Punkt der Wahrheit - Leonard Loeper - E-Book

Punkt der Wahrheit E-Book

Leonard Loeper

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Beschreibung

Punkt der Wahrheit sticht ganz aktuell in ein Thema, das seit 2020 alle Menschen auf der Erde buchstäblich außer Atem hält. Die Geschichte beschreibt fiktiv den letzten Tag der Pandemie. Alle Verantwortlichen müssen sich offenbaren, zuvor unbekannte Hintergründe kommen ans Licht. Die Menschen, daheim in ihren Wohnungen, draußen auf den Straßen, in Deutschland und der ganzen Welt erkennen, was in Wirklichkeit hinter dem Debakel steht, welches ihr Leben auf den Kopf gestellt hat. Für Manche kommt diese Erkenntnis allerdings zu spät. Tödliche Tragik und die reinigende Welle der Erlösung aus den Fesseln eines globalen Desasters liegen hier nur eine Buchseite nebeneinander.

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Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Ähnliche


Leonard Loeper

Punkt der Wahrheit

Wenn die letzte Welle bricht

Novelle

© Copyright Leonard Loeper 2021

Alle Rechte vorbehalten

Titel:

Punkt der Wahrheit

Autor:

Leonard Loeper

Erstauflage:

April 2021

Covergestaltung:

C.I.D.

Verlag und Druck:

tredition GmbH Halenreie 40-44 22359 Hamburg

ISBN(Paperback)

978-3-347-31159-6

ISBN(Hardcover)

978-3-347-31160-2

ISBN(e-Book)

978-3-347-31161-9

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Diese Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen, lebenden oder verstorbenen Personen ist unbeabsichtigt und rein zufällig.

Es könnte aber auch Realsatire sein. Wer kann das heute schon wirklich auseinanderhalten?

Gewidmet all den Menschen weltweit, die wach und achtsam waren, die sich Korruption, Unrecht, und dem Faschismus mutig entgegengestellt haben – nicht zuletzt der wunderbaren Frau, die mir die Anregung zu diesem Buch gegeben hat.

1

„Wir müssen den Sack jetzt endlich zu machen. Wir können nicht noch länger warten.“ Parlamentspräsident Wilhelm Scheibel sprach recht leise, aber deutlich genug, um seine Worte vor dem gedämpften Lärm der Stimmen von draußen durch den Raum klingen zu lassen. Das Kabinett saß fast vollständig in dem Konferenzraum. Nur Innenminister Meerburger hatte sich krank gemeldet und ließ sich durch seinen Staatssekretär vertreten. Durch die Panoramascheiben drang das Rauschen der Stimmen der Demonstranten vor dem Kanzleramt leise, aber vernehmbar in den Raum. Diejenigen, die dem Fenster zugewandt saßen, konnten durch die offenen Flächen der Betonfassade einen kleinen Ausschnitt der Menschenmasse auf der Straße sehen.

Martin Schnitzer, der Vertreter des Innenministers, pflichtete bei: „Längst wissen zu viele schon Bescheid. Nur mit den Medien können wir das nicht mehr aufhalten. Es werden immer mehr Unterlagen aus meinem Bereich geleaked, das passiert beinahe täglich und wir wissen immer noch nicht, wer es ist. Sicher sind es mehrere. Allein diese Woche sind vier unserer Mitarbeiter aus dem Inneren, gerade aus den kritischen Ressorts spurlos verschwunden. Es muss noch viele Lecks geben, es geht immer weiter und es sind immer brisantere Unterlagen, die öffentlich werden“

„Was heißt das, Mitarbeiter sind verschwunden? Wie kann das sein?“ fragte die Bildungsministerin, Anke Paulowski, mit überraschtem Gesichtsausdruck.

„Hast Du das wieder nicht mitbekommen?“, herrschte Scheibel sie offensichtlich genervt an. „Sie kommen einfach nicht zur Arbeit, sind telefonisch nicht mehr erreichbar, ihre Handys sind offline, liegen in ihrer Wohnung, aber da sind sie ebenfalls nicht aufzufinden. Sie sind untergetaucht und das ganz offensichtlich mit professioneller Hilfe.“

„Von den Russen oder wem?“, fragte die Umweltministerin Lea Müller dazwischen.

„Nee, das ist nicht erwiesen.“, schnarrte Kevin Krug, der Außenminister. „Die Russen stecken in der Sache doch fest und haben ihre eigenen Probleme. Außerdem ist gar nicht eindeutig, ob und wie sie in dem Programm überhaupt eingebunden sind.“

Das Gesicht von Kanzlerin Mängels verzog sich, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. „Ich bin mir da nicht sicher. Ich habe heute Morgen mit Vladimir telefoniert. Er bleibt wie immer undurchsichtig. Ich glaube ihm nicht. Es könnte genauso gut inszeniert sein. Ihr wisst, dass er das kann. Ich weiß wirklich nicht, wo die Russen stehen.“ Ihre Stimme konnte ein leichtes Zittern nicht verbergen. Ebenso ihre Hände. Immerhin wackelte sie nicht mehr am ganzen Körper, wie in den letzten Monaten immer wieder. Die Medikamente waren anscheinend endlich richtig dosiert worden, um sie funktionstüchtig zu halten.

„Scheiß auf die Russen! Es geht doch hier jetzt zuerst um uns, Leute! Wenn wir uns die echten Ergebnisse der Umfragen dort ansehen“, Präsident Scheibel wies auf den riesigen Monitor am offenen Ende der Tischrunde, „dann ist klar, dass wir keine Zeit mehr haben. Wir müssen jetzt konsequent durchziehen, sonst sind wir alle hier selber dran. Ihr wisst, was das bedeuten kann - für jeden von uns…“

„Wir müssen die Leute da draußen endlich von den Straßen fegen. Diese verdammte Bewegung ist bei weitem seit langem das Ansteckendste, was wir im Land, ach was, auf der ganzen Welt haben. Das muss sofort aufhören! Und ich sage: notfalls mit allen Mitteln!“ Die Worte klangen kalt aus Mängels Mund.

Der große Bildschirm an der Stirnwand, auf dem eine Tabelle mit Daten zu sehen war, flimmerte kurz. Dann wurde er schwarz. Irritiert schauten einige Minister zu ihm auf.

2

Ungläubig sah die Frau auf Ihr Smartphone. Urplötzlich hatte sich dort ein neues Fenster geöffnet und sie sah in den Konferenzsaal im Kanzleramt. Dort saßen offenbar alle Minister beisammen. Die meisten erkannte sie. In der Mitte des Ovals saß die Kanzlerin, wie immer mit maskenhafter Miene. Links daneben der Parlamentspräsident, rechts von ihr ein Mann, den sie nicht erkannte. Dann der Reihe nach die ganzen bekannten Gesichter der Minister und Ministerinnen. Dazu waren in dem Saal noch ein paar andere Personen, die ihr nicht bekannt waren. Sie konnte nicht nur in den Konferenzsaal sehen, aus dem Lautsprecher waren durch den umgebenden Lärm leise die schnarrenden Geräusche der Stimmen der Anwesenden im Saal zu hören. Hastig griff die Frau in ihre Handtasche und fummelte die kleinen Kopfhörer heraus. Nachdem sie den Stecker im Handy und die beiden Knöpfe in ihre Ohren gesteckt hatte, konnte sie tatsächlich verstehen, was dort gesprochen wurde. Ihr stockte der Atem.

„Wir müssen den Sack jetzt endlich zu machen. Wir können nicht noch länger warten.“

„Längst wissen zu viele schon Bescheid. Nur mit den Medien können wir das nicht mehr aufhalten. Es werden immer mehr Unterlagen aus meinem Bereich geleaked, das passiert beinahe täglich und wir wissen immer noch nicht, wer es ist. Sicher sind es mehrere. Allein diese Woche sind vier unserer Ministerialmitarbeiter aus dem Inneren, also kritischen Ressort spurlos verschwunden. Aber es muss noch viele Lecks geben, es geht immer weiter und es sind immer brisantere Unterlagen, die öffentlich werden“

„Was heißt das, Mitarbeiter sind verschwunden? Wie kann das sein?“

„Hast Du das wieder nicht mitbekommen? Sie kommen einfach nicht zur Arbeit, sind telefonisch nicht mehr erreichbar, ihre Handys sind offline, liegen in ihrer Wohnung aber da sind sie ebenfalls nicht aufzufinden. Sie sind untergetaucht und das ganz offensichtlich mit professioneller Hilfe…“

Der warme Wind wehte ihr eine Strähne ihres langen schwarzen Haares vor das Gesicht. Die Frau strich sie beiseite, sah auf und bemerkte, dass sie nicht nur mit ungläubig aufgerissenen Augen, sondern obendrein mit offenem Mund da stand. Schnell klappte sie ihre Kinnlade wieder hoch. So wollte sie nicht gesehen werden, hier, umgeben von tausenden Menschen. Sie war Ende vierzig und, wie sie auch selbst fand, ziemlich attraktiv. Sie war auch nicht zufällig sehr gepflegt und adrett gekleidet zu dieser Demonstration gegangen. Sie wollte damit zwar nebenbei dem negativen Bild entgegen wirken, das die offiziellen Medien beharrlich von den Demonstranten darstellten, aber nicht nur. Nach all den einsamen Monaten wäre es ihr auch recht, wenn sie unter den abertausenden Menschen vielleicht endlich doch zu einer interessanten neuen Begegnung käme. Sie hatte heute schon über sich selbst lächeln müssen, weil sie sich dabei ertappte, wie anziehend sie einige der jüngeren Polizisten fand. Die meisten waren ihr im Übrigen nicht nur relativ entspannt, sondern sogar überraschend freundlich begegnet. Sie hatte daher die Hoffnung gehabt, die Veranstaltung würde friedlich bleiben. Doch das hier, die Worte, die anscheinend in diesem Moment dort im Kanzleramt gesprochen wurden, änderten alles. Angestrengt lauschte sie weiter.

„Scheiß auf die Russen! Es geht doch hier jetzt zuerst um uns, Leute! Wenn wir uns die echten Ergebnisse der Umfragen dort ansehen, dann ist klar, dass wir keine Zeit mehr haben. Wir müssen jetzt konsequent durchziehen, sonst sind wir alle hier selber dran. Ihr wisst, was das bedeuten kann - für jeden von uns…“

„Wir müssen die Leute da draußen endlich von den Straßen fegen. Diese verdammte Bewegung ist bei weitem seit langem das Ansteckendste, was wir im Land, ach was, auf der ganzen Welt haben. Das muss sofort aufhören! Und ich sage: notfalls mit allen Mitteln!“

Fassungslos sah sie sich um und erkannte bei den andern Menschen um sie herum, die ebenfalls auf ihr Smartphone sahen, den gleichen ungläubigen Gesichtsausdruck. Einige stießen ihre Nachbarn an und drehten ihnen das Display zu, um ihnen zu zeigen, was da zu sehen war. Diese zückten dann ihr eigenes Handy um darin offensichtlich dieselben Bilder zu finden. Dieser Effekt breitete sich in der Masse der Menschen aus wie konzentrische Wellen, als hätte jemand Steine in die Oberfläche eines stillen Sees geworfen.

3

„Was können wir noch aus den Zahlen machen? Was schlagen denn die Kollegen vom Robert-Oppenheimer-Institut und der Clarity-Klinik vor?“

Scheibels Blick wandte sich dem Gesundheitsminister zu. Jan Scheit räusperte sich, rückte sich die Brille zurecht und setzte dann sein schiefes Lächeln auf. Dabei flatterten die Mundwinkel leicht, weil ihm das falsche Lächeln zusehens schwerer fiel.

„Nun, wir…, also die machen dort was sie können. Langsam wird es aber logistisch kaum noch machbar die Zahl der täglichen Tests weiter zu erhöhen, auch, weil uns gerade massiv Personal wegbricht. Und selbst damit würden wir ja keine Infektionswerte mehr darstellen können, mit denen man die Leute wirklich erschrecken kann. Etwas anderes käme heraus, wenn konsequent nur noch die voreingestellten Schnelltests zur Anwendung kämen. Aber dann müssten wir dafür sorgen, dass niemand mehr eine zweite Prüfung machen kann. Auch den Kniff der Österreicher mit den Rhino-Viren haben die meisten inzwischen durchschaut, nicht nur in Österreich. Und wo jetzt einige bei der WHO kalte Füße kriegen und den PCR-Test relativiert haben, wissen die da draußen, dass wir damit im Prinzip den Fettgehalt der Sonne messen, aber keine Infektion nachweisen können.“

Der Parlamentspräsident fragte unwirsch dazwischen: „Warum veröffentlichen die vom ROI eigentlich immer noch alle Zahlen? So kann sich doch jeder Depp inzwischen die tatsächlichen Verhältnisse ausrechnen. Warum machen wir da nicht einfach den Deckel drauf und lassen halt nur noch das veröffentlichen, was wir brauchen?“

„Dazu ist es wohl zu spät. Dieser verdammte Doktor aus dem Kaff am Rhein und all die anderen haben weite Teile der Bevölkerung und immer mehr Juristen längst hellhörig gemacht. So ein Schritt jetzt wäre sofort als offener Betrug erkennbar und würde noch mehr Leute auf die Barrikaden bringen. Inzwischen wissen einige Bürger sowieso mehr vom Thema Viren als wir – zumindest als wir wussten, bevor ihr diesen Zirkus gestartet habt.“, widersprach Justizministerin Andrea Lichtwell.

Wirtschaftsminister Paul Jungmüller meldete sich zu Wort: „Dazu kommen die ganzen anderen Typen, wie dieser widerlich fröhliche ADS-Typ, dieser Unternehmer, der gleich mal Tabellen ins Internet gestellt hat, mit denen im Grunde jeder Hansel selbst ziemlich genau die realistischen Ergebnisse ausrechnen kann.“ Die Entrüstung ließ sein voluminöses Gesicht beben.

„Warum ist das alles immer noch nicht abgeschaltet?“, maulte Präsident Scheibel genervt in Richtung Scheit.

„Wir tun täglich mit unseren Social-Media-Partnern so ziemlich alles, wofür man irgendwie halbwegs eine Plausibilität hinbiegen kann. Aber da draußen im Netz sind inzwischen verdammt viele aktiv und viele von denen haben erschreckend viele Follower. Es werden jeden Tag mehr. Die ganzen neuen alternativen Kanäle kriegen wir schon gar nicht so schnell alle in den Griff. Wenn wir ehrlich sind, funktioniert der ganze Plan mit der Meinungssteuerung bei Weitem nicht so reibungslos, wie in den Simulationen. Dazu kommt, dass irgendwelche dummen Nerds in Kalifornien oder ein fehlerhafter Algorithmus ein paar Mal sogar öffentlich-rechtliche Beiträge gelöscht haben. Sowas fällt dann natürlich zusätzlich auf.“ Unglücklich schielte Scheit dabei durch seine Brille.

„Selbst die Intervention bei den Banken hat nichts genutzt. Du lässt ein Konto kündigen oder sperren und am nächsten Tag haben die schon ein neues und ihre Anhänger pumpen es eifrig mit Geld voll. Denen kriegst Du nicht mal mit Inhaftierung das Maul gestopft. Dann kommen sofort hunderte Anwälte und schlagen Alarm. Ein Unfall mit Genickschuss wäre ‘ne sichere Sache, aber das ist auch nicht gerade diskret zu machen.“, ergänzte Finanzminister Ulf Schulze.

„Gibt es denn bei denen keine Schwachpunkte, irgendein schmutziges Geheimnis, dass man glaubhaft ans Licht der Öffentlichkeit zerren lassen könnte?“, fragte nun Gesundheitsminister Scheit und grinste dabei besonders schief.

„Ja, irgendwelchen Dreck muss man da doch finden können, irgendwie eben…“, sprang ihm Armin Schmirgel, der Verkehrsminister bei.

„Das sagen ja grad die Richtigen!“, entfuhr es der Kanzlerin mit eisigem Gesicht.

„Zurück zum ROI und den Infektionszahlen. Warum nicht einfach nur noch Schätzungen herausgeben, wie sie eben gebraucht werden?“, ging Schnitzer aus dem Inneren dazwischen.

Jan Scheit zog das Gesicht schief. „Machen wir doch schon lange, aber das geht jetzt längst nicht mehr durch.

Das mit den ‚Schätzungen und Annahmen‘ ist längst aufgefallen. Unsere beiden Frontleute, Dr. West und Leopold Wagner haben anfangs einen guten Job gemacht. Aber leider sind jetzt beide ziemlich durch. Der kleine Virologe pinkelt sich vor Angst schon fast ein und will partout vor keine Kamera mehr, geschweige denn irgendetwas zu seinem verdammten Test sagen. Unser ‚Oberveterinär‘ im Oppenheimer-Institut kam anfangs auch weit überzeugender rüber, als er das jetzt noch hinkriegt. Vielleicht ist es doch langsam an der Zeit den guten Ben Doors nach einem neuen Virus mit mehr Bums zu fragen – kleiner Scherz!“ Er zeigte sein irres Grinsen, aber niemand im Raum lachte.

4

„Hardy, das muss sofort abgeschaltet werden!“ Der Chefredakteur war die Treppe des Sendezentrums bis in die Untergeschosse herunter gerannt und hatte nicht nur deswegen einen hochroten Kopf. „Mach das weg! Mach das aus! Fahr das runter!“ Louis von Lugmund schrie den Mann im Sessel vor den Pulten regelrecht an.

Hardy Schneider zuckte mit keiner Wimper, dafür mit den Schultern. „Ich hab schon alles versucht, aber das System reagiert nicht. Ich bin raus. Irgendeiner hat es vollständig gehackt.“

„Ich sage: Mach! Es! Aus! Das musst du doch können, verdammte Scheiße nochmal! Wofür bist du hier der scheiß Cheftechniker, du dummes Arschloch?!“

Auf den Bildschirmen vor ihnen zeigte sich weiter das Bild aus dem Kanzleramt und die Worte der dort Anwesenden flossen aus den Studiolautsprechern.

„Ist dir klar, dass wir beide tot sind, wenn du das nicht sofort abgeschaltet kriegst?!“

Der Mann vor den Reglern nahm die Hände vom Pult und drehte sich langsam zu seinem Vorgesetzten um. „Chef, nochmal ganz ruhig: Ich kann hier gar nichts machen. Wir sind nur noch Zuschauer. Ich habe keinen Zugang mehr zum System. Und selbst wenn ich noch zwei Etagen tiefer gehe, die Hauptstromschalter betätige oder irgendwelche dicken Kabel durchschneide – es kann gerade sowieso jeder Einzelne da draußen sehen.“

Schneider drehte sich mit seinem Stuhl, griff nach seinem Smartphone auf dem Pult und richtete das Display auf seinen Vorgesetzten. Dort waren exakt die gleichen Bilder. Dann drückte er auf den Lautstärkeknopf und synchron zu den Studiolautsprechern klang es aus dem Handy:

„Was können wir noch aus den Zahlen machen? Was schlagen denn die Kollegen vom Robert-Oppenheimer-Institut und der Clarity-Klinik vor?“

„Nun, wir…, also die machen dort was sie können. Langsam wird es aber logistisch kaum noch machbar die Zahl der täglichen Tests weiter zu erhöhen, auch, weil uns gerade massiv Personal wegbricht. Und selbst damit würden wir ja keine Infektionswerte mehr darstellen können, mit denen man die Leute wirklich erschrecken kann. Etwas anderes käme heraus, wenn konsequent nur noch die voreingestellten Schnelltests zur Anwendung kämen. Aber dann müssten wir dafür sorgen, dass niemand mehr eine zweite Prüfung machen kann. Auch den Kniff der Österreicher mit den Rhino-Viren haben die meisten inzwischen durchschaut, nicht nur in Österreich. Und wo jetzt einige bei der WHO kalte Füße kriegen und den PCR-Test relativiert haben, wissen die da draußen, dass wir damit im Prinzip den Fettgehalt der Sonne messen, aber keine Infektion nachweisen können.“

„Warum veröffentlichen die vom ROI eigentlich immer noch alle Zahlen? So kann sich doch jeder Depp inzwischen die tatsächlichen Verhältnisse ausrechnen. Warum machen wir da nicht einfach den Deckel drauf und lassen halt nur noch das veröffentlichen, was wir brauchen?“

„Wir sind erledigt“, stöhnte Lugmund und raufte die schütteren Haare. „Wenn uns nicht die im Kanzleramt für immer und ewig kalt stellen, dann killt uns der Pöbel auf der Straße da draußen. Jetzt wissen doch alle ganz genau, dass wir dabei mitgespielt haben…“ Sein Kopf war immer noch hochrot und von Schweißperlen bedeckt, aber seine Wut wich Resignation. „Und typisch: der Intendant ist weder im Haus noch erreichbar. Wahrscheinlich packt der grad seine Koffer. Oh mein Gott! Was sollen wir jetzt machen? Was können wir jetzt noch tun?“

Schneider lehnte sich in seinem Stuhl zurück, und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Dabei betrachtete er von Lugmund mit geradezu zufriedenem Gesichtsausdruck. Er wippte etwas vor und zurück und sah dem Chefredakteur des Senders geradewegs in die Augen.

„Vielleicht sind sie ja einfach mal ehrlich! Machen sie eine Sondersendung! Das, und nur das könnte ihnen am Ende vielleicht ihren ganz persönlichen Arsch retten. Ihr Vorgänger bei den anderen Kollegen hat das schon gemacht…“.

„Wer hat was gemacht?“

„Ausgepackt. Der Chef vom Südfunk hat schon zugegeben, wie es im Sender zu seiner Zeit ablief.“

„Wie? Wo?“ Von Lugmund schaute überrascht.

„Oh Mann, in welcher Welt leben sie eigentlich? Bei seinen privaten Vorträgen und in ein paar Interviews mit Netzreportern. Das kann doch jeder im Internet finden. Übrigens ist er da längst nicht mehr der Einzige. Ein paar hochrangige ehemalige Kollegen von Ihnen blasen neuerdings ins gleiche Horn. Sie wissen doch: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

„Und das ist schon öffentlich?“ Von Lugmunds Gesicht war schlagartig nicht mehr rot, sondern eher grau.

„Klar. Schon lange. Gucken sie wirklich nur unseren eigenen Scheiß?“ Der Techniker konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Jetzt, wo der ganze Mist auffliegt und sie und ich ganz sicher morgen keinen Job mehr haben, kann ich es ja sagen: Es wurde Zeit! Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie mich anekelt, was in diesem Haus seit Jahren veranstaltet wird,!“

„Was wollen sie damit sagen?!“ Von Lugmund versuchte wieder die Autorität des Chefredakteurs zu erlangen.

„Mann! Bei mir hier unten läuft alles über die Monitore. Wirklich alles was reinkommt. Ich sehe doch, was ihr auswählt und was jeden Tag unter den Tisch fällt. In letzter Zeit muss ich täglich ins Archiv, um alte Bilder rauszusuchen, weil die besser als die echten aktuellen Bilder zu der Story passen, die ihr euch da oben anscheinend aus den arroganten Nasen popelt. Ich seh‘ das doch alles und es widert mich täglich an!“

„Sind sie irre Mann?! Wenn sie ihren Job hier nicht mehr machen wollen, dann haben wir ganz schnell einen anderen auf ihrem Platz!“ Von Lugmunds Blick funkelte drohend.

Der Techniker dachte einen kurzen Moment nach. „Gute Idee, sie kleiner Wixer! So. Und jetzt kann ich wohl packen und meinen Kindern erklären, dass es ab jetzt bei uns nur noch dünnere Stullen, aber keine dünneren IPhones mehr gibt. Vielleicht gehe ich auch direkt rüber zu der Demo und erzähle da ein bisschen was…“

Damit erhob er sich, drängte sich an seinem immer noch fassungslos glotzenden Vorgesetzen vorbei und machte sich auf den Weg nach oben.

„Machen sie keinen Blödsinn, es war nicht so gemeint!“, rief Lugmund Schneider im letzten Moment hinterher. Durch die zufallende Tür hörte dieser noch: „Schauen sie mal, ob da schon irgendwelche Leute vor der Tür sind!“ Er hatte das Gefühl, dass von Lugmunds Stimme jetzt eher verzagt klang.

Oben angekommen öffnete Schneider die große Glastür, aber da war niemand. Keine Demonstranten, keine Polizei, kein Militär. Die frühlingshafte Sonne wärmte sein Gesicht und er sog die frische Luft tief in seine Lungen.

5

Das normale Bild erschien wieder auf dem riesigen Monitor im Konferenzraum um kurz darauf erneut von flimmernden Streifen aufgelöst zu werden. Irritierte Ratlosigkeit machte sich auf einigen Gesichtern der Anwesenden breit.

„Zum Teufel, ruft doch mal einer die Technik an!“, tönte Scheibels arrogante Stimme genervt.

Verkehrsminister Schmirgel griff nach dem Hörer an seinem Platz, tippte eine Nummer und lauschte. Dann legte er nochmal auf und wiederholte es. „Meine Leitung ist tot“, sagte er etwas ratlos. Ein anderer versuchte es darauf - mit dem gleichen Ergebnis.

„Egal! Scheiß auf die Daten!“, herrschte der Parlamentspräsident, „Bleiben wir bei der Sache! Wir müssen jetzt entschlossen handeln, um dieses Pack da draußen endgültig in den Griff zu kriegen.“

Er wendete sich an den Außenminister: „Kevin, was ist mit den Truppen von Eurogendfor? Warum kriegen wir nicht mehr von diesen Leuten hierher?!“

Der kleine Mann wand sich kurz auf seinem Stuhl, bevor er mit seiner näselnden Stimme erklärte: „Unsere europäischen Partner brauchen ihre Kräfte gerade alle selbst. Es ist doch überall das gleiche los und mancherorts, in Spanien, Italien, bei den Franzosen sind die Leute eben nicht so verdammt friedlich wie hier.“

„Wir zahlen doch wohl am meisten für diesen ganzen Mist!“, brüllte der Präsident dazwischen. „Wir bezahlen doch nicht über zehn Jahre den Aufbau dieser Truppen für genau diesen Einsatzfall und dann kommen die einfach nicht, wenn sie gebraucht werden!“

„Na ja,“ kam es kleinlaut von Krug zurück, „nach allem was war, also ich meine in den letzten Jahren, sind es ja weniger die Deutschen an sich, die bei den Griechen, Italienern, Spaniern und Franzosen unbeliebt sind… also ich will sagen, die mögen die da draußen vielleicht nicht besonders, aber uns hier drinnen hassen sie. Und machen wir uns nichts vor: Das gilt nicht nur für die einfachen Leute in den Ländern, sondern in Wahrheit genauso für die Beamten in den Regierungen und Behörden dort – bis auf wenige Ausnahmen aus der Organisation vielleicht.“ Kevin Krug gestikulierte bei diesen Worten hilflos. „Deswegen ist es für die nicht gerade die oberste Priorität uns zur Hilfe zu kommen, wo sie doch selbst nicht wissen, wie sie den Plan gegen die Massen auf den Straßen noch hinbiegen sollen.“

„Papperlapapp!“, unterbrach ihn Präsident Scheibel wieder unwillig. „Wofür haben wir denn all die Vereinbarungen mit denen? Die sollen die jetzt gefälligst einhalten sonst…“.

„Ähm“, meldete sich der Außenminister wieder zu Wort, jetzt gereizter und immerhin etwas weniger unterwürfig. „Wenn ich denen damit komme – na ja, ich denke sie wissen, was die mir dann vor die Nase halten. Vereinbarungen einhalten war ja nicht unsere größte Stärke in den letzten Jahren, oder?! Und nachdem, was wir mit der EU die letzten zehn Jahre durchgezogen haben…“

„Das interessiert mich einen Scheiß!“ Jetzt brüllte der Parlamentspräsident regelrecht. „Wozu haben wir das Programm über die Jahre ausgearbeitet, organisiert, geprobt - und vor allem dafür bezahlt - wenn jetzt, wo es darauf ankommt nichts davon funktioniert?!“