Purpose und Vision - Franz-Rudolf Esch - E-Book

Purpose und Vision E-Book

Franz-Rudolf Esch

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Beschreibung

Ein Zweck macht noch keinen Unternehmenserfolg Seit Simon Sineks TED-Talk treibt das Thema Purpose kuriose Blüten. Der Unternehmenszweck wird vielfach zur Basis aller Strategien, Ziele, Maßnahmen und KPIs erklärt. Für Franz-Rudolf Esch greift das zu kurz. Kein Unternehmen ist nur durch seinen Zweck dauerhaft erfolgreich. Es bedarf weiterer Zutaten, wie klarer Unternehmensgrundsätze, einer ambitionierten Vision und einer starken Marke. Diese fasst Esch im Haltungs- und Visionshaus zusammen, einem Tool, das auf ein DIN-A3-Blatt passt. Wie Unternehmenslenker und Führungskräfte Purpose und Vision definieren, kommunizieren und ins tägliche Handeln übersetzen, erfahren sie in diesem Buch. »Die aktuelle Diskussion um Purpose und Sinn von Unternehmen ist notwendig, weil sie ein gesamtgesellschaftliches Bedürfnis adressiert. Dieses Buch vermittelt einen ausgezeichneten Überblick zu den vielen Facetten des Problems und ist für Interessierte aus Wissenschaft wie Praxis gleichermaßen zu empfehlen.« Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon, Gründer und Honorary Chairman von Simon-Kucher & Partners »Klare Werte, eine transparente Haltung sowie ein übergeordneter Unternehmenszweck. Das sind die Zutaten, mit denen ›Koch‹ Esch seine ›Plat du Jour‹ empfiehlt. Lesenswert!« Dr. Anne-Kathrin Bräu, Senior Vice President Communications, Vitesco Technologies »Die REWE Group hat den von Prof. Esch beschriebenen Weg zur Entwicklung und Umsetzung von Purpose und Vision mit nachhaltigem Erfolg beschritten.« Dr. Daniela Büchel, Bereichsvorstand Handel Deutschland – Ressort HR/Nachhaltigkeit, REWE Group »Mit seiner großen Expertise zeigt Prof. Esch, wie man Purpose und Vision wirksam entwickeln und im Unternehmen umsetzen kann.« Evi Roseneder, Head of Corporate Communications, Umdasch Group, Österreich

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Franz-Rudolf Esch

Purpose und Vision

Wie Unternehmen Zweck und Ziel erfolgreich umsetzen

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Ein Zweck macht noch keinen UnternehmenserfolgSeit Simon Sineks TED-Talk treibt das Thema Purpose kuriose Blüten. Der Unternehmenszweck wird vielfach zur Basis aller Strategien, Ziele, Maßnahmen und KPIs erklärt.Für Franz-Rudolf Esch greift das zu kurz. Kein Unternehmen ist nur durch seinen Zweck dauerhaft erfolgreich. Es bedarf weiterer Zutaten, wie klarer Unternehmensgrundsätze, einer ambitionierten Vision und einer starken Marke. Diese fasst Esch im Haltungs- und Visionshaus zusammen, einem Tool, das auf ein DIN-A3-Blatt passt.Wie Unternehmenslenker und Führungskräfte Purpose und Vision definieren, kommunizieren und ins tägliche Handeln übersetzen, erfahren sie in diesem Buch.»Die aktuelle Diskussion um Purpose und Sinn von Unternehmen ist notwendig, weil sie ein gesamtgesellschaftliches Bedürfnis adressiert. Dieses Buch vermittelt einen ausgezeichneten Überblick zu den vielen Facetten des Problems und ist für Interessierte aus Wissenschaft wie Praxis gleichermaßen zu empfehlen.«Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon, Gründer und Honorary Chairman von Simon-Kucher & Partners»Klare Werte, eine transparente Haltung sowie ein übergeordneter Unternehmenszweck. Das sind die Zutaten, mit denen ›Koch‹ Esch seine ›Plat du Jour‹ empfiehlt. Lesenswert!« Dr. Anne-Kathrin Bräu, Senior Vice President Communications, Vitesco Technologies»Die REWE Group hat den von Prof. Esch beschriebenen Weg zur Entwicklung und Umsetzung von Purpose und Vision mit nachhaltigemErfolg beschritten.« Dr. Daniela Büchel, Bereichsvorstand Handel Deutschland – Ressort HR/Nachhaltigkeit, REWE Group»Mit seiner großen Expertise zeigt Prof. Esch, wie man Purpose und Vision wirksam entwickeln und im Unternehmen umsetzen kann.«Evi Roseneder, Head of Corporate Communications, Umdasch Group, Österreich

Vita

Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch berät und forscht seit nunmehr 30 Jahren mit dem Ziel, den Erfolg von Marken und Unternehmen zu steigern. Er wirkt als Universitätsprofessor an renommierten Universitäten im In- und Ausland. Mit seiner Beratungsfirma ESCH. The Brand Consultants unterstützt er namhafte Unternehmen in Fragen zu Purpose und Vision, Marken- und Unternehmensstrategie, Kommunikation und Kundenzentrierung. Mit über 1.000 Publikationen von wissenschaftlichen Top-Journals bis zu Wirtschaftsmedien wie dem Harvard Business Manager und der FAZ wurde er zum »Markenpapst« im deutschsprachigen Raum. Für seine Publikationen, Forschungsarbeiten und Beratungstätigkeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.

Einleitung: Warum ein Buch über Purpose?

Die Frage nach dem Warum treibt uns alle um: Warum gibt es mich? Warum stehe ich morgens auf? Warum arbeite ich für dieses Unternehmen? Stiftet mir meine Arbeit Sinn oder geht es nur darum, Geld zu verdienen? Die Antwort auf diese Fragen ist der Purpose.

Erfolgreiche Menschen haben einen Purpose, also einen idealistischen Zweck, der sie treibt. Gleiches gilt für erfolgreiche Unternehmen. Bereits Ende der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts konnte der Management-Guru Jim Collins in einer eindrucksvollen Analyse nachweisen, dass purpose-getriebene Unternehmen dauerhaft eine Spitzen-Performance lieferten.1

Obwohl das Thema also nicht neu ist, gibt es derzeit eine Wiedergeburt des Purpose in einer Vehemenz und Intensität, die auf den ersten Blick überrascht. Bei näherer Betrachtung ist es allerdings eine notwendige Reaktion auf die rapiden Veränderungen und die wachsenden Anforderungen. Um als Unternehmen in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Umwelt zu reüssieren, bedarf es eines Purpose, an dem sich Manager und Mitarbeiter orientieren können. Sie brauchen einen Polarstern, um sicher durch die stürmischen Gewässer zu segeln, und einen Sinn, um Ziele ausdauernd zu verfolgen.

Vorreiter dieser neuen Entwicklung ist Simon Sinek mit seinem TED Talk How great leaders inspire action. Das Video wurde millionenfach gesehen und brachte zahlreiche Manager zum Nachdenken. Er stellte zu Recht fest, dass sich Unternehmen laufend damit auseinandersetzen, was sie tun und wie sie tun, was sie tun, sich aber nur selten die Frage stellen, warum sie es tun. Getrieben im Hamsterrad des Tagesgeschäfts bleiben die grundlegenden Fragen zur Existenz und Weiterentwicklung von Unternehmen oft unbeantwortet oder unzureichend beantwortet. Das Dringliche dominiert das Wichtige.

Genau dies ist auch meine Beobachtung. Seit 25 Jahren begleite ich nun Unternehmen in unterschiedlichen Branchen weltweit in Strategie- und Markenprozessen, von Familienunternehmen und Hidden Champions bis hin zu DAX-Konzernen. Dabei konnte ich oftmals feststellen, dass die meisten Manager gefangen sind im Wirbelsturm des operativen Geschäfts. Sie haben zu selten Gelegenheit dazu, die wirklich wichtigen Fragen zu stellen, die Unternehmen nachhaltig voranbringen. Mein erstes Purpose-Projekt führte ich bei einem großen Energieunternehmen durch. Dabei konnte ich am eigenen Leib erfahren, welche Schubkraft es Managern und Mitarbeitern verleiht, wenn sie aus einer Haltung heraus das Unternehmen vorantreiben, um eine gemeinsame Vision zu erreichen.

Der Purpose, also der Unternehmenszweck, ist das Fundament für alle Anstrengungen im Unternehmen und bestimmt das Denken und Handeln der Manager und Mitarbeiter. Er bestimmt das Spielfeld für Unternehmen. Er ist das Fundament, auf dem Strategien, Ziele, Maßnahmen und KPIs abgeleitet werden. Er ist die Basis dafür, nachhaltig Gewinn zu machen und einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Er ist eine Legitimation, eine licence to operate.

In der Zwischenzeit habe ich eine große Zahl an Purpose- und Leitbildprojekten im deutschsprachigen Raum begleiten dürfen: bei Familienunternehmen, Hidden Champions und großen Konzernen – und dies in den unterschiedlichsten Branchen. Dabei konnte ich feststellen, dass der Purpose ein notwendiger und wichtiger Startpunkt für Spitzenleistungen in Unternehmen ist. Allerdings reicht der Purpose alleine nicht, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Es bedarf einiger Ingredienzen mehr, es bedarf klarer Unternehmensgrundsätze, einer ambitionierten Vision und einer starken Marke. Die Antwort auf die Frage »Warum?« ist also noch nicht genug. Erst die konsequente und disziplinierte Umsetzung in Unternehmen bringt den Erfolg und wirkt sinnstiftend für Mitarbeiter und andere Anspruchsgruppen. Und vor allem müssen die Manifeste laufend hinterfragt werden, um zu prüfen, ob sie noch den notwendigen Änderungen des Wandels standhalten.

Hier sind Topmanager gefordert, das Richtige zu tun. Das gelingt leider nicht immer. Bei dem oben genannten Energieunternehmen gab es beim nächsten Führungswechsel eine Rückentwicklung, weil Purpose und Vision verloren gingen. Mit neuer Führung erblüht dieses Unternehmen derzeit wieder voll zum Leben: mit klarem Purpose, gelebten Werten und einer überzeugenden Vision.

Viele Manager fragen mich, wie sie selbst genau das erreichen und ihr Unternehmen auf Kurs bringen können. Und dann erzähle ich diesen Managern die immer gleiche Geschichte. In Kurzform: Im Leben gibt es nichts umsonst. Es bedarf großer Anstrengungen, eines hohen Commitments des Topmanagements und aller Führungskräfte sowie der Disziplin zur konsequenten Umsetzung im Unternehmen. Ich frage die Manager dann, ob sie auch bereit sind, diesen Weg zu gehen – mit allen Konsequenzen. Für mich ist er alternativlos.

In diesem Buch habe ich Ihnen meine zahlreichen Erfahrungen aus vielen erfolgreichen Purpose-Projekten in systematisch aufeinander aufbauenden Schritten zusammengefasst. Sie werden Ihnen zeigen, wie Sie einen passenden Purpose und alle weiteren notwendigen Bestandteile entwickeln, um Ihr Unternehmen zu mehr Erfolg zu führen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.

Ihr Franz-Rudolf Esch

Kapitel 1Mit Purpose zu mehr Sinnstiftung

Die ewige Suche nach dem Sinn

Mark Twain beschreibt plastisch die zwei wichtigsten Tage im Leben jedes Menschen: den Tag, an dem wir geboren werden, und den Tag, an dem wir herausfinden, warum.

Das Warum, also die Frage nach dem Sinn und Zweck des Lebens, ist für uns Menschen wichtig, und dies zu Recht. Jeder, der Kinder hat, kann das wahrscheinlich aus eigener Erfahrung bestätigen. In einer Phase, in der Kinder lernen zu reflektieren, fragen nicht wenige Kinder ihre Eltern: Warum gibt es mich?1 Progressive Eltern mögen nun als Antwort den Zeugungsprozess darstellen, konservative Eltern womöglich auf den Storch verweisen. In beiden Fällen wäre dies aber nicht die Antwort, nach der das Kind sucht. Es geht schließlich um den Sinn und Zweck des eigenen Lebens. Menschen sind Sinnsucher. Sie brauchen einen reason for being: Was ist der Grund für meine Existenz? Das schafft Orientierung, Antrieb und tiefe Zufriedenheit. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob es den einen Zweck des Lebens wirklich gibt. Schließlich sind wir als multiple Persönlichkeiten in unterschiedlichen Lebensumfeldern unterwegs, ob im Beruf oder im Privatleben.

Merksatz

»Warum gibt es mich?« ist die Grundfrage nach unserer Existenz.

Die Suche nach dem Sinn oder Zweck wird auch für Unternehmen immer wichtiger. Jeder Unternehmensgründer wird den Gründungstag seines Unternehmens nicht vergessen. Und ohne Zweifel stellt sich früher oder später die Frage, warum es das Unternehmen wirklich gibt, was der Zweck des Unternehmens ist.

Nun ist Mark Twain sicherlich für seine literarischen Fähigkeiten und sein Buch über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn bekannt und weniger wegen seiner philosophischen Fähigkeiten. Allerdings ist er nur einer von vielen, die sich seit Menschengedenken mit dem Sinn des Lebens beschäftigen. Es scheint, als seien wir Menschen dauerhaft auf Sinnsuche: nach dem eigenen Zweck des Lebens, nach Erfüllung durch sinnstiftende Arbeit und Beziehungen und so weiter.

Schon Aristoteles setzte sich früh in seinen philosophischen Überlegungen mit dem Sinn auseinander. Er gab dem Begriff des telos (altgriechisch für Ziel, Zweck) eine prominente Rolle in seiner gesamten Philosophie.2 Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie, entwickelte auf der Grundlage seiner Erfahrungen in einem Konzentrationslager im Nationalsozialismus eine existenzialistisch geprägte Konzeption der Bedeutung von Sinn für das menschliche Leben generell. Für ihn entsteht die Freiheit des Menschen zwischen Reiz und Reaktion. Jeder Mensch hat als vernunftgeprägtes Wesen die Möglichkeit, auf Reize unterschiedlich zu reagieren. Die Art und Weise, wie Frankl selbst die extremen Erlebnisse im KZ bewertete, half ihm beim Überleben. Ohne diesen Sinn hätte er das Konzentrationslager vermutlich nicht durchgestanden.3

Merksatz

Ohne Zweck kein Sinn.

Aristoteles und Frankl sind nur zwei von vielen Beispielen, wie sich Philosophen, Psychologen und andere Wissenschaftler mit dem Sinn und Zweck des Lebens befasst haben.

Abbildung 1: Why, how, what

Quelle: Sinek, 2009, S. 37.

Zwischenzeitlich hat sich das Thema geradezu zu einem Modeschlager entwickelt – und dies nicht nur für Menschen, sondern auch und vor allem für Unternehmen. Ein wesentlicher Auslöser für die Purpose-Mania war sicherlich der schon erwähnte TED Talk von Simon Sinek im Jahr 2009 mit dem Titel How great leaders inspire action. Bis heute zählt es zu den zehn meistgesehenen TED-Talks-Videos weltweit.

Das Überzeugende an diesem Vortrag und dem dazugehörigen Buch Start with why, in dem Sinek seine Gedanken zum Purpose zusammenfasst, ist dessen Einfachheit. Mit drei schlichten Fragen wird das Rätsel um den Zweck eines Unternehmens gelöst.4 Die aus meiner Sicht wichtigste Erkenntnis von Sineks Denkansatz ist die, dass sich Unternehmen und deren Manager und Mitarbeiter zu oft damit auseinandersetzen, was sie tun und wie sie tun, was sie tun. Sie stellen sich aber zu selten die Frage, warum sie tun, was sie tun.

Das würde ich sofort unterschreiben, weil ich genau dies auch in vielen Unternehmen, für die ich mit meiner Unternehmensberatung ESCH. The Brand Consultants arbeite, genauso empfinde. Hier geht es meist um das operative Business: das Hamsterrad für Manager, um die Dinge am Laufen zu halten. Der Management-Guru Peter Drucker hat zu Recht davor gewarnt, dass sich Manager zu sehr auf das Dringliche konzentrieren und das Wichtige vernachlässigen.

Das Was und das Wie dominieren dann das Warum. Deshalb ist es nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig, die Perspektive zu drehen und stärker auf das Warum zu fokussieren: den Antrieb, warum man etwas tut, den Grund, warum es ein Unternehmen gibt, und den Beitrag des Unternehmens zu einem größeren Ganzen. Und das findet sich nur in ganz wenigen Unternehmen: Das konsequente Denken und Handeln aus dem Zweck des Unternehmens heraus.

Sinek und andere Purpose-Jünger fordern, dass sich das ganze Unternehmen an diesem »höheren« Zweck, dem Purpose, ausrichten soll.

Merksatz

Das, was wir tun, und wie wir es tun, darf das Warum nicht dominieren.

Um vorhandene Erfolgspotenziale langfristig voll auszuschöpfen, ist aus dem Purpose des Unternehmens jede einzelne Unternehmensentscheidung abzuleiten. Der Purpose ist demnach der Kompass, der einem bei jeder Wetterlage auch in den turbulenten Gewässern der VUCA-Welt klar die Richtung weist.5 Mit einem solchen Werkzeug bewaffnet entschwinden alle Sorgen um das Morgen. Der Weg zum dauerhaften Erfolg wäre endgültig gesichert, weil auch Kunden die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens wegen des überzeugenden Purpose kaufen. Eines Purpose, der für die Kunden wichtig ist und den sie mit dem Unternehmen teilen.

Sinek erklärt dies am Beispiel von Apple, einem Unternehmen, das viele Kunden lieben. Er hat aber weder an der Purpose-Entwicklung von Apple mitgearbeitet, noch entspricht der skizzierte Purpose dem wahren Purpose des Unternehmens. »Think different« war eine Aussage für die Kunden, ein Slogan, der Apple geholfen hat, die Kunden zu erobern, mehr nicht. Kunden kaufen Apple heutzutage nicht, weil Apple anders denkt oder ihnen selbst das Andersdenken ermöglicht, sondern weil Apple einfach und intuitiv zu bedienen, formschön und ästhetisch ist und Kunden bestmöglich bei ihrer (kreativen) Arbeit unterstützt. Viele Jugendliche haben Apple erst über das iPhone kennen und lieben gelernt und erst danach erfahren, dass Apple auch tolle Notebooks produziert. Die Marke hat heute Kultcharakter und ist längst zum Statussymbol avanciert, das Gruppenzugehörigkeit konnotiert. Ohne Frage hat der von Steve Jobs entwickelte Purpose »Apple is dedicated to the empowerment of man – to making personal computing accessible to each and every individual so as to help change the way we think, work, learn, and communicate«6 dazu einen großen Beitrag geleistet. Er ist der innere Antrieb des Unternehmens, aber nicht der alleinige Kaufgrund.

Der Purpose hat somit einen wichtigen Zweck für Unternehmen, aber in der bunten Gemengelage aus unterschiedlichsten Zielen, Erwartungen, Motivationen, Spielfeldern und Kontextbedingungen wäre es töricht zu glauben, der Purpose alleine würde alles richten.

Wenn Sie nun tiefer in der Auseinandersetzung von Managementvordenkern und -wissenschaftlern mit dem Thema Purpose graben, stellen Sie schnell fest, dass eine solche Form der Vereinfachung wohl ein Phänomen unserer Zeit ist. Zielgruppen – und natürlich auch Manager und Unternehmer – sind nur noch mit simplen und eingängigen Botschaften zu erreichen, so die These. Und das scheint ja auch zu fruchten. Die Frage ist nur, ob Ihnen das bei Ihrem täglichen Business auch wirklich hilft.

Peter Drucker stellte bereits 1954 fest, dass der Unternehmenszweck stets außerhalb des Unternehmens in der Gesellschaft liege, da Unternehmen Organe der Gesellschaft seien.7 Dies ist logisch und naheliegend, da jedes Unternehmen ein guter »Bürger« der Gesellschaft sein muss. Zudem geht es bei allen Unternehmen darum, Wert für den Kunden und andere Anspruchsgruppen des Unternehmens zu erzeugen. Dies ist nur durch überzeugende und für Anspruchsgruppen relevante Leistungen möglich, für die diese bereit sind, Geld zu bezahlen, sei es für Kunden, Mitarbeiter, den Handel oder andere Partner eines Unternehmens. Folgerichtig kennzeichnet der Zweck des Unternehmens das, was ein Unternehmen im Besonderen als Beitrag für die Gesellschaft leisten kann.8

Merksatz

Der Zweck des Unternehmens ist es, Wert für Kunden und andere Anspruchsgruppen zu schaffen.

Die wohl überzeugendste und am häufigsten zitierte Darstellung zum grundlegenden Fundament von Unternehmen stammt von den Managementvordenkern Jim Collins und Jerry Porras.9 Sie belegen eindeutig, das Unternehmen mit einem festgelegten Unternehmenszweck, grundlegenden Überzeugungen und einer klaren Vision überdurchschnittlich erfolgreich sind. Der Unternehmenszweck liegt auch hier jenseits einer reinen Profitorientierung. Zudem zeigen schon die frühen Analysen von Collins und Porras in den 1980er-Jahren deutlich, dass der Purpose alleine nicht erfolgserklärend ist, sondern es zudem noch eines klaren Wertesystems in Unternehmen und eines ambitionierten Ziels, also einer Vision, bedarf.

Geld verdienen alleine reicht nicht

Bevor Sie nun auf den falschen Weg geraten: Ich bin selbst Unternehmer und weiß, wie wichtig es für Unternehmen ist, Geld zu verdienen, also Gewinn zu machen und den Gewinn zu maximieren. In dieser Hinsicht folge ich der Auffassung meines geschätzten Kollegen und Managementvordenkers Hermann Simon. Die Corona-Krise hat nochmals klar vor Augen geführt, dass dies für den Unternehmenserhalt grundlegend ist. Krisen meistern solche Unternehmen besser, die solide aufgestellt sind und im Sinne eines vorsichtigen Kaufmannes wirtschaften.

Hermann Simon hat daher völlig recht, wenn er in seinem neuen Buch feststellt, dass am Gewinn noch keine Firma kaputt gegangen sei.10 Mit Gewinn meint er dabei das, was der Unternehmer, also der Eigentümer oder Aktionär, behalten darf, wenn er alle Ansprüche von Mitarbeitern, Lieferanten, Banken und anderen Gläubigern sowie des Staates befriedigt hat. Dies ist insofern wichtig, als andere Erfolgskennzahlen (EBIT, EBITDA et cetera) lediglich anzeigen, was man verdient hätte, wenn man beispielsweise keine Zinsen, Steuern oder Ähnliches hätte bezahlen müssen.

Auch Nitin Nohria, Dekan der Harvard Business School, ist ein Verfechter dieser Auffassung. Er sagt:

Merksatz

Die erste ethische Verantwortung von Managern und Unternehmern ist es, Gewinn zu machen.

Diese ethische Verantwortung leitet sich aus zwei wesentlichen Überlegungen ab:11

Gewinnmaximierung ist das Gegenteil von Verschwendung. Das setzt den optimalen Umgang mit Ressourcen voraus. Das hilft nicht nur dem Unternehmen, sondern auch der Umwelt und der Gesellschaft. Es geht dabei somit nicht um die Ausbeutung eines Systems, denn dies wäre eine kurzfristige Denkweise. Unternehmer wie Manager müssen aber langfristig denken, um den Unternehmenserhalt sicherstellen zu können. Somit ist nachhaltiges Handeln gefordert.

Gewinne sind überlebensnotwendig: für das Unternehmen, für Mitarbeiter und für Partner des Unternehmens. In diesem Sinne sind Gewinne sozial, weil sie Arbeitsplätze sichern, und Verluste unsozial, weil sie den Bestand des Unternehmens und damit auch Arbeitsplätze gefährden und Partner in Mitleidenschaft ziehen können.

Warum reicht dann aber Geldverdienen alleine nicht aus? Der Grund ist einfach: Niemand kommt zu Ihnen, weil Ihr Unternehmen Geld verdient. Es heißt zwar, dass Geld sexy macht, doch das träfe dann auf viele Unternehmen zu, für die sich junge Mitarbeiter entscheiden könnten. Doch das ist nicht das Kernkriterium, das Bewerber für ihre Entscheidung heranziehen. Vielmehr beginnen viele ambitionierte junge Menschen ihre berufliche Laufbahn bei Unternehmen, zum Beispiel bei Start-ups, die noch niemals Geld verdient haben und möglicherweise die Gewinnschwelle auch niemals erreichen werden. Talente entgehen den Investmentbanken und großen Unternehmensberatungen, weil sie sich lieber Start-ups zuwenden. Nicht alle, aber viele.

Mitarbeiter wollen zwar eine faire und gute Bezahlung. Doch das Gehalt ist lediglich eine notwendige, keine hinreichende Bedingung dafür, sich für ein Unternehmen zu entscheiden oder bei diesem zu bleiben. Vielmehr zählt hier die Idee, der Zweck des Unternehmens, der sinnstiftend wirkt und der anzieht. Mitarbeiter suchen Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten in einem Umfeld, das sinnstiftend wirkt.

Es macht einen großen Unterschied, Mitarbeiter damit motivieren zu wollen, dass man den Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent erhöht, oder dadurch, dass man mehr Menschen ein besseres Zuhause ermöglichen möchte. Letzteres schreibt sich Ikea auf die Fahnen. Machen Sie den Selbsttest: Was würde Sie mehr motivieren, wenn Sie Mitarbeiter von Ikea wären? Und was würde Sie mehr motivieren, wenn für Sie Ikea als potenzieller Arbeitgeber infrage käme?

Der Purpose hilft, er gibt Orientierung und schafft Klarheit über den Beitrag für die Gesellschaft, den das Unternehmen leistet. Es erleichtert zudem die Überprüfung der Passung zwischen dem Zweck des Unternehmens und den eigenen Werten. Wertekongruenz ist wichtig für die Bereitschaft, sich für ein Unternehmen einzusetzen. Zudem ergibt sich durch den Purpose die Möglichkeit, durch Sinn bei der Arbeit wertvolle Beiträge für das Unternehmen und dadurch auch für andere Menschen, die Gesellschaft und die Umwelt zu leisten. Voraussetzung dafür ist, dass Mitarbeiter ihren Beitrag zur Erfüllung des Purpose kennen. Was der Purpose leisten kann, schaffen Umsatz- oder Gewinnziele nicht.

Würden Sie nun Geldverdienen auf das Gehalt von Mitarbeitern beziehen, zeigt sich auch hier, dass ein gutes Gehalt alleine nicht glücklich macht. Es gibt nur eine marginale Beziehung zwischen Gehalt und Zufriedenheit. Letztere speist sich hingegen viel stärker aus dem Sinn, den die Arbeit stiftet. Das erklärt auch, warum in Berufen, bei denen Mitarbeiter zwar wenig Geld verdienen, aber den Sinn der Arbeit sehen, die Zufriedenheit und das positive Gefühl, etwas Gutes zu tun, sehr groß sind. Berufe, die das Leben von anderen Menschen verbessern, wie etwa im Gesundheitssektor oder im sozialen Bereich, befinden sich an der Spitze der Liste der Berufe, die besonders sinnstiftend sind.12

Merksatz

Beides tun ist besser. Sinn stiften und Geld verdienen muss das Ziel jedes Unternehmens sein.

Teilweise herrschen hierzu andere Meinungen. So findet sich beispielsweise in Diskussionen rund um das Thema Purpose Aussagen wie »Das Streben nach Erfolg muss einem neuen Streben weichen. Dem Streben nach Sinn.«13

Was vor Jahren noch Stirnrunzeln bei Managern hervorgerufen hätte, wird heute goutiert. Es ist auch und vor allem eine Absage an den Shareholder-Value-Ansatz, der über Jahre das Denken vieler Manager prägte. Milton Friedman postulierte 1970 im New York Times Magazine, dass Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden würden, wenn sie allein auf ihre finanzielle Profitabilität setzten.14 Manager, die etwas anderes als Geld zu machen anstreben würden, bezeichnete er sogar als unwissende Marionetten der intellektuellen Kräfte, die seit Jahrzehnten die Grundlagen einer freien Gesellschaft gefährden würden.

Das Konzept gilt heute als gescheitert, weil darin ignoriert wurde, dass die Gütermärkte in gesellschaftlich relevanten Dimensionen bei Weitem nicht so vollständig sind wie die Kapitalmärkte und somit auch nicht alle Stakeholder des Unternehmens angemessen Berücksichtigung finden.15 In Deutschland herrschte zudem schon immer ein anderes Verständnis. Profit wird hier weniger als Selbstzweck gesehen, sondern als Mittel zum Zweck, um den Unternehmenserhalt dauerhaft zu sichern.

Die Forderung, das Streben nach Erfolg durch das Streben nach Sinn zu ersetzen, ist somit als Reaktion auf die Fehlinterpretation des Shareholder Values zu verstehen, die dazu geführt hat, das kurzfristige Gewinnausschüttungen das beherrschende Thema bei vielen börsennotierten Unternehmen war. Dem Postulat, dass der Zweck von Unternehmen darin besteht, möglichst viel Geld für Anteilseigner auszuschütten, ist somit eine klare Absage zu erteilen. Unternehmen sind keine seelenlosen Maschinen, die als Goldesel für Aktionäre funktionieren.

Diese Auffassung hat auch nichts mit der Maximierung des Gewinnes eines Unternehmens zu tun, um den langfristigen Unternehmenserhalt zu sichern. Gewinn machen und Gewinn ausschütten sind zwei Paar Schuhe. Verantwortungsvoll handelnde Manager und Unternehmer gehen entsprechend anders mit dem Gewinn um. Sie würden diesen so weit wie möglich im Unternehmen belassen und notwendige Investitionen für künftiges Wachstum initiieren. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich den deutschen Mittelstand und die vielen Familienunternehmen anschaut, die genauso agieren – und das mit großem Erfolg.

Insofern halte ich die These »Sinn statt Erfolg« in dieser radikalen Form nicht nur für gefährlich, sondern schlicht und ergreifend für falsch. Sinn und Erfolg sind keine Gegensätze.

Oft fußt der Erfolg eines Unternehmens auf dem klar definierten Purpose. Aus einem klaren Purpose heraus den Gewinn eines Unternehmens zu maximieren ist der richtige Weg. Das eine tun, ohne das andere zu lassen, muss die Devise sein. Denn langfristig können Unternehmen ohne Gewinn nicht überleben. Falsch verstandenes Gewinnstreben der Art und Weise, wie der Shareholder-Value-Ansatz gelebt wurde, muss man dagegen infrage stellen. Das Unternehmen dient nicht nur seinen Anteilseignern. Das kann nie der Purpose sein. Eine Tatsache, die Unternehmern und verantwortungsvoll handelnden Managern schon immer klar war.

Ich erinnere an eine Kernaussage von Peter Drucker, die zeitlos gültig ist: »There is only one valid definition of a business purpose: to create a customer.«16 Es geht somit darum, Wert für Kunden zu schaffen, für den diese bereit sind, zu zahlen. Nur das sichert das Überleben von Unternehmen.

Großartige Unternehmen tun heute genau das: Sie widmen sich einem großen, manchmal sogar ehrenvollen Sinn – und machen Größen wie Umsatz oder Gewinn zum nachgelagerten Erfüllungsgehilfen. Gewinn wird somit nicht obsolet, sondern aus dem Purpose des Unternehmens heraus getrieben: 17

Starbucks macht seine Cafés zum third place neben Arbeit und Zuhause in unserem Leben.

Lego möchte das gute Spielen in die Welt tragen.

Google will uns alle Informationen der Welt zugänglich machen.

Ohne sinnstiftend zu wirken, können Unternehmen weder ihre vorhandenen Mitarbeiter dauerhaft binden noch diese dazu motivieren, Höchstleistungen zu bringen. Das ist aber im Sinne eines effizienten Ressourceneinsatzes zur Gewinnmaximierung notwendig. Zudem wird ohne Purpose die Suche nach neuen Mitarbeitern schwer werden in einer Welt, wo Mitarbeiter der Engpass für künftiges Wachstum sind und längst ein War for Talents entbrannt ist.

Was ist ein Purpose? Die Frage nach dem Existenzgrund

Bislang sind die Worte Sinn, Purpose und Unternehmenszweck häufig gefallen. Damit nicht genug: Meist wird im gleichen Atemzug auch noch der Begriff Mission in die Waagschale geworfen. Um dem noch die Krone aufzusetzen, wird das Ganze mit Begriffen wie Haltung, Werte, Fokus und so weiter garniert. Wer soll sich da noch zurechtfinden?

Blättert man durch die einschlägige Literatur zum Thema Purpose, so verwirrt dies oft mehr, als dass es Klarheit schafft. Babylonische Begriffsverwirrung trifft das Ganze gut. Sicher, unterschiedliche Autoren mit verschiedenen Auffassungen sind nichts Neues. Das gab es schon immer und wird es auch immer geben: den (wissenschaftlichen) Diskurs zu Definitionen und deren Reichweite.

Wirklich spannend wird es aber dann, wenn ein- und derselbe Autor in einem Buch zum Purpose die Begriffe Mission und Purpose voneinander abgrenzt, dann beides synonym verwendet, um schließlich als krönenden Abschluss die Mission gleich einer Vision zu setzen. Ganz zu schweigen von den Beispielen, die von (echten) Purpose-Statements und Vision-Statements über Markenpositionierung bis zu Slogans reichen und die herangezogen werden, um eine Meinung zu verdeutlichen. Kein Wunder, dass Manager dem nicht mehr folgen können. Das zeigt sich übrigens auch auf den Websites von Unternehmen, wo es ein buntes Sammelsurium von Auffassungen gibt: wie ein wilder Begriffs-Smoothie, bei dem oft keiner recht zu wissen scheint, was dabei optisch und geschmacklich eigentlich herauskommt.

Laut Duden wird der Zweck definiert als etwas, was jemand mit einer Handlung beabsichtigt und zu bewirken beziehungsweise zu erreichen sucht. Es ist somit der Beweggrund und das Ziel einer Handlung im Sinne von »Der Zweck seines Tuns ist …«. Ferner kann damit auch der verborgene, erkennbare Sinn eines Sachverhalts im Sinne von »Der Zweck des Ganzen ist …« verbunden sein. Unternehmen, aber auch Menschen, können einen Purpose haben.

Ich verwende im Folgenden die Begriffe Purpose, Mission und Unternehmenszweck gleich. Bei der Definition des Purpose richte ich mich nach der Auffassung von Collins und Porras, weil diese zum einen die klarste und zum anderen auch die praktikabelste Beschreibung des Begriffs ist. Vereinfacht handelt es sich beim Purpose um den Reason for Being, also den tieferen Grund, warum es ein Unternehmen oder einen Menschen gibt. Es geht also um den tieferen Zweck, dem man als Unternehmen oder als Mensch dienen möchte.

Merksatz

Der Purpose ist der tiefere Grund oder Zweck, warum es ein Unternehmen gibt.

Der Purpose als Zweck des Unternehmens beschreibt somit dessen Daseinsberechtigung. Er zeigt den Beitrag des Unternehmens zu einem größeren Ganzen auf, also der Beitrag und die Wirkung für andere.

Mutter Teresa verspürte auf einer Fahrt durch Kalkutta beim Anblick eines Kruzifixes die Berufung, den Armen zu helfen. Sie brachte dies in folgendem Satz zum Ausdruck: »Die Armut wurde nicht von Gott geschaffen, die haben wir hervorgebracht, ich und du mit unserem Egoismus.« Fortan widmete sie ihr ganzes Leben dem Kampf gegen Armut. Der Purpose von Mutter Teresa war somit der »Kampf gegen die Armut«, der ihrem Leben Sinn gestiftet hat.

Bei allen großen Persönlichkeiten können wir unschwer einen Zweck, eine Mission ausmachen, die sie antrieb: Carl Benz war beseelt davon, ein Automobil zu bauen und ihm zum Durchbruch zu verhelfen, Ingvar Kamprad wollte den Menschen ein besseres Leben ermöglichen – genau dies ist der Purpose von Ikea, bis heute.

So sollte es auch bei Unternehmen sein: mit dem Zweck den Beitrag für ein größeres Ganzes zu formulieren. Der Purpose der TED Talks – Ideas Worth Spreading – bringt dies zum Ausdruck. Es geht darum, wertvolle Ideen und Ansätze mit anderen zu teilen. Die Mission der Johannesstift Diakonie, die wir gemeinsam mit Vorstand und Managern entwickelt haben, lautet: »Wir helfen Menschen aus Überzeugung«. Dies lässt sich nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch bei der Jugendhilfe, der Seniorenbetreuung, der Unterstützung von Behinderten und in den Hospizen leben. Der Beitrag für Menschen und die Gesellschaft wird klar.

Der Unternehmenszweck beschreibt also die Daseinsberechtigung eines Unternehmens. Der Purpose ist somit der idealistische Grund für die Existenz des Unternehmens. Sie enthält dessen Seele und sollte lange Bestand haben. Oft wird von mehr als 100 Jahren gesprochen. Der Purpose soll somit die Gründer eines Unternehmens überdauern.

Purpose und CSR sind zwei Paar Schuhe

In der heutigen Diskussion findet man häufig eine Überhöhung des Purpose, indem von Higher Purpose oder Noble Purpose gesprochen wird. Dabei liegt ein starker Fokus darauf, etwas Gutes für die Menschheit oder den Planeten zu tun.

Daran wird meist die Forderung geknüpft, dem Prinzip der Nachhaltigkeit im Sinne der Corporate Social Responsibility (CSR) Rechnung zu tragen. Nach dem weit verbreiteten Drei-Säulen-Modell umfasst CSR folgende Dimensionen:

die Ökonomie (langfristige Erträge aus vorhandenen Ressourcen zu erwirtschaften),

die Ökologie (der schonende Umgang mit vorhandenen Ressourcen und der Natur) sowie

das Soziale (die Berücksichtigung einer intra- und intergenerativen Verteilungsgerechtigkeit).18

Da grundsätzlich bei allen Unternehmen die ökonomische Dimension schon immer im Fokus stand, geht es bei der Corporate Social Responsibility somit vorwiegend um die stärkere Berücksichtigung des ökologischen und des sozialen Gedankens. Dies ist nicht nur wünschenswert, es wird aus meiner Sicht künftig eine grundlegende Anforderung an alle Unternehmen werden. Grundlegend heißt, dass ökologische und soziale Verantwortung so wichtig sein wird wie die Qualität. Grundlegend heißt aber auch, dass dies für alle Unternehmen notwendig wird, genauso wie Qualität. Zuwiderhandeln wird bestraft werden. Die Corona-Krise hat hier sicherlich die Perspektive vieler Unternehmenslenker für das Soziale und die Ökologie nochmals zusätzlich geschärft. Eine ganze Reihe von Unternehmen haben sich in dieser Krise auch vorbildhaft verhalten.

Ich möchte dies an dem Beispiel von Bayer exemplarisch zeigen: Der Purpose des Unternehmens, der sich auch in dem Slogan »Science for a better life« widerspiegelt, zeigt den Antrieb und den Reason for Being dieses Unternehmens: die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu verbessern.

Der Aufkauf von Monsanto warf einen großen Schatten auf das Vorzeigeimage von Bayer, dem Millionen von Menschen in Deutschland vertrauten. Monsanto wurde durch den Glyphosat-Skandal weltweit bekannt und durch undurchsichtiges, wenig rücksichtsvolles Verhalten gegenüber Menschen und Umwelt berüchtigt. Die Integration von Monsanto war ein Kraftakt, nicht nur finanziell, sondern auch mit Blick auf die gelebte Kultur und die Werte. Die Glyphosat-Affäre kostete viel Vertrauen – nicht nur bei Kunden und Partnern, sondern auch bei Mitarbeitern, die darunter leiden mussten. Es wirkte auch nach außen so, als hätte Bayer sich von seinem eigentlichen Purpose entfernt.

In der Krise erstrahlte Bayer jedoch wieder durch vorbildhaftes Verhalten: Der Konzern stellte das Malariamittel mit dem Wirkstoff Chloroquin, das auch bei einer Covid-19-Infektion durch Senkung der Viruslast helfen kann, verstärkt her und rüstete Fabriken dafür um. Der Wirkstoff sollte kostenlos abgegeben werden. Auf der Website findet sich der Satz, den Sie häufig bei Konzernen lesen: »Wir handeln verantwortungsvoll gegenüber unseren Mitarbeitern, Patienten, Kunden, Verbrauchern, Geschäftspartnern, politischen Stakeholdern, Wissenschaftlern, Kritikern, Aktionären und der Gesellschaft als Ganzes. Wir schützen unseren Planeten und die Gesellschaften, in denen wir aktiv sind.«

Genau dies wurde zu einem Zeitpunkt eingelöst, zu dem es wirklich notwendig war. Bayer machte dies in einer Situation, in der Solidarität und Hilfe entscheidender waren als in den Jahren zuvor. Die Werte und Grundsätze des Unternehmens werden gelebt und in die Tat umgesetzt: Führung wird bewiesen, Integrität gelebt und Flexibilität und Effizienz gezeigt.

Ich glaube, dass Unternehmen künftig mehr denn je an ihrem Verhalten gemessen werden und somit tunlichst dem CSR-Gedanken Rechnung tragen müssen. Aufgrund der wachsenden Transparenz unternehmerischen Handelns durch die Digitalisierung wird es für Kunden und andere Anspruchsgruppen immer einfacher, hinter die Kulissen zu schauen. Entsprechend bedarf es in Unternehmen eines gelebten CSR-Konzeptes, damit sie nicht durch Zuwiderhandeln schnell am Pranger landen und Shitstorms auslösen.19

Merksatz

Nachhaltiges Handeln wird für Unternehmen so wichtig wie Qualität. CSR ist aber nicht zwingend der Existenzgrund des Unternehmens.

So wichtig und richtig es ist, dass sich Unternehmen mit dem Thema CSR auseinandersetzen, so wenig sinnvoll ist es, CSR grundsätzlich mit dem Purpose verknüpfen zu wollen. Nachhaltigkeit wird für alle Unternehmen eine notwendige Bedingung, die es heute und künftig mehr denn je zu berücksichtigen gilt, um Erfolg zu haben und akzeptiert zu werden. Es wird eine Forderung werden wie die der guten Qualität. Aber nur für wenige Unternehmen wird dies ein echter Fokus und ein zentraler Antrieb sein. Dazu zählen Unternehmen wie Werner & Mertz mit der Marke Frosch oder Alnatura.20

Die Forderungen, CSR zwingend mit dem Purpose zu verknüpfen, widersprechen der Kernidee einer Mission oder eines Purpose. Sie führen meines Erachtens in vielen Fällen zu Fehlsteuerungen, würde man solchen Empfehlungen als Unternehmen tatsächlich folgen.