Revolution und Konterrevolution in Deutschland - Engels Friedrich - E-Book

Revolution und Konterrevolution in Deutschland E-Book

Engels Friedrich

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Eine Serie von Artikeln, die der Mitbegründer des Marxismus zur Revolution in Deutschland in den Jahren 1848 und 1849 schrieb. Inhalt: II. Der preußische Staat III. Die übrigen deutschen Staaten IV. Österreich V. Der Wiener Märzaufstand VI. Der Berliner Aufstand VII. Die Frankfurter Nationalversammlun VIII. Polen, Tschechen und Deutsche IX. Der Panslawismus - Der Krieg in Schleswig-Holstein X. Der Pariser Aufstand - Die Frankfurter Nationalversammlung XI. Der Wiener Oktoberaufstand XII. Die Erstürmung Wiens - Der Verrat an Wien XIII. Die preußische konstituierende Versammlung - Die Frankfurter Nationalversammlung XIV. Die Wiederherstellung der Ordnung - Reichstag und Kammern XV. Preußens Triumph XVI. Die Nationalversammlung und die Regierungen XVII. Der Aufstand XVIII. Die Kleinbürger XIX. Das Ende des Aufstandes

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Revolution und Konterrevolution in Deutschland

Friedrich Engels

Inhalt:

Friedrich Engels – Biografie und Bibliografie

Revolution und Konterrevolution in Deutschland

II. Der preußische Staat

III. Die übrigen deutschen Staaten

IV. Österreich

V. Der Wiener Märzaufstand

VI. Der Berliner Aufstand

VII. Die Frankfurter Nationalversammlun

VIII. Polen, Tschechen und Deutsche

IX. Der Panslawismus – Der Krieg in Schleswig-Holstein

X. Der Pariser Aufstand – Die Frankfurter Nationalversammlung

XI. Der Wiener Oktoberaufstand

XII. Die Erstürmung Wiens – Der Verrat an Wien

XIII. Die preußische konstituierende Versammlung – Die Frankfurter Nationalversammlung

XIV. Die Wiederherstellung der Ordnung – Reichstag und Kammern

XV. Preußens Triumph

XVI. Die Nationalversammlung und die Regierungen

XVII. Der Aufstand

XVIII. Die Kleinbürger

XIX. Das Ende des Aufstandes

Revolution und Konterrevolution in Deutschland, Friedrich Engels

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849611750

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Friedrich Engels – Biografie und Bibliografie

Sozialist, geb. 28. Nov. 1820 in Barmen als Sohn eines Fabrikanten, gest. 5. Aug. 1895 in London, war 1838 Volontär in einem Geschäft in Bremen und übernahm dann die Filiale des väterlichen Geschäfts zu Manchester, die er bis 1845 leitete. Schon in früher Jugend literarisch tätig und sozialistischen Ideen zugeneigt, wurde er durch seinen Aufenthalt in England angeregt zur Veröffentlichung des Werkes »Die Lage der arbeitenden Klassen in England« (Leipz. 1845; 2. Aufl., Stuttg. 1892; engl. Übersetzung, mit Nachtrag, von Wischnewetzky, New York 1887). Nachdem er bereits 1844 für die von A. Ruge und K. Marx herausgegebenen »Deutsch-französischen Jahrbücher« Beiträge geschrieben, ward er 1844 in Brüssel mit Marx persönlich bekannt, dem er fortan in treuer Freundschaft anhing. Mit ihm verfasste er gemeinsam die gegen Bruno Bauer gerichtete Schrift »Die heilige Familie«, ebenso 1847 im Auftrag des internationalen Kommunistenbundes das »an die Proletarier aller Länder« gerichtete kommunistische Manifest. E. war damals erst in London, später in Brüssel Sekretär des Zentralausschusses des genannten Bundes. 1848–49 beteiligte er sich als Mitarbeiter an der von Marx in Köln redigierten »Neuen rheinischen Zeitung«, dann nahm er an den Aufständen in der Pfalz und in Baden teil und flüchtete nach deren Niederwerfung nach England, wo er nach Gründung der »Internationale« für diese und überhaupt für Verbreitung sozialistischer Ideen wirkte. Von 1850–69 war er wieder im väterlichen Geschäft in Manchester tätig und lebte seit 1869 in London. Eine Reihe von seinen im »Vorwärts« veröffentlichten Abhandlungen erschien 1878 u. d. T.: »Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft« (4. Aufl., Stuttg. 1901); andre Schriften sind: »Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates« (Zür. 1884; 8. Aufl., Stuttg. 1900); »Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie« (das. 1888, 3. Aufl. 1903); »Die Entwickelung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft« (4. Aufl., Berl. 1881). Auch gab er den von Marx im Manuskript hinterlassenen 2. und 3. Band des Werkes: »Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie« (Hamb. 1885) heraus und besorgte die 3. und 4. Auflage des 1. Bandes. Gesammelte Schriften aus dem Nachlaß wurden zusammen mit denen von Marx und Lassalle von Mehring herausgegeben (Stuttg. 1901 ff.). Vgl. »Die Neue Zeit«, 9. Jahrgang, S. 225 ff. (Stuttg. 1890); Sombart, Friedrich E. (Berl. 1895).

Revolution und Konterrevolution in Deutschland

I. Deutschland am Vorabend der Revolution

Der erste Akt des revolutionären Dramas auf dem europäischen Kontinent ist zu Ende. Die »Mächte der Vergangenheit« vor dem Sturm von 1848 sind wieder die »Mächte der Gegenwart«, und die mehr oder weniger populären Eintagsherrscher, provisorischen Regenten, Triumvirn, Diktatoren, alle mit ihrem Gefolge von Abgeordneten, Zivilkommissaren, Militärkommissaren, Präfekten, Richtern, Generalen, Offizieren und Soldaten, sind an fremde Küsten verschlagen und »über See verschickt«, nach England oder Amerika, um dort neue Regierungen »in partibus infidelium«, europäische Komitees, Zentralkomitees, nationale Komitees zu bilden und ihr Kommen in Proklamationen anzukündigen, nicht minder feierlich als die eines weniger imaginären Potentaten.

Eine schwerere Niederlage als die, welche die Revolutionspartei – oder besser die Revolutionsparteien – auf dem Kontinent an allen Punkten der Kampflinie erlitten, ist kaum vorstellbar. Doch was will das besagen? Umfaßte nicht das Ringen des britischen Bürgertums um die soziale und politische Vorherrschaft achtundvierzig, das des französischen Bürgertums vierzig Jahre beispielloser Kämpfe? Und waren sie ihrem Triumph nicht gerade dann am nächsten, als die wiederhergestellte Monarchie sich fester im Sattel wähnte denn je? Die Zeiten jenes Aberglaubens, der Revolutionen auf die Bösartigkeit einer Handvoll Agitatoren zurückführt, sind längst vorüber. Alle Welt weiß heutzutage, daß jeder revolutionären Erschütterung ein gesellschaftliches Bedürfnis zugrunde liegen muß, dessen Befriedigung durch überlebte Einrichtungen verhindert wird. Das Bedürfnis mag noch nicht so dringend, so allgemein empfunden werden, um einen unmittelbaren Erfolg zu sichern; aber jeder Versuch einer gewaltsamen Unterdrückung wird es nur immer stärker hervortreten lassen, bis es seine Fesseln zerbricht. Sind wir also einmal geschlagen, so haben wir nichts anderes zu tun, als wieder von vorn anzufangen. Und die wahrscheinlich nur sehr kurze Ruhepause, die uns zwischen dem Schluß des ersten und dem Anfang des zweiten Aktes der Bewegung vergönnt ist, gibt uns zum Glück die Zeit für ein sehr notwendiges Stück Arbeit: für die Untersuchung der Ursachen, die unweigerlich sowohl zu der letzten Erhebung wie zu ihrem Mißlingen führten; Ursachen, die nicht in den zufälligen Bestrebungen, Talenten, Fehlern, Irrtümern oder Verrätereien einiger Führer zu suchen sind, sondern in dem allgemeinen gesellschaftlichen Zustand und in den Lebensbedingungen einer jeden, von Erschütterungen betroffenen Nation. Daß die plötzlichen Bewegungen des Februar und März 1848 nicht das Werk Einzelner waren, sondern der spontane, unwiderstehliche Ausdruck nationaler Bedürfnisse, die mehr oder weniger klar verstanden, aber sehr deutlich empfunden werden von einer ganzen Anzahl von Klassen in allen Ländern – das ist eine allgemein anerkannte Tatsache; wenn man aber nach den Ursachen der Erfolge der Konterrevolution forscht, so erhält man von allen Seiten die bequeme Antwort, Herr X oder Bürger Y habe das Volk »verraten«. Diese Antwort mag zutreffen oder auch nicht, je nach den Umständen, aber unter keinen Umständen erklärt sie auch nur das Geringste, ja sie macht nicht einmal verständlich, wie es kam, daß das »Volk« sich derart verraten ließ. Und wie jämmerlich sind die Aussichten einer politischen Partei deren ganzes politisches Inventar in der Kenntnis der einen Tatsache besteht, daß dem Bürger Soundso nicht zu trauen ist.

Überdies ist es vom historischen Standpunkt aus von größter Bedeutung, daß sowohl die Ursachen der revolutionären Erschütterung wie die ihrer Unterdrückung untersucht und dargestellt werden. All die kleinlichen persönlichen Zänkereien und Beschuldigungen, all die einander widersprechenden Behauptungen, Marrast oder Ledru-Rollin oder Louis Blanc oder ein anderes Mitglied der Provisorischen Regierung oder alle zusammen hätten die Revolution mitten in die Klippen hineingesteuert, an denen sie scheiterte – welches Interesse können sie bieten, welches Licht auf die Ereignisse werfen für einen Amerikaner oder Engländer, der all diese verschiedenen Bewegungen aus einer Entfernung beobachtete, die zu groß ist, um ihn Einzelheiten der Vorgänge unterscheiden zu lassen? Kein vernünftiger Mensch wird jemals glauben, daß elf Männer, zumeist von recht mittelmäßiger Begabung im Guten wie im Bösen, imstande gewesen seien, im Verlauf von drei Monaten eine Nation von sechsunddreißig Millionen zugrunde zu richten, es sei denn, diese sechsunddreißig Millionen waren sich über den einzuschlagenden Weg genauso im unklaren wie jene elf. Aber wie es kam, daß diese sechsunddreißig Millionen, obwohl sie zum Teil im ungewissen umhertappten, auf einmal berufen waren, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, welcher Weg beschritten werden solle, wie sie sodann in die Irre gerieten und ihre alten Führer vorübergehend wieder die Führung erlangen durften – das ist gerade die Frage.

Wenn wir also versuchen, den Lesern der »Tribune« die Ursachen auseinanderzusetzen, die mit Notwendigkeit die Revolution von 1848 hervorriefen und ebenso unvermeidlich zu ihrer zeitweiligen Unterdrückung in den Jahren 1849 und 1850 führten, so darf man von uns nicht erwarten, daß wir eine vollständige Geschichte der Ereignisse geben, wie sie sich in Deutschland abgespielt haben. Spätere Ereignisse und das Urteil der Nachwelt werden entscheiden, was von dieser verworrenen Masse scheinbar zufälliger, zusammenhangloser und nicht miteinander vereinbarer Tatsachen bestimmt ist, in die Weltgeschichte einzugehen. Die Zeit für eine solche Aufgabe ist noch nicht gekommen; wir müssen uns in den Grenzen des Möglichen halten und uns zufriedengeben, wenn es uns gelingt, vernunftgemäße, auf unleugbaren Fakten beruhende Ursachen zu finden, die die wichtigsten Ereignisse, die entscheidenden Wendepunkte jener Bewegung erklären und uns Aufschluß über die Richtung geben, in die der nächste, vielleicht gar nicht so ferne Ausbruch das deutsche Volk lenken wird.

Zunächst, welches war der Zustand Deutschlands bei Ausbruch der Revolution?

Die Zusammensetzung der verschiedenen Klassen des Volkes, die die Grundlage eines jeden politischen Organismus bilden, war in Deutschland komplizierter als in irgendeinem anderen Lande. Während in England und Frankreich eine mächtige, reiche, in großen Städten und namentlich in der Hauptstadt konzentrierte Bourgeoisie den Feudalismus völlig vernichtet oder wenigstens, wie in dem erstgenannten Lande, auf einige wenige, bedeutungslose äußere Formen reduziert hatte, war dem Feudaladel in Deutschland ein großer Teil seiner alten Privilegien erhalten geblieben. Fast überall herrschte noch das System des feudalen Grundbesitzes. Die Grundherren hatten sogar die Gerichtsbarkeit über ihren Gutsbezirk behalten. Obzwar ihrer politischen Vorrechte, des Rechtes, die Fürsten zu kontrollieren, beraubt, hatten sie doch fast ihre ganzen mittelalterlichen Hoheitsrechte über die Bauernschaft ihrer Ländereien sowie die Steuerfreiheit bewahrt. Der Feudalismus war in manchen Gegenden mehr in Blüte als in anderen, aber außer auf dem linken Rheinufer war er nirgends völlig beseitigt. Dieser seinerzeit außerordentlich zahlreiche und zum Teil sehr reiche Feudaladel galt offiziell als der erste »Stand« im Lande. Er stellte die höheren Staatsbeamten, er besetzte fast ausschließlich die Offiziersstellen in der Armee.

Die Bourgeoisie Deutschlands war bei weitem nicht so reich und konzentriert wie die Frankreichs oder Englands. Die alten Manufakturen Deutschlands waren durch das Aufkommen der Dampfkraft und durch die sich rasch ausbreitende Vorherrschaft der englischen Industrie zugrunde gerichtet worden; die moderneren Industrien, die, unter dem napoleonischen Kontinentalsystem ins Leben gerufen, in anderen Teilen des Landes errichtet worden waren, boten keinen Ausgleich für den Verlust der alten und reichten nicht aus, um einen Kreis an der Industrie interessierter zu bilden, der stark genug gewesen wäre, Regierungen, die jeder Anhäufung nichtadeligen Reichtums und nichtadeligen Macht argwöhnisch gegenüberstanden, zur Rücksicht auf ihre Bedürfnisse zu zwingen. Während Frankreich seine Seidenindustrie siegreich über fünfzig Revolutions- und Kriegsjahre hinwegbrachte, büßte Deutschland im gleichen Zeitraum fast seine ganze alte Leinenindustrie ein. Überdies waren die deutschen Industriebezirke dünn gesät und weit verstreut; sie lagen tief im Innern des Landes, benutzten für ihre Ein- und Ausfuhr vorwiegend ausländische, holländische oder belgische Häfen und hatten daher wenig oder gar keine gemeinsamen Interessen mit der großen Hafenstädten an der Nord- und Ostsee; vor allem aber waren sie außerstande, große Industrie-und Handelszentren zu bilden wie Paris und Lyon, London und Manchester. Die Rückständigkeit der deutschen Industrie hatte mannigfaltige Ursachen, aber zwei werden schon zu ihrer Erklärung genügen: die ungünstige geographische Lage des Landes, seine Entfernung vom Atlantischen Ozean, der zur großen Heerstraße des Welthandels geworden war, sowie die ständigen Kriege, in die Deutschland verwickelt war und die vom sechzehnten Jahrhundert an bis auf den heutigen Tag auf seinem Boden ausgefochten wurden. Diese zahlenmäßige Schwäche und namentlich ihre geringe Konzentration machten es der deutschen Bourgeoisie unmöglich, jene politische Machtstellung zu erringen, deren sich die englische Bourgeoisie seit 1688 erfreut und die die französische Bourgeoisie 1789 erobert hat. Und doch war in Deutschland der Reichtum und mit dem Reichtum die politische Bedeutung der Bourgeoisie seit 1815 in ständigem Wachstum begriffen. Die Regierungen waren gezwungen, wenn auch widerwillig, wenigstens ihren unmittelbaren materiellen Interessen Rechnung zu tragen. Man kann sogar mit Recht sagen, daß von 1815 bis 1830 und von 1832 bis 1840 jedes Stückchen an politischem Einfluß, das der Bourgeoisie in den Verfassungen der kleineren Staaten eingeräumt worden war und ihr in den erwähnten beiden Perioden politischer Reaktion wieder entrissen wurde – daß jedes derartige Stückchen durch eine Konzession praktischerer Art aufgewogen wurde. Jede politische Niederlage der Bourgeoisie zog einen Sieg auf dem Gebiete der Handelsgesetzgebung nach sich. Und sicherlich war der preußische Schutzzolltarif von 1818 und die Gründung des Zollvereins für die deutschen Kaufleute und Fabrikherren ein gut Teil mehr wert als das zweifelhafte Recht, in der Kammer des einen oder anderen Duodezstaats Ministern, die über solche Abstimmungen nur lachten, ihr Mißtrauen auszusprechen. So gelangte die Bourgeoisie mit wachsendem Reichtum und zunehmender Ausdehnung ihres Handels bald zu einem Stadium, wo sie sich in der Entfaltung ihrer wichtigsten Interessen durch die politische Verfassung des Landes gehemmt sah: durch dessen kunterbunte Zersplitterung unter sechsunddreißig Fürsten mit gegensätzlichen Bestrebungen und Launen; durch die feudalen Fesseln, die die Landwirtschaft und die mit ihr verbundenen Gewerbe beengten; durch die aufdringliche Überwachung, der eine unwissende, anmaßende Bürokratie alle ihre Geschäfte unterzog. Gleichzeitig führten die Ausdehnung und Festigung des Zollvereins, die allgemeine Einführung der Dampfkraft in den Verkehr, die wachsende Konkurrenz auf dem inneren Markt zur gegenseitigen Annäherung der kommerziellen Klassen der verschiedenen Staaten und Provinzen, zur Ausgleichung ihrer Interesse und zur Zentralisation ihrer Kraft. Die natürliche

Folge war der Übergang aller dieser Elemente ins Lager der liberalen Opposition und der siegreiche Ausgang des ersten ernstlichen Kampfes der deutschen Bourgeoisie um politische Macht. Diesen Umschwung kann man von 1840 datieren, von dem Zeitpunkt, zu dem die preußische Bourgeoisie an die Spitze der Bewegung der deutschen Bourgeoisie trat. Wir werden auf diese Bewegung der liberalen Opposition von 1840 bis 1847 später noch zurückkommen.

Die große Masse der Nation, die weder dem Adel noch der Bourgeoisie angehörte, bestand in den Städten aus der Klasse der Kleinbürger und der Arbeiterschaft, auf dem Lande aus der Bauernschaft.

Die Klasse der Handwerker und Kleinhändler ist in Deutschland außerordentlich zahlreich, eine Folge des Umstands, daß die großen Kapitalisten und Industriellen als Klasse in ihrer Entwicklung gehemmt waren. In den größeren Städten bildet sie beinahe die Mehrheit der Bevölkerung, in den kleineren überwiegt sie völlig, da es dort an reicheren Mitbewerbern um den maßgebenden Einfluß fehlt. Dieses Kleinbürgertum, in jedem modernen Staat und bei allen modernen Revolutionen von höchster Bedeutung, ist besonders wichtig in Deutschland, wo es bei den jüngsten Kämpfen meist die entscheidende Rolle gespielt hat. Seine Zwischenstellung zwischen der Klasse der größeren Kapitalisten, Kaufleute und Industriellen, der eigentlichen Bourgeoisie, und dem Proletariat oder der Arbeiterklasse ist für seinen Charakter bestimmend. Es strebt nach der Stellung der Bourgeoisie, aber das geringste Mißgeschick schleudert die Angehörigen des Kleinbürgertums hinab in die Reihen des Proletariats. In monarchischen und feudalen Ländern bedarf das Kleinbürgertum, um existieren zu können, der Kundschaft des Hofes und des Adels; der Verlust dieser Kundschaft würde es zu einem großen Teil zugrunde richten. In kleineren Städten bildet häufig eine Garnison, eine Kreisregierung, ein Gerichtshof und deren ganzer Anhang die Grundlage seines Wohlstands; entzieht man sie ihm, so ist es um die Krämer, Schneider, Schuhmacher, Schreiner geschehen. Das ewige Hin- und Hergerissensein zwischen der Hoffnung, in die Reihen der wohlhabenderen Klasse aufzusteigen, und der Furcht, auf das Niveau von Proletariern oder gar Paupers hinabgedrückt zu werden; zwischen der Hoffnung, seine Interessen durch Eroberung eines Anteils an der Leitung der Staatsgeschäfte zu fördern, und der Furcht, durch ungelegene Opposition den Zorn einer Regierung zu erregen, von der seine Existenz völlig abhängt, da sie die Macht hat, ihm die besten Kunden zu entziehen; die Geringfügigkeit seines Besitzes, dessen Unsicherheit im umgekehrten Verhältnis steht zur Größe – all dies macht das Kleinbürgertum äußerst wankelmütig in seinen Anschauungen. Demütig und kriecherisch unterwürfig unter einer starken feudalen oder monarchischen Regierung, wendet es sich dem Liberalismus zu, wenn die Bourgeoisie im Aufstieg ist; sobald die Bourgeoisie ihre eigene Herrschaft gesichert hat, wird es von heftigen demokratischen Anwandlungen befallen, versinkt aber jämmerlich in Furcht und Zagen, sobald die Klasse unter ihm, das Proletariat, eine selbständige Bewegung wagt. Wir werden im weiteren sehen, wie das deutsche Kleinbürgertum abwechselnd aus dem einen dieser Stadien ins andere übergeht.

Die Arbeiterklasse Deutschlands ist in ihrer gesellschaftlichen und politischen Entwicklung ebenso weit hinter der Englands und Frankreichs zurück wie die deutsche Bourgeoisie hinter der Bourgeoisie jener Länder. Wie der Herr, so der Knecht. Die Entwicklung der Existenzbedingungen für ein zahlreiches, starkes, konzentriertes und intelligentes Proletariat geht Hand in Hand mit der Entwicklung der Existenzbedingungen für eine zahlreiche, wohlhabende, konzentrierte und mächtige Bourgeoisie. Die Arbeiterbewegung selbst ist niemals unabhängig, sie trägt niemals ausschließlich proletarischen Charakter, solange nicht alle die verschiedenen Teile der Bourgeoisie, namentlich ihr fortschrittlichster Teil, die großen Fabrikherren, die politische Macht erobert und den Staat ihren Bedürfnissen entsprechend umgestaltet haben. Dann ist der Augenblick gekommen, wo der unvermeidliche Konflikt zwischen Fabrikherren und Lohnarbeitern in drohende Nähe rückt und nicht länger hinausgeschoben werden kann, der Augenblick, wo sich die Arbeiterklasse nicht länger mit trügerischen Hoffnungen und niemals erfüllbaren Versprechungen abspeisen läßt, wo endlich das große Problem des neunzehnten Jahrhunderts, die Aufhebung des Proletariats, mit voller Klarheit und in seinem wahren Lichte in den Vordergrund rückt. Nun wurde aber in Deutschland die große Masse der Arbeiterklasse nicht von jenen modernen Industriefürsten beschäftigt, von denen Großbritannien so prachtvolle Exemplare aufweist, sondern von kleinen Handwerksmeistern, deren ganze Arbeitsweise lediglich ein Überbleibsel aus dem Mittelalter ist. Und wie zwischen einem großen Baumwoll-Lord und einem kleinen Flickschuster oder Schneidermeister ein himmelweiter Unterschied besteht, genau so weit voraus sind die aufgeweckten Fabrikarbeiter eines modernen Babylon der Industrie den schüchternen Schneider- oder Schreinergesellen eines kleinen Landstädtchens, deren Lebensverhältnisse und Arbeitsmethoden sich von denen ihrer Zunftgenossen vor fünfhundert Jahren nur wenig unterscheiden. Die natürliche Begleiterscheinung des allgemeinen Fehlens moderner Lebensverhältnisse und moderner industrieller Produktionsweisen war ein fast ebenso allgemeines Fehlen moderner Ideen, und daher ist es nicht verwunderlich, wenn ein großer Teil der arbeitenden Klassen bei Ausbruch der Revolution den Ruf nach sofortiger Wiederherstellung der Zünfte und der mittelalterlichen privilegierten Handwerkerinnungen erhob. Zwar bildete sich unter dem Einfluß der Industriebezirke, wo das moderne Produktionssystem vorherrschte, und infolge der Möglichkeiten gegenseitigen Verkehrs und geistiger Entwicklung, die das Wanderleben zahlreicher Arbeit er mit sich brachte, ein starker Kern von Elementen, deren Ideen über die Emanzipation ihrer Klasse bedeutend klarer waren und mit der praktischen Wirklichkeit und der historischen Notwendigkeit weit besser in Einklang standen, aber sie bildeten nur eine kleine Minderheit. Wenn die aktive Bewegung der Bourgeoisie von 1840 datiert werden kann, so nimmt die der Arbeiterklasse ihren Anfang mit den Erhebungen der schlesischen und böhmischen Fabrikarbeiter im Jahre 1844, und wir werden bald Gelegenheit haben, einen Überblick zu gewinnen über die verschiedenen Stadien, die diese Bewegung durchlief.

Schließlich gab es noch die große Klasse der kleinen Landwirte, die Bauernschaft, die mit ihrem Anhang von Landarbeitern die große Mehrheit des ganzen Volkes darstellt. Aber diese Klasse zerfiel selbst wieder in verschiedene Schichten. Da waren, erstens, die wohlhabenderen Landwirte, die in Deutschland als Groß- und Mittelbauern bezeichnet werden, die Eigentümer mehr oder weniger umfangreicher Wirtschaften sind und von denen jeder über die Dienste mehrerer Landarbeiter verfügt. Für diese Klasse, die zwischen den steuerfreien feudalen Grundherren einerseits, den Kleinbauern und Landarbeitern andrerseits stand, war aus leicht begreiflichen Gründen ein Bündnis mit der antifeudalen städtischen Bourgeoisie die natürlichste Politik. Dann gab es, zweitens, die freien Kleinbauern, die im Rheinland vorherrschten, wo der Feudalismus den wuchtigen Schlägen der großen französischen Revolution erlegen war. Ähnliche unabhängige Kleinbauern gab es auch da und dort in anderen Provinzen, wo es ihnen gelungen war, die feudalen Lasten, die ehedem auf ihren Grundstücken ruhten, mit Geld abzulösen. Diese Klasse war jedoch nur dem Namen nach eine Klasse von freien Bauern, da ihre Wirtschaft gewöhnlich in so hohem Grade und unter so drückenden Bedingungen mit Hypotheken belastet war, daß nicht der Bauer, sondern der Wucherer, der das Geld vorgestreckt, der wirkliche Eigentümer des Landes war. Drittens, die feudalen Hintersassen, die nicht leicht von ihrem Stück Land vertrieben werden konnten, die aber eine ewige Pacht zu entrichten oder auf ewig eine gewisse Menge Arbeit für den Gutsherrn zu leisten hatten. Endlich die Landarbeiter, deren Lage auf vielen großen Gütern genau die gleiche war wie die derselben Klasse in England und die ausnahmslos als arme, unterernährte Sklaven ihrer Herren lebten und starben. Die drei letztgenannten Klassen der Landbevölkerung, die freien Kleinbauern, die feudalen Hintersassen und die Landarbeiter, hatten sich vor der Revolution über Politik nie viel Kopfzerbrechen gemacht; aber es ist ohne weiteres klar, daß dieses Ereignis ihnen einen neuen Weg voll der glänzendsten Aussichten eröffnen mußte. Ihnen allen bot die Revolution Vorteile, und war die Bewegung erst einmal ordentlich im Gange, so stand zu erwarten, daß sich ihr der Reihe nach alle anschließen würden. Gleichzeitig aber ist es ebenso klar und durch die Geschichte aller modernen Länder gleichermaßen bestätigt, daß die Landbevölkerung niemals selbständig eine erfolgreiche Bewegung zustande bringen kann; denn sie ist über ein zu großes Gebiet verstreut, und es hält schwer, unter einem erheblicheren Teil eine Verständigung zu erzielen; den Anstoß muß ihr die Initiative der aufgeweckteren und beweglicheren Bevölkerung geben, die in den Städten konzentriert ist.

Die vorstehende gedrängte Skizze der wichtigsten Klassen, aus denen sich bei Ausbruch der jüngsten Bewegungen die deutsche Nation zusammensetzte, wird bereits genügen, um den Mangel an äußerem Zusammenhang und innerer Übereinstimmung sowie die offenkundigen Widersprüche, die dieser Bewegung das Gepräge gaben, zu einem großen Teil zu erklären. Wenn so verschiedenartige, so gegensätzliche, so merkwürdig sich durchkreuzende Interessen heftig aufeinanderprallen; wenn diese sich gegenseitig bekämpfenden Interessen in jedem Bezirk, in jeder Provinz verschieden gemischt sind; wenn es vor allem kein großes Zentrum im Lande gibt, kein London, kein Paris, dessen Entscheidung so viel Gewicht hat, daß nicht der gleiche Zwist in jeder Gegend immer wieder von neuem durchgefochten zu werden braucht: was kann man da anders erwarten, als daß der Kampf sich in eine Menge unzusammenhängender Einzelkämpfe auflöst, in denen ungeheuer viel Blut, Energie und Kapital aufgewendet wird und die trotz alledem ohne ein entscheidendes Ergebnis bleiben?