Rachlust - Philipp Colonna - E-Book

Rachlust E-Book

Philipp Colonna

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Beschreibung

Blutig, brutal und vor Gewalt strotzend. Diese elf Horrorgeschichten gehen tief unter die Haut und werden den Leser bis ins Mark erschüttern. Elf Geschichten, die sich rund um Wahnsinn, Verzweiflung und Rache drehen. "Rachlust" ist nichts für schwache Nerven und garantiert schlaflose Nächte.

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Seitenzahl: 184

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Rachlust

ImpressumÜber das Buch und den AutorInhaltsverzeichnisDie Hölle zu HauseIm GrabenDie fehlende HälfteEs war so heißDer letzte TagIch hab‘s gemacht, wie du gesagt hastRachlustDer LokführerDer FremdeWenn die Vergangenheit plötzlich im Wohnzimmer stehtDer Hunger

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

© 2022 Philipp Colonna

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 9783753479941

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt

Über das Buch und den Autor

Blutig, brutal und vor Gewalt strotzend. Diese elf Horrorgeschichten gehen tief unter die Haut und werden den Leser bis ins Mark erschüttern. Elf Geschichten, die sich rund um Wahnsinn, Verzweiflung und Rache drehen. "Rachlust" ist nichts für schwache Nerven und garantiert schlaflose Nächte.

Philipp Colonna ist 20 Jahre alt und studiert Philosophie. In seiner Freizeit schreibt er gerne Geschichten, primär Horrorgeschichten. In dieser Sammlung sind seine Geschichten erstmals erhältlich.

Inhaltsverzeichnis

I. Die Hölle zu Hause    

II. Im Graben   

III. Die fehlende Hälfte   

IV. Es war so heiß     

V. Der letzte Tag   

VI. Ich hab‘s gemacht, wie du gesagt hast   

VII. Rachlust   

VIII. Der Lokführer   

IX. Der Fremde   

Die Hölle zu Hause

Max hockte vor dem Fernseher und schaute Spongebob. Er saß auf dem Teppich, denn vom Sofa aus, das hinter ihm stand, sah er den Fernseher nur verschwommen. Er trug seinen Spongebob-Pyjama, auf dem ganz viele kleine Spongebobs auf blauem Hintergrund aufgedruckt waren. Neben ihm lag sein kleiner Bruder, in einem roten Babyanzug, und spielte mit einer Rassel. Er hasste es, wenn sein kleiner Bruder ihn beim Spongebobschauen nervte. Am liebsten hätte er ihm die Rassel weggenommen, aber Max konnte sich dazu nicht überwinden. Er hätte sich schlecht gefühlt. Plötzlich zerbrach ein Teller in der Küche, dann hörte Max ein Klatschen. Jemand brach zusammen.

„Du machst, was ich dir sage.“ brüllte sein Vater.

Seitdem sie alle zu Hause bleiben mussten, brüllte er häufiger. Max war dann wie festgefroren. Wenn er selber angebrüllt wurde, stellte sich seine Mutter immer zwischen die beiden, dafür bekam sie aber jedes Mal eine Backpfeife und brach zusammen. Max rannen dann die Tränen in die Augen und dafür bekam er auch gleich eine.

Sein Bruder fing an zu heulen. Das machte er immer, wenn sein Vater laut wurde. Er wurde aber nie geschellt. Max nahm ihn in den Arm, legte die Rassel weg und wog ihn hin und her, so wie es seine Mutter ihm gezeigt hatte. Er wollte ihn schnell beruhigen, bevor sein Vater als nächstes ins Wohnzimmer kam. Sein Bruder beruhigte sich auch und sobald er wieder lächelte, wollte er sofort weiterspielen. Max nahm die Rassel und schüttelte sie vor seinem Gesicht. Sein Bruder fing an zu lachen. Max liebte das.

Plötzlich legte sich ein Schatten über die beiden. Sein Vater stand in der Tür und blockierte das trübe Licht, das von draußen hereinschien. Max sah gegen das Licht nur die verschwommenen Umrisse.

Sein Vater war ein gewaltiger Mann. Groß und breit. Seine Stimme war so tief, wie sie Max noch bei keinem anderen gehört hatte. Manchmal glaubte er bei seinen Worten die Dinge vibrieren zu fühlen. Seine Arme und sogar seine Hände waren so sehr behaart, man konnte glauben, er hätte ein Fell. Er trug immer eine Jeans mit einem Gürtel, der eine große Schnalle hatte, und ein Hemd, das nur teilweise in der Hose steckte. Außerdem war er ungewaschen und stank ekelhaft. Max konnte aber nicht sagen nach was. Sein Gesicht trug immer eine grimmige Miene, aber sein Blick schien wie aufgelöst.

Dagegen war Max klein und dünn. Seine Stimme war höher, als die seiner meisten Freunde, die er seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hat. Dazu kam noch, dass Max an seinem ganzen Körper, außer auf dem Kopf, kein einziges Haar fand.

Es lief ihm eiskalt den Rücken runter, als er seinen Vater sah. Er zitterte und drückte seinen Bruder fester an sich. Aus der Küche hörte er, wie seine Mutter wimmerte. Sein Vater stand eine Weile still da und dann sagte er: „Leg den Jungen weg.“ Als er diese Worte sprach, zog er seinen Gürtel aus.

Max wusste schon, was jetzt kommen würde, aber er stand unter Schock. Er konnte seinen Bruder nicht weglegen.

„Leg meinen Jungen jetzt endlich zur Seite.“ brüllte sein Vater ihn an.

Max‘ Bruder fing wieder an zu weinen.

„Guck was du angestellt hast.“

„Lass ihn in Ruhe.“ kam es leise aus der Küche.

„Sei still Weib.“ brüllte sein Vater zurück und zu Max gewandt: „Jetzt leg endlich meinen Jungen beiseite, damit ich dich verprügeln kann.“

„Bitte nicht Papa.“ sagte Max.

„Ich bin nicht dein Papa, du Bastard.“

Der Mann trat ein Schritt auf ihn zu und instinktiv legte Max seinen kleinen Bruder behutsam auf den Teppich. Als das Baby so da lag, ohne gehalten zu werden, schrie es noch lauter. Der Mann blickte zum Baby runter und plötzlich, nur ganz kurz, blitzte so etwas wie Mitgefühl in seinen Augen auf. Er kniete sich nieder und streichelte den Bauch des Babys. Zum ersten Mal sah Max in dem Mann etwas anderes als ein Tier. Er bemerkte aber auch, dass der Mann jetzt abgelenkt war und sich ihm eine Chance bot.

Er sprang auf, rannte zur Tür und wollte sich in seinem Zimmer einsperren, aber die flache Hand des Mannes schlug plötzlich wie eine Schranke zu und haute Max um. Er verlor für ein paar Sekunden sein Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, spürte er einen dumpfen Schmerz in der Mitte seines Gesichts und er schmeckte Eisen im Mund. Er blieb liegen, er hatte keine Kraft zum Aufstehen. Mit dem Finger tastete er vorsichtig seine Nase ab, schrak aber zurück, als er merkte, dass da etwas nicht mehr an seinem Platz war. Während er das Blut in der Hand bestaunte, stand der Mann auf. Als Max an ihm emporblickte, sah er nur einen Riesen, in dessen Hand ein Gürtel hing. Ihm wurde leicht schwindelig beim Anblick. Max brach in Tränen aus.

„Du Schwächling, heul nich so!“ brüllte der Mann, aber Max hörte nicht auf.

Der Mann holte aus und schmetterte die metallene Gürtelschnalle auf Max.

Die Gürtelschnalle landete auf seiner Backe und riss ihn wieder zu Boden. Er schloss seine Augen und hörte sogar auf zu weinen, aber nur weil der Schmerz zu heftig war. Alles drehte sich, er spürte das Brennen auf der Backe, den Geschmack des Eisens im Mund und der lose Zahn zusammen mit ein paar Bruchstücken, die in seinem Mund herumflogen. Vorsichtig hob Max seinen Blick vom Boden und richtete ihn gegen den Mann. Der holte wieder mit seinem Arm aus, aber plötzlich sah Max eine zweite Gestalt hinter dem Mann, sie hielt eine Glasschüssel in der Hand, ihr langes Haar wedelte in der Luft und die Tränen in ihrem Gesicht funkelten, es war seine Mutter und sie schmetterte die Schüssel auf den Kopf des Mannes, hunderte scharfe Glassplitter schossen durch die Luft, der Mann drohte auf den Boden zu fallen, aber er schaffte es sich an einem Regal aufzufangen, sofort sprang Max auf, nahm seinen kleinen Bruder, der immer noch weinte, und rannte in sein Zimmer, während der Mann wieder aufstand und einen großen Splitter in die Hand nahm, seine Mutter weinte, bat um Vergebung und Gnade, trat ein paar Schritte zurück, aber der Kopf des Mannes war zu rot, als dass er mit ihr Mitleid haben könnte, Max rannte weiter, er hatte zu große Angst, fühlte sich aber schlecht, dass er seine Mutter so im Stich ließ.

Als Max in seinem Zimmer ankam, knallte er sofort die Tür zu und schloss sie ab. Seinem Bruder stopfte er ein Schnuller in den Mund, damit er leise blieb. Aus dem Wohnzimmer hörte er seine Mutter schreien, wie er noch nie einen Menschen schreien hörte. Der Schrei zerriss Max innerlich und er brach wieder in Tränen aus. Plötzlich wurde es still. Max hörte nur noch den Mann keuchen. Doch das verschwand auch wieder. Was war mit seiner Mutter? Max hörte dumpfe Schritte. Je näher sie kamen, desto stärker spürte Max die Erschütterung. Im Schlitz unter seiner Tür tauchte ein Schatten auf.

„Max, mach die Tür auf.“ sagte der Mann.

Max legte sich auf den Boden und blickte durch den Schlitz unter der Tür. Er sah die Schuhe des Mannes. Plötzlich tropfte etwas, Max konnte aber nicht erkennen was es war. Aber es sammelte sich neben den Schuhen zu einer Pfütze.

„Max mach sofort die Tür auf.“

Max nahm seinen Bruder und zusammen krabbelten sie unters Bett. Dort presste er sich an die Wand und schloss seine Augen, aus denen Tränen tropften. Hier unten war es dunkel und staubig.

„Mach endlich die Tür auf.“

Max blieb reglos unter dem Bett liegen.

„Max.“

Max versuchte die Worte des Mannes auszublenden. Er starrte in die Dunkelheit vor seinen geschlossenen Augen und drückte seinen kleinen Bruder fest an sich. Plötzlich brach die Tür auf, das Schloss flog durch das Zimmer. Max‘ Herz raste und versuchte aus seinem Brustkorb herauszubrechen. Schweiß durchnässte ihn. Er öffnete seine Augen und sah wieder die Schuhe des Mannes. Wieder tropfte etwas von ihm. Max wurde bleich und sein Magen drehte sich um. Es war Blut.

Der Mann schritt einmal durch sein Zimmer, plötzlich riss er den Schrank auf. Der Mann schob die Kleiderbügel auseinander. Dann war wieder Stille, bis Max hörte, wie sich die Schritte seinem Bett näherten. Max schloss wieder seine Augen. Für ein paar Sekunden passierte nichts, aber plötzlich spürte er, wie eine gewaltige Hand seinen Arm griff und ihn aus seinem Versteck zog. Max sah nur noch Licht.

Im Graben

Ein kalter Wind schlich durch die Baumkronen, die Blätter raschelten. Sie waren rot und gelb, viele fielen hinunter auf den Waldboden. Wenige Vögel flogen stumm von Baumkrone zu Baumkrone. Die Sonne versteckte sich hinter grauen Wolken. Zwei Raben landeten auf einem Ast und krähten.

Das riss David aus seinem Schlaf. Er öffnete vorsichtig seine Augen, das graue Licht schmerzte. Er drehte sein Kopf zu beiden Seiten. Zwei Wände aus Dreck türmten sich neben ihm auf. Er merkte, dass er in einem Graben lag. Doch er sah auch Baumstämme, die in den Himmel ragten und ihr rot-gelbes Blätterkleid. Langsam zog ein Schmerz durch seinen ganzen Körper. Sein Gesicht fing an zu brennen, bei jeder Bewegung bohrten sich tausende Nadeln in ihn. Er versuchte seinen Arm zu heben, doch zuckte sofort wieder zusammen. Es schmerzte so, als wäre sein Arm gebrochen. Außerdem realisierte er dabei, dass er in Laub eingehüllt war. Als hätte ihn jemand vergraben wollen. David hob jetzt seinen Kopf und versuchte sich aufzurichten, doch seine Organe fühlten sich geschwollen an. David fürchtete, dass sie bluteten. Er ließ seinen Kopf ins Laub zurückfallen und schrie auf wegen dem bestialischen Schmerz. Es war, als stecke ein Messer in seinem Hinterkopf. Er drehte sich auf die Seite, das Laub fiel von ihm herunter. Er stöhnte wieder. Plötzlich fühlte er, wie sich Flüssiges in seinem Mund ansammelte. Er spuckte es aus und erschrak. Es war Blut, aber auch Teile von Zähnen lagen in der roten Pfütze. Während David geschockt das schimmernde Blut auf dem Laub anstarrte, fragte er sich, was eigentlich geschehen war?

David und Tom fuhren mit ihrem Tesla über die Autobahn und folgten dem Navi, das sie zu einer alten Ruine führte.

„Und wo genau ist diese Ruine?“ fragte Tom.

„Der Parkplatz ist am Waldrand und von dort führt ein Wanderweg zur Ruine.“ sagte David.

„Und warum hast du deine Malausrüstung nicht gleich mitgenommen?“

„Ich hab dir doch gesagt, dass ich erst schauen will, ob die Ruine als Motiv überhaupt geeignet ist. Sowieso ist das Licht heute nicht ideal.“

Sie fuhren noch über Landstraßen und erreichten dann eine Kleinstadt, die schon von weitem heruntergekommen aussah. Als sie über die Hauptstraße fuhren, zogen sie die Blicke auf sich. Die Leute schauten grimmig.

„Denkst du, die schauen so wegen dem Regenbogensticker?“ fragte Tom.

„Ich denk schon.“ sagte David.

„Ich hab dir gesagt, wir sollten diesen Sticker nicht aufkleben.“

„Ignorier sie einfach, Schatz.“

Auf beiden Seiten reihten sich veraltete Häuser aneinander, mit grauen Fassaden und Löchern in den Fenstern. Hin und wieder tauchte ein kleiner Laden auf, dessen Fenster in Form von großen Spinnennetzen zersplittert waren. Die Leute trugen schmutzige und zerrissene Klamotten, mit allen möglichen Flecken darauf.

„Lass schnellstmöglich zur Ruine und dann von hier verschwinden.“ sagte David.

Das Navi zeigte an, dass sie nach links abbiegen mussten und David folgte der Anweisung. Sie gerieten in die Wohngegend. Kleine kaputte Einfamilienhäuser folgten aufeinander. Die Zäune hatten Löcher, die Fassaden Flecken und in den Vorgärten saßen Leute auf Plastikstühlen und tranken Dosenbier. Als sie den Tesla und den Regenbogensticker sahen, wurden sie wütend, schrien sie an und spuckten auf den Boden.

„Scheiße man.“ sagte David und blickte in den Rückspiegel, um zu sehen, ob die Leute die Dosen nach ihnen warfen.

Sie fuhren weiter durch die elendige Kleinstadt. Am Horizont tauchten die ersten Baumspitzen auf. Hinter den Spitzen kündigten sich dunkle Wolken an. David folgte weiter dem Navi, während Tom grimmig nach vorne schaute und versuchte nicht auszusteigen und die Leute anzuschreien.

Fast am Rand der Kleinstadt, kurz bevor sie den Waldrand erreichten, tauchte eine kleine Kirche auf. Die Messe schien vorbei zu sein, denn die Leute sammelten sich auf dem Parkplatz. Als David und Tom vorbeifuhren und die Leute den Regenbogensticker sahen, wurden sie wild.

„Ihr scheiß Arschficker.“

„Verdammte Schwuchteln.“

„Soll euch der Teufel holen und ficken.“

Auch eine Gruppe von Männern, die vor einem schwarzen Jeep standen, riefen Beleidigungen hinterher und streckten ihre Mittelfinger aus. Die Männer waren alle groß und breit, sie trugen Jeanshosen und löchrige Hemden. Einer von ihnen hatte eine große Narbe über dem rechte Auge. Plötzlich drehten sich die Männer um und griffen zu kleinen Steinen aus dem Beet hinter ihnen und warfen die Steine auf sie. David drückte aufs Gas. Die meisten Steine flogen daneben, aber ein Stein landete in der Heckscheibe. Die Heckscheibe wurde zu einem großen Mosaik aus kleinen Scherben, zerbrach aber nicht. David ließ nicht locker vom Gas. Er wurde leichenblass, Schweißperlen flossen seine Stirn hinab. Tom hingegen lief rot an und knirschte mit den Zähnen. Sobald David konnte, bog er von der Straße ab und hielt kurz an, um den Schock zu verdauen. Er schnaufte.

„Alles gut, Schatz?“ fragte Tom.

„Ja es geht, ich hab nur ein Schreck bekommen.“ sagte David.

Tom griff zu Davids Hand.

„Diese verdammten Bastarde. Warum gibt‘s diese Wichser bloß überall?“ fragte Tom.

„Keine Ahnung, aber vergessen wir die Ruine. Verschwinden wir von hier.“

David startete den Motor und fuhr gerade aus der Parklücke heraus, als er ein großen schwarzen Fleck im Rückspiegel sah. Durch die zersplitterte Scheibe konnte David nicht erkennen, was dieser Fleck war. Tom sah Davids geschockten Blick und schaute selber nach hinten.

„Du denkst nicht, dass… oder?“ fragte David.

„Fahr schnell los.“

David drückte aufs Gas, fuhr durch das Straßengewirr der Kleinstadt, der schwarze Fleck immer dicht auf den Fersen, und fand sich bald am Waldrand wieder. Sie bogen auf die Landstraße ab, die durch den Wald führte, der schwarze Fleck schien verschwunden, sie wollten einfach nur weg.

Der Himmel über den beiden wurde schwarz. Es donnerte, daraufhin ergoss sich starker Regen über sie. Fette Tropfen prasselten auf die Karosserie. Auf beiden Seiten der Straße reihten sich dunkle Tannen aneinander. David konnte kaum einige Meter weit sehen, trotz des Fernlichts, und orientierte sich an der weißen Straßenlinie. Plötzlich hörte David unter dem Niederprasseln des Regens ein leises Summen, es klang wie ein Motor. David blickte in die Spiegel, sah aber nichts. Das Summen wurde immer lauter, aber David versuchte es zu ignorieren und konzentrierte sich auf die Straße. Er erhöhte leicht das Tempo. Plötzlich durchfuhr ein starker Stoß das Auto. Das Auto schlidderte, David lenkte dagegen und konnte sich wieder fangen. Er blickte nach links und sah einen schwarzen Jeep, am Steuer ein Mann, mit einer großen Narbe über dem rechten Auge. Der Mann schrie etwas, David verstand nichts. Plötzlich zog der Mann das Lenkrad nach rechts, der Jeep rammte wieder den Tesla, dieses Mal so stark, dass David nicht dagegen lenken konnte, beide schrien, die Räder schlidderten über den nassen Boden, das Auto flog in den Wald und sie krachten in einen Baum. David und Tom waren sofort bewusstlos.

David liefen Tränen aus den Augen, sie rannen über seine Wangen und tropften aufs Laub. Die salzige Spur der Tränen brannte auf der Haut. Er konnte es nicht fassen. Er weinte, wollte mit seinen Ärmeln die Tränen auffangen, aber wich schnell wieder zurück. Jegliche Berührung im Gesicht tat weh, auch der Arm protestierte. Wie heftig war denn der Unfall gewesen? Wo ist Tom? Wo war das Wrack? Die Fragen sprangen in Davids Kopf umher wie eine wilde Horde Flöhe. Es reichte ihm.

David wollte aufstehen, stützte sich mit den Armen auf, wäre fast wieder zusammengebrochen, konnte sich aber mit seinen Beinen halten. Als er stand, schwankte er, er war noch immer benommen.

Er blickte um sich, sah aber nichts als Bäume. Egal wohin er blickte, er sah nur kahle Stämme und eine rot-gelbe Laubdecke. Er blickte hoch in den Himmel, in der Hoffnung irgendwo die Spitze eines Turms oder Ähnliches zu finden, entdeckte aber nichts außer herannahende schwarze Wolken. Bald wird es wieder regnen, dachte David.

Er zückte sein Handy mit dem Regenbogensticker auf der Rückseite und blickte geschockt auf den schwarzen Bildschirm. Ihm liefen Tränen übers Gesicht. Jetzt verstand er, warum die Tränen brannten. Sein Gesicht war deformiert, kaputt, entstellt. Seine Augen waren geschwollen, seine Wangen und die Stirn aufgerissen und das getrocknete Blut klebte noch auf seinem Gesicht. David erkannte sich nicht wieder. Er weinte. Plötzlich durchfuhr ihn ein Blitz, wie geht es Tom?

Er schaltete sein Handy an und wollte Tom anrufen, aber er hatte keinen Empfang. Er hielt das Handy so hoch, wie er konnte, aber es brachte nichts. Er blickte wieder um sich und rief: „Tom.“ Keine Antwort.

„Tom.“ rief er noch einmal mit mehr Druck. Wieder keine Antwort.

David versuchte aus dem Graben zu klettern, ergriff eine Wurzel, wollte sich mit den Füßen abstützen, rutschte aber mit dem Fuß auf dem nassen Laub aus und landete wieder im Graben. Er schrie. Er richtete seinen verweinten Blick auf den Boden und plötzlich sah er etwas. Es funkelte zwischen den Blättern. David schob die Blätter beiseite und sah, dass es Toms Handy war. Er nahm das Handy und blickte sich erneut um, sah aber nichts. Er muss hier ganz in der Nähe sein, dachte David. Vielleicht lag er ja auch hier im Graben? Er blickte auf den Boden und da ihm fiel etwas ins Auge. Er kniff sie zusammen und erkannte dann eine Hand. David lief es eiskalt den Rücken hinunter.

David humpelte zur Hand. Er kniete sich nieder und wischte die Blätter beiseite. Unter dem Laub offenbarte sich Toms Gesicht, der Rest des Körpers war noch in Laub eingehüllt. Sein Gesicht war genauso geschwollen und aufgerissen, wie das von David. Toms Augen waren zu. David rüttelte an seiner Schulter.

„Tom, wach auf.“ sagte er.

Tom reagierte nicht, David rüttelte noch einmal an seiner Schulter.

„Wach auf, mein Schatz.“

Tom lag reglos da. Er fasste Tom an den Hals und spürte etwas Glitschiges. David schob die restlichen Blätter auf dem Hals beiseite und erschrak. Er hielt seine Hand vor den Mund, er konnte es nicht glauben, langsam fluteten Tränen sein Gesicht und er brach auf Toms Brust zusammen. Toms Hals war aufgeschlitzt. Eine tiefe Kerbe glitt von einem Ohr zum anderem. In der Wunde klebte noch Dreck. Tom war tot. Was war passiert?

David öffnete langsam seine Augen, er war benommen. Etwas blendete ihn. Doch um das Licht war es dunkel, es musste Nacht sein. David spürte Laub unter seinen Füßen und ein Baumstamm hinter seinem Rücken. Ihm fiel auf, dass es nicht mehr regnete. Ein dumpfer Laut drang an sein Ohr, es klang als würde jemand reden. David schwenkte sein Kopf in Richtung der Laute und sah Tom.

„Alles wird gut.“ sagte er.

David verstand nicht, was er meinte, dann sah er aber, dass Tom am Kopf aus einer Wunde blutete und dass er an einem Baumstamm gefesselt war. David wollte zu ihm, versuchte loszulaufen, etwas hielt ihn zurück. David merkte, dass auch er gefesselt war. Er blickte verwirrt, rüttelte an der Fessel, aber sie ließ nicht locker. David hörte ein plötzliches Lachen.

„Ist da jemand wach geworden?“ fragte ein Mann.

David blickte auf, seine Augen wurden von zwei gelben Lichtern geblendet. Es dauerte ein wenig, dann erkannte er, dass die Lichter von einem Jeep stammten. Er erkannte auch Konturen von vier Männern. Einer der Männer trat näher. Gegen das Licht war es schwer zu erkennen, aber es war der Mann mit der Narbe über dem rechten Auge. David wurde leichenblass. Er rüttelte erneut an den Fesseln, der Mann lachte wieder.

„Lass ihn in Ruhe.“ sagte Tom.

Der Mann hörte auf zu lachen und schaute zu Tom. Er sagte: „Ich mach, was ich will.“

Bei der letzten Silbe riss er seine Faust hoch und schlug David in den Bauch. David hustete, spuckte, er bekam kaum Luft. Während des Schlags flog eine Kreuzkette aus dem Ausschnitt des Mannes und hing nun offen auf seiner Brust.

„Du Bastard.“ sagte Tom.

Einer der Männer, die noch am Jeep standen, lachte.

„Lässt du dir so etwas von einer Schwuchtel gefallen, Mike?“

Mike lief rot an. Er schritt auf Tom zu. Tom zuckte kein bisschen, er schaute Mike direkt in die Augen. Mike hob seine Faust und donnerte sie in Toms Schläfe. Sein Kopf baumelte leblos hin und her, richtete sich dann aber wieder auf und blickte Mike erneut in die Augen. Mike zitterte vor Wut. Er ließ seine Fäuste in Toms Bauch regnen, traf Organe, brach ihm Rippen und nahm ihm die Luft zum Atmen.

Die drei, die noch am Jeep standen, gesellten sich nun auch dazu. Zusammen verprügelten sie die beiden. Sie schlugen in den Bauch, die Schläfe, auf den Kiefer, traten in die Knie und die Eier. David und Tom waren blutüberströmt, ihr ganzer Körper schmerzte, beide schnappten nach Luft und konnten sich kaum noch auf den Füßen halten.

Nach einiger Zeit nahm aber die Wucht der Schläge ab, die Männer schnauften, waren erschöpft. David lehnte sich an den Baumstamm und röchelte, als einer der Männer noch einmal auf ihn zutrat und seine Faust ein letztes Mal in Davids Schläfe donnerte. David brach zusammen, flog auf seine Knie und kämpfte mit der Bewusstlosigkeit.

Tom hingegen stand noch, spuckte immer wieder Blut aus und schaute Mike wieder in die Augen.

„War das alles?“ fragte Tom.

Mike wurde wieder rot und schritt auf Tom mit geballter Faust zu. Als Mike nah genug war, spuckte Tom Mike an. Eine rote, zähe Flüssigkeit landete in Mikes Gesicht. Mike glühte vor Wut. Er wischte sich die Spucke weg und zückte ein Messer aus seiner Tasche.

„Mike, lass die Scheiße.“ sagte einer der Männer, die am Jeep standen.

Mike ignorierte ihn, holte mit dem Messer aus und rammte es Tom in den Hals. Das Blut schoss aus ihm wie aus einem Springbrunnen.

„Du Bas..tar...“ sagte Tom.

Mike kochte über. Er schnitt Tom die komplette Kehle auf. Ein roter Wasserfall strömte aus Toms Hals, seine Kleidung und das Laub um ihn herum färbten sich rot. Auch Mike wurde mit Toms Blut besudelt.

Mike riss das Messer aus Toms Hals und Tom sackte zusammen. Er regte sich keinen Zentimeter mehr.

„Verdammte Scheiße.“ sagte einer der Männer.

„Schnell wir müssen hier weg.“

„Wir müssen die erst irgendwo verstecken, hier finden sie die Leiche ja sofort.“

„Karl hat recht, wir müssen die beiden irgendwo verstecken.“

„Aber wo?“

„Lass sie in irgendeinen Graben werfen.“

„Da findet sie doch bestimmt jemand.“

„Dann schmeißen wir halt noch etwas Laub auf sie. Oder hast du ne bessere Idee?“

David fing nun an zu weinen. Er hatte etwas gebraucht, um die Dinge zu realisieren.