Red Rock Ranch 03: Für Carmen durch die Hölle - Alfred Wallon - E-Book

Red Rock Ranch 03: Für Carmen durch die Hölle E-Book

Alfred Wallon

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Carmen Sanchez ist keine ehrenwerte Frau, auch wenn sie diese perfekt spielt. Sie kommt mit drei Männern nach Tucson und will in Mexiko ihr Land wieder in Besitz nehmen, das ihrer Familie von Kaiser Maximilian vor der Revolution geschenkt wurde. Billy Taylor, der jüngste Sohn des Red Rock Ranchers Big John Taylor, erfährt in Tucson von diesem Vorhaben. Spontan beschließt er, Carmen und ihre Leute nach Mexiko zu bringen. Dort angekommen, muss Billy erkennen, dass er getäuscht wurde. Die Printausgabe des Buches umfasst 192 Seiten. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



RED ROCK RANCH

In dieser Reihe bisher erschienen

4601 Alfred Wallon Hogans blutige Fährte

4602 Dietmar Kuegler Verdurstet!

4603 Alfred Wallon Für Carmen durch die Hölle

4604 Hal Warner Mike Parkers Flucht

Alfred Wallon

FÜR CARMEN DURCH DIE HÖLLE

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Alfred WallonTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerHistorische Fotos: Archiv Dietmar Kuegler/Mit freundlicher GenehmigungVignette: iStock.com/iatsunSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-341-4

Kapitel 1

Der heiße Wind, der von Süden kam, trieb einige Tumbleweeds vor sich her. Am Horizont hatten sich zwischenzeitlich graue Wolken zusammengeballt. An diesem frühen Nachmittag war dies ein untrügliches Zeichen für jeden Reiter, so schnell wie möglich einen schützenden Ort aufzusuchen, um dort in Ruhe abzuwarten, bis der Sandsturm wieder vorbei war. Und dass dieser Sandsturm bald kommen würde, spürten die vier Reiter an den kleinen Sandkristallen, die der Wind vor sich her wehte und ihnen bisweilen direkt ins Gesicht blies.

„Wie weit ist es noch bis Tucson?“, rief der untersetzte Melvyn Cutler und zog sich das Halstuch noch ein Stück höher ins Gesicht, um sich vor den Sandkörnern zu schützen. „Wenn der Sturm erst ausbricht, dann bekommen wir ihn hier mit voller Wucht zu spüren.“

„Mach dir nicht in die Hosen, Mel!“, meinte Bruce ­Kincaid. Er trug einen dunklen Anzug, der ihn eher wie einen Mann wirken ließ, der viele Nächte in einem Saloon verbrachte und dort Poker spielte. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, und das aschblonde Haar klebte an den Schläfen. Man konnte ihm ansehen, dass ihn dieser Ritt schon sehr angestrengt hatte und er sich baldmöglichst nach einer Ruhepause sehnte.

In Kincaids Augen blitzte es wütend auf, als er Cutlers Worte vernahm. Unwillkürlich tastete seine rechte Hand nach dem Revolver, aber dann hörte er die warnende Stimme des dritten Mannes, der bemerkt hatte, dass ­Kincaid mal wieder sehr gereizt war, weil seine Laune den sprichwörtlichen Nullpunkt erreicht hatte.

„Ganz ruhig, Bruce“, sagte der schwarzbärtige Les Buckman in einem Tonfall, der Kincaid aufhorchen und sofort verstummen ließ. „Wir sind noch lange nicht in Mexiko. Wenn du jetzt schon schlappmachst, dann solltest du vielleicht besser in Tucson zurückbleiben.“

„Das hättest du wohl gern, wie?“, entgegnete Kincaid, obwohl Buckmans Blick ihn eigentlich hätte warnen müssen. „Du willst doch nur meinen Anteil einstreichen, damit du dann ...“

„Es reicht jetzt!“, erklang die helle Stimme von ­Carmen Sanchez. „Reißt euch alle gefälligst am Riemen, verstanden? Wir müssen alle zusammenhalten, sonst schaffen wir es nicht, ans Ziel zu kommen. Oder habt ihr schon wieder vergessen, dass das kein Spazierritt wird?“

Ihrer Tonlage konnte man anhören, dass sie hier das Sagen hatte. Sie wusste, wie man mit Männern wie ­Cutler, Kincaid und Buckman umgehen konnte, denn sie war sich ihrer Wirkung auf diese Männer voll und ganz bewusst. Sie war eine betörend schöne Frau mit langen schwarzen Haaren, dunklen großen Augen und einer Figur, die schon so manchem Mann schlaflose Nächte bereitet hatte, wenn er sie nur anschaute.

Carmen Sanchez war aber nicht mit den drei Männern unterwegs, um sie um den Finger zu wickeln, sondern weil sie verlässliche Leute brauchte, um einen sorgfältig ausgeklügelten Plan umzusetzen. Jeder der Männer hatte bestimmte Eigenschaften, die nützlich für eine Frau wie Carmen waren, und sie wussten genau, um was es ging. Schließlich hatten sie vor einigen Jahren schon einmal zusammen mit Carmen in Mexiko den einen oder anderen riskanten Job erledigt. Das hatten sie auch jetzt wieder vor. Selbst wenn es sich dabei um ein verdammt gefährliches Vorhaben handelte, bei dem nicht sicher war, ob auch wirklich alle wieder heil und wohlbehalten wieder nach Arizona zurückkehrten.

Carmens Gedanken brachen ab, als der Wind auf einmal stärker wurde. Sie blinzelte, weil sie feine Staub­körner in die Augen bekam und sich deshalb den Hut noch tiefer in die Stirn zog. Sie hatte, genau wie Cutler, Kincaid und Buckman, ein Tuch vor das Gesicht gebunden, das nur die Augen frei ließ. Aber der feine Sand drang immer wieder durch und machte das Atmen zu einer schwierigen Angelegenheit.

Bevor eine dichte Sandwolke direkt auf Carmen und ihre drei Begleiter zukam, konnte sie gerade noch die ersten Häuser von Tucson erkennen, in einer Entfernung von etwa einer halben Meile. Also gar nicht mehr weit, aber unter diesen Umständen eine große Herausforderung.

Das Heulen des Windes wurde allmählich unangenehm und übertönte alles andere. Carmen hörte, wie ­Buckman, der nur wenige Schritte vor ihr ritt, aber dennoch nur noch schemenhaft zu erkennen war, ihr etwas zurief. Aber sie konnte kaum etwas verstehen und signalisierte ihm stattdessen mit einem Handzeichen, einfach weiterzureiten. Sie hoffte, dass er das sah, und spürte selbst, wie sie zusehends nervöser wurde, weil genau das passiert war, was sie eigentlich hatte vermeiden wollen. Nun war der Sandsturm doch früher gekommen, als sie vermutet hatte, und auf der letzten Meile kurz vor Tucson wurden sie und ihre Begleiter mit der Wucht des Sturms konfrontiert.

Jetzt hieß es die Nerven behalten, und das galt auch für die Pferde. Carmen Sanchez hatte ihr Pferd gut unter Kontrolle, aber der hinter ihr reitende Melvyn Cutler schien Probleme zu haben. Carmen hörte, wie das Pferd gequält aufwieherte. Wahrscheinlich, weil Cutler mit dem Tier zu rau umgegangen war. Cutler war in manchen Dingen nicht besonders feinfühlig, das merkte man auch jetzt wieder.

Das Heulen des Windes, der ihnen immer wieder neue Wolken gelben Sandes entgegenschleuderte, dröhnte in ihren Ohren. Carmen biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich einzig und allein darauf, es ihrem Pferd so leicht wie möglich zu machen. Nur wenige Augen­blicke später war der ganze Spuk auch schon wieder vorbei, und die Sandwolken wanderten weiter nach Westen. Der Himmel begann wieder aufzuklaren, und die Sicht auf das vor ihnen liegende Gelände wurde wieder deutlicher. Da wusste Carmen, dass sie es geschafft hatten und keine Gefahr mehr bestand. Trotzdem waren sie ein wenig vom ursprünglichen Weg abgekommen, denn die Häuser von Tucson befanden sich jetzt viel weiter links. Carmen wusste, was das bedeutete. Hätte der Sturm kein Ende gefunden, dann wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit an Tucson vorbeigeritten und hätten das wahrscheinlich noch nicht einmal bemerkt.

Bruce Kincaid hustete mehrmals kurz hintereinander, weil er Sand geschluckt hatte. Sein ehemals schwarzer Anzug war jetzt von einer feinen Schicht gelben Staubes zu großen Teilen überzogen, und er wirkte alles andere als elegant. Les Buckman nahm den Hut vom Kopf und klopfte sich den Staub aus der Kleidung, so gut es eben möglich war, und Melvyn Cutler fluchte vor sich hin. Das Fluchen hörte erst auf, als er die Häuser der Stadt erblickte und sich allmählich ein Grinsen in seinen kantigen Gesichtszügen abzeichnete.

„Na endlich“, murmelte er. „Wird höchste Zeit, dass ich meine Kehle etwas anfeuchte, damit der Staub weggeht. Was meint ihr?“

Die Frage galt insbesondere Kincaid und Buckman, aber bevor die beiden darauf etwas erwidern konnten, kam ihnen Carmen Sanchez zuvor.

„Du hast wohl immer noch nicht begriffen, wie wir weiter vorgehen, Mel“, kritisierte sie Cutler. „Wenn wir nach Tucson kommen, werden wir uns erst einmal in Ruhe umhören. Erst wenn wir herausgefunden haben, was wir wissen wollen, dann können wir auch einen Drink zu uns nehmen. Aber nicht vorher. Ist das klar?“

„Herrgott ja!“, stieß Cutler mit gepresster Stimme hervor. „Carmen, ich wollte doch nur sagen, dass ...“

„Ich weiß, was du sagen wolltest“, unterbrach ihn die schwarzhaarige Mexikanerin. „Les und Bruce haben das auch verstanden. Es bleibt aber dabei, was ich gesagt habe. Wir bringen erst einmal die Tiere in den Mietstall und lassen sie versorgen. Dann suchen wir uns ein Hotel und hören uns in Ruhe um. Wir werden bestimmt jemanden finden, der auf unser großzügiges Angebot reagiert.“

„Ich bin immer noch der Meinung, wir finden auch den Weg allein über die Grenze“, gab Kincaid zu bedenken. „Was ist, wenn der Mann, den wir anheuern, irgendwann begreift, was wir wirklich geplant haben?“

„Darüber zerbreche ich mir jetzt und hier nicht den Kopf, Bruce“, antwortete Carmen. „Wichtiger ist, dass wir erst einmal jemanden finden, der das Grenzland gut kennt und der uns sicher nach Mexiko bringt. Und zwar ohne unterwegs auf Apachen zu stoßen. Das wollt ihr doch sicher auch, oder?“

Die Frage betraf auch Buckman und Cutler, und die stimmten natürlich sofort zu. Insbesondere Cutler hatte einiges über Überfälle marodierender Apachenbanden in den Zeitungen gelesen und sich auch schon seine Gedanken darüber gemacht. Tucson war die letzte größere Stadt vor der Grenze. Also mussten sie sich hier noch mit Vorräten und Munition eindecken, bevor sie ihren Ritt zur Grenze fortsetzten. Sollten sie dann auf Apachen stoßen, blieb nur zu hoffen, dass sie sich rechtzeitig zur Wehr setzen konnten.

Tucson bestand aus vielen Häusern, die aus Adobelehm errichtet worden waren. In den letzten Jahren waren aber auch zahlreiche Holzhäuser mit dazu gekommen. Den Mittelpunkt der Stadt bildete eine große Plaza, an deren gegenüberliegenden Seite eine große Kirche mit einem wuchtigen Glockenturm stand. Links und rechts der breiten Straße, die zur Plaza führte, gab es verschiedene Geschäfte mit einer Vielfalt an Angeboten, die die ankommenden Reiter hier gar nicht erwartet hätten. Aber wahrscheinlich hatte das etwas damit zu tun, dass sich die Garnison von Camp Lowell in der Nähe befand und deshalb ein ständiger Strom von Kunden in die Stadt kam.

Kincaid runzelte die Stirn, als er gerade einen Trupp blau uniformierter Soldaten entdeckte, die dabei waren, aufzusitzen und die Stadt wieder zu verlassen. Auch Buckman und Cutler hatten das bemerkt. Nur Carmen Sanchez tat so, als würde sie das überhaupt nicht interessieren. Stattdessen zeigte sie auf ein Gebäude etwas unterhalb der Straße.

„Da ist der Mietstall“, sagte sie. „Bringen wir erst mal unsere Pferde unter, und dann sehen wir weiter.“

Sie hatte natürlich längst registriert, dass ihre Ankunft und die ihrer Begleiter von einigen Passanten bereits bemerkt worden war. Sie wusste aber auch, dass Tucson eine Stadt war, die von vielen Durchreisenden besucht wurde, bevor sie ihren Ritt zur mexikanischen Grenze fortsetzten. Somit war es ganz normal, was sie taten, und wenn sie sich unauffällig benahmen, dann würde kein Mensch auf den Gedanken kommen, unbequeme Fragen zu stellen, die weder sie noch die drei Männer beantworten wollten.

Carmen Sanchez zügelte ihr Pferd vor dem Mietstall und stieg ab. Buckman, Cutler und Kincaid taten das auch. Der Mietstallbesitzer hatte offensichtlich schon bemerkt, dass neue Kunden vor dem Eingang standen. Also kam er heraus und grinste freundlich.

„Guten Tag“, sagte er zu Carmen und hatte Mühe, sein Erstaunen zu verbergen, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass eine so attraktive Frau jetzt vor ihm stand. Noch dazu in Männerkleidung und in Begleitung von drei Zeitgenossen, bei denen man sich überlegte, was man sagte, bevor man es aussprach. „Ich kümmere mich gleich um Ihre Pferde. Wie lange wollen Sie die Tiere hier unterstellen?“

„Ein oder zwei Nächte“, erwiderte Carmen. „Wir wissen es noch nicht genau. Was kostet das?“

„Ein Dollar pro Pferd und pro Tag“, sagte der Mietstallbesitzer. „Dafür kümmere ich mich auch um die Tiere und pflege und versorge sie. Sie haben den Sandsturm wohl noch abbekommen, oder?“

„Eine knappe halbe Meile vor Tucson ist der Sturm über uns hereingebrochen“, erwiderte Carmen. „Zum Glück war die Stadt ja ganz nahe. Wo gibt es hier denn ein Hotel oder günstiges Boardinghouse, Mister ...?“

„Crocker. Daniel Crocker, Ma’am“, sagte der Mann. „Kommt darauf an, was Sie ausgeben möchten. Das Hotel von Susan Howard ist weiter unten rechts an der Straße. Oder Sie gehen zu Cynthia’s Boardinghouse. Je nachdem, was Sie ausgeben wollen. Aber ich glaube, das Hotel wäre besser für Sie. Da können Sie auch Ihre Kleidung reinigen und ein heißes Bad nehmen.“

„Das klingt gut“, sagte Carmen mit einem Lächeln, das Daniel Crocker wie Butter in der Sonne dahinschmelzen ließ. Sie beschloss, diesen Vorteil zu nutzen und eine weitere Frage zu stellen. „Kennen Sie zufällig Männer, die noch nach einem Job suchen, Mister Crocker?“

„Einen Job?“, fragte der Mietstallbesitzer stirn­runzelnd. „Was verstehen Sie denn darunter?“

„Wir suchen nach einem Scout, der das Grenzland auf beiden Seiten gut kennt. Meine Leute und ich sind auf dem Weg nach Mexiko, weil wir dort etwas Geschäft­liches regeln müssen. Wir haben aber auch gehört, dass es in den letzten Wochen Ärger mit den Apachen gegeben hat. Denen wollen wir nicht unbedingt über den Weg laufen, wenn Sie verstehen, was ich meine?“

„Oh ja“, beeilte sich Crocker zu erwidern. „Natürlich verstehe ich das. Im Moment wüsste ich niemanden. Aber vielleicht hören Sie sich mal drüben in Ed ­Madisons Saloon um. Da bekommt man immer mit, wenn jemand einen Job sucht oder zu vergeben hat. Sagen Sie Ed, dass ich Sie geschickt habe.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mister Crocker“, antwortete Carmen. „Danke für diesen Tipp. In welche Boxen sollen wir unsere Pferde bringen?“

„Ganz hinten rechts und links“, sagte Crocker und ging voraus. Carmen und ihre Männer nahmen die Pferde am Zügel und führten sie in den Mietstall. Dort nahmen sie die Satteltaschen und das wenige Gepäck an sich und kamen wieder aus den Boxen heraus.

„Kümmern Sie sich gut um unsere Pferde“, sagte Carmen abschließend. „Wir haben noch einen weiten Weg nach Mexiko vor uns. Wir lassen uns das gerne etwas kosten.“

„Das ist doch selbstverständlich“, versicherte ihr Crocker. „Sie werden mehr als nur zufrieden sein, das verspreche ich Ihnen.“

„Das wollen wir auch hoffen“, sagte der Mann im dunklen Anzug und schaute Crocker auf eine Art und Weise an, die ihm eine leichte Gänsehaut über den Rücken jagte. Auch die anderen beiden Männer sahen irgendwie nicht danach aus, als wenn sie einem normalen Job nachgingen. Das waren Männer, die von ihren Revolvern lebten. Crocker kannte solche Leute zur Genüge, und deshalb hielt er sich besser zurück, weil er es nicht riskieren wollte, Ärger mit ihnen zu bekommen.

„Gehen wir“, sagte Carmen Sanchez zu ihren drei Begleitern. „Ich denke, wir nehmen uns vier Zimmer im Hotel? Was meint ihr?“

„Hauptsache, ich kann endlich ein Bad nehmen“, meinte Les Buckman. „Dieser feine Staub juckt mittlerweile unangenehm.“

„Das macht es auch nicht besser, wenn du nur einmal im Jahr mit Wasser in Berührung kommst, Les“, konnte sich Kincaid diese Bemerkung nicht verkneifen. Als es in Buckmans Augen wütend aufblitzte, trat Kincaid sofort zwei Schritte zurück und hob abwehrend beide Hände.

„Das sollte ein Scherz sein, Les“, fügte er rasch hinzu. „Nicht mehr und nicht weniger. Du bist ganz schön empfindlich.“

„Ich will den Staub loswerden“, murmelte Buckman. „Genau wie jeder von uns, oder?“

„Les hat recht“, pflichtete ihm nun auch Cutler bei, der seine Satteltaschen und sein Gewehr bereits an sich genommen hatte. „Lasst uns endlich ins Hotel gehen. Und dann sehen wir weiter.“

Damit war alles gesagt. Carmen und ihre Begleiter verließen den Mietstall und machten sich auf den Weg zum Hotel. Daniel Crocker blickte ihnen stirnrunzelnd hinterher. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass von der Frau und ihren drei Begleitern etwas ausging, das zur Vorsicht mahnte. So harmlos und freundlich, wie die sich gaben, waren sie wohl nicht. Fast jeder, der in Tucson Zwischenstation auf dem Weg nach Mexiko machte, hatte eine Vergangenheit, über die man besser nicht sprach. Crocker hatte da auch schon seine Erfahrungen gemacht.

Vielleicht ist es gut, wenn der Marshal davon erfährt, dachte der Mietstallbesitzer. Nicht, dass er Steckbriefe von diesen Kerlen in seinem Schreibtisch hat und gar nicht weiß, dass sich die Männer in Tucson aufhalten.

Aber zuerst wollte er sich um die Pferde der Frau und ihrer drei Begleiter kümmern und sie versorgen. Die Tiere sahen so aus, als hätten sie einen langen und harten Ritt hinter sich. Es wurde höchste Zeit, sie zu striegeln und gut zu versorgen, damit sie am nächsten Morgen wieder genügend Kraft und Ausdauer besaßen, um ihre Besitzer nach Mexiko zu bringen.

„Du solltest das besser bleiben lassen, Billy“, sagte U.S. Marshal Clay Taylor zu seinem jüngeren Bruder, nachdem dieser ihm im Office einen Besuch abgestattet und ihm von seinen Plänen erzählt hatte. „Im Moment ist es ein ziemliches Risiko, über die Grenze nach Sonora zu reiten. Schieb deine Pläne besser noch vier Wochen auf.“

„Jetzt mach ja nicht die Pferde scheu, Clay!“, ereiferte sich Billy Taylor, der für die Skepsis seines Bruders nur wenig Verständnis hatte. „Was soll denn schon groß passieren? Vergiss nicht, dass die Armee in Camp Lowell die Patrouillen sogar noch verstärkt hat. Die Apachen werden sich hüten, einfach so einen Überfall zu starten.“

„Lieutenant Nelson ist da anderer Ansicht, Billy“, meinte Clay. „Es gab schon einen Überfall auf die Soldaten. Gestern Morgen ist das erst passiert.“ Er bemerkte Billys überraschten Blick, weil dieser nichts davon wusste. „Ich habe Frank Nelson vorgeschlagen, auch regelmäßig einen Soldatentrupp zur Red Rock Ranch zu schicken. Nur, um sicher zu sein, dass euch da draußen nichts zustößt.“

„Was ist genau passiert, Clay?“, wollte Billy nun wissen. „Gab es Tote oder Verletzte?“

„Zum Glück nicht“, antwortete Clay. „Die Soldaten konnten die Apachen in die Flucht schlagen. Es war nur ein kurzes Feuergefecht, mehr nicht. Einen Apachen haben sie verwunden können, aber den haben die anderen Krieger mitgenommen. So hat es Frank jedenfalls gesagt, und ich glaube ihm, wenn er sich Sorgen macht, dass es weitere Unruhen geben könnte. Deshalb solltest du lieber nicht nach Mexiko reiten. Die Geschäfte, die Pa mit Don Francisco Sandoval machen will, haben auch noch Zeit bis später.“

„Don Franciscos Sohn Manolo war schon einmal bei uns“, erwiderte Billy. „Es wird also höchste Zeit, dass wir ihm einen Gegenbesuch abstatten. Zumindest ist Pa davon überzeugt, dass dies gut für die RRR ist.“

„Aber er weiß nichts von dem Apachenüberfall“, gab Clay zu bedenken. „Ich glaube, ich sollte besser mal mit ihm darüber reden und ...“

„Jetzt ist es aber gut!“, unterbrach ihn Billy. „Ich halte diese Vorsicht für maßlos übertrieben, Clay.“

Der U.S. Marshal wollte gerade etwas darauf erwidern, aber in diesem Moment hörte er Schritte vor der Officetür, und nur wenige Sekunden später wurde sie auch schon geöffnet. Es war Daniel Crocker, der Mietstall­besitzer.

„Ich gehe dann mal, Clay“, sagte Billy. „Wenn noch was ist: Du findest mich drüben in Grieshabers Store, und wenn wir alles aufgeladen haben, dann werden wir uns zum Abschluss noch einen Drink bei Ed Madison gönnen.“

„Mach das“, sagte Clay und sah kurz zu, wie sein Bruder das Office wieder verließ. Er teilte Billys Optimismus nicht, aber das konnte er ihm einfach nicht begreiflich machen. Wenn Billy sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ er sich so schnell nicht davon abbringen. Also blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als morgen zur RRR zu reiten und mit seinem Vater Big John Taylor über die angespannte Lage im Grenzland zu sprechen.

„Marshal, ich muss mit Ihnen reden“, riss ihn die Stimme des Mietstallbesitzers aus seinen Gedanken. Clay sah, dass Crocker etwas nervös war, warum auch immer.

„Ich höre, Crocker“, erwiderte Clay, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute seinen Besucher abwartend an.

„Da sind eben vier Reiter in die Stadt gekommen, Marshal“, rückte Crocker nun mit seinem Anliegen heraus. „Eine Frau und drei Männer.“

„Und? Das passiert fast jeden Tag.“ Clay schaute den Mietstallbesitzer erstaunt an. „Was passt Ihnen denn daran nicht, Crocker?“

„Die Kerle, die die Frau bei sich hat, sehen sehr zwielichtig aus“, klärte Crocker den Marshal auf. „Wie Männer, die Geld mit ihren Revolvern verdienen. Ich frage mich, was eine so attraktive Frau mit diesen Leuten zu schaffen hat.“ Er strich sich kurz über das Kinn, bevor er weitersprach. „Sie wollen nach Mexiko, Marshal. Angeblich haben sie dort Geschäfte zu erledigen, und sie suchen jemanden, der sie sicher über die Grenze bringt. Wegen der Apachenunruhen. Ich frage mich, wie wichtig diese Geschäfte sind, dass sie trotzdem ein so großes Risiko eingehen.“

„Das Thema hatte ich auch gerade“, murmelte Clay vor sich hin, bemerkte Crockers fragenden Blick und stieß einen leisen Seufzer aus. „Und was soll ich jetzt Ihrer Meinung nach tun?“

„Zumindest die Steckbriefe überprüfen“, meinte der Mietstallbesitzer. „Wenn ich mal kurz einen Blick drauf werfen kann, dann kann ich Ihnen gleich sagen, ob einer von denen mit dabei ist.“

„Na gut“, sagte Clay, öffnete eine der Schubladen und zog einen kleinen Papierstapel heraus. „Schauen Sie sich das mal an.“

Crocker kam zum Schreibtisch und schaute sich die dem U.S. Marshal vorliegenden Steckbriefe genau an. Aber aufgrund seines enttäuschten Gesichtsausdruckes schloss Clay, dass der Mietstallbesitzer nicht fündig geworden war.

„Trotzdem“, beharrte Crocker auf seiner ursprünglichen Meinung. „Mir wäre es wohler, wenn Sie sich die drei Männer mal anschauen würden. Man weiß ja nie.“

„Gut, ich kümmere mich darum“, antwortete Clay. „Wissen Sie, wo die Frau und ihre Begleiter untergekommen sind?“

„Ich habe Ihnen das Hotel von Susan Howard empfohlen. Anschließend wollten sie sich wohl im Saloon von Ed Madison umhören, ob sie dort vielleicht jemanden finden, der sie sicher über die Grenze bringt.“

Clay runzelte die Stirn, weil ihm plötzlich ein Gedanke kam, der ihn ein wenig beunruhigte. Crocker bemerkte das auch, aber er sprach Clay nicht darauf an. Statt­dessen verabschiedete er sich wieder und verließ das Office. Clay verstaute den Stapel Steckbriefe wieder in der Schublade und beschloss dann, sich selbst ein Bild von der ganzen Sache zu machen. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke nicht, dass ausgerechnet ein Mann wie Daniel Crocker mit seiner Vermutung recht haben könnte.

„Wir brauchen noch einige zusätzliche Werkzeuge, Mister Grieshaber“, sagte Billy Taylor zu dem Besitzer des General Stores. „Zwei Äxte, einen Hammer, Nägel und zwei Schaufeln. Das haben Sie doch da, oder?“

„Selbstverständlich“, beeilte sich der geschäftstüchtige Hans Grieshaber zu erwidern. Er war schon vor einigen Jahren nach Tucson gekommen, und sein General Store war bekannt dafür, dass man hier fast alles fand, was die Bewohner der Stadt und die Farmer und Rancher rings um Tucson benötigten. „Ich suche das gleich zusammen. Für die Liste mit den anderen Waren brauche ich noch eine gute halbe Stunde.“

„Dann können wir uns ja die Zeit drüben bei Ed im Saloon vertreiben, Billy“, schlug der Cowboy Hank Coleman vor, der zusammen mit Jed Fuller den Sohn des Ranchers nach Tucson begleitet hatte. „Was meinst du?“

„Man sollte immer das Angenehme mit dem Nütz­lichen verbinden“, ergriff nun auch Jed Fuller das Wort, konnte aber ein Grinsen dabei nicht unterdrücken. „Der Staub sitzt noch in unseren Kehlen. Wir sollten sie gründlich ausspülen, oder?“

„Ich habe schon verstanden, was ihr vorhabt, Leute“, erwiderte Billy. „Also gut. Der Boss wird wohl nichts dagegen haben, wenn wir unseren Aufenthalt in Tucson etwas verlängern. Gehen wir, aber nur so lange, bis Mister Grieshaber unsere Liste abgearbeitet habt. Kein Besäufnis und keinen Ärger, verstanden?“

„Wir sind doch immer friedlich, Billy“, wies ihn Hank Coleman darauf hin. „Nur durstige Cowboys, die sich einen oder zwei Drinks gönnen wollen. Nicht mehr und nicht weniger. Also keine Sorge.“

Er hatte das bewusst so hervorgehoben, weil er selbst kein Kind von Traurigkeit war und schon des Öfteren mit einigen Leuten im Saloon zusammengestoßen war, die ihm nicht gepasst hatten. Vor allen Dingen, wenn es Leute von der Wagenrad-Ranch waren, deren Gebiet sich außerhalb von Tucson erstreckte. Arthur Harris, der Besitzer dieser Ranch, züchtete allerdings keine Rinder, sondern besaß große Schafherden, die er meist von mexikanischen Hirten beaufsichtigen ließ. Trotzdem leistete er sich noch eine Cowboymannschaft. Diese Männer wurden aber eher für ihre Revolver bezahlt als für anständige Weidearbeit.

---ENDE DER LESEPROBE---