Reineke Fuchs - Johann Wolfgang von Goethe - E-Book + Hörbuch

Reineke Fuchs E-Book

Johann Wolfgang von Goethe

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Beschreibung

Goethes 'Reineke Fuchs', erstmals erschienen 1774, ist ein Epos in zwölf Gesängen. In Versform und als Fabel verpackt kritisiert Goethe in hervorragender Weise die damalige höfische Gesellschaft und zeigt ihre Missstände auf. Johann Wolfgang von Goethe ist auch 180 Jahre nach seinem Tod noch der bekannteste und meistgelesene deutsche Dichter. Goethes literarisches Schaffen umfasst u.a. Gedichte, Romane und Novellen, Dramen, autobiografische Prosa sowie naturwissenschaftliche Schriften. Mit Illustrationen von Wilhelm Kaulbach.

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JOHANN WOLFGANG GOETHE

REINEKEFUCHS

Mit Illustrationen von Wilhelm von Kaulbach

 

 

 

Goethes »Reineke Fuchs« erschien erstmals 1794.Der vorliegende Text folgt der Ausgabe:Goethes Werke in 6 Bänden, Band 6,Verlag der Literaturwerke Minerva, Leipzig ca. 1900.

 

 

 

 

 

 

© 2014 Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hamburg

 

Alle Rechte, auch das der fotomechanischen Wiedergabe(einschließlich Fotokopie) oder der Speicherung aufelektronischen Systemen, vorbehalten.All rights reserved.

 

 

ISBN: 978-3-86820-936-5

 

 

www.nikol-verlag.de

Erster Gesang

Erster Gesang

Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen! es grünten und blühten

Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken

Übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel;

Jede Wiese sproßte von Blumen in duftenden Gründen,

Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.

 

Nobel, der König, versammelt den Hof; und seine Vasallen

Eilen gerufen herbei mit großem Gepränge; da kommen

Viele stolze Gesellen von allen Seiten und Enden,

Lütke, der Kranich, und Markart, der Häher, und alle die Besten.

Denn der König gedenkt mit allen seinen Baronen

Hof zu halten in Feier und Pracht; er läßt sie berufen

Alle miteinander, so gut die Großen als Kleinen.

Niemand sollte fehlen! und dennoch fehlte der Eine,

Reineke Fuchs, der Schelm! der viel begangenen Frevels

Halben des Hofs sich enthielt. So scheuet das böse Gewissen

Licht und Tag, es scheute der Fuchs die versammelten Herren.

Alle hatten zu klagen, er hatte sie alle beleidigt,

Und nur Grimbart, den Dachs, den Sohn des Bruders, verschont' er.

 

Isegrim aber, der Wolf, begann die Klage; von allen

Seinen Vettern und Gönnern, von allen Freunden begleitet,

Trat er vor den König und sprach die gerichtlichen Worte:

Gnädigster König und Herr! vernehmet meine Beschwerden.

Edel seid Ihr und groß und ehrenvoll, jedem erzeigt Ihr

Recht und Gnade: so laßt Euch denn auch des Schadens erbarmen,

Den ich von Reineke Fuchs mit großer Schande gelitten.

Aber vor allen Dingen erbarmt Euch, daß er mein Weib so

Freventlich öfters verhöhnt und meine Kinder verletzt hat.

Ach! er hat sie mit Unrat besudelt, mit ätzendem Unflat,

Daß mir zu Hause noch drei in bittrer Blindheit sich quälen.

Zwar ist alle der Frevel schon lange zur Sprache gekommen,

Ja, ein Tag war gesetzt, zu schlichten solche Beschwerden;

Er erbot sich zum Eide, doch bald besann er sich anders

Und entwischte behend nach seiner Feste. Das wissen

Alle Männer zu wohl, die hier und neben mir stehen.

Herr! ich könnte die Drangsal, die mir der Bube bereitet,

Nicht mit eilenden Worten in vielen Wochen erzählen.

Würde die Leinwand von Gent, so viel auch ihrer gemacht wird,

Alle zu Pergament, sie faßte die Streiche nicht alle,

Und ich schweige davon. Doch meines Weibes Entehrung

Frißt mir das Herz; ich räche sie auch, es werde, was wolle.

 

Als nun Isegrim so mit traurigem Mute gesprochen,

Trat ein Hündchen hervor, hieß Wackerlos, redte französisch

Vor dem König: wie arm es gewesen und nichts ihm geblieben

Als ein Stückchen Wurst in einem Wintergebüsche;

Reineke hab auch das ihm genommen! Jetzt sprang auch der Kater

Hinze zornig hervor und sprach: Erhabner Gebieter,

Niemand beschwere sich mehr, daß ihm der Bösewicht schade,

Denn der König allein! Ich sag Euch, in dieser Gesellschaft

Ist hier niemand, jung oder alt, er fürchtet den Frevler

Mehr als Euch! Doch Wackerlos' Klage will wenig bedeuten.

Schon sind Jahre vorbei, seit diese Händel geschehen;

Mir gehörte die Wurst! ich sollte mich damals beschweren.

Jagen war ich gegangen; auf meinem Wege durchsucht ich

Eine Mühle zu Nacht; es schlief die Müllerin; sachte

Nahm ich ein Würstchen, ich will es gestehn; doch hatte zu dieser

Wackerlos irgendein Recht, so dankt' ers meiner Bemühung.

Und der Panther begann: Was helfen Klagen und Worte!

Wenig richten sie aus, genug, das Übel ist ruchtbar.

Er ist ein Dieb, ein Mörder! Ich darf es kühnlich behaupten,

Ja, es wissens die Herren, er übet jeglichen Frevel.

Möchten doch alle die Edlen, ja selbst der erhabene König

Gut und Ehre verlieren: er lachte, gewänn er nur etwa

Einen Bissen dabei von einem fetten Kapaune.

Laßt Euch erzählen, wie er so übel an Lampen, dem Hasen,

Gestern tat; hier steht er! der Mann, der keinen verletzte.

Reineke stellte sich fromm und wollt ihn allerlei Weisen

Kürzlich lehren, und was zum Kaplan noch weiter gehöret,

Und sie setzten sich gegeneinander, begannen das Kredo.

Aber Reineke konnte die alten Tücken nicht lassen;

Innerhalb unsers Königes Fried und freiem Geleite

Hielt er Lampen gefaßt mit seinen Klauen und zerrte

Tückisch den redlichen Mann. Ich kam die Straße gegangen,

Hörte beider Gesang, der, kaum begonnen, schon wieder

Endete. Horchend wundert ich mich, doch als ich hinzukam,

Kannt ich Reineken stracks, er hatte Lampen beim Kragen;

Ja, er hätt ihm gewiß das Leben genommen, wofern ich

Nicht zum Glücke des Wegs gekommen wäre. Da steht er!

Seht die Wunden an ihm, dem frommen Manne, den keiner

Zu beleidigen denkt. Und will es unser Gebieter,

Wollt ihr Herren es leiden, daß so des Königes Friede,

Sein Geleit und Brief von einem Diebe verhöhnt wird,

O, so wird der König und seine Kinder noch späten

Vorwurf hören von Leuten, die Recht und Gerechtigkeit lieben.

 

Isegrim sagte darauf. So wird es bleiben, und leider

Wird uns Reineke nie was Gutes erzeigen. O! läg er

Lange tot, das wäre das beste für friedliche Leute;

Aber wird ihm diesmal verziehn, so wird er in kurzem

Etliche kühnlich berücken, die nun es am wenigsten glauben.

 

Reinekens Neffe, der Dachs, nahm jetzt die Rede, und mutig

Sprach er zu Reinekens Bestem, so falsch auch dieser bekannt war.

Alt und wahr, Herr Isegrim! sagt' er, beweist sich das Sprichwort:

Feindes Mund frommt selten. So hat auch wahrlich mein Oheim

Eurer Worte sich nicht zu getrösten. Doch ist es ein leichtes.

Wär er hier am Hofe so gut als Ihr, und erfreut' er

Sich des Königes Gnade, so möcht es Euch sicher gereuen,

Daß Ihr so hämisch gesprochen und alte Geschichten erneuert.

Aber was Ihr Übels an Reineken selber verübet,

Übergeht Ihr; und doch, es wissen es manche der Herren,

Wie Ihr zusammen ein Bündnis geschlossen und beide versprochen,

Als zwei gleiche Gesellen zu leben. Das muß ich erzählen;

Denn im Winter einmal erduldet' er große Gefahren

Euretwegen. Ein Fuhrmann, er hatte Fische geladen,

Fuhr die Straße, Ihr spürtet ihn aus und hättet um alles

Gern von der Ware gegessen; doch fehlt' es Euch leider am Gelde.

Da beredetet Ihr den Oheim, er legte sich listig

Grade für tot in den Weg. Es war, beim Himmel, ein kühnes

Abenteuer! Doch merket, was ihm für Fische geworden.

Und der Fuhrmann kam und sah im Gleise den Oheim,

Hastig zog er sein Schwert, ihm eins zu versetzen; der Kluge

Rührt' und regte sich nicht, als wär er gestorben; der Fuhrmann

Wirft ihn auf seinen Karrn und freut sich des Balges im voraus.

Ja, das wagte mein Oheim für Isegrim; aber der Fuhrmann

Fuhr dahin, und Reineke warf von den Fischen herunter.

Isegrim kam von ferne geschlichen, verzehrte die Fische.

Reineken mochte nicht länger zu fahren belieben; er hub sich,

Sprang vom Karren und wünschte nun auch von der Beute zu speisen.

Aber Isegrim hatte sie alle verschlungen; er hatte

Über Not sich beladen, er wollte bersten. Die Gräten

Ließ er allein zurück und bot dem Freunde den Rest an.

Noch ein anderes Stückchen! auch dies erzähl ich Euch wahrhaft.

Reineken war es bewußt, bei einem Bauer am Nagel

Hing ein gemästetes Schwein, erst heute geschlachtet; das sagt' er

Treu dem Wolfe: sie gingen dahin, Gewinn und Gefahren

Redlich zu teilen. Doch Müh und Gefahr trug jener alleine.

Denn er kroch zum Fenster hinein und warf mit Bemühen

Die gemeinsame Beute dem Wolf herunter; zum Unglück

Waren Hunde nicht fern, die ihn im Hause verspürten

Und ihm wacker das Fell zerzausten. Verwundet entkam er,

Eilig sucht' er Isegrim auf und klagt' ihm sein Leiden

Und verlangte sein Teil. Da sagte jener: Ich habe

Dir ein köstliches Stück verwahrt, nun mache dich drüber

Und benage mirs wohl; wie wird das Fette dir schmecken!

Und er brachte das Stück, das Krummholz war es, der Schlächter

Hatte daran das Schwein gehängt; der köstliche Braten

War vom gierigen Wolfe, dem ungerechten, verschlungen.

Reineke konnte vor Zorn nicht reden, doch was er sich dachte,

Denket euch selbst. Herr König, gewiß, daß hundert und drüber

Solcher Stückchen der Wolf an meinem Oheim verschuldet!

Aber ich schweige davon. Wird Reineke selber gefordert,

Wird er sich besser verteidigen. Indessen, gnädigster König,

Edler Gebieter, ich darf es bemerken: Ihr habet, es haben

Diese Herren gehört, wie töricht Isegrims Rede

Seinem eignen Weibe und ihrer Ehre zu nah tritt,

Die er mit Leib und Leben beschützen sollte. Denn freilich

Sieben Jahre sinds her und drüber, da schenkte mein Oheim

Seine Lieb und Treue zum guten Teile der schönen

Frauen Gieremund; solches geschah beim nächtlichen Tanze;

Isegrim war verreist, ich sag es, wie mirs bekannt ist.

Freundlich und höflich ist sie ihm oft zu Willen geworden,

Und was ist es denn mehr? Sie bracht es niemals zur Klage,

Ja, sie lebt und befindet sich wohl, was macht er für Wesen?

Wär er klug, so schwieg' er davon, es bringt ihm nur Schande.

Weiter sagte der Dachs: Nun kommt das Märchen vom Hasen!

Eitel leeres Gewäsche! Den Schüler sollte der Meister

Etwa nicht züchtigen, wenn er nicht merkt und übel bestehet?

Sollte man nicht die Knaben bestrafen, und ginge der Leichtsinn,

Ginge die Unart so hin, wie sollte die Jugend erwachsen?

Nun klagt Wackerlos, wie er ein Würstchen im Winter verloren

Hinter der Hecke; das sollt er nur lieber im stillen verschmerzen,

Denn wir hören es ja, sie war gestohlen; zerronnen

Wie gewonnen; und wer kann meinem Oheim verargen,

Daß er gestohlenes Gut dem Diebe genommen? Es sollen

Edle Männer von hoher Geburt sich gehässig den Dieben

Und gefährlich erzeigen. Ja, hätt er ihn damals gehangen,

War es verzeihlich. Doch ließ er ihn los, den König zu ehren;

Denn am Leben zu strafen, gehört dem König alleine.

Aber wenigen Danks kann sich mein Oheim getrösten,

So gerecht er auch sei und Übeltaten verwehret.

Denn seitdem des Königes Friede verkündiget worden,

Hält sich niemand wie er. Er hat sein Leben verändert,

Speiset nur einmal des Tags, lebt wie ein Klausner, kasteit sich,

Trägt ein härenes Kleid auf bloßem Leibe und hat schon

Lange von Wildbret und zahmem Fleische sich gänzlich enthalten,

Wie mir noch gestern einer erzählte, der bei ihm gewesen.

Malepartus, sein Schloß, hat er verlassen und baut sich

Eine Klause zur Wohnung. Wie er so mager geworden,

Bleich von Hunger und Durst und andern strengeren Bußen,

Die er reuig erträgt, das werdet Ihr selber erfahren.

Denn was kann es ihm schaden, daß hier ihn jeder verklaget?

Kommt er hieher, so führt er sein Recht aus und macht sie zuschanden.

 

Als nun Grimbart geendigt, erschien zu großem Erstaunen

Henning, der Hahn, mit seinem Geschlecht. Auf trauriger Bahre,

Ohne Hals und Kopf, ward eine Henne getragen,

Kratzefuß war es, die beste der eierlegenden Hennen.

Ach, es floß ihr Blut, und Reineke hatt es vergossen!

Jetzo sollt es der König erfahren. Als Henning, der wackre,

Vor dem König erschien, mit höchstbetrübter Gebärde,

Kamen mit ihm zwei Hähne, die gleichfalls trauerten. Kreyant

Hieß der eine, kein besserer Hahn war irgend zu finden

Zwischen Holland und Frankreich; der andere durft ihm zur Seite

Stehen, Kantart genannt, ein stracker, kühner Geselle;

Beide trugen ein brennendes Licht; sie waren die Brüder

Der ermordeten Frau. Sie riefen über den Mörder

Ach und Weh! Es trugen die Bahr zwei jüngere Hähne,

Und man konnte von fern die Jammerklage vernehmen.

Henning sprach: Wir klagen den unersetzlichen Schaden,

Gnädigster Herr und König! Erbarmt Euch, wie ich verletzt bin,

Meine Kinder und ich. Hier seht Ihr Reinekens Werke!

Als der Winter vorbei, und Laub und Blumen und Blüten

Uns zur Fröhlichkeit riefen, erfreut ich mich meines Geschlechtes,

Das so munter mit mir die schönen Tage verlebte!

Zehen junge Söhne, mit vierzehn Töchtern, sie waren

Voller Lust zu leben; mein Weib, die treffliche Henne,

Hatte sie alle zusammen in Einem Sommer erzogen.

Alle waren so stark und wohl zufrieden, sie fanden

Ihre tägliche Nahrung an wohlgesicherter Stätte.

Reichen Mönchen gehörte der Hof, uns schirmte die Mauer,

Und sechs große Hunde, die wackern Genossen des Hauses,

Liebten meine Kinder und wachten über ihr Leben;

Reineken aber, den Dieb, verdroß es, daß wir in Frieden

Glückliche Tage verlebten und seine Ränke vermieden.

Immer schlich er bei Nacht um die Mauer und lauschte beim Tore,

Aber die Hunde bemerktens; da mocht er laufen! sie faßten

Wacker ihn endlich einmal und ruckten das Fell ihm zusammen;

Doch er rettete sich und ließ uns ein Weilchen in Ruhe.

Aber nun höret mich an! es währte nicht lange, so kam er

Als ein Klausner und brachte mir Brief und Siegel. Ich kannt es:

Euer Siegel sah ich am Briefe; da fand ich geschrieben:

Daß Ihr festen Frieden so Tieren als Vögeln verkündigt.

Und er zeigte mir an: er sei ein Klausner geworden,

Habe strenge Gelübde getan, die Sünden zu büßen,

Deren Schuld er leider bekenne. Da habe nun keiner

Mehr vor ihm sich zu fürchten, er habe heilig gelobet,

Nimmermehr Fleisch zu genießen. Er ließ mich die Kutte beschauen,

Zeigte sein Skapulier. Daneben wies er ein Zeugnis,

Das ihm der Prior gestellt, und, um mich sicher zu machen,

Unter der Kutte ein härenes Kleid. Dann ging er und sagte:

Gott dem Herren seid mir befohlen! ich habe noch vieles

Heute zu tun! ich habe die Sext und die None zu lesen

Und die Vesper dazu. Er las im Gehen und dachte

Vieles Böse sich aus, er sann auf unser Verderben.

Ich mit erheitertem Herzen erzählte geschwinde den Kindern

Eures Briefes fröhliche Botschaft, es freuten sich alle.

Da nun Reineke Klausner geworden, so hatten wir weiter

Keine Sorge, noch Furcht. Ich ging mit ihnen zusammen

Vor die Mauer hinaus, wir freuten uns alle der Freiheit.

Aber leider bekam es uns übel. Er lag im Gebüsche

Hinterlistig; da sprang er hervor und verrannt uns die Pforte;

Meiner Söhne schönsten ergriff er und schleppt' ihn von dannen,

Und nun war kein Rat, nachdem er sie einmal gekostet;

Immer versucht' er es wieder, und weder Jäger noch Hunde

Konnten vor seinen Ränken bei Tag und Nacht uns bewahren.

So entriß er mir nun fast alle Kinder; von zwanzig

Bin ich auf fünfe gebracht, die andern raubt' er mir alle.

O, erbarmt Euch des bittern Schmerzes! er tötete gestern

Meine Tochter, es haben die Hunde den Leichnam gerettet.

Seht, hier liegt sie! Er hat es getan, o! nehmt es zu Herzen!

 

Und der König begann: Kommt näher, Grimbart, und sehet,

Also fastet der Klausner, und so beweist er die Buße!

Leb ich noch aber ein Jahr, so soll es ihn wahrlich gereuen!

Doch was helfen die Worte! Vernehmet, trauriger Henning:

Eurer Tochter ermangl es an nichts, was irgend den Toten

Nur zu Rechte geschieht. Ich lass ihr Vigilie singen,

Sie mit großer Ehre zur Erde bestatten; dann wollen

Wir mit diesen Herren des Mordes Strafe bedenken.

 

Da gebot der König, man solle Vigilie singen.

Domino placebo begann die Gemeine, sie sangen

Alle Verse davon. Ich könnte ferner erzählen,

Wer die Lektion gesungen und wer die Responsen;

Aber es währte zu lang, ich lass es lieber bewenden.

In ein Grab ward die Leiche gelegt und drüber ein schöner

Marmorstein, poliert wie ein Glas, gehauen im Viereck,

Groß und dick, und oben darauf war deutlich zu lesen:

»Kratzefuß, Tochter Hennings des Hahns, die beste der Hennen,

Legte viel Eier ins Nest und wußte klüglich zu scharren.

Ach, hier liegt sie! durch Reinekens Mord den Ihren genommen.

Alle Welt soll erfahren, wie bös und falsch er gehandelt,

Und die Tote beklagen.« So lautete, was man geschrieben.

 

Und es ließ der König darauf die Klügsten berufen,

Rat mit ihnen zu halten, wie er den Frevel bestrafte,

Der so klärlich vor ihn und seine Herren gebracht war.

Und sie rieten zuletzt: man habe dem listigen Frevler

Einen Boten zu senden, daß er um Liebes und Leides

Nicht sich entzöge, er solle sich stellen am Hofe des Königs

An dem Tage der Herrn, wenn sie zunächst sich versammeln;

Braun, den Bären, ernannte man aber zum Boten. Der König

Sprach zu Braun, dem Bären: Ich sag es, Euer Gebieter,

Daß Ihr mit Fleiß die Botschaft verrichtet! Doch rat ich zur Vorsicht:

Denn es ist Reineke falsch und boshaft, allerlei Listen

Wird er gebrauchen, er wird Euch schmeicheln, er wird Euch belügen,

Hintergehen, wie er nur kann. Mitnichten, versetzte

Zuversichtlich der Bär: bleibt ruhig! Sollt er sich irgend

Nur vermessen und mir zum Hohne das mindeste wagen,

Seht, ich schwör es bei Gott! der möge mich strafen, wofern ich

Ihm nicht grimmig vergölte, daß er zu bleiben nicht wüßte.

 

Zweiter Gesang

Zweiter Gesang

Also wandelte Braun auf seinem Weg zum Gebirge

Stolzen Mutes dahin, durch eine Wüste, die groß war,

Lang und sandig und breit; und als er sie endlich durchzogen,

Kam er gegen die Berge, wo Reineke pflegte zu jagen;

Selbst noch Tages zuvor hatt er sich dorten erlustigt.

Aber der Bär ging weiter nach Malepartus; da hatte

Reineke schöne Gebäude. Von allen Schlössern und Burgen,

Deren ihm viele gehörten, war Malepartus die beste.

Reineke wohnte daselbst, sobald er Übels besorgte.

Braun erreichte das Schloß und fand die gewöhnliche Pforte

Fest verschlossen. Da trat er davor und besann sich ein wenig;

Endlich rief er und sprach: Herr Oheim, seid Ihr zu Hause?

Braun, der Bär, ist gekommen, des Königs gerichtlicher Bote.

Denn es hat der König geschworen, Ihr sollet bei Hofe

Vor Gericht Euch stellen, ich soll Euch holen, damit Ihr

Recht zu nehmen und Recht zu geben keinem verweigert,

Oder es soll Euch das Leben kosten; denn bleibt Ihr dahinten,

Ist mit Galgen und Rad Euch gedroht. Drum wählet das Beste,

Kommt und folget mir nach, sonst möcht es Euch übel bekommen.

 

Reineke hörte genau vom Anfang zum Ende die Rede,

Lag und lauerte still und dachte: Wenn es gelänge,

Daß ich dem plumpen Kompan die stolzen Worte bezahlte?

Laßt uns die Sache bedenken. Er ging in die Tiefe der Wohnung,

In die Winkel des Schlosses, denn künstlich war es gebauet:

Löcher fanden sich hier und Höhlen mit vielerlei Gängen,

Eng und lang, und mancherlei Türen zum Öffnen und Schließen,

Wie es Zeit war und Not. Erfuhr er, daß man ihn suchte

Wegen schelmischer Tat, da fand er die beste Beschirmung.

Auch aus Einfalt hatten sich oft in diesen Mäandern

Arme Tiere gefangen, willkommene Beute dem Räuber.

Reineke hatte die Worte gehört, doch fürchtet' er klüglich,

Andre möchten noch neben dem Boten im Hinterhalt liegen,

Als er sich aber versichert, der Bär sei einzeln gekommen,

Ging er listig hinaus und sagte: Wertester Oheim,

Seid willkommen! Verzeiht mir! ich habe Vesper gelesen,

Darum ließ ich Euch warten. Ich dank Euch, daß Ihr gekommen,

Denn es nutzt mir gewiß bei Hofe, so darf ich es hoffen.

Seid zu jeglicher Stunde, mein Oheim, willkommen! Indessen

Bleibt der Tadel für den, der Euch die Reise befohlen,

Denn sie ist weit und beschwerlich. O Himmel! wie Ihr erhitzt seid!

Eure Haare sind naß und Euer Odem beklommen.

Hatte der mächtige König sonst keinen Boten zu senden,

Als den edelsten Mann, den er am meisten erhöhet?

Aber so sollt es wohl sein zu meinem Vorteil; ich bitte,

Helft mir am Hofe des Königs, allwo man mich übel verleumdet.

Morgen, setzt ich mir vor, trotz meiner mißlichen Lage,

Frei nach Hofe zu gehen, und so gedenk ich noch immer.

Nur für heute bin ich zu schwer, die Reise zu machen.

Leider hab ich zu viel von einer Speise gegessen,

Die mir übel bekommt; sie schmerzt mich gewaltig im Leibe.

Braun versetzte darauf. Was war es, Oheim? Der andre

Sagte dagegen: Was könnt es Euch helfen, und wenn ichs erzählte!

Kümmerlich frist ich mein Leben; ich leid es aber geduldig,

Ist ein armer Mann doch kein Graf! und findet zuweilen

Sich für uns und die Unsern nichts Besseres, müssen wir freilich

Honigscheiben verzehren, die sind wohl immer zu haben.

Doch ich esse sie nur aus Not; nun bin ich geschwollen.

Wider Willen schluckt ich das Zeug, wie sollt es gedeihen?

Kann ich es immer vermeiden, so bleibt mirs ferne vom Gaumen.

Ei! was hab ich gehört! versetzte der Braune, Herr Oheim!

Ei! verschmähet Ihr so den Honig, den mancher begehret?

Honig, muß ich Euch sagen, geht über alle Gerichte,

Wenigstens mir; o schafft mir davon, es soll Euch nicht reuen!

Dienen werd ich Euch wieder. – Ihr spottet, sagte der andre.

Nein, wahrhaftig! verschwor sich der Bär, es ist ernstlich gesprochen.

Ist dem also, versetzte der Rote: da kann ich Euch dienen,

Denn der Bauer Rüsteviel wohnt am Fuße des Berges.

Honig hat er! Gewiß, mit allem Eurem Geschlechte

Saht Ihr niemal so viel beisammen. Da lüstet' es Braunen

Übermäßig nach dieser geliebten Speise. O führt mich,

Rief er, eilig dahin! Herr Oheim, ich will es gedenken,

Schafft mir Honig, und wenn ich auch nicht gesättigt werde.

Gehen wir, sagte der Fuchs: es soll an Honig nicht fehlen.

Heute bin ich zwar schlecht zu Fuße; doch soll mir die Liebe,

Die ich Euch lange gewidmet, die sauern Tritte versüßen.

Denn ich kenne niemand von allen meinen Verwandten,

Den ich verehrte, wie Euch! Doch kommt! Ihr werdet dagegen

An des Königes Hof am Herren-Tage mir dienen,

Daß ich der Feinde Gewalt und ihre Klagen beschäme.

Honigsatt mach ich Euch heute, so viel Ihr immer nur tragen

Möget. – Es meinte der Schalk die Schläge der zornigen Bauern.

 

Reineke lief ihm zuvor, und blindlings folgte der Braune.

Will mirs gelingen, so dachte der Fuchs: ich bringe dich heute

Noch zu Markte, wo dir ein bittrer Honig zuteil wird.

Und sie kamen zu Rüsteviels Hofe; das freute den Bären,

Aber vergebens, wie Toren sich oft mit Hoffnung betrügen.

 

Abend war es geworden, und Reineke wußte, gewöhnlich

Liege Rüsteviel nun in seiner Kammer zu Bette,

Der ein Zimmermann war, ein tüchtiger Meister. Im Hofe

Lag ein eichener Stamm; er hatte, diesen zu trennen,

Schon zwei tüchtige Keile hineingetrieben, und oben,

Klaffte gespalten der Baum fast ellenweit. Reineke merkt' es,

Und er sagte: Mein Oheim, in diesem Baume befindet

Sich des Honigs mehr, als Ihr vermutet; nun stecket

Eure Schnauze hinein, so tief Ihr möget. Nur rat ich,

Nehmt nicht gierig zu viel, es möcht Euch übel bekommen.

Meint Ihr, sagte der Bär, ich sei ein Vielfraß? mitnichten!

Maß ist überall gut, bei allen Dingen. Und also

Ließ der Bär sich betören und steckte den Kopf in die Spalte

Bis an die Ohren hinein und auch die vordersten Füße.

Reineke machte sich dran, mit vielem Ziehen und Zerren

Bracht er die Keile heraus: nun war der Braune gefangen,

Haupt und Füße geklemmt; es half kein Schelten noch Schmeicheln.

Vollauf hatte der Braune zu tun, so stark er und kühn war,

Und so hielt der Neffe mit List den Oheim gefangen.

Heulend plärrte der Bär, und mit den hintersten Füßen

Scharrt' er grimmig und lärmte so sehr, daß Rüsteviel aufsprang.

Was es wäre? dachte der Meister und brachte sein Beil mit,

Daß man bewaffnet ihn fände, wenn jemand zu schaden gedächte.

Braun befand sich indes in großen Ängsten; die Spalte

Klemmt' ihn gewaltig, er zog und zerrte, brüllend vor Schmerzen.

Aber mit alle der Pein war nichts gewonnen; er glaubte

Nimmer von dannen zu kommen; so meint' auch Reineke freudig.

Als er Rüsteviel sah von ferne schreiten, da rief er:

Braun, wie steht es? Mäßiget Euch und schonet des Honigs!

Sagt, wie schmeckt es? Rüsteviel kommt und will Euch bewirten!

Nach der Mahlzeit bringt er ein Schlückchen, es mag Euch bekommen!

 

Da ging Reineke wieder nach Malepartus, der Feste.

Aber Rüsteviel kam, und als er den Bären erblickte,

Lief er, die Bauern zu rufen, die noch in der Schenke beisammen

Schmauseten. Kommt! so rief er: in meinem Hofe gefangen

Hat sich ein Bär, ich sage die Wahrheit. Sie folgten und liefen,

Jeder bewehrte sich eilig, so gut er konnte. Der eine

Nahm die Gabel zur Hand, und seinen Rechen der andre,

Und der dritte, der vierte, mit Spieß und Hacke bewaffnet,

Kamen gesprungen, der fünfte mit einem Pfahle gerüstet.

Ja, der Pfarrer und Küster, sie kamen mit ihrem Geräte.

Auch die Köchin des Pfaffen (sie hieß Frau Jutte, sie konnte

Grütze bereiten und kochen wie keine) blieb nicht dahinten,

Kam mit dem Rocken gelaufen, bei dem sie am Tage gesessen,

Dem unglücklichen Bären den Pelz zu waschen. Der Braune

Hörte den wachsenden Lärm in seinen schrecklichen Nöten,

Und er riß mit Gewalt das Haupt aus der Spalte; da blieb ihm

Haut und Haar des Gesichts bis zu den Ohren im Baume.

Nein! kein kläglicher Tier hat jemand gesehen! es rieselt'

Über die Ohren das Blut. Was half ihm, das Haupt zu befreien?

Denn es blieben die Pfoten im Baume stecken; da riß er

Hastig sie ruckend heraus; er raste sinnlos, die Klauen

Und von den Füßen das Fell blieb in der klemmenden Spalte.

Leider schmeckte dies nicht nach süßem Honig, wozu ihm

Reineke Hoffnung gemacht; die Reise war übel geraten,

Eine sorgliche Fahrt war Braunen geworden. Es blutet'

Ihm der Bart und die Füße dazu, er konnte nicht stehen,

Konnte nicht kriechen, noch gehn. Und Rüsteviel eilte, zu schlagen,