Rags Martin-Jones und der Prince of Wales - F. Scott Fitzgerald - E-Book

Rags Martin-Jones und der Prince of Wales E-Book

F.Scott Fitzgerald

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Beschreibung

Seinen Weg zur Schriftstellerei fand Francis Scott Fitzgerald (1896-1940) zunächst durchaus nicht durch theoretische Überlegungen, sondern er kam eher aus praktischen Erwägungen zum Schreiben. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und seiner Entlassung aus der Armee im November 1919 hatte er in New York - für ein Monatsgehalt von 90 Dollar - eine Stellung in einer Reklameagentur gefunden und wollte zunächst nichts anderes, als durch das Schreiben von Romanen so viel Geld verdienen, dass er seine Freundin Zelda Sayre heiraten könnte. Wir entdecken autobiografische Bezüge des Autors beispielsweise in seiner Erzählung "Gretchen´s Forty Winks" aus dem Jahr 1924. Aber auch in "The Rich Boy" (1926) sind Elemente enthalten, die als Schlüsseldokument für das Verständnis Fitzgerald herangezogen werden können. Das Geld für seinen Lebensunterhalt verdiente er über zwei Jahrzehnte lang damit, dass er Kurzgeschichten an Zeitschriften verkaufte. In einer Zeit, in der es noch kein Fernsehen gab und auch der Rundfunk und das Kino nur begrenzte Angebote bereitstellten, waren Printmagazine ein wichtiges Unterhaltungsmedium. Die Zeitschriften buhlten um die Geschichten namhafter Autoren, und Fitzgerald kam trotz vieler Probleme gut ins Geschäft. Mehrere Dutzend Erzählungen konnte Fitzgerald bis zu seinem Tod im Jahre 1940 an Zeitschriften verkaufen, für Preise von bis zu 4000 Dollar pro Geschichte. Die meisten dieser Erzählungen wurden gedruckt, gelesen und bald schon wieder vergessen, sobald die nächste Ausgabe des Magazins erschien. Fitzgerald maß allerdings seinen eigenen Kurzgeschichten auch keinen großen Wert bei. Sie waren für ihn im Wesentlichen nur Broterwerb. Damit konnte er seine Arbeit am nächsten Roman finanzieren. Ihm lag an einer Anerkennung als einflussreicher und bedeutender Schriftsteller, die aus seiner Sicht nur über die Veröffentlichung größerer Werke gelingen konnte. Bei F. Scott Fitzgerald nimmt die exaltierte Welt der Reichen, Aufstrebenden, der Glücksjäger, der Verliebten und der Schönen immer wieder markante Formen an, das zeigen aufs Unterhaltsamste auch die hier versammelten 11 Erzählungen aus seiner literarischen Anfangszeit, ab 1922 bis 1927 - den Roaring Twenties.

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F. Scott Fitzgerald

Rags Martin-Jones und der Prince of Wales

11 Erzählungen (1922-1927)

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

WINTERTRÄUME

WÜRFEL, SCHLAGRINGE & GITARRE

GRETCHENS NICKERCHEN

ABSOLUTION

RAGS MARTIN-JONES UND DER PRINCE OF WALES

„DIE VERNÜNFTIGE SACHE“

DIE BABY PARTY

LIEBE IN DER NACHT

DER REICHE JUNGE

JACOBS LEITER

EIN KURZBESUCH DAHEIM

Seltsame Zuflucht: 10 Erzählungen (1925-1939) von F. Scott Fitzgerald: Die Kurzgeschichten 1. Band

Die vollständigen Pat Hobby Geschichten: (1940-1941) von F. Scott Fitzgerald: Die Kurzgeschichten 2. Band

Impressum neobooks

WINTERTRÄUME

F. Scott Fitzgerald

Rags Martin-Jones und der Prince of Wales

11 Erzählungen

(1922-1927)

Seinen Weg zur Schriftstellerei fand Francis Scott Fitzgerald (1896-1940) zunächst durchaus nicht durch theoretische Überlegungen, sondern er kam eher aus praktischen Erwägungen zum Schreiben. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und seiner Entlassung aus der Armee im November 1919 hatte er in New York - für ein Monatsgehalt von 90 Dollar - eine Stellung in einer Reklameagentur gefunden und wollte zunächst nichts anderes, als durch das Schreiben von Romanen so viel Geld verdienen, dass er seine Freundin Zelda Sayre heiraten könnte. Wir entdecken autobiografische Bezüge des Autors beispielsweise in seiner Erzählung „Gretchen´s Forty Winks“ aus dem Jahr 1924. Aber auch in „The Rich Boy“ (1926) sind Elemente enthalten, die als Schlüsseldokument für das Verständnis Fitzgerald herangezogen werden können.

Das Geld für seinen Lebensunterhalt verdiente er über zwei Jahrzehnte lang damit, dass er Kurzgeschichten an Zeitschriften verkaufte. In einer Zeit, in der es noch kein Fernsehen gab und auch der Rundfunk und das Kino nur begrenzte Angebote bereitstellten, waren Printmagazine ein wichtiges Unterhaltungsmedium. Die Zeitschriften buhlten um die Geschichten namhafter Autoren, und Fitzgerald kam trotz vieler Probleme gut ins Geschäft.

Mehrere Dutzend Erzählungen konnte Fitzgerald bis zu seinem Tod im Jahre 1940 an Zeitschriften verkaufen, für Preise von bis zu 4000 Dollar pro Geschichte. Die meisten dieser Erzählungen wurden gedruckt, gelesen und bald schon wieder vergessen, sobald die nächste Ausgabe des Magazins erschien. Fitzgerald maß allerdings seinen eigenen Kurzgeschichten auch keinen großen Wert bei. Sie waren für ihn im Wesentlichen nur Broterwerb. Damit konnte er seine Arbeit am nächsten Roman finanzieren. Ihm lag an einer Anerkennung als einflussreicher und bedeutender Schriftsteller, die aus seiner Sicht nur über die Veröffentlichung größerer Werke gelingen konnte.

Bei F. Scott Fitzgerald nimmt die exaltierte Welt der Reichen, Aufstrebenden, der Glücksjäger, der Verliebten und der Schönen immer wieder markante Formen an, das zeigen aufs Unterhaltsamste auch die hier versammelten 11 Erzählungen aus seiner literarischen Anfangszeit, ab 1922 bis 1927 - den Roaring Twenties.

Impressum

F.Scott Fitzgerald: Rags Martin-Jones und der Prince of Wales, 11 Erzählungen (1922-1927)

Neu übersetzt aus dem Amerikanischen von Peter Eckhart Reichel nach den Veröffentlichungen der rechtefreien Originaltexte des Project Gutenberg of Australia.

Titelgestaltung: ebuchedition words&music

unter Verwendung einer Grafik von Horace Taylor

Coverschrift gesetzt aus der Dusty Rose NF

© 2023 hoerbuchedition words & music

Alle Rechte vorbehalten.

www.words-and-music.de

ebuchedition words & music

Inhaber: Peter Eckhart Reichel

Hohenzollernstrasse 31

D-14163 Berlin

Germany

Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten. Das Werk in dieser deutschsprachigen Übersetzung einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Aufführung, Vertonung,

kommerzielles Filesharing und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Für Anfragen, Anregungen oder Kritiken haben wir immer ein offenes Ohr.

Schreiben Sie bitte an:

[email protected]

Kennwort: F.Scott Fitzgerald: Rags Martin-Jones und der Prince of Wales

WINTERTRÄUME

WINTER DREAMS

Published in the collection All the Sad Young Men

Originally published in Metropolitan Magazine (December 1922)

WÜRFEL, SCHLAGRINGE & GITARRE

DICE, BRASSKNUCKLES & GUITAR

International (May 1923)

GRETCHENS NICKERCHEN

GRETCHEN'S FORTY WINKS

Saturday Evening Post (15 March, 1924)

ABSOLUTION

ABSOLUTION

Published in the collection All the Sad Young Men

Originally published in The American Mercury (June 1924)

RAGS MARTIN-JONES UND DER PRINCE OF WALES

RAGS MARTIN-JONES AND THE PRINCE OF WALES

Published in the collection All the Sad Young Men

Originally published in McCall's (July 1924)

„DIE VERNÜNFTIGE SACHE“

"THE SENSIBLE THING"

Published in the collection All the Sad Young Men

Originally published in Liberty (15 July, 1924)

DIE BABY PARTY

THE BABY PARTY

Hearst's International (February 1925)

LIEBE IN DER NACHT

LOVE IN THE NIGHT

Saturday Evening Post (14 March, 1925)

DER REICHE JUNGE

THE RICH BOY

Published in the collection All the Sad Young Men

Originally published in Red Book (January and February 1926)

JACOBS LEITER

JACOB'S LADDER

Saturday Evening Post (20 August, 1927)

EIN KURZBESUCH DAHEIM

A SHORT TRIP HOME

Saturday Evening Post (17 December, 1927)

I

Einige der Caddies waren arm wie die Sünde und lebten in Einzimmerhäusern mit einer neurasthenischen Kuh im Vorgarten, aber Dexter Greens Vater besaß den zweitbesten Lebensmittelladen in Black Bear - der beste war "The Hub", der von den wohlhabenden Leuten von Sherry Island besucht wurde - und Dexter jobbte nur für ein Taschengeld als Caddie.

Im Herbst, wenn die Tage frischer und grauer wurden und danach der lange Minnesota-Winter Einzug hielt, bewegte sich Dexter mit seinen Skiern über den Schnee, der die Fairways des Golfplatzes bedeckte. Zu diesen Zeiten vermittelte ihm das Land ein tiefes melancholisches Gefühl - es ärgerte ihn, dass die Golfplätze gewissermaßen in einer erzwungenen Zwangspause da lagen, die während der langen Wintersaison nur von zerlumpten Spatzen heimgesucht wurden. Traurig war auch, dass auf den Abschlägen, wo im Sommer die bunten Fahnen flatterten, nur noch die trostlosen Sandkästen knietief in verkrustetem Eis standen. Wenn er die Hügel überquerte, blies der Wind kalt wie das Elend, und wenn die Sonne herauskam, stapfte er mit zusammengekniffenen Augen gegen das harte, dimensionslose Licht an.

Im April hörte der Winter abrupt auf. Der geschmolzene Schnee floss in den Black Bear Lake hinab und ließ den ersten Golfern kaum Zeit, der Jahreszeit mit roten und schwarzen Bällen zu trotzen. Ohne jegliches Hochgefühl, ohne Verzögerung eines Überganges war der Winter urplötzlich verschwunden.

Dexter wusste, dass dieser nördliche Frühling etwas Düsteres an sich hatte, so wie er auch wusste, dass der Herbst etwas Wunderschönes an sich haben konnte. Der Herbst brachte ihn dazu, die Fäuste zu ballen und zu zittern, idiotische Sätze vor sich hin zu brabbeln und abrupte Befehle an imaginäre Zuhörer und ganze Armeen zu richten. Der Oktober erfüllte ihn mit Hoffnung, die der November zu einer Art ekstatischem Triumph steigerte, und in dieser Stimmung waren die flüchtigen glänzenden Eindrücke des Sommers auf Sherry Island bereits Wasser auf seine Mühlen. Er wurde Golfchampion und besiegte Mr. T. A. Hedrick in einem wunderbaren Match, das er hundertmal über die Fairways seiner Phantasie durchspielte, ein Match, dessen Einzelheiten er unermüdlich veränderte - manchmal gewann er mit fast lächerlicher Leichtigkeit, manchmal holte er prächtig von hinten auf. Dann wieder stieg er wie Mr. Mortimer Jones aus einem Pierce-Arrow-Automobil und schlenderte eiskalt in die Lounge des Sherry Island Golf Clubs - oder er zeigte, umringt von einer bewundernden Menge, eine Vorführung von Kunstsprüngen vom Sprungbrett des Club-Floßes. … Unter denen, die ihm mit offenem Mund staunend zusahen, war auch Mr. Mortimer Jones.

Und eines Tages kam Mr. Jones - er selbst und nicht sein Geist - mit Tränen in den Augen auf Dexter zu und sagte, dass Dexter der … beste Caddy im Club sei und dass er nicht aufhören könnte, selbst dann nicht, wenn Mr. Jones es ihm sagen würde, denn jeder andere … Caddy im Club würde einen Ball pro Loch für ihn verlieren – und das regelmäßig.

"Nein, Sir", sagte Dexter entschlossen, "ich will kein Caddy mehr sein." Dann, nach einer Pause: "Ich bin zu alt."

"Du bist nicht älter als vierzehn. Warum zum Teufel hast du gerade heute Morgen beschlossen, dass du aufhören willst? Du hast versprochen, dass du nächste Woche mit mir zum Landesturnier fährst."

"Ich habe beschlossen, dass ich zu alt bin."

Dexter gab seinen "A-Klasse"-Ausweis ab, kassierte das ihm zustehende Geld vom Caddy-Meister und ging nach Hause ins Black Bear Village.

"Der beste … Caddy, den ich je gesehen habe", hatte Mr. Mortimer Jones an diesem Nachmittag bei einem Drink behauptet. "Er hat noch nie einen Ball verloren! Willig! Intelligent! Ruhig! Ehrlich! Dankbar!"

Das kleine Mädchen, das dies gesagt hatte, war elf Jahre alt - wunderschön hässlich, wie kleine Mädchen zu sein pflegen, die nach einigen Jahren dazu bestimmt sind, unsagbar schön zu werden, und einer großen Anzahl von Männern unendliches Leid zu zufügen. Der Funke war jedoch bereits spürbar. Es lag eine allgemeine Gottlosigkeit in der Art und Weise, wie sich ihre Lippen beim Lächeln um die Ecken bogen, und in der - der Himmel möge uns helfen - fast leidenschaftlichen Qualität ihrer Augen. Vitalität wird bei solchen Frauen schon ganz früh geboren. Sie war schon jetzt deutlich zu sehen und schimmerte als Glanz in ihrer schlanken Gestalt.

Sie war um neun Uhr zielstrebig auf dem Platz erschienen, mit einem weiß gekleideten Kindermädchen und fünf kleinen nagelneuen Golfschlägern in einer weißen Segeltuchtasche, die das Kindermädchen bei sich trug. Als Dexter sie zum ersten Mal sah, stand sie ziemlich deplatziert am Caddyhaus und versuchte, diese Tatsache zu verbergen, indem sie ihr Kindermädchen in ein offensichtlich unnatürliches Gespräch verwickelte, das von überraschenden und irrelevanten Grimassen ihrerseits begleitet wurde.

"Nun, es ist wirklich ein schöner Tag, Hilda", hörte Dexter sie sagen. Sie zog die Mundwinkel nach unten, lächelte und schaute sich verstohlen um, wobei ihr Blick für einen Augenblick auf Dexter fiel.

Dann zu dem Kindermädchen:

"Nun, ich schätze, es sind heute Morgen nicht sehr viele Leute hier, oder?"

Wieder das Lächeln - strahlend, unverhohlen künstlich - überzeugend.

"Ich weiß nicht, was wir jetzt tun sollen", sagte das Kindermädchen und schaute ins Leere.

"Oh, das ist schon okay. Ich bringe das in Ordnung."

Dexter stand ganz still, sein Mund war leicht geöffnet. Er wusste, wenn er einen Schritt nach vorne machen würde, würde er in ihr Blickfeld geraten - wenn er zurückginge, würde er ihr Gesicht nicht mehr vollständig sehen können. Einen Moment lang war ihm nicht bewusst, wie jung sie war. Jetzt erinnerte er sich, dass er sie im Jahr zuvor schon einmal gesehen hatte - in türkischen Hosen.

Unwillkürlich lachte er auf, ein kurzes, schroffes Lachen, dann, vor sich selbst erschrocken, drehte er sich um und lief schnell davon.

"Junge!"

Dexter blieb stehen.

"Junge ..."

Es stand außer Frage, dass er gemeint war. Nicht nur das, er wurde auch mit diesem absurden Lächeln bedacht, jenem Lächeln, an das sich mindestens ein Dutzend Männer bis in ihr mittleres Alter erinnern sollten.

"Junge, weißt du, wo der Golflehrer ist?"

"Er erteilt gerade eine Lektion."

"Und, weißt du, wo der Caddy-Master steckt?"

"Er ist heute Morgen noch nicht da."

"Oh." Für einen Moment verwirrte sie das. Sie stand abwechselnd auf ihrem rechten und dann wieder dem linken Fuß.

"Wir möchten uns einen Caddy zulegen", sagte das Kindermädchen. "Mrs. Mortimer Jones hat uns zum Golfspielen geschickt, und wir wissen nicht, wie wir ohne einen Caddy auskommen sollen."

Hier wurde sie von einem energischen Blick von Miss Jones gestoppt, dem sofort ein Lächeln folgte.

„Außer mir sind hier keine Caddies“, sagte Dexter zu dem Kindermädchen, "und ich muss hierbleiben, bis der Caddy-Master eintrifft."

"Oh."

Miss Jones und ihre Begleitung zogen sich nun zurück und gerieten in gebührendem Abstand zu Dexter in ein hitziges Gespräch, das damit endete, dass Miss Jones einen der Schläger nahm und ihn mit Gewalt auf den Boden schlug. Um dem Ganzen noch mehr Nachdruck zu verleihen, hob sie den Schläger erneut auf und wollte ihn gerade gegen die Brust des Kindermädchens schleudern, als diese ihn ergriff und ihr aus der Hand riss.

"Du verdammtes, kleines, gemeines, altes Ding!", schrie Miss Jones wie wild.

Ein weiterer Streit entbrannte. Als Dexter erkannte, dass die Elemente der Komödie auch in dieser Szene enthalten waren, begann er mehrmals zu grinsen, unterdrückte jedoch das Lachen jedes Mal, bevor es hörbar wurde. Er konnte sich des ungeheuerlichen Eindrucks nicht erwehren, dass das kleine Mädchen ihr Kindermädchen zu Recht verprügelt hatte.

Die angespannte Situation wurde durch das zufällige Auftauchen des Caddy-Masters gelöst, der von dem Kindermädchen sofort angesprochen wurde.

"Miss Jones soll einen Caddy bekommen, und der hier sagt, er könne nicht mitkommen."

"Mr. McKenna sagte, ich solle hier warten, bis Sie eintreffen", sagte Dexter schnell.

"Nun, jetzt ist er ja da." Miss Jones lächelte den Caddy-Master fröhlich an. Dann ließ sie ihre Tasche fallen und ging mit hochmütiger Miene in Richtung des ersten Abschlags.

"Und?" Der Caddy-Master wandte sich an Dexter. "Was stehst du hier rum wie ein Dummkopf? Geh und hole die Schläger der jungen Dame."

"Ich glaube nicht, dass ich heute noch rausgehe", sagte Dexter.

"Du willst nicht ..."

"Ich denke, ich werde aufhören."

Die Tragweite seiner Entscheidung machte ihm angst. Er war ein beliebter Caddy, und die dreißig Dollar im Monat, die er den Sommer über monatlich verdiente, waren anderswo hier in der Gegend nicht zu verdienen. Aber er hatte einen starken emotionalen Schock erlitten, und seine Aufregung verlangte nach einem Überdruckventil.

Auch das war nicht so einfach. Wie so oft noch in der Zukunft, ließ sich Dexter unbewusst von seinen Winterträumen leiten.

II

Nun variierten natürlich die Qualität und die Saisonalität dieser Winterträume, aber der Stoff, aus dem sie bestanden, blieb immer derselbe. Sie brachten Dexter einige Jahre später dazu, auf ein Wirtschaftsstudium an der staatlichen Universität zu verzichten - sein Vater, der jetzt wohlhabend war, hätte ihm sogar das Studium bezahlt -, um den unsicheren Vorteil eines Studiums an einer älteren und berühmteren Universität im Osten zu genießen, wo er sich mit seinen spärlichen Mitteln herumplagen musste. Aber man darf nicht den Eindruck gewinnen, dass der Junge, nur weil seine Winterträume anfangs hauptsächlich vom Reichsein handelten, etwas Snobistisches an sich hatte. Er wollte nicht unbedingt mit glitzernden Dingen und schillernden Menschen in Verbindung gebracht werden - er wollte selbst etwas Glitzerndes sein. Oft griff er nach dem Besten, ohne zu wissen, warum er es tat - und manchmal stieß er auf die geheimnisvollen Verweigerungen und Verbote, die das Leben mit sich brachten. In dieser Geschichte geht es um eine dieser Verweigerungen und nicht um seine Karriere als Ganzes.

Er hatte Geld verdient. Es war ziemlich erstaunlich. Nach dem College ging er in die Stadt, aus der Black Bear Lake seine wohlhabenden Gönner bezieht. Als er erst dreiundzwanzig war und noch nicht ganz zwei Jahre dort lebte, gab es schon Leute, die gerne sagten: "Das ist mal ein Junge..." Überall um ihn herum verkauften die Söhne reicher Männer prekäre Anleihen oder legten ihr Vermögen unsicher an. Er dagegen arbeitete sich durch die zwei Dutzend Bände des "George Washington Commercial Course" und borgte sich tausend Dollar für seinen College-Abschluss. Schließlich kaufte er sich selbstbewusst eine Partnerschaft in einer Wäscherei.

Es war eine kleine Wäscherei, als er sie übernahm, aber Dexter spezialisierte sich darauf, zu lernen, wie die Engländer feine Golfstrümpfe aus Wolle wuschen, ohne dass sie einliefen, und innerhalb eines Jahres bediente er die Leute, die Knickerbocker trugen. Die Männer bestanden darauf, dass ihre Shetlandhosen und Pullover in seiner Wäscherei gewaschen wurden, so wie sie auf einen Caddy bestanden, der ihre Golfbälle finden konnte. Wenig später kümmerte er sich auch um die Wäsche ihrer Frauen - und betrieb bald schon fünf Filialen in verschiedenen Teilen der Stadt. Bevor er siebenundzwanzig Jahre alt war, besaß er die größte Wäscherei in der ganzen Gegend. Dann verkaufte er sein Geschäft und ging nach New York. Aber der Teil seiner Geschichte, der uns interessiert, geht auf die Tage zurück, als er seinen ersten großen Erfolg erlebte.

Als er dreiundzwanzig war, schenkte ihm Mr. Hart - einer der grauhaarigen Männer, die gerne sagten: "Das ist mal ein Junge" - eine Gästekarte für ein Wochenende im Sherry Island Golf Club. So trug er sich eines Tages in das Register ein und spielte an diesem Nachmittag in einer Vierergruppe mit Mr. Hart, Mr. Sandwood und Mr. T. A. Hedrick Golf. Er hielt es nicht für nötig, zu erwähnen, dass er einst Mr. Harts Tasche über denselben Golfplatz getragen hatte und dass er jede Unebenheit und jede Rinne mit geschlossenen Augen kannte - aber er ertappte sich dabei, wie er die vier Caddies, die ihnen folgten, genau beobachtete und dabei versuchte, einen ihrer Blicke oder eine Geste zu erhaschen, die ihn an sich selbst erinnerte, die die Kluft zwischen seiner Gegenwart und seiner Vergangenheit verringern würde.

Es war ein merkwürdiger Tag, der abrupt von flüchtigen, vertrauten Eindrücken unterbrochen wurde. In der einen Minute hatte er das Gefühl, ein Eindringling zu sein, in der nächsten war er beeindruckt von der ungeheuren Überlegenheit, die er gegenüber Mr. T. A. Hedrick empfand, der ein Langweiler und nicht einmal mehr ein guter Golfspieler war.

Dann geschah wegen eines Balls, den Mr. Hart in der Nähe des fünfzehnten Grüns verlor, etwas Ungeheuerliches. Während sie die steifen Gräser des Roughs durchsuchten, ertönte hinter einem Hügel ein deutlicher Ruf: "Achtung!" Und als sie sich alle abrupt von ihrer Suche abwandten, flog ein weißer neuer Ball über den Hügel und traf Mr. T. A. Hedrick direkt in den Unterleib.

"Meine Güte!", rief Mr. T. A. Hedrick, "man sollte einige dieser verrückten Frauen vom Platz stellen. Das wird ja immer unerhörter."

Ein Kopf und eine Stimme tauchten gemeinsam über der Hügelkuppe auf:

"Was dagegen, wenn wir hier durchgehen?"

"Sie haben mir in den Magen geschlagen!", erklärte Mr. Hedrick empört.

"Habe ich das?" Das Mädchen ging auf die Männer zu. "Es tut mir leid. Ich habe doch vorher Achtung! gerufen."

Ihr Blick fiel beiläufig auf jeden der Männer - dann suchte sie das Fairway nach ihrem Ball ab.

"Bin ich ins Rough gesprungen?"

Es war unmöglich festzustellen, ob diese Frage naiv oder bösartig war. Im nächsten Moment ließ sie jedoch keinen Zweifel mehr aufkommen, denn als ihr Partner über den Hügel kam, rief sie fröhlich:

"Hier bin ich! Ich wäre auf das Grün gegangen, wenn ich nicht etwas getroffen hätte."

Als sie ihre Position für einen kurzen Mashie-Schlag einnahm, sah Dexter sie genau an. Sie trug ein blaukariertes Kleid, das an Hals und Schultern mit einem weißen Saum eingefasst war, der ihre Sonnenbräune betonte. Die Übertreibung, die Schlankheit, die ihre leidenschaftlichen Augen und ihre nach unten gerichteten Mundwinkel mit elf Jahren so absurd gemacht hatten, waren komplett verschwunden. Sie war jetzt atemberaubend schön. Die Farbe ihrer Wangen war zentriert wie die Farbgebung in einem Gemälde - es war keine "hohe" Farbe, sondern ein Ton von schwankender und fiebriger Wärme, so schattiert, dass es schien, als würde sie jeden Moment zurückweichen und verschwinden wollen. Dieser Teint und die Beweglichkeit ihres Mundes vermittelten einen Eindruck von intensivem Leben, von leidenschaftlicher Vitalität - nur teilweise ausgebremst durch den traurigen Luxus ihrer Augen.

Ungeduldig und ohne besonderes Interesse schwang sie ihren Mashie und warf den Ball in einen Sandkasten auf der anderen Seite des Grüns. Mit einem schnellen, unaufrichtigen Lächeln und einem achtlosen "Danke!" ging sie ihm nach.

"Diese Judy Jones!", bemerkte Mr. Hedrick am nächsten Abschlag, als sie einige Augenblicke darauf warteten, dass sie weiterspielen würde. "Alles, was sie braucht, ist ein halbes Jahr lang den Hintern versohlt zu bekommen und dann mit einem altmodischen Kavalleriehauptmann verheiratet zu werden."

"Mein Gott, sieht die gut aus!", sagte Mr. Sandwood, der knapp über dreißig war.

"Gut aussehend!", rief Mr. Hedrick verächtlich, "sie sieht immer so aus, als ob sie geküsst werden wollte! Mit diesen großen Kuhaugen starrt sie jedes Kalb in der Stadt an!"

Es war zweifelhaft, ob Mr. Hedrick eine Anspielung auf den Mutterinstinkt beabsichtigte.

"Sie würde ziemlich gut Golf spielen, wenn sie es versuchen würde", sagte Mr. Sandwood.

"Sie hat kein Format", sagte Mr. Hedrick ernst.

"Sie hat aber eine gute Figur", sagte Mr. Sandwood.

"Gott sei Dank schlägt sie keinen schnelleren Ball", sagte Mr. Hart und zwinkerte Dexter zu.

Später am Nachmittag ging die Sonne mit einem bunten Wirbel aus Gold und verschiedenen Blau- und Scharlachrottönen unter und es begann die trockene, rauschende Nacht des westlichen Sommers. Dexter schaute von der Veranda des Golfclubs aus zu, beobachtete das gleichmäßige Überlappen des Wassers im leichten Wind, silberne Melasse unter dem Erntemond. Dann hielt der Mond einen Finger an die Lippen, und der See wurde zu einem klaren Pool, blass und still. Dexter zog seinen Badeanzug an und schwamm zu dem am weitesten entfernten Floß hinaus, wo er sich klatschnass auf dem Sprungbrett ausstreckte.

Ein Fisch sprang auf der Wasseroberfläche, ein Stern leuchtete, und die Lichter rund um den See funkelten. Drüben auf einer dunklen Halbinsel spielte ein Klavier die Lieder des letzten Sommers und des Sommer davor - Lieder aus "Chin-Chin" und "Der Graf von Luxemburg" und "Der Schokoladensoldat" -, und weil der Klang eines Klaviers über einer Wasserfläche für Dexter immer schön vorkam, lag er ganz still und lauschte der Musik.

Die Melodie, die das Klavier in diesem Moment spielte, war fünf Jahre zuvor, als Dexter im zweiten Studienjahr am College war, beschwingt und ganz neu gewesen. Sie hatten sie einmal bei einem Abschlussball gespielt, als er sich den Luxus von Bällen noch nicht leisten konnte, und er hatte vor der Turnhalle gestanden und nur zugehört. Der Klang der Melodie löste in ihm eine Art Ekstase aus, und mit dieser Empfindung betrachtete er, was jetzt mit ihm geschah. Es war eine Stimmung intensiver Wertschätzung, ein Gefühl, dass er ausnahmsweise einmal wunderbar auf das eigene Leben abgestimmt hatte und dass alles um ihn herum in Helligkeit und Glanz erstrahlen ließ, den er vielleicht nie wieder so intensiv erleben würde.

Plötzlich löste sich ein konturloser, blasser Körper aus der Dunkelheit der Insel und stieß den widerhallenden Klang eines rasenden Motorbootes aus. Dahinter rollten zwei weiße Bahnen aus gespaltenem Wellen hervor, und fast im gleichen Augenblick war das Boot schon neben ihm und übertönte das angenehme Klimpern des Klaviers im Dröhnen seiner Gischt. Dexter, der sich auf die Arme stützte, nahm eine Gestalt am Steuer wahr, zwei dunkle Augen, die ihn über die sich ausdehnende Wasserfläche hinweg ansahen - dann war das Boot vorbeigefahren und drehte sich in einem riesigen Kreis in der Mitte des Sees. Mit der gleichen Exzentrizität flachte der Kreis ab und bewegte sich zurück zum Floß.

"Wer ist das?", rief sie und drosselte den Motor. Sie war jetzt so nah, dass Dexter ihren Badeanzug sehen konnte, der offenbar aus einem rosa Strampler bestand.

Der Bug des Bootes stieß gegen das Floß, und als dieses sich rasant neigte, wurde er zu ihr hin geschleudert. Mit unterschiedlichem Interesse erkannten sie einander.

"Sind Sie nicht einer der Männer, die wir heute Nachmittag durchgespielt haben?", fragte sie.

Er war es.

"Nun, wissen Sie, wie man ein Motorboot fährt? Wenn ja, würde ich mir wünschen, dass Sie dieses hier übernehmen, damit ich hinten auf dem Surfbrett mitfahren kann. Mein Name ist Judy Jones" - sie schenkte ihm ein absurdes Lächeln - oder vielmehr das, was ein Lächeln zu sein versuchte, denn, so sehr sie auch den Mund verdrehte, es war nicht grotesk, sondern einfach nur schön - "und ich lebe in einem Haus drüben auf der Insel, und in diesem Haus wartet ein Mann auf mich. Als er vor der Tür stand, bin ich vom Anlegesteg losgefahren, weil er mir gesagt hatte, dass ich sein Ideal sei."

Ein Fisch sprang, ein Stern leuchtete, und die Lichter rund um den See schimmerten. Dexter setzte sich neben Judy Jones und sie erklärte, wie ihr Boot zu fahren sei. Dann war sie im Wasser und schwamm mit einem geschmeidigen Kraulen zu dem schwimmenden Surfbrett. Sie zu beobachten, war für das Auge so mühelos, als würde man einen wogenden Ast oder eine fliegende Möwe beobachten. Ihre Arme, die braungebrannt wie Nussbutter waren, bewegten sich geschmeidig zwischen den stumpfen Platinwellen, wobei der Ellbogen zuerst auftauchte und sie dann den Unterarm im Rhythmus des aufwallenden Wassers zurückwarf, dann streckte sie die Arme aus und bahnte sich einen Weg nach vorn.

Sie steuerten auf den See hinaus; als Dexter sich umdrehte, sah er, dass sie auf der schmaleren Rückseite des nun umgedrehten Surfbretts kniete.

"Fahr schneller", rief sie, "so schnell es geht."

Gehorsam drückte er den Hebel nach vorn, und die weiße Gischt stieg am Bug auf. Als er sich wieder umsah, stand das Mädchen auf dem rauschenden Brett, die Arme weit ausgebreitet, die Augen zum Mond gerichtet.

"Es ist furchtbar kalt", rief sie. "Wie heißt du?"

Er sagte es ihr.

"Nun, warum kommst du nicht morgen Abend zum Essen?"

Sein Herz drehte sich wie Motorschraube des Bootes, und zum zweiten Mal gab ihre zufällige Laune seinem Leben eine neue Richtung.

III

Am nächsten Abend, während er darauf wartete, dass sie die Treppe hinunterkam, nutzte Dexter das große Sommerzimmer und die Sonnenveranda, die sich vor ihm öffnete. Dort traf er auf all die Männer, die Judy Jones bereits vor ihm geliebt hatten. Er kannte diese Art von Männern - die, als er zum ersten Mal aufs College ging, von den großen Privatschulen kamen, mit ihren maßgeschneiderten Kleidern und der tiefen Bräune eines heißen Sommers. Er hatte festgestellt, dass er in einer Hinsicht wesentlich besser war als all diese Typen. Er war moderner und stärker. Doch als er sich eingestand, dass er sich wünschte, dass seine Kinder so werden sollten wie sie, gab er zu, dass er nur der unbearbeitete Rohstoff war, aus dem sie alle entsprangen.

Als die Zeit für ihn gekommen war, teure Kleidung zu tragen, hatte er auch schnell herausgefunden, wer die besten Schneider in Amerika waren, und die besten amerikanischen Schneider hatten für ihn den Anzug gemacht, den er heute Abend trug. Er hatte sich diese besondere Zurückhaltung angeeignet, die seine Universität von anderen Universitäten unterschied. Er erkannte den Wert einer solchen Eigenart für sich und er hatte sie sich zu eigen gemacht; er wusste, dass es mehr Selbstvertrauen erforderte, in Kleidung und Benehmen nachlässig zu sein. Er war mehr deshalb etwas mehr als nur vorsichtig. Nachlässigkeit wäre vielleicht etwas für seine Kinder.

Der Name seiner Mutter war Krimslich gewesen. Sie kam ursprünglich aus Böhmen und entstammte aus dem Bauernstand. Sie hatte bis ans Ende ihrer Tage immer nur gebrochenes Englisch gesprochen. Ihr Sohn musste sich an die vorgegebenen Muster halten.

Kurz nach sieben kam Judy Jones die Treppe herunter. Sie trug ein blaues Seidennachmittagskleid, und er war zunächst enttäuscht, dass sie nicht etwas Aufwendigeres angezogen hatte. Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als sie nach einer kurzen Begrüßung zur Tür eines Anrichteraums ging, sie aufstieß und rief: "Du kannst das Abendessen servieren, Martha." Er hatte eher erwartet, dass ein Butler das Abendessen ankündigen würde, dass es einen Cocktail geben würde. Dann ließ er diesen Gedanken fallen, als sie sich nebeneinander auf ein Sofa setzten und sich genauer ansahen.

"Vater und Mutter werden heute nicht hier sein", sagte sie nachdenklich.

Er erinnerte sich an das letzte Mal, als er ihren Vater gesehen hatte, und er war froh, dass ihre Eltern heute Abend nicht auftauchen würden - sie könnten sich fragen, wer er sei.

Er war in Keeble geboren worden, einem Dorf in Minnesota, fünfzig Meilen weiter nördlich, und er hatte immer Keeble statt Black Bear Village als sein Zuhause angegeben. Landstädte waren gut genug, um von dort zu kommen, wenn sie nicht ungünstigerweise in Sichtweite lagen und von modischen Seeorten als Fußschemel benutzt wurden.

Sie sprachen von seiner Universität, die sie in den letzten zwei Jahren häufig besucht hatte, und über die nahe gelegene Stadt, die Sherry Island mit ihren Sponsoren versorgte, und in die Dexter am nächsten Tag zu seinen florierenden Wäschereien zurückkehren würde.

Während des Abendessens verfiel sie in eine schwermütige Depression, die Dexter ein unbehagliches Gefühl vermittelte. Welche Gereiztheit sie auch immer mit ihrer kehligen Stimme aussprach, es beunruhigte ihn. Worüber sie sich auch amüsierte - über ihn, über eine Hühnerleber, über nichts -, es beunruhigte ihn, da ihr Lächeln nicht auf Heiterkeit oder gar Ausgelassenheit beruhte. Wenn sich ihre scharlachroten Mundwinkel nach unten zogen, war das weniger ein Lächeln als vielmehr eine Aufforderung zu einem Kuss.

Dann, nach dem Essen, führte sie ihn hinaus auf die dunkle Veranda und veränderte absichtlich so die Stimmung.

"Stört es dich, wenn ich ein wenig weine?", sagte sie.

"Ich fürchte, ich langweile dich", antwortete er schnell.

"Das tust du nicht. Ich mag dich. Aber ich habe gerade einen schrecklichen Nachmittag erlebt. Da war ein Mann, der mir viel bedeutete, und heute Nachmittag sagte er mir aus heiterem Himmel, dass er arm wie eine Kirchenmaus sei. Er hatte es vorher nicht einmal angedeutet. Klingt das nicht furchtbar banal?"

"Vielleicht hatte er Angst davor, es dir gegenüber einzugestehen."

Angenommen, er war ängstlich", antwortete sie. "Er hat es dennoch nicht richtig angefangen. Weißt du, wenn ich ihn für arm gehalten hätte – nun, ich war verrückt nach vielen armen Männern und hatte vor, sie alle zu heiraten. Aber in diesem Fall hätte ich es nicht getan. Bei ihm hätte ich es nicht gedacht, und mein Interesse an ihm war nicht stark genug, um den Schock zu überwinden. Als ob eine junge Frau ihrem Verlobten in aller Ruhe mitteilen würde, dass sie Witwe ist. Nun, er mag nichts gegen Witwen haben, aber ...

"Fangen wir von vorne an", unterbrach sie sich plötzlich. "Wer bist du eigentlich?"

Einen Moment lang zögerte Dexter. Dann:

"Ich bin ein Niemand", verkündete er. "Meine Karriere ist weitgehend eine Frage der Zukunft."

"Bist du arm?"

"Nein", sagte er freimütig, "ich verdiene wahrscheinlich mehr Geld als jeder andere Mann meines Alters hier im Nordwesten. Ich weiß, das ist eine anmaßende Behauptung, aber du hast mir geraten, richtig anzufangen."

Es trat eine Pause ein. Dann lächelte sie, und ihre Mundwinkel hingen nach unten, und ein fast unmerkliches Schwanken zog sie näher an ihn heran, so dass sie ihm direkt in die Augen sehen konnte. Ein Kloß stieg in Dexters Hals auf und er wartete atemlos auf das Ergebnis des Experiments, während er sich der unvorhersehbaren Verbindung gegenübersah, die sich auf mysteriöse Weise aus den Elementen ihrer Lippen bilden würde. Dann sah er - sie teilte ihm ihre Erregung mit, verschwenderisch, innig, mit Küssen, die kein Versprechen, sondern eine Erfüllung waren. Sie weckten in ihm keinen Hunger, der nach Erneuerung verlangte, sondern einen Überfluss, der nach mehr Überfluss verlangte ... Küsse, die wie Almosen waren, die Mangel erzeugten, indem sie überhaupt nichts mehr zurückhielten.

Er benötigte nur wenige Stunden, um zu entscheiden, dass er Judy Jones haben wollte, und das schon, seit er ein stolzer, begieriger kleiner Junge war.

IV

So fing es an - und so ging es mit unterschiedlicher Intensität bis zum Schluss weiter. Dexter gab einen Teil von sich selbst an die direkteste und prinzipienloseste Persönlichkeit ab, mit der er je in Kontakt gekommen war. Was auch immer Judy wollte, sie verfolgte es mit dem ganzen Druck ihres Charmes. Es gab keine abweichenden Methoden, kein Gerangel um Positionen oder vorgefasste Meinungen über die möglichen Auswirkungen - es gab in keiner ihrer Angelegenheiten auch nicht die geringste mentale Seite. Sie machte den Männern einfach nur ihre körperliche Schönheit in höchstem Maße bewusst. Dexter verspürte nicht mal den Wunsch, sie zu verändern. Ihre Unzulänglichkeiten waren mit einer leidenschaftlichen Energie verbunden, die über sie hinausging und sie damit wieder rechtfertigte.

Als Judy in jener ersten Nacht ihren Kopf an seine Schulter lehnte, flüsterte sie: "Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Letzte Nacht dachte ich, ich sei in einen Mann verliebt, und heute Nacht glaube ich, ich bin in dich verliebt" - das schien ihm eine schöne und romantische Aussage zu sein. Es war die exquisite Erregbarkeit, die er für den Moment kontrollierte und besaß. Doch eine Woche später sah er sich gezwungen, dieselbe Eigenschaft in einem anderen Licht zu betrachten. Sie nahm ihn in ihrem Roadster zu einem Picknick mit, und nach dem Essen verschwand sie, ebenfalls in ihrem Roadster, mit einem anderen Mann. Dexter regte sich sehr auf und war kaum in der Lage, sich gegenüber den anderen Anwesenden anständig zu verhalten. Als sie ihm versicherte, dass sie den anderen Mann nicht geküsst hatte, wusste er, dass sie log – und doch war er froh, dass sie sich die Mühe gemacht hatte, ihn zu belügen.

Er war, wie er noch vor Ende des Sommers feststellen musste, einer von einem wechselnden Dutzend, die sich um sie herum tummelten. Jeder von ihnen war einmal allen anderen gegenüber bevorzugt worden - etwa die Hälfte von ihnen sonnte sich noch immer im Trost gelegentlicher sentimentaler Aufschwünge. Wann immer sich ein Anzeichen zeigte, durch lange Vernachlässigung abtrünnig zu werden, gewährte sie ihm eine kurze, honigsüße Stunde, die ihn ermutigte, noch ein Jahr oder noch etwas länger Hoffnungen zu hegen. Judy unternahm diese Streifzüge zu den Hilflosen und Besiegten ohne böswillige Absichten, ja sogar ohne es zu ahnen, dass etwas Böswilliges in ihrem Handeln steckte.

Wenn ein neuer Mann in die Stadt kam, brachen alle bisherigen Beziehungen ab und Verabredungen wurden automatisch abgesagt.

Das Hilflose an dem Versuch, etwas dagegen zu unternehmen, war, dass sie alles selbst tat. Sie war kein Mädchen, das im kinetischen Sinne "erobert" werden konnte - sie war resistent gegen Klugheit, sie war resistent gegen Charme; wenn eines davon sie zu stark angriff, würde sie die Angelegenheit sofort auf eine physische Basis stellen, und unter dem Zauber ihrer körperlichen Ausstrahlung spielten sowohl die Starken als auch die genialen ihr Spiel, allerdings nicht ihr eigenes. Sie wurde nur durch die Befriedigung ihrer Wünsche und durch die direkte Ausübung ihres eigenen Charmes unterhalten. Vielleicht war sie durch so viel jugendliche Liebe, so vieler jugendlichen Liebhaber dazu gekommen, sich aus Notwehr ganz von innen zu ernähren.

Nach Dexters erstem Hochgefühl folgten Unruhe und Unzufriedenheit. Die hilflose Ekstase, sich in ihr zu verlieren, war eher ein Opiat als ein Stärkungsmittel. Es war ein Glück für seine Arbeit während des Winters, dass diese Momente der Ekstase nur selten auftraten. Zu Beginn ihrer Bekanntschaft hatte es eine Zeit lang den Anschein gehabt, als gäbe es eine tiefe und spontane gegenseitige Anziehungskraft - zum Beispiel an jenen ersten Augusttagen -, drei Tage mit langen Abenden auf ihrer dunklen Veranda, mit seltsamen, fahlen Küssen am späten Nachmittag in schattigen Nischen oder hinter den schützenden Spalieren der Gartenlaube, mit darauffolgenden Morgen, an denen sie frisch wie ein Traum war und sich fast scheute, ihm in der Klarheit des aufgehenden Tages zu begegnen. Es herrschte die ganze Ekstase einer Verlobung darin, die durch seine Erkenntnis, dass es keine Verlobung geben würde, nur noch verstärkt wurde. In diesen drei Tagen hatte er sie zum ersten Mal gefragt, ob sie ihn heiraten wolle. Sie sagte "vielleicht eines Tages", sie sagte "küss mich", sie sagte "ich möchte dich heiraten", sie sagte "ich liebe dich" - sie sagte - nichts.

Die drei Tage wurden durch die Ankunft eines Herren aus New York unterbrochen, der sie den halben September lang besuchte und in ihrem Haus wohnte. Zu Dexters Leidwesen beschäftigte ihn ein Gerücht. Der Mann war der Sohn des Präsidenten einer großen Treuhandgesellschaft. Aber nach einem Monat wurde berichtet, dass dieser Mann Judy auf die Nerven falle. Bei einem Tanzabend saß sie den ganzen Abend mit einem einheimischen Beau in einem Motorboot, während der New Yorker Herr den Club verzweifelt nach ihr absuchte. Sie sagte dem einheimischen Verehrer, dass sie von ihrem Besucher gelangweilt sei, und zwei Tage später reiste er ab. Sie wurde mit ihm am Bahnhof gesehen, und es wurde berichtet, dass er wirklich sehr traurig aussah.

Mit diesem Hinweis endete der Sommer. Dexter war vierundzwanzig und konnte zunehmend tun und lassen, was er wollte. Er trat zwei Clubs in der Stadt bei und wohnte in einem von ihnen. Obwohl er keineswegs ein fester Bestandteil der Junggesellenabschiede in diesen Clubs war, gelang es ihm dennoch bei Tanzveranstaltungen dabei zu sein, bei denen Judy Jones wahrscheinlich auftreten würde. Er hätte gesellschaftlich so viel ausgehen können, wie er wollte - er war jetzt ein angesehener junger Mann und bei den Vätern in der ganzen Stadt überaus beliebt. Seine bekannte Hingabe an Judy Jones hatte seine Position eher noch gefestigt. Aber er hatte keine gesellschaftlichen Ambitionen und verachtete die tanzenden Männer, die immer auf den Donnerstags- oder Samstagspartys auftauchten und die bei den Abendessen mit den jüngeren Ehepaaren einsprangen. Er spielte bereits mit dem Gedanken nach New York zu gehen. Er wollte Judy Jones dorthin mitnehmen. Keine Enttäuschung über diese Welt, in der sie aufgewachsen war, konnte ihn von der Illusion befreien, dass sie begehrenswert sei.

Denken Sie daran - denn nur im Licht dessen kann man verstehen, was er für sie getan hat.

Achtzehn Monate, nachdem er Judy Jones zum ersten Mal getroffen hatte, verlobte er sich mit einem anderen Mädchen. Ihr Name war Irene Scheerer, und ihr Vater war einer der Männer, die immer an Dexter geglaubt hatten. Irene war blond, lieb und ehrenhaft und ein wenig korpulent, und sie hatte zwei Verehrer, auf die sie gern verzichtete, als Dexter ihr einen offiziellen Heiratsantrag machte.

Sommer, Herbst, Winter, Frühling, ein weiterer Sommer, ein weiterer Herbst - so viele Monate hatte er von seinem aktiven Leben an die unverbesserlichen Lippen von Judy Jones verschenkt. Sie hatte ihn mit Interesse, mit Ermutigung, mit Bosheit, mit Gleichgültigkeit und mit Verachtung bestraft. Sie hatte ihm die unzähligen kleinen Kränkungen und Demütigungen zugefügt, die in einem solchen Fall möglich waren – als wolle sie sich dafür rächen, dass sie sich überhaupt um ihn gekümmert habe. Sie hatte ihn angelockt, ihn abgelehnt und wieder angelockt, und er hatte oft mit Bitterkeit und zusammengekniffenen Augen darauf reagiert. Sie hatte ihm ekstatisches Glück und unerträgliche Seelenqualen beschert. Sie hatte ihm ungeheure Unannehmlichkeiten bereitet und eine ganze Menge Ärger bereitet. Sie hatte ihn beleidigt und war über ihn hergezogen, und sie hatte sein Interesse an ihr gegen sein Interesse an seiner Arbeit ausgespielt - aus Spaß. Sie hatte ihm alles angetan, außer ihn zu kritisieren - das hatte sie nicht getan -, wie ihm schien, weil es die völlige Gleichgültigkeit, die sie ihm gegenüber an den Tag legte und es so auch aufrichtig empfand, hätte besudeln können.

Als der Herbst gekommen und auch wieder gegangen war, wurde ihm klar, dass er Judy Jones nicht haben konnte. Er musste sich das zuerst einreden, aber schließlich überzeugte er sich selbst. Eine Weile lag er nachts wach und grübelte darüber nach. Er erinnerte sich an den Ärger und den Schmerz, den sie ihm bereitet hatte, er zählte ihre eklatanten Mängel als Ehefrau auf. Dann sagte er sich, dass er sie liebte, und nach einer Weile schlief er ein. Eine Woche lang arbeitete er hart und bis spät in die Nacht, damit er sich nicht ihre heisere Stimme am Telefon oder ihre Augen beim Mittagessen vorstellen musste, und abends ging er in sein Büro und plante schon für die kommenden Jahre.

Am Ende einer Woche ging er zu einer Tanzveranstaltung und traf sie zufällig. Fast zum ersten Mal, seit sie sich kennengelernt hatten, bat er sie nicht, sich zu ihm zu setzen oder ihr zu sagen, wie schön sie sei. Es tat ihn weh, dass sie diese Dinge nicht vermisste - das war alles. Er war nicht eifersüchtig, als er sah, dass es heute Abend einen neuen Liebhaber gab. Gegen Eifersucht war er schon lange abgehärtet.

Er blieb lange auf dem Ball. Er saß eine Stunde lang mit Irene Scheerer zusammen und sprach über Bücher und über Musik. Von beidem wusste er sehr wenig. Aber er begann jetzt, Herr über seine eigene Zeit zu werden, und er hatte eine etwas hochnäsige Vorstellung darüber, dass er - der junge und bereits fabelhaft erfolgreiche Dexter Green - mehr über solche Dinge wissen sollte.

Das war im Oktober, da war er fünfundzwanzig. Im Januar verlobten sich Dexter und Irene. Die Verlobung sollte aber erst im Juni bekannt gegeben werden, und drei Monate später sollte die Hochzeit stattfinden.

Der Winter in Minnesota zog sich endlos hin, und es war fast Mai, als die eiskalten Winterstürme nachließen und der geschmolzene Schnee endlich in den Black Bear Lake hinabfloss. Zum ersten Mal seit über einem Jahr verspürte Dexter eine gewisse innere Ruhe. Judy Jones war in Florida gewesen, und danach in Hot Springs, und irgendwo war sie verlobt gewesen, und irgendwo hatte sie wieder die Verlobung aufgelöst. Anfangs, als Dexter sie endgültig aufgegeben hatte, hatte es ihn noch traurig gemacht, dass die Leute sie immer noch miteinander in Verbindung brachten und nach Neuigkeiten über sie fragten, aber als er beim Abendessen neben Irene Scheerer platziert wurde, fragten die Leute ihn nicht mehr nach ihr – aber sie erzählten ihm von ihr. Aber er war längst keine Autorität mehr in Bezug auf Judy Jones.

Endlich Mai. Dexter ging nachts durch die Straßen, wenn die Dunkelheit feucht und regnerisch war, und er wunderte sich, dass so schnell, mit so wenig Aufwand, so viel Ekstase von ihm abgefallen war. Der Mai des vorhergehenden Jahres war noch von Judys ergreifenden, unverzeihlichen, aber vergeblichen Turbulenzen geprägt gewesen - es war einer jener seltenen Momente gewesen, in denen er sich einbildete, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Den Wert dieses alten Penny an Glück hatte er für einen Scheffel an Zuversicht ausgegeben. Er wusste, dass Irene nicht mehr sein würde, als ein hinter ihm ausgebreiteter Vorhang, eine Hand, die sich zwischen glänzenden Teetassen bewegte, eine Stimme, die zu Kindern rief ... Feuer und Lieblichkeit waren verschwunden, der Zauber der Nächte und das Wunder der wechselnden Stunden und Jahreszeiten ... ... schlanke Lippen, die auf seine Lippen sanken und ihn in einen Himmel aus lauter Augenblicken hinauf trugen . . . Das Ding steckte tief in ihm. Und er war zu stark und lebendig, um es leichtfertig in sich absterben lassen zu können.

Mitte Mai, als das Wetter für ein paar Tage auf einer schmalen Brücke bis zum Hochsommer balancierte, betrat er eines Nachts Irenes Haus. Ihre Verlobung sollte in einer Woche bekannt gegeben werden - niemand würde darüber wirklich überrascht sein. Und heute Abend würden sie zusammen in der Lounge des Universitätsclubs sitzen und eine Stunde lang den Tänzern zuschauen. Es vermittelte ihm ein Gefühl der Solidität, mit ihr dahin zu gehen - sie war so ungemein beliebt, so intensiv "großartig".

Er stieg die Stufen des Sandsteinhauses hinauf und trat ein.

"Irene", rief er.

Mrs. Scheerer kam ihm aus dem Wohnzimmer entgegen.

"Dexter", sagte sie, "Irene ist nach oben gegangen und hat rasende Kopfschmerzen. Sie wollte mit dir gehen, aber ich habe sie ins Bett geschickt."

"Hoffentlich nichts Ernstes, ich ..."

"Oh, nein. Sie wird morgen früh mit dir Golf spielen. Du kannst sie doch für eine Nacht entbehren, nicht wahr, Dexter?"

Ihr Lächeln war freundlich. Sie und Dexter mochten sich. Im Wohnzimmer unterhielt er sich noch einen Moment mit ihr, bevor er sich verabschiedete.

Als er in den Universitätsclub zurückkehrte, wo er auch sein Zimmer hatte, blieb er einen Moment lang in der Türe stehen und beobachtete die Tänzer. Er lehnte sich gegen den Türpfosten, nickte ein oder zwei Männern zu und fühlte sich müde.

"Hallo, Darling."

Die vertraute Stimme neben ihn ließ ihn aufschrecken. Judy Jones hatte einen Mann stehen lassen und war zu ihm quer durch den Raum gegangen - Judy Jones, eine schlanke, emaillierte Puppe, eingehüllt in goldenem Stoff: Goldglitzer auch in einem Band an ihrem Kopf, Gold in den zwei Pantoffelspitzen, am Saum ihres Kleides. Der zarte Glanz ihres Gesichts schien zu erblühen, als sie ihn anlächelte. Ein Hauch von Wärme und Licht wehte durch den Raum. Die Hände in den Taschen seines Smokings verkrampften sich. Er war von einer plötzlichen Erregung erfüllt.

"Wann bist du zurückgekommen?", fragte er beiläufig.

"Komm her, und ich erzähle es dir."

Sie drehte sich um und er folgte ihr. Sie war fort gewesen – er hätte angesichts des Wunders ihrer Rückkehr weinen können. Sie war durch verzauberte Straßen gegangen und hatte Dinge getan, die wie provozierende Musik waren. Alle mysteriösen Ereignisse, alle frischen und aufkeimenden Hoffnungen waren mit ihr fortgegangen und nun ganz plötzlich mit ihr zurückgekehrt.

Sie drehte sich in der Tür um.

"Hast du hier ein Auto? Wenn du keins hast, habe ich eins."

"Ich habe ein Coupé."

Dann, mit einem Rascheln des goldenen Tuches. Er schlug die Tür zu. Sie war in so viele Autos gestiegen – so – so – mit dem Rücken gegen das Leder, also – den Ellbogen auf die Tür gestützt – wartend. Sie wäre längst beschmutzt gewesen, wenn es irgendetwas gegeben hätte, das sie beschmutzen hätte können – außer sich selbst –, aber dies war ihre eigene Selbsteinschätzung.

Mit Mühe zwang er sich, den Wagen zu starten und zurück auf die Straße zu fahren. Das war nichts, daran musste er sich erinnern. Sie hatte das schon früher einmal getan, und er hatte sie hinter sich gelassen, wie er ein schlechtes Geschäft aus seinen Büchern gestrichen hätte.

Er fuhr langsam in die Innenstadt und durchquerte mit versteinerter Miene die menschenleeren Straßen des Geschäftsviertels, stoppte nur hier und da, wo ein Kino sein Publikum anlockte oder wo konsumierende oder kämpferische Jugendliche vor Billardhallen herumlungerten. Das Klirren von Gläsern und das Händeklatschen auf die Tresen drang aus Saloons, aus Kreuzgängen aus verglastem Fassaden und dem schmutzig-gelben Licht.

Sie beobachtete ihn genau, und die Stille war ihm peinlich, doch in dieser Situation konnte er kein beiläufiges Wort finden, um diese Stunde zu entweihen. An einer der nächsten Kreuzungen wendete er und fuhr im Zickzack zurück zum Universitätsclub.

"Hast du mich vermisst?", fragte sie plötzlich.

"Alle haben dich vermisst."

Er fragte sich, ob sie von Irene Scheerer wusste. Sie war erst seit einem Tag zurück – ihr Fortgang hatte sich fast zeitgleich mit seiner Verlobung vollzogen.

"Was für eine Bemerkung!" Judy lachte traurig – ohne dabei wirklich traurig zu sein. Sie schaute ihn forschend an. Er vertiefte sich auf das Armaturenbrett.

"Du siehst besser aus als früher", sagte sie nachdenklich. "Dexter, du hast die markantesten Augen, die ich kenne."

Er hätte darüber lachen können, aber er lachte nicht. So etwas sagte man zu Zweitklässlern. Dennoch wurmte es ihn.

"Ich bin alles so schrecklich über, Darling." Sie nannte jeden "Darling" und versuchte damit diesem Kosenamen eine unbekümmerte, individuelle Note zu verleihen. "Ich wünschte, du würdest mich heiraten."

Die Direktheit verwirrte ihn. Er hätte ihr jetzt sagen sollen, dass er ein anderes Mädchen heiraten würde, aber er brachte es nicht fertig, es zu sagen. Er hätte genauso gut schwören können, dass er sie nie wirklich geliebt hätte.

"Ich glaube, wir würden uns gut verstehen", fuhr sie im gleichen Tonfall fort, "es sei denn, du hast mich vergessen und dich in ein anderes Mädchen verliebt."

Ihr Selbstvertrauen war offensichtlich grenzenlos. Sie hatte im Grunde gesagt, dass es ihr unmöglich sei, so etwas zu glauben, dass er, wenn es wahr wäre, lediglich eine kindische Indiskretion begangen hätte – und das wahrscheinlich nur, um damit anzugeben. Sie würde ihm verzeihen, denn es war keine Frage des Augenblicks, sondern etwas, das leicht beiseitegeschoben werden könnte.

"Natürlich könntest du nie jemand anderen lieben als mich", fuhr sie fort. "Ich mag die Art, wie du mich liebst. Oh, Dexter, hast du das letzte Jahr schon vergessen?"

"Nein, das habe ich nicht."

"Ich auch nicht!"

War sie aufrichtig gerührt - oder wurde sie nur von der Welle ihrer eigenen Schauspielerei mitgerissen?

"Ich wünschte, wir könnten wieder so sein", sagte sie, und er zwang sich zu einer Antwort:

"Ich glaube nicht, dass wir das können."

"Wahrscheinlich nicht … Ich höre, du machst Irene Scheerer einen gewaltigen Strich durch die Rechnung."

Es lag nicht die geringste Betonung auf dem Namen, doch Dexter schämte sich plötzlich.

"Oh, bring mich nach Hause", rief Judy plötzlich, "ich will nicht wieder zu diesem idiotischen Tanz gehen - mit diesen Kindern."

Als er in die Straße einbog, die zum Wohnviertel führte, begann Judy leise vor sich hin zu weinen. Er hatte sie noch nie zuvor weinen sehen.

Die dunklen Straßen erhellten sich nach und nach, die Häuser der Reichen tauchten um sie herum auf, er stoppte sein Coupé vor dem großen weißen Haus der Mortimer Jones. Die große helle Masse des Hauses wirkte schläfrig, prächtig, durchtränkt vom Glanz des feuchten Mondlichts. Diese Solidität erschreckte ihn. Die starken Mauern, der Stahl der Träger, die Breite und der Prunk des Hauses waren nur dazu da, den Kontrast zu der jungen Schönheit neben ihm hervorzuheben.

Es war robust, um ihre Leichtigkeit zu betonen – als ob sie damit zeigen wollte, was für einen Luftzug ein Schmetterlingsflügel erzeugen konnte.

Er saß ganz ruhig da, doch seine Nerven waren in Aufruhr, und er hatte Angst, dass er sie unwiderstehlich in seinen Armen wiederfinden würde, wenn er sich auch nur einen Millimeter bewegte. Zwei Tränen waren über ihr nasses Gesicht gelaufen und zitterten nun auf ihrer Oberlippe.

"Ich bin schöner als alle anderen", sagte sie mit gebrochener Stimme, "warum kann ich nicht glücklich sein?" Ihre feuchten Augen zerrten an seinem Wiederstand - ihre Mundwinkel verzogen sich langsam nach unten zu einer exquisiten Traurigkeit: "Ich würde dich gerne heiraten, wenn du mich haben willst, Dexter. Ich nehme an, du denkst, ich bin es nicht wert, aber ich wäre so schön, nur für dich, Dexter."

Eine Million Worte der Wut, des Stolzes, der Leidenschaft, des Hasses, der Zärtlichkeit kämpften auf seinen Lippen. Dann überschwemmte ihn eine vollkommene Welle von Gefühlen, die ein ganzes Sediment von Weisheiten, von Konventionen, von Zweifeln, von Ehre mit sich fortrissen. Das war sein Mädchen, das da sprach, sein eigenes, seine Schöne, sein ganzer Stolz.

"Willst du nicht mit reinkommen?" Er hörte, wie sie scharf den Atem einsog.

Sie wartete.

"Na gut", seine Stimme bebte, "ich komme mit."

V

Es war seltsam, dass er diese Nacht weder am kommenden Morgen noch lange danach bereute. Aus der Perspektive von zehn Jahren betrachtet, schien die Tatsache, dass Judys Schwärmerei für ihn nur einen Monat andauerte, von geringer Bedeutung zu sein. Es spielte auch keine Rolle, dass er sich durch sein Nachgeben am Ende noch tieferen Qualen aussetzte und Irene Scheerer und Irenes Eltern, mit denen er befreundet war, schweren Schaden zufügte. Nichts an Irenes Kummer war bildhaft genug, um sich in ihm tief einzuprägen.

Dexter war im Grunde hartgesotten. Die Haltung der anderen Menschen in der Stadt zu seinem Handeln war für ihn bedeutungslos, nicht weil er die Stadt verlassen wollte, sondern weil ihm jede äußere Haltung zu dieser Situation rein oberflächlich erschien. Die öffentliche Meinung war ihm völlig gleichgültig. Auch als er erkannte, dass es keinen Zweck hatte, dass er selbst nicht die Kraft besaß, Judy Jones grundlegend zu beeinflussen oder festzuhalten, hegte er keinerlei Groll gegen sie. Er liebte sie, und er würde sie bis zu dem Tag lieben, an dem er zu alt zum Lieben wäre - aber er konnte sie nicht wirklich haben. So kostete er den tiefen Schmerz, der nur den Starken vorbehalten ist, so wie er für eine kurze Zeit das große Glücksgefühl gekostet hatte.

Selbst die letztlich falsche Begründung, mit der Judy die Verlobung löste, dass sie ihn Irene nicht "wegnehmen" wolle - Judy, die nichts anderes gewollt hatte -, empörte ihn nicht. Er war jenseits jeglicher Abscheu oder Belustigung.

Im Februar reiste er in den Osten mit der Absicht, seine Wäschereien zu verkaufen und sich in New York niederzulassen - aber der Krieg kam im März nach Amerika und änderte seine Pläne. Er kehrte in den Westen zurück, übergab die Leitung des Geschäfts an seinen Partner und ging Ende April in das erste Offiziersausbildungslager. Er gehörte zu jenen jungen Tausenden, die den Krieg mit einer gewissen Erleichterung begrüßten und die Befreiung aus verworrenen Gefühlsverflechtungen willkommen hießen.

VI

Diese Geschichte ist nicht seine Biographie, denken Sie daran, auch wenn sich Dinge darin einschleichen, die nichts mit seinen Jugendträumen zu tun haben. Wir sind jetzt fast fertig mit ihnen und mit ihm. Es gibt nur noch einen weiteren Vorfall zu erzählen, der sich sieben Jahre später ereignete.

Er ereignete sich in New York, wo er es zu etwas gebracht hatte - so gut, dass für ihn keine Hürde zu hoch war. Er war zweiunddreißig Jahre alt, und mit Ausnahme einer Flugreise unmittelbar nach dem Krieg war er seit sieben Jahren nicht mehr im Westen gewesen. Ein Mann namens Devlin aus Detroit kam eines Tages in sein Büro, um ihn geschäftlich zu sprechen, und genau dort ereignete sich jener Vorfall, der sozusagen diese besondere Seite seines Lebens abschloss.

"Sie kommen also aus dem Mittleren Westen", sagte Devlin mit unbekümmerter Neugierde. "Das ist komisch - ich dachte, Männer wie Sie wären wahrscheinlich an der Wall Street geboren und aufgewachsen. Wissen Sie - die Frau einer meiner besten Freunde in Detroit kam auch aus Ihrer Stadt. Ich war einst Platzanweiser bei deren Hochzeit."

Dexter wartete, ohne zu ahnen, was kommen würde.

"Judy Simms", sagte Devlin ohne besonderes Interesse; "Judy Jones war ihr Mädchenname."

"Ja, ich kannte sie." Eine dumpfe Ungeduld machte sich in ihm breit. Er hatte natürlich gehört, dass sie inzwischen verheiratet war - vielleicht aber hatte er auch absichtlich nichts mehr über sie erfahren wollen.

"Ein schrecklich nettes Mädchen", grübelte Devlin bedeutungslos, "sie tut mir irgendwie leid."

"Warum?" Etwas in Dexter war sofort hellwach und empfänglich.

"Oh, Lud Simms ist auf eine gewisse Weise verrückt geworden. Ich meine nicht, dass er sie schlecht behandelt hat, aber er trinkt und rennt nur noch herum ..."

"Geht sie nicht mit ihm mit?"

"Nein. Sie bleibt zu Hause bei ihren Kindern."

"Oh."

"Sie ist ein bisschen zu alt für ihn", sagte Devlin.

"Zu alt!", rief Dexter. "Mann, sie ist doch erst siebenundzwanzig."

Dexter war von der wilden Idee besessen, hinaus auf die Straße zu rennen und den nächsten Zug nach Detroit zu nehmen. Etwas verkrampft stand er auf.

"Ich schätze, Sie sind zu beschäftigt", entschuldigte sich Devlin schnell. "Ich wusste nicht, dass ..."

"Nein, ich bin nicht beschäftigt", sagte Dexter und beruhigte sich etwas. "Ich bin überhaupt nicht beschäftigt. Überhaupt nicht beschäftigt. Sagten Sie, sie sei - siebenundzwanzig? Nein, ich sagte, sie sei siebenundzwanzig."

"Ja, das haben Sie", stimmte Devlin trocken zu.

"Dann berichten Sie weiter. Fahren Sie fort."

"Was meinen Sie?"

"Erzählen Sie von Judy Jones."

Devlin sah ihn hilflos an.