch ein handschriftlich geführtes Heft, eine geordnete Loseblattsammlung oder eine digitale Datenzusammenstellung sein.
Ein Grund- oder Hauptbuch kann man nicht im Fachhandel kaufen. Der Unternehmer kauft ein Kassenbuch, das in der Buchhaltung die Funktion eines Grundbuchs erfüllen soll.
Das Kassenbuch ist das wichtigste Grundbuch. Ein Grundbuch enthält Aufzeichnungen in zeitlicher Reihenfolge und setzt gleichzeitig eine geordnete Belegablage voraus, in der sich auch sachverständige Dritte zurechtfinden müssen.
Eine geordnete und übersichtliche Belegablage kann auch alleine schon die Grundbuchfunktion erfüllen. Der Gesetzgeber macht keine Vorgaben, wie eine geordnete Belegablage auszusehen hat. Die Belege (z. B. Z-Bons, Rechnungen, Quittungen) können in zeitlicher Reihenfolge, nach Belegnummern sortiert oder alphabetisch abgelegt werden. Eine planlose Aufbewahrung in einer Schuhschachtel wäre dagegen nicht ordnungsmäßig.
Ein nicht ordnungsmäßig geführtes, in sich unschlüssiges oder unglaubwürdiges Grundbuch besitzt keine Beweiskraft und ist wertlos!
Neben dem Kassenbuch gehören auch Rechnungseingangs- und Rechnungsausgangsbücher, Bankbücher, in denen die unbaren Geldbewegungen festgehalten werden, und das für Gebrauchtwagen geführte Wageneingangs- und Wagenausgangsbuch der Kfz-Händler zu den Grundbüchern.
Die Aufgabe des Hauptbuchs ist die systematische und sachliche Erfassung der Geschäftsvorfälle auf den Personen- und Sachkonten.
Ein Nebenbuch ergänzt die Aufzeichnungen der Grund- und Hauptbücher. Ein typisches Nebenbuch ist das Inventarverzeichnis.
Unter Hilfsbüchern sind die gesammelten Aufzeichnungen des Unternehmers zu Statistik, Planung, Kontrolle sowie Termin- und Auftragsbücher zu verstehen.
Die Kassenführung ist Bestandteil der Buchführung. Eine ordnungsmäßige Buchführung setzt grundsätzlich auch eine ordnungsmäßige Kassenführung voraus. Insbesondere bei Unternehmen mit erheblichem Barverkehr können Kassenbewegungen einen überwiegenden Teil der gesamten Buchführung ausmachen.
[17]Festgestellte Mängel in der Kassenführung wirken sich deshalb gerade bei bargeldintensiven Betrieben entscheidend auf die Gesamtbeurteilung der Buchhaltung aus. Eine nicht zutreffende Anwendungsvorschrift oder die unzutreffende Auslegung einer Vorschrift kann bereits zu Mängeln führen, auch wenn diese Mängel nur formeller Natur sind.
Eine Buchführung, die der Besteuerung zugrunde gelegt werden soll, muss sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen erfüllen.
Was allgemein unter diesen beiden Begriffen zu verstehen ist, sollen die Beispiele in der nachstehenden Grafik verdeutlichen.
Abb. 1: Übersicht: Formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit
Ob eine Buchführung formell und sachlich richtig ist, wird bei einer Außenprüfung auf zwei unterschiedliche Weisen geprüft. Neben der Untersuchung einzelner konkreter Geschäftsvorfälle erstreckt sich die Prüfung auch auf das Buchführungssystem insgesamt. Bei solchen Systemprüfungen werden insbesondere die eingesetzten EDV-Programme und internen Verfahrensabläufe durchleuchtet.
In der Praxis ist es nicht immer einfach zu entscheiden, welche der Vorschriften oder Sonderregelungen im Einzelfall zu beachten sind. Neben den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) und der Abgabenordnung (AO) bestimmen Einzelsteuergesetze, allgemeine Buchführungsgrundsätze, Erlasse und mehrere Anwendungsvorschriften (BMF-Schreiben), was richtig und was falsch ist.
Was das Kassenwesen betrifft, befinden wir uns derzeit unübersehbar in einer steuerpolitisch geprägten Umbruchstimmung. Branchen, in denen Bargeld eine wesentliche Rolle spielt, werden eindringlicher geprüft als früher. Prüfer stellen Mängel in der Kassenführung fest, die bisher offenbar niemand störten.
So zumindest erscheint es manchem Unternehmer, der glaubte, alles richtig gemacht zu haben. Die Folgen können fatal sein. Eine Buchführung wird verworfen, sie verliert ihre Glaubwürdigkeit und es droht eine steuerliche Schätzung. Dabei hat sich der Unternehmer vielleicht nur einer falschen, für ihn nicht maßgeblichen, Vorschrift bedient.
Ganz so dramatisch ist es aber nicht. Werden alle Barbewegungen gewissenhaft im Unternehmen aufgezeichnet, führt eine Verwechslung der Anwendungsvorschrift durch den steuerlichen Berater nicht gleich zu einer Schätzung. Erfahrungsgemäß trägt in Schätzungsfällen der Unternehmer selbst in erheblichem Maße dazu bei, indem er z. B. seine Eintragungen im Kassenbuch nicht wahrheitsgetreu vornimmt. Dennoch ist die Rechtsunsicherheit groß, der Gesetzesdschungel für einen steuerlich nicht beratenen Kaufmann kaum noch zu überblicken.
[19]Gerade die Rechtslage, die bis zum 31.12.2016 galt, stellte bzgl. der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung maßgeblich darauf ab, welches Kassensystem im Unternehmen eingesetzt wurde und was dieses System tatsächlich zu leisten imstande war.
Für die Buchführung und somit auch für die Führung einer Kasse und eines Kassenbuchs gelten die handelsrechtlichen Vorschriften der §§ 238 bis 263 HGB, die steuerrechtlichen Aufzeichnungsvorschriften der §§ 140 bis 148 AO, § 158 AO sowie die Vorschriften der Einzelsteuergesetze (z. B. § 22 UStG).
[20]
Abb. 2: Vorschriften zur Kassenführung
Die Zusammenstellung soll dabei helfen, den Anwendungsbereich und den Anwendungszeitraum der wichtigsten Vorschriften - soweit sie für die Kassenführung relevant sind - eindeutig zu bestimmen.
Diejenigen, die nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen haben, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, haben diese Verpflichtungen auch für die Besteuerung zu erfüllen.
Buchführungspflicht (§ 141 AO)
§ 141 AO regelt, welche Steuerpflichtigen Bücher führen müssen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen zu Abschlüssen verpflichtet sind, soweit sich die Buchführungspflicht nicht aus § 140 AO ergibt.
§ 142 AO enthält ergänzende Vorschriften für buchführungspflichtige Land- und Forstwirte.
Gewerbliche Unternehmer müssen gem. Abs. 1 den Wareneingang gesondert aufzeichnen. In den Abs. 2 und 3 ist geregelt, welche Waren aufgezeichnet werden müssen und welche Angaben die Aufzeichnungen enthalten müssen.
Aus Vereinfachungsgründen werden insbesondere im Gastronomiebereich vielfach nur Sammelrechnungen auf dem Wareneingangskonto erfasst, die unterschiedliche Waren und Warengruppen enthalten.
Meist wird der Rechnungsbetrag nur aus umsatzsteuerlichen Gründen in Waren, die dem ermäßigten Steuersatz, und Waren, die dem Regelsteuersatz unterliegen, aufgeteilt und verbucht.
Bei dieser Vorgehensweise werden die Anforderungen des § 143 AO nicht erfüllt. Die ausschließliche Verbuchung von Sammelrechnungen stellt einen Buchführungsmangel dar. Wird der Wareneinkauf nicht artikelweise aufgegliedert, ist eine Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen sehr schwierig und führt zu extrem einseitigen und verzerrten Ergebnissen (vgl. BFH-Urteil vom 02.02.1982 - VIII R 65/80).
Waren, die an Gewerbetreibende verkauft werden, müssen einzeln aufgezeichnet werden.
In Satz 1 der Vorschrift verlangt der Gesetzgeber, dass eine Buchführung so beschaffen sein muss, dass sich ein sachkundiger Dritter in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens machen kann.
Sachkundig kann ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe sein oder ein Bediensteter der Steuerverwaltung, soweit er eine entsprechende Ausbildung als Außenprüfer oder Steuerfahnder besitzt.
Welche Zeit angemessen ist, wird von verschiedenen Faktoren bestimmt. Dabei kommt es auf die Art und den Umfang einer Buchhaltung und auf die Sachkenntnis des »Dritten« an.
Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. In Satz 2 der Vorschrift wird darauf hingewiesen, dass die Aufzeichnungen so vorzunehmen sind, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird.
Um Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen zu können, müssen sie sowohl progressiv, d. h. vom Urbeleg über das Grundbuch/Journal/Hauptbuch bis hin zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, als auch in umgekehrter Reihenfolge, retrograd, nachprüfbar sein.
Bei einer EDV-Buchführung beschreibt die Verfahrensdokumentation den Weg der digitalen Aufzeichnungen. Ein internes Kontrollsystem (IKS) sorgt für die sachlich und systematisch korrekte Abwicklung der Vorgänge.
Diese allgemeinen Anforderungen gelten auch für die Kassenführung.
Rz 8 der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) vom 14.11.2014 macht deutlich, dass unter diesen Voraussetzungen (§§ 145, 146 AO) auch Aufzeichnungen auf Datenträgern zulässig sind. Für Nutzer einer elektronischen Registrierkasse bedeutet dies, dass auch steuerlich relevante Kassendaten so vorgelegt werden müssen, dass sich der Prüfer einen schnellen Überblick verschaffen kann (vgl. auch BMF-Schreiben vom 26.11.2010).
In § 146 Abs. 1 Satz 1 AO werden die Anforderungen an die Aufzeichnungen beschrieben. Danach sind Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen.
Was ist im Einzelnen unter den Aufzeichnungsmerkmalen des Abs. 1 Satz 1 zu verstehen?
VollständigAlle Vorgänge, die den Erfolg oder das Vermögen des Unternehmers betreffen, sind lückenlos zu erfassen. Fehlende Geschäftsvorfälle stellen einen schweren Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) dar. Auch wenn mehrere Geschäftsvorfälle verrechnet oder saldiert dargestellt werden, gelten die Buchungen als unvollständig. Solche verkürzten Buchungen sind vorstellbar, wenn z. B. ein Verkaufserlös zuvor mit einem Gegengeschäft verrechnet wird.Beispiel: Gebrauchtwagenhändler
Ein Gebrauchtwagenhändler bucht nur die Differenz aus dem Fahrzeugverkauf und der Inzahlungnahme eines Altwagens seines Kunden als Betriebseinnahme.
Der Verkauf des Fahrzeugs und die Inzahlungnahme sind zwei getrennt zu erfassende Geschäftsvorfälle. Zwar ist das ertragsteuerliche Ergebnis in beiden Fällen identisch, umsatzsteuerlich gesehen, kann die bloße Erfassung des Differenzbetrags jedoch zu einer falschen Zahllast führen. (Kein Vorsteuerabzug beim Ankauf von einer Privatperson).
[24]Beispiel: Bäckermeister
Ein Bäckermeister beliefert Wurstbuden auf dem Wochenmarkt. Seine Ausgangsrechnungen stellt er auf Wunsch seiner Kunden mit erfundenen Empfängernamen aus. Die Rechnungsbeträge erfasst er der Höhe nach korrekt in seiner Buchhaltung und versteuert sie in voller Höhe als Betriebseinnahmen.
Obwohl die Gewinnermittlung nicht zu beanstanden ist, verstößt der Bäckermeister gegen den Grundsatz der Wahrheit. Die Buchführung ist - zumindest insoweit - nicht ordnungsgemäß, weil die Belege nicht richtig sind.
Die Überprüfung seiner Umsätze wird dadurch erheblich erschwert. Der Unternehmer muss mit einem Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechnen und wird möglicherweise als Haftungsschuldner für die verkürzten Steuern seines Kunden in Anspruch genommen.
Beispiel: Insolvenz
Bei drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) kommt der zeitgerechten Erfassung von Geschäftsvorfällen eine ganz besondere Bedeutung zu. Die exakte Feststellung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ist für ein Verfahren in derartigen Krisensituationen von großem Gewicht.
Liegt der Verdacht auf eine Insolvenzstraftat vor, zu der auch Bilanzfälschungen und Bilanzverschleierungen zählen, ist vor allem die rechtzeitige Erstellung der Buchführung Gegenstand der Ermittlung.
[25]Wer Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, nicht oder so führt, dass die Übersicht über sein Vermögen erschwert wird, riskiert nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 Strafgesetzbuch (StGB) eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen (?) täglich festgehalten werden.
BFH-Urteil vom 31.07.1974 - I R 216/72
Eine Ausnahme lässt der BFH zu, wenn zwingende geschäftliche Gründe einer Buchung noch am gleichen Tag entgegenstehen und aus den Buchungsunterlagen sicher entnommen werden kann, wie sich der sollmäßige Kassenstand entwickelt hat. In diesen Fällen ist es nach Auffassung des Gerichts noch ordnungsmäßig, wenn Bareinnahmen und -ausgaben erst am nächsten Geschäftstag aufgezeichnet werden.
Mit dem Kassengesetz 2016 wurde die Vorschrift des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO geändert. Danach sind seit dem 29.12.2016 Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festzuhalten. Das Wort »sollen« wurde durch das Wort »sind« ersetzt.
Aufgrund dieser Verschärfung muss davon ausgegangen werden, dass auch bei der Beurteilung von Ausnahmetatbeständen wie z. B. zwingenden geschäftlichen Gründen, die eine Verbuchung erst am nächsten Tag zulassen, strengere Maßstäbe anzulegen sind.
Mit Satz 2 geht die AO-Vorschrift über die Anforderungen des § 239 Abs. 2 HGB hinaus. Satz 2 verdeutlicht, dass es sich bei Vorgängen mit Bargeldberührung um einen sehr sensiblen Bereich handelt, der nach besonderen überprüfbaren Maßnahmen verlangt. Dies wird durch die Neufassung des Satzes 2 noch unterstrichen.
Bücher und Aufzeichnungen sind grundsätzlich im Geltungsbereich des Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dieser Regelung unterliegen auch Kassenbücher. Gerade [26]in Grenznähe ist diese Vorschrift von praktischer Relevanz, wenn z. B. der Wohnsitz des Unternehmers und der Geschäftsort auseinanderfallen.
AUSNAHME
Ausländische Betriebsstätten sind nach dortigem Recht zur Führung und zur Aufbewahrung verpflichtet.
Bei der Buchführung und den sonstigen Aufzeichnungen muss sich der Kaufmann einer lebenden Sprache bedienen. Auch wenn diese Vorschrift eher wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist zu bedenken, dass es viele Betriebe gibt, die von ausländischen Unternehmern geführt werden. Einige bieten ihre Waren sogar vorwiegend eigenen Landsleuten an. Nicht alle Unternehmer wären dazu in der Lage, ihr Kassenbuch in deutscher Sprache abzufassen. Auch im Gastronomiebereich gibt es bekanntlich eine bunte Vielfalt von Restaurants, deren Angebote explizit auf die Küche ihres Heimatlandes ausgerichtet sind. Auch hier reichen die Sprachkenntnisse des Betreibers oft nicht aus, ordnungsmäßige Aufzeichnungen in deutscher Sprache zu führen.
Zwar ist in § 87 Abs.1 AO klar geregelt: »Die Amtssprache ist deutsch.« Dennoch ist es zulässig, Bücher wie z. B. das Kassenbuch in einer anderen Sprache abzufassen, solange es sich dabei um eine »lebende« Sprache handelt.
Als lebende Sprachen werden solche Sprachen bezeichnet, die gegenwärtig gesprochen werden. Latein und Altgriechisch sind demnach ebenso wenig lebende Sprachen wie Kunst-, Programmier- oder Zeichensprachen. Ein in kyrillischer Schrift oder chinesischer Sprache abgefasstes Kassenbuch kann nicht schon deshalb verworfen werden, weil es von einem mit der Prüfung beauftragten Amtsträger nicht gelesen werden kann.
Der Vorschrift des § 146 Abs. 3 AO nicht gerecht wird derjenige, der seine Bücher mit unüblichen Kürzeln versieht oder sich der Stenografie bedient.
Gemäß § 146 Abs. 3 Satz 2 AO können Gerichte und Behörden Übersetzungen einzelner Dokumente verlangen, wenn die Bücher nicht in deutscher Sprache geführt werden. Strittig ist jedoch die Auffassung, dass in allen solchen Fällen jederzeit ein Dolmetscher verfügbar sein muss.
Einem konzernabhängigen inländischen Unternehmen, das seine Buchhaltung in der Sprache des ausländischen Mutterkonzerns führt, kann jedoch zugemutet werden, ein deutschsprachiges Programmmodul einzusetzen. Das ergibt sich aus der Mitwirkungspflicht im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen gem. §§ 90, 200 AO und gilt zumindest für Fälle, in denen das Buchhaltungssystem über ein solches Modul verfügt. Die zusätzlich hierfür entstehenden Kosten trägt der Steuerpflichtige.
[27]Dabei ist es unerheblich, ob die Buchhaltung in einer internationalen Verkehrssprache (Weltsprache) wie Englisch bzw. Spanisch oder in einer weniger im Geschäftsleben verbreiteten Sprache geführt wird.
Insbesondere bei der Verlagerung der digitalen Buchführung ins Ausland wird regelmäßig in der Konzernmuttersprache kommuniziert. Die in § 146 Abs. 2a AO und der GoBD vom 14.11.2014 genannten Voraussetzungen sind zu beachten.
Aufzeichnungen dürfen nicht so verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr lesbar ist (vgl. Kapitel 7.1). Radierungen sind nicht erlaubt, weil die bisherige Eintragung dadurch nicht mehr erkennbar ist. Werden DV-gestützte Buchführungssysteme eingesetzt, sind Radierungen mit der Löschung von Daten gleichzusetzen. Anstelle des »digitalen Tintenkillers« kann der gleiche Zweck, nämlich die Rückgängigmachung einer Buchung, auch im Wege einer zulässigen Umbuchung oder Stornobuchung erreicht werden.
Bücher und sonstige erforderliche Aufzeichnungen können gem. § 146 Abs. 5 AO auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden. Diese Verfahren und Formen der Buchführung müssen den GoB entsprechen, jederzeit verfügbar sein und unverzüglich lesbar gemacht werden können.
Diese Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.
In Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift werden die Unterlagen aufgeführt, die in geordneter Form aufzubewahren sind. Hierzu gehören u. a. Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse sowie Arbeitsanweisungen und sonstige Organisationsunterlagen.
Wiedergaben von abgesandten und empfangenen Handels- und Geschäftsbriefen sind in den Nrn. 2 und 3 genannt, Buchungsbelege in Nr. 4 und sonstige Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, in Nr. 5.
Die eingefügte Ziffer 4a. bezieht sich ausschließlich auf Zollanmeldungen, soweit sie mit Mitteln der Datenverarbeitung erstellt wurden.
Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Abs. 1 Nr. 4a können die in Abs. 1 aufgeführten Unterlagen auch auf einem geeigneten Datenträger aufbewahrt werden, wenn dies den GoB entspricht. Voraussetzung hierfür ist, dass die Daten während der Aufbewahrungsdauer jederzeit verfügbar sind, lesbar gemacht werden können und maschinell auswertbar sind.
Abs. 3 regelt die Aufbewahrungsdauer von Unterlagen und den Ablauf der Aufbewahrungsfrist bei noch nicht abgelaufener Festsetzungsfrist.
Wann die Aufbewahrungsfrist tatsächlich beginnt, wird in Abs. 4 der Vorschrift beschrieben.
Wer Unterlagen auf Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, die Kosten hierfür zu übernehmen bzw. die Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die für das Lesen der Unterlagen erforderlich sind.
Die Neufassung des § 147 Abs. 6 AO regelt den digitalen Datenzugriff der Finanzverwaltung im Rahmen von Außenprüfungen. Die Vorschrift räumt Finanzbehörden seit dem 01.01.2002 das Recht ein, direkt auf die maschinellen Daten von Unternehmen zuzugreifen.
Neben der klassischen Papierprüfung kann das Finanzamt verlangen, die steuerlich relevanten Daten unmittelbar am eigenen System (Z1), mittelbar, d. h. nach ihren Vorgaben maschinell aufbereitet (Z2), oder auf einem maschinell verwertbaren Datenträger im Wege der Datenträgerüberlassung (Z3) zur Verfügung zu stellen.
Unterlagen in PapierformDer Prüfer kann in bestimmten Fällen auch eine herkömmliche Papierprüfung durchführen, wenn es der Einzelfall erfordert (z. B. Kleinstbetrieb, Daten sind nicht GoBD-konform, veraltetes System). Nach den Vorgaben seines Dienstherrn soll eine Papierprüfung allerdings nur noch in Ausnahmefällen erfolgen. Meist muss er dies sogar schriftlich begründen. Durch die digitale Prüfung verspricht sich der Gesetzgeber eine effektivere und zügigere Abwicklung der Fälle. Zudem wurden enorme Kosten in die Aus- und Fortbildung und die technische Ausstattung der Prüfungsdienste investiert. Werden die Unterlagen auf Papier angefordert, wird der Prüfer i. d. R. auf die zusätzliche Bereitstellung der Unterlagen auf einem Datenträger verzichten.[29]Die Datenzugriffsmöglichkeiten:Unmittelbarer Datenzugriff (Z1)Das Unternehmen stellt dem Prüfer einen PC-Arbeitsplatz zur Verfügung und ermöglicht ihm den direkten Zugriff auf das Buchführungssystem.Vorteil (aus Sicht des Prüfers) Das System ist auch auf sehr große Datenmengen eingerichtet, wodurch sich die Zugriffszeiten gegenüber seinem Laptop zum Teil wesentlich verkürzen.Nachteil (aus Sicht des Prüfers) Der Prüfer erhält einen sog. »Nur-Lese-Zugriff«. Die Auswertemöglichkeiten sind beschränkt. Es sind Systemkenntnisse erforderlich.Mittelbarer Datenzugriff (Z2)Die Daten werden nach den Vorgaben des Prüfers maschinell aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Der Prüfer erhält entweder Ausdrucke oder lässt sich bestimmte Geschäftsvorfälle am System des Unternehmens aufzeigen. Hierfür wird vom Unternehmer regelmäßig eine fachkundige Person benannt und für die Dauer der Prüfung abgestellt.Vorteil (aus Sicht des Prüfers) Es sind keine Systemkenntnisse erforderlich. Auch große Datenmengen lassen sich bewältigen. Kurze Zugriffszeiten.Nachteil (aus Sicht des Prüfers) Der Prüfer erhält einen »Nur-Lese-Zugriff« und ist weitgehend abhängig vom Wissensstand, Können und der Einsatzbereitschaft des Mitarbeiters. Eigene Auswertungen sind nicht möglich.Datenträgerüberlassung (Z3)Die steuerlich relevanten Daten werden auf einem maschinell auswertbaren Datenträger übergeben.Vorteil (aus Sicht des Prüfers) Die Datenbestände können nach eigenem Ermessen aufbereitet und mittels digitaler Analysen ausgewertet werden.Nachteil (aus Sicht des Prüfers) Bei sehr großen Datenmengen reicht die Kapazität des Prüfernotebooks möglicherweise nicht aus. Die Zugriffszeiten können sich dadurch erheblich verlängern.Kumulieren erlaubt?Die verschiedenen Datenzugriffsmöglichkeiten können auch kombiniert werden. In der Praxis macht es manchmal Sinn, z. B. nur die Sachkonten zur gezielten Auswertung auf einem Datenträger anzufordern, während der umfangreichere Personenkontenbestand bei Bedarf direkt am System eingesehen werden kann. Gerade bei großen Unternehmen machen Prüfer gerne von dieser Möglichkeit Gebrauch, wenn die Ressourcen des Dienstrechners erschöpft sind.[30]Wer bestimmt über die Art des Datenzugriffs?Die Entscheidung über die Art des Datenzugriffs trifft grundsätzlich der Außenprüfer. Welche Zugriffsmethode ihm als geeignet und zweckmäßig erscheint, beurteilt er unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall.Einsatz einer PC-gestützten KasseBesondere Bedeutung für die Kassenführung hat die Vorschrift des § 147 Abs. 6 AO, wenn im Unternehmen eine Registrierkasse in Form einer sog. PC-Kasse eingesetzt wird: Sonderregelungen, die speziell für den Einsatz von elektronischen Registrierkassen ergangen sind und überwiegend der Vereinfachung dienen sollen, greifen nicht, wenn die Einzeldaten ohnehin systembedingt und dauerhaft auf der Festplatte abgelegt sind. Alle steuerlich relevanten Daten (auch die Kassenjournaldaten) sind danach seit dem 01.01.2002 aufbewahrungs- und vorlagepflichtig.Speicherung überlassener DatenBFH-Urteil vom 16.12.2014 - VIII R 52/12Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die Vorschrift des § 147 Abs. 6 AO der Finanzverwaltung nicht das Recht gibt, die ihr im Rahmen einer Außenprüfung in digitaler Form überlassenen Daten über den Zeitraum der Prüfung hinaus auf Rechnern außerhalb der behördlichen Diensträume zu speichern. Danach dürfen die Daten nach Abschluss einer Prüfung nur noch in den Diensträumen der Finanzbehörden, nicht aber auf den Prüfernotebooks aufbewahrt werden. Die räumliche Beschränkung des Datenzugriffs folgt auch den Inhalten des § 200 Abs. 2 AO, wonach der Steuerpflichtige die prüfungsrelevanten Unterlagen nur in seinen Geschäftsräumen, in seinen Wohnräumen oder an einer Amtsstelle vorzulegen hat.Mitnahme von digitalen DatenBMF-Schreiben vom 17.08.2016 - IV A 4 - S 0069/15/10010Nach Auffassung des BMF dürfen in digitaler Form überlassene Daten für den Zeitraum der Prüfung auf dem Notebook des Prüfers verbleiben. Das BFH-Urteil vom 16.12.2014 ist dahingehend auszulegen, dass dies auch für Fahrten zwischen Wohnung und Amtsstelle außerhalb der Dienstzeit in einem privaten Pkw und in einer Wohnung bzw. im Privatbereich gilt, soweit an diesen Orten die Daten weder erhoben noch verarbeitet werden. Die Vorschrift des § 200 Abs. 2 AO steht einer Außenprüfung am Heimarbeitsplatz eines Prüfers nicht entgegen. Ein eigens vom Finanzamt genehmigter Heimarbeitsplatz in der eigenen Wohnung wird den Diensträumen des Finanzamts gleichgestellt. Steuergeheimnis und Datenschutz müssen dabei gewahrt bleiben. Werden gleichzeitig mehrere Außenprüfungen durchgeführt, ist es zulässig, die Daten noch nicht abgeschlossener Prüfungsfälle in die Geschäftsräume anderer Steuerpflichtiger mitzunehmen. Auch hier gilt die Einschränkung, dass die Daten an diesen »fremden« Orten weder erhoben noch verarbeitet werden dürfen.[31]Überlassung von DatenträgernFG München vom 12.07.2018 – 1 K 2318/17Fordert das Finanzamt einen Steuerpflichtigen zu Beginn der Außenprüfung auf, einen Datenträger zu überlassen, muss erkennbar sein, wo der Datenzugriff und die Auswertung erfolgen soll und ob und wie lange die erhaltenen Daten gespeichert werden. Außerdem machte das Gericht klar, dass die Daten nur in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder an Amtsstelle erhoben werden dürfen. Nach Abschluss der Prüfung sind diese nicht weiter auf dem Laptop des Prüfers vorzuhalten. Eine Speicherung der Daten darf ausschließlich in den Diensträumen der Finanzverwaltung erfolgen.Datenzugriff auf MandantendatenFG Schleswig-Holstein vom 12.10.2015 - 2 V 95/15Der Datenzugriff gem. § 147 Abs. 6 Satz 2 AO auf Mandantendaten kann auch dann erfolgen, wenn das Mandantschaftsverhältnis nicht mehr besteht und gegenüber dem ehemaligen Mandanten ein Zurückbehaltungsrecht vorliegt. Für viele Steuerberater war die Zurückbehaltung von Unterlagen bisher ein wirksames Druckmittel, um ihre noch offenen Honorarforderungen an frühere Mandanten beizutreiben. Das Herausgabeverlangen gem. § 147 Abs. 6 Satz 2 AO ist jedoch strittig. Gegen die Entscheidung des FG wurde Beschwerde eingelegt (BFH, Az. II B 97/15).In einzelnen Fällen kann die Finanzbehörde Erleichterungen bewilligen, wenn Buchführungs-, Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflichten Härten mit sich bringen und die Besteuerung durch die Erleichterungen nicht beeinträchtigt wird.
Die GoB sind ein aus der Historie heraus gewachsener Rechtsbegriff. Sie sind vermutlich mehrere Hundert Jahre alt - niemand weiß das genau. Obwohl diese Grundsätze im HGB und in der AO mehrfach verwendet werden, gibt es nirgendwo eine eindeutige Begriffsdefinition.
Der Gesetzgeber verwendet solche unbestimmten Rechtsbegriffe, um die darin enthaltenen Regelungen im Einzelfall auszulegen und zu präzisieren. Unbestimmte Rechtsbegriffe werden regelmäßig durch die Rechtsprechung und die Literatur oder durch die Alltagspraxis »gefüllt«. Dabei kommt gerade der allgemeinen Verkehrsauffassung eine besondere Bedeutung zu.
[32]Die GoB sind nicht in einer speziellen gesetzlichen Vorschrift oder in einer schriftlichen Dokumentation zusammengefasst dargestellt. Sie leiten sich aus den gesetzlichen Vorschriften des HGB (§§ 238 ff.), der AO (§§ 140 ff.) und des Umsatzsteuerrechts (§ 22 UStG) her. Sie umfassen zudem allgemeine Regeln sowie geschriebene und ungeschriebene Normen zur Buchführung, Bilanzierung und zum Jahresabschluss sowie Regelungen, die sich aus der Rechtsprechung, der Praxis, aber auch aus Empfehlungen von Wirtschaftsverbänden ergeben. Auch handelsrechtliche und kaufmännische Gewohnheiten, der technische Fortschritt und die allgemeine Verkehrsauffassung fließen in die GoB ein.
Viele der althergebrachten Regelungen sind nicht ohne Weiteres auf die heutige moderne Buchhaltungstechnik übertragbar.
Beispiel: Sichere Aufbewahrung eines Kassenbuchs
Das manuell geführte Kassenbuch wird in einem verschlossenen Büroschrank aufbewahrt.Das digitale Kassenbuch wird in einem mit Passwort und Zugriffsschutz versehenen Archivsystem vorgehalten.Da die Regelungen der GoB selbst nicht gesetzlich fixiert sind, können sie ständig den wirtschaftlichen und technischen Veränderungen und neuen Erkenntnissen angepasst werden.
Für die Einhaltung der Grundsätze ist ausschließlich der Unternehmer verantwortlich. Die Organisation seiner Kassenführung, aber auch die Programmierung der eingesetzten Registrierkasse ist Sache des Unternehmers. Er kann auch nicht behaupten, bestimmte Einstellungen seiner Kasse habe der Aufsteller zu verantworten, er selbst verstehe von der Materie zu wenig. Die einzelnen Tätigkeiten kann er an andere delegieren, die Verantwortung jedoch nicht. Selbst Krankheit oder Alter können ihn davon nicht entbinden.
BMF-Schreiben vom 07.11.1995 - IV A 8 - S 52/95
Die Ordnungsmäßigkeit einer DV-gestützten Buchführung ist grundsätzlich nach den gleichen Prinzipien zu beurteilen wie die einer manuell erstellten Buchführung. Mit dem Schreiben des BMF vom 07.11.1995 sollten die allgemeinen Grundsätze der GoB [33]für den Bereich einer elektronischen Buchführung ergänzt und präzisiert werden. Zur DV-gestützten Buchführung gehören neben der Finanzbuchhaltung auch die digitalen Aufzeichnungen der Vor- und Nebensysteme wie die einer elektronischen Registrierkasse. Die GoBS wurden von der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. (AWV) erarbeitet.
Die GoBS wurden inzwischen durch die am 14.11.2014 veröffentlichten GoBD ersetzt und gelten letztmalig für Veranlagungszeiträume bis 2014.
Aus diesen Gründen wird auf eine eingehendere Beschreibung der GoBS verzichtet.
Das BMF-Schreiben vom 09.01.1996 (IV A 8 - S 0310 - 5/95) ist speziell zur Aufbewahrung von Kassenunterlagen ergangen. Die Vorschrift beinhaltet eine Vereinfachungsregelung bei der Verwendung einer elektronischen Registrierkasse, wenn der Zweck der Aufbewahrung in anderer Weise gesichert und die Gewähr der Vollständigkeit gegeben ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auf die Aufbewahrung von Papierkassenstreifen verzichtet werden.
Das BMF-Schreiben vom 09.01.1996 wurde durch das BMF-Schreiben vom 26.11.2010 teilweise ersetzt. Das neuere BMF-Schreiben enthält gleichzeitig eine Übergangsregelung für noch im Einsatz befindliche ältere Registrierkassen. Danach galten für technisch nicht aufrüstbare »Altkassen« weiterhin die Vereinfachungsregelungen des BMF-Schreibens vom 09.01.1996 (bis längstens 31.12.2016).
BMF-Schreiben vom 16.07.2001 - IV D 2 - S 0316 - 136/01
Das BMF-Schreiben vom 16. Juli 2001 enthält insbesondere Regeln zum Umfang und zur Ausübung des Rechts auf Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO, zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen und zur Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen bei Betriebsprüfungen. Soweit diesen Grundsätzen keine Sondervorschriften entgegenstehen, gelten sie auch für die digitalen Aufzeichnungen einer elektronischen Registrierkasse.
Entsprechend der GoBS wurden auch die Regelungen der GDPdU in die am 14.11.2014 veröffentlichten GoBD eingearbeitet und sind letztmalig für Veranlagungszeiträume bis 2014 anwendbar. Mit dem BMF-Schreiben vom 28.11.2019 wurden die GoBD aktualisiert. Die GoBD vom 28.11.2019 ersetzen die GoBD vom 14.11.2014.
Aus diesen Gründen wird auf weitere Ausführungen zur GDPdU verzichtet.
Rz 9 des Fragen- und Antwortkatalogs des BMF vom 01.07.2002 (letztmals aktualisiert am 22.01.2009, BMF Referat IV A 4) stellt klar, dass elektronische Registrierkassen Bestandteil des DV-Systems i. S. d. § 147 Abs. 6 AO sind. Bei den gespeicherten Daten handelt es sich deshalb um Daten, die dem Einsichtsrecht nach dieser Vorschrift unterliegen.
Der Fragen- und Antwortkatalog des BMF wird nicht mehr aktualisiert. Die Inhalte wurden weitgehend in die am 14.11.2014 veröffentlichen und am 28.11.2019 aktualisierten GoBD übernommen.
Mit dem Schreiben vom 29.11.2019 hat das Bundesministerium der Finanzen einen Fragen- und Antwortenkatalog (FAQ) auf seiner Homepage veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine sog. Orientierungshilfe für die Anwendung des § 146a AO und der Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr (Kassensicherungsverordnung – KassenSichV).
Das BMF-Schreiben vom 26.11.2010 (IV A 4 - S 0316/08/10004-07) konkretisiert die Voraussetzungen für die Aufbewahrung und den digitalen Datenzugriff bei elektronischen Registrierkassen. In diesem Schreiben (Kassenrichtlinie 2010) wird insbesondere die Einzelaufzeichnungspflicht digitaler Kassenjournaldaten gefordert.
[35]Die in diesem Schreiben genannten Neuregelungen sind Bestandteil der GoBD vom 14.11.2014 und gelten auch für die Jahre 2016 ff. Die Einzelheiten der Vorschrift werden an anderer Stelle ausführlich beschrieben.
BMF-Schreiben vom 28.11.2019 - IV A 4 - S 0316/19/10003
Die GoBD vom 28.11.2019 ersetzen die bisher geltende Fassung vom 14.11.2014. In den am 28.11.2019 veröffentlichten GoBD werden die Aufbewahrungspflichten nochmals konkretisiert. In Rz 20 wird klar zum Ausdruck gebracht, dass die Vorschriften auch auf Datenvorsysteme wie Kassensysteme, Kassen mit Wiegefunktion, Warenwirtschaftssysteme, Fakturierung, Materialwirtschaft, Zeiterfassung, Taxameter und Geldspielgeräte usw. anzuwenden sind.
Rz 31 der GoBD weist darauf hin, dass Aufzeichnungen so zu führen sind, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird. Eine ordnungsmäßige Buchführung muss die progressive und retrograde Prüfbarkeit – soweit anwendbar – gewährleisten.
BMF-Schreiben vom 19.06.2018 – IV A4 – S 0316/13/10005
Der Anwendungserlass zu § 146 AO befasst sich in der Hauptsache mit den Grundsätzen der Einzelaufzeichnungspflicht nach § 146 Abs. 1 AO, aber auch mit den Ausnahmen aus Zumutbarkeitsgründen. In RZ 2.2.3 wird beschrieben, unter welchen Voraussetzungen eine offene Ladenkasse neben der elektronischen Hauptkasse eingesetzt werden darf. Unter welchen Umständen die Zumutbarkeitsüberlegungen, die der Ausnahmeregelung des § 146 Abs. 1 Satz 3 AO zugrunde liegen, auch auf Dienstleistungsunternehmen übertragen werden können, ist in RZ 2.2.6 geregelt.
Die weiteren Ausführungen des Erlasses befassen sich mit den Aufzeichnungspflichten bei Verwendung einer offenen Ladenkasse, dem Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO und der Lesbarmachung von maschinellen Datenträgern u. a.
BMF-Schreiben vom 17.06.2019 – IV A4 – S 0316-a/18/10001
Das BMF-Schreiben beschreibt Einzelheiten und Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme. Insbesondere enthält der Erlass ergänzende Angaben zur zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE). Dazu gehören auch Ausführungen zu Begriffen wie Vorgang, Transaktion, Geschäftsvorfall u. a. und Erläuterungen dazu, was die Kassen-SichV unter den einzelnen Begriffen versteht.
BMF-Schreiben vom 29.05.2018 – IV A4 – S 0316/13/10005
Ausführliche Informationen zur Einführung der seit 01.01.2018 möglichen unangekündigten Kassen-Nachschau wurden im Anwendungserlass zu § 146b AO veröffentlicht. Unter welchen Voraussetzungen eine Kassen-Nachschau durchführbar ist, wer zu dieser berechtigt ist und über welche Rechte und Pflichten der Steuerpflichtige verfügt, werden im Erlass dargestellt. Es wird aber auch beschrieben, wie sich der Prüfer zu verhalten hat, auf welche Geräte sich eine Kassen-Nachschau bezieht, welche Räume betreten werden dürfen und welche Unterlagen ggfs. zur Auswertung mitgenommen werden dürfen.
BMF-Schreiben vom 06.11.2019 – IV A4 – S 0319/19/10002
Eine sog. Nichtbeanstandungsregelung war erforderlich, da die gemäß § 146a AO geforderten technischen Sicherheitssysteme Ende 2019 noch nicht bzw. nicht in ausreichender Stückzahl am Markt verfügbar waren. Danach soll es nicht beanstandet werden, wenn der Steuerpflichtige seine Kasse längstens bis zum 30. September 2020 mit einem entsprechenden technischen Sicherheitssystem ausrüstet.
Abb. 3: Geltungszeitraum der steuerlichen Vorschriften
Entsprechen die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO, sind sie der Besteuerung zugrunde zu legen. Dabei gilt gem. § 158 AO die Vermutung, dass eine nach den §§ 140 ff. AO formell korrekte Buchführung, auch sachlich richtig ist:
§ 158 AO
[…] soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
Da die allgemeinen Vorschriften der AO auch auf Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach anderen Gesetzen als der AO verweisen, setzt die widerlegbare Richtigkeitsvermutung des § 158 AO auch die Einhaltung der formellen handelsrechtlichen Vorschriften voraus.
§ 158 AO gilt auch für Aufzeichnungspflichten nach den Einzelsteuergesetzen und für freiwillig geführte Aufzeichnungen.
Ob eine Buchführung formell ordnungsmäßig ist oder nicht, entscheidet das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall. Eine Buchführung kann trotz einzelner festgestellter Mängel im Rahmen der Gesamtbetrachtung formell ordnungsmäßig sein.
Entscheidend bei der Gesamtbewertung sind nicht die Anzahl der Mängel, sondern deren sachliche Gewichtung. Schwerwiegende Mängel führen schneller zu einer Ordnungswidrigkeit als kleinere, unwesentliche Mängel. Es ist jedoch zu beachten, dass je nach Einzelfall bereits ein gewichtiger Mangel ausschlaggebend sein kann, um die Buchführung zu verwerfen. Andererseits können auch viele leichte Mängel, die einzeln betrachtet eher unbedeutend erscheinen, in der Gesamtbetrachtung so schwerwiegend sein, dass sie zur Verwerfung führen.
Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer formell nicht ordnungsmäßigen Buchführung trägt die Finanzbehörde.
Solange es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein Zahlenwerk fehlerhaft ist, gilt nach § 158 AO die Vermutung, dass eine formell korrekte Buchführung auch sachlich richtig ist.
Liegt eine formell ordnungsgemäße Buchführung vor, kann sie dennoch inhaltlich unrichtig sein. Werden sachliche Mängel festgestellt, die sich auf die Erfolgsrechnung des Steuerpflichtigen auswirken, ist die Buchführung aus materiellen Gründen nicht ordnungsmäßig.
Auch in diesem Fall trifft die Finanzbehörde die objektive Beweislast für die Feststellung der sachlichen Unrichtigkeit.
Beispiel: Zusätzliche Nachweise
Liegen ordnungsmäßige Aufzeichnungen vor und erbringt ein Steuerpflichtiger alle geforderten Nachweise (Buchungsbelege), kann von ihm nicht verlangt werden, dass er darüber hinaus noch weitere Beweise vorlegt, um die sachliche Richtigkeit seiner Aufzeichnungen (z. B. Betriebsausgaben) zu untermauern.
Nicht immer kann sicher festgestellt werden, ob das Ergebnis einer formell ordnungsmäßigen Buchführung auch sachlich zutreffend ist. In solchen, nicht aufklärbaren Fällen ist die Buchführung der Besteuerung zugrunde zu legen.
Ungenauigkeiten gehen zulasten der Finanzbehörde. Durch die Formulierung »[…] sind der Besteuerung zugrunde zu legen« wird der Finanzverwaltung kein Ermessensspielraum eingeräumt.
Ist eine formell ordnungsgemäße Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Sie ist dann nicht mehr gem. § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen und verliert ihre Beweiskraft. Die Besteuerungsgrundlagen sind gem. § 162 AO zu schätzen.
Eine formell nicht ordnungsmäßige Buchführung begründet regelmäßig Zweifel an der materiellen Richtigkeit. Die Buchführung kann auch aus formellen Gründen verworfen werden. Liegen so schwerwiegende formelle Mängel vor, dass auch die sachliche [41]Richtigkeit der Buchführung infrage zu stellen ist, kann dies auch ohne konkrete Hinweise eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zur Folge haben.
Die Entscheidung, ob eine Buchführung ordnungsmäßig ist oder nicht, wird von den Prüfungsdiensten wie der Betriebs-/Außenprüfungsstelle, der Steuerfahndung oder der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Umsatzsteuer-Nachschau) getroffen. Stellt die Finanzbehörde Sachverhalte fest, die darlegen, dass das Ergebnis einer Buchhaltung nicht richtig ist, gilt die Vermutung der sachlichen Richtigkeit als widerlegt.
Mutmaßungen und Behauptungen reichen zur Entkräftung der Richtigkeitsvermutung des § 158 AO allerdings nicht aus. Um diese Vermutung zu entkräften, ist es nicht erforderlich, dass die Finanzbehörde das zutreffende Buchführungsergebnis ermittelt. Es genügt bereits der Nachweis, dass das bisher erklärte Ergebnis nicht richtig sein kann. Die sachliche Richtigkeit einer formell ordnungsmäßigen Buchhaltung kann nur dann widerlegt werden, wenn das Buchführungsergebnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Nur detaillierte Nachkalkulationen und Verprobungen sind dazu geeignet, die materielle Unrichtigkeit festzustellen.
Durch lediglich geringfügige sachliche Mängel verliert eine Buchführung noch nicht ihren Beweischarakter. Das Gleiche gilt auch für kleinere Formmängel.
Die sachliche Richtigkeit einer formell ordnungsmäßigen Buchführung kann auch durch gezielte Stichprobenprüfungen widerlegt werden, z. B. durch die Auswertung von Kontrollmaterial über einzelne Geschäftsvorfälle.
FG Hamburg vom 11.08.2010 - 5 V 129/08 und 5 V 146/08
Durch das Ergebnis einer Nachkalkulation wird die sachliche Unrichtigkeit bestätigt (vgl. auch BFH-Urteil vom 07.11.1990 - III B 449/90 (NV) und BFH-Urteil vom 09.08.1991 - III R 129/85).
Kann das korrekte Buchführungsergebnis nicht sicher festgestellt werden, ermittelt die Finanzbehörde in vertretbarem und zumutbarem Rahmen das »richtige« Ergebnis.
[42]Es wird i. d. R. unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall im Wege einer Schätzung nach § 162 AO festgestellt. Um das vermeintlich richtige Ergebnis zu erhalten, wird auch auf das Gewicht der festgestellten Mängel abgestellt. Die Gesamtheit vieler kleinerer Mängel kann dabei ebenso gewichtig sein, wie ein schwerwiegender wesentlicher Mangel.
Werden bei der Auswertung von Kontrollmitteilungen nur einzelne, eindeutig zu beziffernde und eingrenzbare Sachverhalte festgestellt, die die Ordnungsmäßigkeit der übrigen Buchführung nicht infrage stellen, kann auch eine punktuelle Schätzung zum richtigen Buchführungsergebnis führen.
Der Verlust der Beweiskraft der Buchführung hat zur Folge, dass ein Steuerpflichtiger seine Buchführung und seine Aufzeichnungen nicht mehr als Mittel gegen eine Schätzung der Finanzbehörde einsetzen kann. Aufgrund der Verwerfung ist sie ihrer Beweis- und Aussagekraft enthoben.
Dass eine Schätzung dem Grunde nach unzutreffend oder der Höhe nach nicht gerechtfertigt ist, kann der Steuerpflichtige mithilfe seiner verworfenen Buchführung nicht mehr belegen.
Steuerberater bemängeln immer wieder das Vorgehen der Prüfer bei einer Betriebsprüfung. Werden gewichtige Buchführungsmängel festgestellt, wird in vielen Fällen die Buchführung insgesamt verworfen.
Anstelle einer partiellen Hinzuschätzung aufgrund einzelner beanstandeter Bereiche wird eine Vollschätzung nach § 162 AO durchgeführt. Der Steuerberater hat so kaum noch Möglichkeiten, selbst glaubwürdige und sachlich nicht beanstandete Sachverhalte bei der Bemessung der Höhe der Schätzung zugunsten seines Mandanten anzuführen.
Solange der Schätzungsrahmen angemessen ist, ist die Vorgehensweise der Prüfer rechtens. Insbesondere beim Vorliegen schwerwiegender materieller Buchführungsmängel wird ein solches Vorgehen im Hinblick auf eine zügige und effektive Abwicklung der Prüfung sogar ausdrücklich gefordert.
Die Belegbarkeit eines Geschäftsvorfalls ist Grundvoraussetzung für die Beweiskraft einer Buchführung. Jeder Vorgang ist in Übereinstimmung mit den rechtlichen Voraussetzungen und den tatsächlichen Verhältnissen durch Belege abzubilden. Deshalb gilt:
Keine Buchung ohne Beleg!
Um dem Grundsatz »Keine Buchung ohne Beleg« gerecht werden zu können, müssen bei internen Buchungsvorgängen Belege selbst gefertigt werden.
Keine Fremdbelege stehen bei Stornierungen, Abschluss- und Umbuchungen oder Privatentnahmen und Privateinlagen zur Verfügung. Hier erbringen Eigenbelege und entsprechende Dokumentationen den Nachweis über die Geschäftsvorfälle und stellen gleichzeitig den Zusammenhang zwischen Realität und Buchung her.
Eigenbelege dokumentieren den internen Geldtransit zwischen Bank und Kasse oder zwischen Kasse und Kasse wie
Entnahmen aus der Kasse - Einzahlung auf das Bankkonto,Abhebungen vom Bankkonto - Einlage in die Kasse,Geldverschiebungen zwischen mehreren Geschäftskassen undprivate Geldentnahmen oder Einlagen.Fehlen solche Eigenbelege, ist die Kasse nicht kassensturzfähig. Es liegt ein schwerer sachlicher Mangel in der Kassenführung vor.
Es liegt in der Natur der Sache, dass insbesondere Eigenbelege bei Prüfungen eingehend untersucht und kritisch hinterfragt werden. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass sie sorgfältig erstellt werden und alle notwendigen Angaben enthalten. Zusätzliche Erläuterungen können hilfreich sein.
Bei niedrigen Kassenbeständen wird ein Prüfer anhand des Belegdatums überprüfen, zu welchem Zeitpunkt eine Einlage erfolgt ist und ob sie möglicherweise dazu diente, nachträglich einen Kassenfehlbetrag unsichtbar zu machen.
Privateinlagen über größere Summen aus dem eigenen Vermögen sollten immer unbar erfolgen. Auch eine Einlage aus dem Vermögen einer nahestehenden Person oder eine Abhebung vom Privatkonto kann ein Anlass für weitere Prüfungshandlungen sein, wenn kein eindeutiger Nachweis über die Mittelherkunft erbracht werden kann.
[44]Über die in Prüferkreisen bestens bekannte »Schenkung von Oma« (die leider inzwischen verstorben ist), empfiehlt es sich, zusätzliche erläuternde Vermerke auf dem Beleg anzubringen.
Auf einem Papierbeleg sollten folgende Angaben enthalten sein:
Ausstelldatum,Aussteller,Text (z. B. Gegenstand eines Kaufs),Betrag und Währung,Umsatzsteuerbetrag/-satz,Zahlungsart,Kontierung,Ablage-, Rechnungs- oder Belegnummer,Buchungsdatum.Ein elektronischer Beleg muss die folgenden Angaben enthalten:
Vollständiger Name und vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,das Datum der Belegausstellung und den Zeitpunkt des Vorgangsbeginns sowie den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung,die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,die Transaktionsnummer,das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen entsprechenden Hinweis unddie Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder die Seriennummer des Sicherheitsmoduls.Die Angaben müssen ohne maschinelle Unterstützung lesbar sein. Ein Beleg kann in Papierform oder in digitaler Form ausgegeben werden.
Auch aus elektronischen Belegen müssen sich die gleichen Angaben herleiten lassen, die auch die Papierbelege beinhalten. Es gibt unterschiedliche Verfahren, wie elektronische Belege verknüpft und verarbeitet werden können (z. B. Index, Beleglink, Barcode).
Um eine progressive und retrograde Nachprüfbarkeit zu ermöglichen, ist das jeweilige Verfahren entsprechend zu dokumentieren (Verfahrensdokumentation). Ein Buchungstext ist nach den GoBD vom 28.11.2019 nicht mehr zwingend erforderlich, eine hinreichende Erläuterung des Geschäftsvorgangs genügt.
[45]Die erforderliche geordnete Aufbewahrung von Papierbelegen bedeutet auf elektronische Belege übertragen, eine Archivierung in einem hierfür geeigneten System.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 8 UStG n. F. ist eine elektronische Rechnung eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird. Hierzu gehören insbesondere E-Mails, Computer-Telefax, Web-Downloads und der elektronische Datenträgeraustausch (EDI).
Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurde am 23.09.2011 beschlossen, die hohen bis dahin geltenden Anforderungen für Rechnungen, die auf elektronischem Weg übermittelt werden, zurückzuschrauben. Danach ist keine elektronische Signatur mehr erforderlich. Das spart den Unternehmen erhebliche Kosten und gibt auch mehr Sicherheit gegenüber den Finanzbehörden.
Satz 2 der Vorschrift (§ 14 Abs. 1 Satz 2 UStG n. F.) verlangt jedoch weiterhin die Gewährleistung von Echtheit, Unversehrtheit und Lesbarkeit über die komplette Aufbewahrungsdauer von zehn Jahren. Zusätzlich wird ein sog. Prüfpfad gefordert, der einen eindeutigen Bezug von der Rechnung zur Leistung herstellt.
Hierzu verlangt der Gesetzgeber aber keine zusätzlichen aufwendigen und teuren Verfahren - es genügt ein geeignetes formfreies innerbetriebliches Kontrollverfahren (IKS), innerhalb dessen alle genannten Anforderungen überprüft werden. In den meisten Betrieben ist eine solche Einrichtung bereits vorhanden.
Die formfreie Rechnungsprüfung sollte sich auf den Abgleich einer Rechnung mit der Bestellung, den Auftrag, den Lieferschein und den Kaufvertrag sowie auf die Überprüfung der Kontenverbindung und des Zahlungsanspruchs erstrecken.
Neben der grundsätzlichen Beschreibung des Kontrollverfahrens in der Verfahrensdokumentation wäre es empfehlenswert - wenn auch kein »Muss« -, alle einzelnen Prüfschritte formlos zu protokollieren.
Die Regelung gilt rückwirkend ab 01.07.2011 und ist auf alle Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.06.2011 getätigt wurden.
Papierrechnungen und elektronische Rechnungen werden somit umsatzsteuerrechtlich gleichgestellt.
Ein Archivierungsserviceunternehmen stellt Apotheken im Auftrag von Pharmagroß-händlern die angesammelten steuerlich relevanten Daten auf einer Archiv-Disc zur Verfügung. Dabei handelt es sich um Daten, die im Zusammenhang mit Lieferungen der Großhändler an Apotheken stehen. Sowohl Pharmahändler als auch Apotheken können zudem über ein Internetarchiv jederzeit online auf die aktuellen Daten zugreifen.
Es stellt sich hierbei die Frage, ob die steuerrechtlichen Ordnungsvorschriften des § 147 AO und die Anwendungsvorschriften der GoBD vom 28.11.2019 zur Aufbewahrung und Archivierung von Lieferscheinen und Rechnungen erfüllt werden. Für die Apotheken hätte dieses elektronische Archivierungsverfahren den Vorteil, dass sie gänzlich auf die Aufbewahrung ihrer Originalbelege verzichten könnten.
Bei diesem Verfahren werden jedoch nicht die eigenen (Original-)Belege archiviert. Diese sind in der Praxis vielfach noch mit zusätzlichen handschriftlichen Vermerken wie Handzeichen des Abteilungsleiters bzw. Unternehmers, Sicht- und Kontrollvermerken, Vorkontierungen u. a. versehen. Die elektronisch archivierten Belege würden in diesen Fällen nicht mit den Originalen bildlich übereinstimmen und somit nicht den Anforderungen der GoBD (vgl. Rz 130), genügen.
Nach Auffassung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe Baden-Württemberg entspräche dieses Verfahren nicht den handels- und steuerrechtlichen Ordnungsvorschriften und würde die Unternehmen nicht von ihrer in Rz 61 ff. der GoBD beschriebenen Pflicht entbinden, Geschäftsvorfälle urschriftlich bzw. als Kopie der Urschrift zu belegen.
Es ist deshalb darauf zu achten, dass Unterlagen grundsätzlich »im Original« eingescannt bzw. archiviert werden.
Elektronische Kontoauszüge sind originär digitale Unterlagen. Der Papierausdruck eines elektronischen Kontoauszugs ist lediglich eine Kopie des Originals und auch einem Originalpapierkontoauszug rechtlich nicht gleichgestellt.
Der Wunsch, auf die Aufbewahrung von Kontoauszügen in Papierform zu verzichten, war seit Langem ein dringendes Anliegen vieler, insbesondere größerer Unternehmen.
Je nach Vereinbarung erhält der Kunde von der Bank seine Kontoauszugsdaten in elektronischer Form, meist als PDF, auf seinen PC übermittelt.
Die Aufbewahrungsgrundsätze der AO und der GoBD müssen hierbei beachtet und eingehalten werden. Sind die Daten in digitaler Form im Unternehmen eingegangen, sind sie auch in digitaler Form vorzuhalten.
Elektronische Kontoauszüge dürfen auch dann nicht gelöscht werden, wenn ein Papierausdruck gefertigt wird!