Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 05: Unsterbliche Rache - Andreas Zwengel - E-Book

Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 05: Unsterbliche Rache E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

2109. Die Welt steht am Abgrund. Wernher von Witzleben, Spezialagent von World-Police, entdeckt Spuren des flüchtigen Verbrechers Thomas Chiavelli. Die beiden Männer haben eine gemeinsame Vergangenheit, die anderthalb Jahrhunderte, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, zurückreicht. Während von Witzleben seinen Todfeind jagt, durchlebt er noch einmal die einzelnen Stationen ihrer gemeinsamen Vergangenheit und die Gründe für ihre Feindschaft. Allem Anschein nach plant Chiavelli erneut ein teuflisches Verbrechen, das sogar die herrschenden katastrophalen Zustände auf Terra übertreffen könnte. Achtung: Die Print-Ausgabe unserer Shalyn Shan-Reihe ist nur noch exklusiv in unserem Shop erhältlich. Die Printausgabe des Buches umfasst 160 Seiten.

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Andreas Zwengel

 

UNSTERBLICHE RACHE

 

 

In dieser Reihe bisher erschienen:

 

01 Tod eines Cyborgs von Achim Mehnert

02 Der ewige Feind von Achim Mehnert

03 Welt in Flammen von Achim Mehnert

04 Die letzte Fahrt der Hindenburg II von Andreas Zwengel

05 Unsterbliche Rache von Andreas Zwengel

06 Der Weg der Kriegerin von Andreas Zwengel07 Die Janus-Attentate von Andreas Zwengel

08 Das Auge des Ra von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

09 Die fremde Macht von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

10 Die Ruinen von Antaran von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

11 Ewige Verdammnis von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

12 Flucht aus Luna Asylum von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

13 Das kosmische Testament von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

14 Todeswellen von Andreas Zwengel

15 Neptuns Tochter von Andreas Zwengel

16 Der Rat der Acht von Andreas Zwengel

Andreas Zwengel

 

 

Unsterbliche Rache

 

 

RAUMSCHIFF PROMET

Die Abenteuer der Shalyn Shan

Band 5

 

 

 

© 2017 by BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-95719-465-7

Kapitel 1

 

Montreal

Die Überwachung dauerte bereits zwei Tage und verlief bisher sehr ereignislos für alle Beteiligten. Entsprechend gelangweilt waren Benz und Dafoe, die beiden Mitglieder der World-Police, bisher gewesen. Die Schleuserbande im Gebäude gegenüber schlug lediglich die Zeit tot, mit Fastfood und 3-D-Games. Ihnen schien genauso langweilig zu sein wie den Männern, die sie überwachten.

In den letzten Monaten hatte es einen wahren Exodus zu den Mondkolonien gegeben, wo man von Klimakatastrophen, Genmonstern und einer verfallenden Gesellschaft nahezu unbelastet leben konnte. Doch nicht jeder war in der Lage, dort ein neues Leben zu finanzieren. Wobei die Menschen, die die Dienste der Schleuser in Anspruch nahmen, eher zur vermögenden Schicht gehörten. Aber eben nicht zu den wirklich Reichen, und nur für die war der offizielle Weg erschwinglich.

Die Ankunft von Spezialagent Wernher von Witzleben, Codename Fledermaus, machte das Überwachungsteam der World-Police ziemlich nervös. Er war der beste Mann von World-Police, obwohl er offiziell als freier Mitarbeiter der Behörde galt. Gleichzeitig stellte er auch eine wichtige Persönlichkeit im Gleichgewicht der Mächte dar und hatte bereits mehrfach zwischen World-Market und der Weltregierung vermittelt, ohne sich eindeutig zu einer der beiden Seiten zu bekennen.

Der riesige Kerl sagte die ganze Zeit über kein Wort, bewegte sich wie eine Katze und tauchte immer direkt hinter Benz und Dafoe auf, wenn sie ihn gerade irgendwo anders vermuteten. Seit seiner Ankunft an diesem Morgen ging das schon so. Er war in zivil und trug einen anthrazitfarbenen Leinenanzug, der ihm das Aussehen eines erfolgreichen Managers verlieh, dabei aber auch eine Aura von Grausamkeit und Irrsinn verbreitete.

World-Police-Mann Benz drehte sich rasch nach hinten, nur um noch einmal sicherzustellen, dass sich von Witzleben nicht im Raum befand. »Der Kerl ist ein Killer mit Dienstmarke.«

»Seine eigenen Leute scheinen auf ihn zu schwören.«

»Die sind zu eingeschüchtert, um die Wahrheit zu sagen.«

»Dreht das mal lauter«, forderte von Witzleben die beiden Männer auf.

Die zuckten zusammen. Verdammt, sie hätten beide geschworen, dass er sich vor zehn Sekunden noch nicht im Raum befand. Benz, der sich so abfällig über die Fledermaus geäußert hatte, setzte stammelnd zu einer Entschuldigung an, doch von Witzleben machte eine ungeduldige Handbewegung, endlich die Lautstärke zu erhöhen.

»Wir haben genug an unserem letzten Kunden verdient. Dabei sollte man doch meinen, dass der eigene Möglichkeiten hatte, um zu verschwinden«, sagte einer der Schleuser gerade.

»Er hatte es ziemlich eilig und zahlte jeden Preis«, antwortete ein anderer.

Der dritte Mann unterbrach sie in einer fremden Sprache, und sofort wechselten auch die beiden anderen in die unbekannte Sprache.

Für von Witzleben war die Überwachung ein Routineauftrag. Zwei Tage nachdem Michael Moses gerettet worden war, gönnte er sich etwas Entspannung. Normalerweise beschäftigte sich die Fledermaus nicht mit solchen Lappalien, doch bei einem Transport war es zum Mord an drei Familien gekommen. Die Schleuser hatten sie ins All entsorgt, als sie in eine Kontrolle der Space-Police gerieten. Er wusste nicht, ob es sich bei der überwachten Gruppe um die bewusste Bande handelte, aber er war hier, um das zu überprüfen. Nach über zweihundert Jahren Lebenszeit sollte ihn nichts mehr überraschen, was sich Menschen gegenseitig antun konnten. Überrascht wurde er auch schon lange nicht mehr, aber die Abscheu ließ nicht nach.

»Sobald wir die Bestätigung haben, können wir zuschlagen. Wenn es die richtigen Kerle sind, sollten wir einfach die Wohnung per Laser für einen Blastertorpedo markieren«, sagte Benz.

»Auf eine Bestätigung können wir lange warten, die haben bisher über nichts Relevantes gesprochen«, widersprach Dafoe. »Nur Sportergebnisse, welchen Schlag sie bei Frauen haben und wie man am besten seinen Gleiter auf Touren bringt.«

Benz brummte zustimmend. »Außerdem hören sie absolut grässliche Musik. Wenn du sichergehen möchtest, dass niemand deine Gespräche belauscht, kann ich sie nur empfehlen. Ich werde eine Gefahrenzulage beantragen.«

»Jungs, es gibt schlimmere Jobs als diesen, also erspart mir euer Gejammer«, unterbrach sie von Witzleben.

Schmollend verstummten die beiden und drehten sich wieder zu ihren Geräten.

»Welche Musik quält euch denn so?«

»Uralter Kram. Sie haben es von einem ihrer Kunden, und seitdem hören sie die Songs immer wieder.«

»Da, es geht schon wieder los.«

Von Witzleben spitzte die Ohren. Zuerst hörte er überhaupt nichts, doch als die Musik lauter wurde, fuhr es ihm kalt den Rücken hinunter. Er hatte diese Band vor knapp zwei Wochen gehört und davor hundertzwanzig Jahre nicht. Aufgeregt trat er ans Fenster. »Ich brauche Informationen, und die sind dort drüben.«

»Wir dürfen nur zugreifen, wenn wir ein Geständnis aufzeichnen oder sie auf frischer Tat erwischen können. Die Sache muss absolut wasserdicht sein.«

»Dann sollten wir die Sache etwas beschleunigen«, knurrte die Fledermaus.

Benz schaute auf den Monitor, der die Wohnung im Split-Screen-Verfahren aus vier verschiedenen Perspektiven zeigte. Dafoe saß in einem Sessel und zappte durch die Nachrichten, während er darauf wartete, dass die Schleuser weiterredeten. Etliche Minuten vergingen, dann wurden die Lautsprecher wieder aktiv.

Zuerst hörte man nur Geräusche wie das Rücken von Stühlen und das Öffnen von Flaschen, dann begannen sie wieder, in der unbekannten Sprache zu reden.

»Was sagen sie?«, fragte Dafoe.

»Keine Ahnung, ich zeichne es auf. Wernher kann es dann später übersetzen.«

Dafoe drehte sich mit seinem Stuhl herum. »Wo ist er überhaupt?«

In diesem Moment mischte sich eine neue Stimme in das Gespräch ein, und sie gehörte eindeutig von Witzleben.

 

*

 

»Das ist sehr alte Musik«, sagte von Witzleben zu den Männern am Tisch. Der Rechte rollte mit den Augen, der Mittlere winkte ab, nur der Linke nickte begeistert. Es waren die Doors mit Light my fire. Die Lieblingsband von Thomas Chiavelli alias Hermann Fegelein. Der Erzfeind der Fledermaus seit über eineinhalb Jahrhunderten. Sein Lieblingssong der Band war The end und von Witzleben hatte ihn zuletzt gehört, als er Chiavelli die Mündung seiner Waffe gegen den Kopf drückte. Von Witzleben war bereit gewesen abzudrücken, aber Shalyn Shan hatte es verhindert, weil sie dieses Monster seit zehn Jahren als Sicherheitschef der CRC kannte und nichts von dessen Vergangenheit ahnte.

»Die hat ein Kunde gehört, und ich habe sie mir gleich auf meine Com gespielt. Großartig, nicht wahr? Hundertvierzig Jahre alt und immer noch hörbar.«

»Da gehen die Meinungen auseinander«, brummte einer seiner Komplizen.

»Wie sah der Kerl aus, der die Musik gehört hat?«

»Was ist denn das für eine merkwürdige Frage?« Der rechte Typ sah ihn misstrauisch aus zusammengekniffenen Augen an. Der mittlere machte unter dem Tisch unauffällig einen Strahler scharf. Allerdings nicht so unauffällig, wie er selbst glaubte. Das waren nur Amateure, die sich selbst überschätzten.

Von Witzleben stemmte seinen Fuß gegen die Tischkante und schob den mittleren mitsamt dem Tisch gegen die Wand, sodass dieser seine Arme mit der Waffe nicht darunter hervorbekam. Der rechte war aufgesprungen, doch die Fledermaus versetzte ihm einen Schlag mit der Faust, der den Mann auf seinen Stuhl zurück beförderte und mit dem kippenden Stuhl auf den Boden.

Der linke drehte sich zur Tür und wollte verschwinden, doch von Witzleben packte ihn von hinten am Kragen und hielt ihn fest. Dann hob er seinen Fuß von der Tischkante und ließ ihn auf den Rand der Platte hinabsausen. Die Wucht ließ das andere Ende der Platte hochschießen, direkt unter das Kinn des mittleren. Der Kopf des Mannes flog in den Nacken, und dann fiel der Kerl flach auf den Tisch. Darunter polterte der Strahler zu Boden.

Ohne den linken loszulassen, machte die Fledermaus mit erhobenem Bein eine halbe Drehung um die eigene Achse und traf den rechten, der gerade wieder auf die Beine gekommen war, mit seiner Ferse an der Schläfe. Sofort streckte der Mann alle viere von sich.

Von Witzleben packte den linken fester und schob ihn zur Tür zum Treppenhaus. Bald würden die Kollegen von World-Police das Gebäude stürmen und nur die beiden Bewusstlosen vorfinden. Das bedeutete mal wieder Ärger. Er hatte sich schon etliche Monologe von Vorgesetzten über seine Alleingänge anhören müssen, aber sie lernten einfach nicht, dass diese Vorhaltungen bei ihm absolut sinnlos waren.

Der Junge war ein Leichtgewicht, und von Witzleben hätte ihn am ausgestreckten Arm die Treppen hinauftragen können, aber er nutzte bereits den Weg nach oben, um ihn mürbe zu machen. Deshalb stieß er ihn ständig vorwärts, sodass er mehrmals ins Straucheln geriet und vier Stockwerke weiter oben schon mit den Nerven am Ende schien. Ohne langsamer zu werden, trat von Witzleben die Tür zum Dach auf und marschierte mit dem Schleuser im Schlepptau bis an den Rand.

»Wie heißt du?«, fragte von Witzleben den Jungen, während er ihn weit über den Dachrand hinauslehnte.

»Jean-Hughes.«

»Ich warte immer noch auf die Antwort zu meiner Frage.«

»Welche Frage?«

»Wie sah der Kerl aus?«

»Kahlköpfig, ganz gut in Form.«

So hatte Chiavelli bei ihrer letzten Begegnung ausgesehen. »Wo habt ihr ihn hingebracht, und wann war das?«

»Ich erzähle dir alles, wenn du mich dafür verschwinden lässt.«

»Erst muss ich sichergehen, dass wir über die richtige Person reden. Wie war sein Name?«

»Chiavelli. Thomas Chiavelli. Ich habe ihn sofort erkannt, der Kerl stand in den Nachrichten ja immer hinter Carter. Aber das war nicht der Name, unter dem er reisen wollte.«

»Bachmann«, knurrte von Witzleben.

»Was?«

»Richard Bachmann. Hat er diesen Namen benutzt?«

Der Schleuser schüttelte den Kopf. »Nein, ganz anders. Aber erst will ich eine Garantie.«

Von Witzleben zog Jean-Hughes zu sich heran und stellte ihn sicher auf dem Dach ab. Dann ließ er ihn los und trat einen Schritt zurück. »Du kommst unbehelligt von diesem Dach herunter, aber nun nenn mir den Namen, den er verwendet. Du hast nicht mehr viel Zeit, die World-Police ist schon im Gebäude. Wenn sie uns erstmal zusammen gesehen haben, kann ich dich nicht mehr gehen lassen.«

Jean-Hughes drehte seinen Kopf zu dem Gepolter in der Wohnung unter ihnen. »Napoleon Doyle, so hat er sich genannt.«

»Napoleon Doyle«, murmelte von Witzleben.

»Ein lächerlicher Name.« Jean-Hughes kicherte albern.

Von Witzleben schüttelte nachdenklich den Kopf. »Der Name vielleicht, aber nicht der Mann dahinter. Wohin habt ihr ihn gebracht?«

»Wir haben nur den Transport bis zur Luna-Hauptstation organisiert. Alles Weitere lag in seiner Hand.«

»Hat er gesagt, wohin er von dort aus will?«

»Nein, er hat kaum geredet. Aber einmal hat er eine Melodie gepfiffen, die ganz anders klang als die sonstige. Fröhlicher.«

»Pfeif!«

»Was?«

»Pfeif!«, befahl von Witzleben so laut, dass Jean-Hughes zusammenschrak. Der spitzte rasch die Lippen und pfiff die Melodie. Die Fledermaus erkannte das Lied sofort. Das war das zweite Mal, dass Chiavelli die Musik zum Verhängnis wurde. Von Witzleben wusste genau, wohin sein alter Gegner wollte.

Der Gleiter der World-Police schwebte einige Stockwerke tiefer und leuchtete die Etage mit der Schleuserwohnung ab. Die Verstärkung war sehr schnell eingetroffen.

»Eine Frage noch. Wusste Chiavelli, dass ihr vorher drei Familien aus dem Shuttle geworfen habt, um der Festnahme zu entgehen?«

»Ja, aber das hat ihn nicht gestört. Er wollte so dringend verschwinden, dass er mit jedem geflogen wäre. Ich glaube, das hat ihn gar nicht gekümmert.« Jean-Hughes sprach, während er den Gleiter von World-Police beobachtete. Hätte er die Fledermaus angesehen, wäre ihm wohl klar geworden, dass er gerade in eine Falle getappt war.

Ein Gleiter löschte den Scheinwerfer und war bereit zum Abdrehen.

»Hier oben werden die Idioten mich nicht finden«, frohlockte der junge Schleuser.

»Vielleicht solltest du etwas entgegenkommender sein«, sagte von Witzleben hinter ihm. »Und vergiss unterwegs nicht, zu winken.« Er verpasste Jean-Hughes einen Tritt in den Hintern, der ihn über den Dachrand hinaus beförderte.

Kapitel 2

 

Kairo, Ägypten

Vom Ende des Zweiten Weltkrieges erfuhr Wernher von Witzleben, als es die Zeitungsjungen auf der Straße unter seinem Hotelzimmer herumschrien. Von Witzleben nahm es mit einem Gefühl der Erleichterung auf.

Im September 1940 hatten italienische Streitkräfte von Libyen aus Ägypten angegriffen, das unter britischer Herrschaft stand. Doch die Briten wollten den Mittelmeerraum nicht einfach so aufgeben. Die Straße von Gibraltar und vor allem der Suezkanal waren für das Empire zu wichtig. Sie schlugen die Italiener zurück, und dies rief die Deutschen auf den Plan. Das Deutsche Reich eilte seinen italienischen Verbündeten zu Hilfe, was letztendlich zum Afrikafeldzug führte, bei dem sich Rommel und Montgomery erbitterte Schlachten lieferten.

Das gesamte Gebiet hatte darunter leiden müssen, aber das war nun vorbei. Das Kriegsende sollte auch von Witzlebens Arbeit erleichtern. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die wichtigsten Kulturgüter zu schützen. Es gab Stimmen, die behaupteten, am besten gelänge dies, wenn man sie an Ort und Stelle beließe. Von Witzleben war nicht dieser Ansicht, denn er wusste, dass sie dort nicht lange bleiben würden. Wenn er sie nicht fand, um sie einem Museum zu vermachen, würde ein anderer sie bergen. Dann war es wahrscheinlich, dass der Schatz für immer in den geheimen Kammern eines Privatsammlers verschwand und für zukünftige Generationen unerreichbar sein würde. Das wollte er unbedingt verhindern.

Wenn allerdings die Engländer, die noch überall in Nordafrika vertreten waren, die Kultstätte zuerst entdeckten, würde der Fund an ein britisches Museum gehen und der Letzte, den sie auch nur in die Nähe des Grabes lassen würden, wäre ein deutscher Archäologe.

Von Witzleben arbeitete meist im Auftrag der Universität Berlin, die ihm einige seiner geborgenen Schätze abnahm. Sie zahlten seine Reisekosten, die Unterkünfte in fernen Ländern und die örtlichen Hilfskräfte, die er benötigte, ohne jemals eine Quittung dafür zu verlangen, und er wollte dieses Vertrauen nicht enttäuschen.

Es war nicht die beste Zeit, um als Deutscher unterwegs zu sein. Ständig musste er sich für die Vorgänge in seiner Heimat rechtfertigen, dabei war er ein völlig unpolitischer Mensch. Er besaß keine Parteizugehörigkeit und politische Zustände hatten ihn immer nur in dem Land interessiert, in das er als nächstes zu reisen beabsichtigte. Das war in den seltensten Fällen Deutschland gewesen. In den vergangenen zehn Jahren hielt er sich fast ausschließlich auf der südlichen Erdhalbkugel auf, und mit seinem Berliner Kurator korrespondierte er ausschließlich per Brief oder Telegramm. Er hatte den Mann noch nie persönlich getroffen, und das würde auch in absehbarer Zeit nicht geschehen.

Es hupte unten an der Straße, und dann hörte er seinen Namen, der zu seinem Fenster heraufgebrüllt wurde. Von Witzleben schwang die Beine aus dem Bett und trat auf den kleinen Balkon seines Hotelzimmers. Unten standen mehrere wüstentaugliche Fahrzeuge aus Armeebeständen, beladen mit allerlei Ausrüstungsgegenständen und einheimischen Helfern, die ihnen zur Hand gehen würden.

»Sind Sie soweit, Wernher?«, rief Hermann Fegelein aus einem Kübelwagen heraus und machte eine einladende Handbewegung. Dann setzte er einen kleinen Metallflachmann an seine Lippen, der garantiert etwas Hochprozentiges enthielt. Er trug Zivilkleidung, und nichts an seiner äußeren Erscheinung wies auf einen militärischen Hintergrund hin. Doch jede seiner Bewegungen verriet den jahrelangen Drill und die soldatische Disziplin.

Von Witzleben winkte kurz zurück und machte sich daran, seine Sachen zu packen.

---ENDE DER LESEPROBE---