Rise of a Fairy King. Feenlicht - C. R. Scott - E-Book
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Rise of a Fairy King. Feenlicht E-Book

C. R. Scott

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Beschreibung

**Keine Fee darf einen Menschen lieben** Ann glaubt schon lange nicht mehr an Feen, dafür aber an die große Liebe. Bis sie einem geheimnisvollen Fremden mit golden funkelnden Augen begegnet. Jonah stammt aus dem Reich der Feen und hat Anns Gefühle ihr ganzes Leben lang manipuliert, um daraus Energie zu schöpfen. Plötzlich erscheint ihr jede Liebe, die sie je empfunden hat, wie eine Lüge. Und obwohl sie nichts mehr will, als das Jonah wieder verschwindet, fühlt sie sich auf eigentümliche Weise zu ihm hingezogen. Dabei ist es Feen strengstens untersagt, sich den Menschen zu zeigen oder sich gar in sie zu verlieben. Die Folgen von Jonahs Regelverstoß wären nicht nur für Ann verheerend, sondern für das gesamte Feenreich. Denn die dunklen Feen haben schon lange auf einen Grund gewartet, gegen das Lichte Volk zu rebellieren ... Unendlich romantisch, sehnsuchtsvoll und fesselnd Ein künftiger Feenkönig, der vor der schwersten Entscheidung seines Lebens steht, und eine Studentin, die lernen muss, wieder an Magie zu glauben. Gemeinsam geraten sie zwischen die Fronten eines Kampfes um Macht und Ansehen im Reich der Feen. Dieser Fantasy-Liebesroman ist zum Niederknien schön!  //»Rise of a Fairy King« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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C. R. Scott

Rise of a Fairy King. Feenlicht

**Keine Fee darf einen Menschen lieben**

Ann glaubt schon lange nicht mehr an Feen, dafür aber an die große Liebe. Bis sie einem geheimnisvollen Fremden mit golden funkelnden Augen begegnet. Jonah stammt aus dem Reich der Feen und hat Anns Gefühle ihr ganzes Leben lang manipuliert, um daraus Energie zu schöpfen. Plötzlich erscheint ihr jede Liebe, die sie je empfunden hat, wie eine Lüge. Und obwohl sie nichts mehr will, als das Jonah wieder verschwindet, fühlt sie sich auf eigentümliche Weise zu ihm hingezogen. Dabei ist es Feen strengstens untersagt, sich den Menschen zu zeigen oder sich gar in sie zu verlieben. Die Folgen von Jonahs Regelverstoß wären nicht nur für Ann verheerend, sondern für das gesamte Feenreich. Denn die dunklen Feen haben schon lange auf einen Grund gewartet, gegen das Lichte Volk zu rebellieren ...

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Vita

Glossar

Danksagung

© privat

C. R. Scott, bürgerlich Carina Regauer, wurde 1984 in Schleswig-Holstein geboren und hat Literatur studiert. Egal ob fantastisch, prickelnd oder verträumt – ihre Liebesromane begeistern ihre Leser*innen. Sie ist als Bestseller-Autorin Mitglied im Montségur Autorenforum und in der Jury für den Selfpublishing-Buchpreis. Wenn sie mal nicht schreibt, geht sie am liebsten mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Hund im Wald spazieren und lässt sich für neue Geschichten inspirieren.

Prolog

Als Kinder lernen wir, dass Feen magische Wesen mit farbenprächtigen Flügeln sind. Klein und zierlich wie wundervolle Kolibris. Ebenso wendig können sie fliegen und in der Luft auf der Stelle schweben. Grazil wirbeln sie ihren Zauberstab, wenn sie ihr gutes Werk verrichten. Um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, streuen sie Glitzer. Alles wird besser mit Glitzer.

Wenn wir älter sind, lernen wir, dass nicht alle Feen freundlich gesonnen sind und ihr Glück darin finden, den Menschen langersehnte Wünsche zu erfüllen. Manche sind auch böse und trachten nach unserem größten Unheil. Selbst unsere schlimmsten Alpträume vermögen Feen, die von finsteren Herzen gelenkt sind, in den Schatten zu stellen.

Wenn wir noch älter sind, lernen wir, dass wir uns um all dies keine Sorgen machen müssen, weil es in Wirklichkeit keine Feen gibt. Weder die guten noch die bösen.

Wenn es nur so einfach wäre.

1. Kapitel

Ann

Gleich werden wir uns küssen. Der Abend ist perfekt und viele Zeichen sprechen dafür, dass es diesmal passiert.

Seite an Seite schlendern wir über den Campus, dicht beieinander, wodurch sich unsere Arme hin und wieder berühren. Es ist nicht zu warm und nicht zu kalt, eben genau richtig. Und das sanfte Licht der hohen, kugelförmigen Laternen, die das Außengelände des North Seattle College in der Abenddämmerung beleuchten, könnte man schon fast als romantisch bezeichnen.

Mein Blick schweift durch die Gegend, ehe ich in Max’ stahlblaue Augen schaue und ihm ein Lächeln entgegenbringe. »Ich liebe den Campus bei Nacht«, sage ich. »Vor allem, wenn er so ruhig ist. Tagsüber ist es hier überrannt und man kann die vielen Eindrücke und Geräusche kaum verarbeiten.«

»Findest du?«, erwidert er. »Mir ist der Campus unheimlich, wenn er so tot ist. Tageslicht und Trubel sind mir lieber.«

»Tja«, kommentiere ich und schüttle grinsend den Kopf. »Ich nenne es ruhig, du nennst es tot. So kann es gehen.«

Charmant lacht er. »Wäre auch langweilig, wenn wir in allem derselben Meinung wären, oder?«

»Auf jeden Fall.«

Gemeinsam verlassen wir das Gelände und überqueren den College Way.

»Wobei … «, fahre ich fort. »Sind wir uns überhaupt mal in einem Thema einig?« Frech strahle ich ihn an.

Max seufzt. »Solltest du eines Tages einsehen, dass die Justice League besser und origineller ist, als es die Avengers je sein werden, dann ja.«

Schockiert fasse ich mir an die Brust. »Das wird in diesem Leben nicht passieren!«

»Dann sehe ich schwarz für uns, Ann.«

Mit dieser trockenen Bemerkung bringt er mich zum Prusten. Prompt lässt Max sich davon anstecken und wir lachen um die Wette.

Auch heute nehmen wir auf dem Weg zu meinem Apartment die Abkürzung durch den Licton Sprinks Park. Als wir die schmale Brücke erreichen, die über einen zugewucherten Graben führt, lässt Max mir gentlemanlike den Vortritt.

»Aber du hast recht«, meine ich und gehe voran. »So haben wir immer etwas, worüber wir uns unterhalten können.«

»Du meinst hingebungsvoll diskutieren«, erwidert er dermaßen nüchtern, dass ich schmunzeln muss. Als wir beide die Brücke überquert haben, schließt er zu mir auf.

»Natürlich. Mit Pro-Contra-Liste und allem, was zu einer anständigen Diskussion dazugehört.«

Die Stille, die er daraufhin walten lässt, verstehe ich als lautlose Zustimmung.

Bevor das Schweigen zwischen uns beiden unangenehm werden kann, passiert etwas Unglaubliches: Nach und nach leuchten immer mehr Glühwürmchen um uns herum auf!

Fasziniert bleibe ich stehen und schaue mich um, sauge jeden Zentimeter dieses wundervollen Schauspiels in mich auf. »Wow, sieh mal!«, entfährt es mir begeistert und ich verfolge die sanften Bewegungen der Glühwürmchen, die aus den Büschen am Rande des Weges aufsteigen.

Max kommentiert das Spektakel wesentlich nüchterner: »Glühwürmchen.«

Mit großen Augen betrachte ich die schwebenden Funken, die nun wie ein Sternenhimmel wirken, in dem man spazieren gehen kann. »Die habe ich hier noch nie gesehen. Ist das normal?«

Max zuckt mit den Schultern. »Die gibt es bestimmt überall. Diesmal haben wir einfach Glück.«

Ich nicke. »Das ist wirklich Glück.« Freudestrahlend drehe ich mich mehrere Male im Kreis.

»Ja, das ist schon ziemlich cool.«

Ich höre auf mich zu drehen und mein Augenmerk landet auf ihm. Dann trete ich einen Schritt auf ihn zu und ein erwartungsvolles Räuspern entfährt mir. Max hingegen drückt die Lippen leicht aufeinander. »Hier ist es auch total tot.«

Der abrupte Themenwechsel verschlägt mir die Sprache und ich muss den Stimmungskiller erst verarbeiten. »Hm?«

»Diese Stille.« Ohne mich noch einmal anzusehen, geht er weiter. »Ich mag das einfach nicht.«

Innerhalb weniger Sekunden verlieren die Glühwürmchen ihr wunderbares Leuchten und ich kann sie nicht mehr erkennen. Als hätte Max sie mit einer trockenen Bemerkung verjagt. Enttäuscht folge ich ihm den Pfad entlang.

»Das ist wie im Urwald hier«, beschwert er sich und schiebt einen Ast weg, der in den schmalen Sandweg hineinragt.

»Da bekommt der Begriff Großstadtdschungel eine vollkommen neue Bedeutung«, fällt mir dazu ein. »Aber denkst du nicht, du übertreibst, wenn du bei einem zu langen Ast direkt vom Urwald sprichst?«

»Auf jeden Fall ist es inzwischen noch dunkler und ruhiger geworden.«

»Pass bloß auf«, gebe ich in unheilvollem Ton von mir. »Gleich kommt ein Tiger aus dem Gebüsch gesprungen und greift dich an!«

»Das ist nicht witzig, Ann!«

Ich hingegen muss herzhaft über meinen eigenen Witz lachen.

»Lach du nur. Aber es hat schon seinen Grund, warum ich dich um die Uhrzeit nicht allein nach Hause gehen lasse.«

»Weil mich ein Tiger angreifen könnte?«, necke ich ihn weiter.

Schnaufend sieht er mich an.

Leicht neige ich den Kopf, was meinen seitlich geflochtenen Zopf mitschwingen lässt. »Soll ich mich vor dich stellen, damit er mich frisst und du weglaufen kannst?«

»Kommt nicht infrage«, stellt er klar. »Dann hätte ich dich auch nicht bis zu deinem Apartment begleiten müssen. Das ist meine Chance, ein Held zu sein.« Mit entschlossener Miene klopft er sich gegen die herausgestreckte Brust. »Erst meine Angst macht mich zum mutigen Mann.«

Erneut muss ich lachen. »Euer Mut ist bewundernswert, edler Ritter, o Sir Maxelot.«

»Maxelot?« Er grinst. »Na von mir aus.«

Wir erreichen das Ende des Parks, welcher in dem Wohnviertel mündet. Sosehr wir eben noch von grüner Idylle umgeben gewesen sind, so viele Gebäude und parkende Autos reihen sich hier aneinander.

»Nun ist es nicht mehr weit, holde Mylady.« Höflich verbeugt er sich und deutet auf die Ashworth Avenue, in welcher ich eines der Studentenapartments bezogen habe. »Der weitere Pfad bis zu unserem Ziel dürfte unbeschwerlich sein.«

»Habt Dank, hochgeschätzter Sir Maxelot.« Nach einem eleganten Knicks schreite ich an ihm vorbei.

Lachend schließt er auf dem breiteren Bürgersteig zu mir auf.

»Danke, dass du mit mir in den neuen Marvel-Film gegangen bist«, sage ich, als Max wieder neben mir geht. »Ich weiß, wie sehr du dich als eingeschworener DC Comics-Fan dazu durchringen musstest.«

»Keine Ursache«, erwidert er mit sanfter Stimme. »Erstens haben wir eben schon festgestellt, wie ritterlich und mutig ich bin. Und zweitens hast du hoffentlich nicht vergessen, dass wir uns übernächste Woche den neuen DC-Streifen ansehen.«

»Selbstverständlich nicht, Sir Maxelot. Auf das Wort einer holden Lady kann man ebenso zählen wie auf das eines ehrwürdigen Ritters. Und soll ich dir noch etwas sagen?« Im Gehen sehen wir uns in die Augen. Ich schenke ihm ein Lächeln – und ein Signal. »Ich freue mich darauf.«

»Schön.« Inständig erwidert er den Blick. »Ich mich auch.«

Wenige Minuten später biegen wir in den Garten vor dem Wohnhaus ein, in dem ich zur Miete lebe. Im Gegensatz zu den meisten Nachbargrundstücken gibt es hier einen begrünten Vorgarten. Eng beieinander schreiten wir zum Mehrfamilienhaus und stehen schließlich vor der Haustür. Wieder treffen sich unsere Blicke.

»Also«, beginne ich die Verabschiedung und reibe Daumen und Zeigefinger aneinander. Ich bringe ein Lächeln hervor. »Danke für den schönen Abend.«

Mit freundlicher Miene nickt Max. »Ich habe zu danken.«

Da kommt eine Brise auf, so stark, dass sich nicht nur unser Haar sanft im Wind bewegt, sondern sogar ein paar Blätter vom Apfelbaum im Vorgarten zu uns herüber wehen.

»Also … «, murmle ich ein weiteres Mal und komme ihm etwas näher. Ich senke den Kopf, streiche mir die aufgewirbelten Haare hinters Ohr und hebe dann wieder den Blick.

Max überwindet die letzten Zentimeter zwischen uns und tritt dicht an mich heran. Mein Herzschlag jagt in die Höhe! Und dann … umarmt er mich.

»Gute Nacht«, flüstert er leise in mein Ohr und drückt mich an sich.

Ich lege die Hände an seinen Rücken und erwidere die Umarmung. »Gute Nacht.«

Schon löst er sich von mir und durchquert den Vorgarten. »Wir schreiben uns.« Lässig hebt er im Gehen die Hand zum Abschied.

»Ja … « Ich zwinge mich zu einem fröhlichen Gesicht und mache ebenfalls eine Winkbewegung mit der Hand. »Bye!«

Sekunde für Sekunde vergrößert sich die Distanz zwischen uns und Max schlendert davon. Ich schaue ihm noch hinterher, bis er aus meinem Blickfeld verschwindet. Dann schüttle ich den Kopf und mir entfährt ein Seufzen.

Zügig ziehe ich mich ins Haus zurück und betrete mein hell eingerichtetes Apartment, welches nur aus einem einzigen riesigen Raum besteht. Als ich vor knapp einem Jahr aus Kennewick nach Seattle gezogen bin, war ich froh, überhaupt ein erschwingliches Apartment in Campusnähe gefunden zu haben. Ich werfe den Schlüsselbund, meine Sommerjacke und die Handtasche auf die Kommode – und mich selbst am anderen Ende des Zimmers aufs Bett. Vorwärts. Mit dem Gesicht ins Kissen. Leidvoll stöhnend.

Gerade frage ich mich, wie lange ich in dieser unbequemen Pose ausharren möchte, da vibriert mein Handy. Ich rolle mich auf den Rücken und hole das Smartphone aus der Hosentasche hervor.

Es ist Melanie. Wohl die einzige Melanie auf diesem Planeten, die es hasst, Mel genannt zu werden.

»Hey«, nehme ich ihren Anruf entgegen, starre an die Decke und fasse mir mit der freien Hand an die Stirn. »Du meldest dich wie gerufen.«

»Wieso?«, will sie sofort wissen.

Ich richte den Oberkörper auf und schalte die Frontkamera meines Handys frei, sodass sie mein enttäuschtes Gesicht sehen kann.

Auch Melanie gibt die Videofunktion frei, woraufhin sie auf meinem Display erscheint und mir fröhlich zuwinkt. Auch heute stehen ihre schwarzen Locken so weit in sämtliche Richtungen ab, dass sie nicht komplett ins Kamerabild passen.

»Erzähl schon«, fordert sie, »ich will alles wissen! Wie ist es gelaufen?«

»Wie immer.« Ich krabble vom Bett und tigere durchs Apartment. »Wir waren essen, haben uns gut unterhalten, uns einen Film angesehen, viel gelacht, waren spazieren … «

»Uuuuuund?«, hakt Melanie neugierig nach.

Abrupt bleibe ich stehen. »Nichts Uuuuuund!« Genervt hebe ich die Arme. »Das war’s!«

»Echt jetzt?«

»Wie immer halt.«

»Ihr habt euch wieder nicht geküsst?«, spricht sie es aus. »O Man. Und das bei eurem … wievielten Date?«

»Dem siebten«, gebe ich zähneknirschend von mir.

»Ich weiß ja, dass du inzwischen mitzählst, Ann.«

»Weil mir irgendwann aufgefallen ist, dass wir nicht vorankommen«, verteidige ich mich. »Denk doch mal an Steve. Oder an Mitch. Und an Owen! Die haben mich viel früher geküsst, schon bei der dritten Verabredung oder so.« Dass sich dennoch nicht mehr zwischen uns entwickelt hat, weil der Funke nicht überspringen wollte, ist eine andere Geschichte. »Max hingegen … «

Schnaubend schüttle ich den Kopf.

»Und du?«, kommt es von Melanie.

Ich lege die Stirn in Falten. »Was ist mit mir?«

»Hast du einen Versuch unternommen?«, fragt sie konkreter nach.

»Ich habe ihm Signale gesendet«, füge ich in unterschwellig vorwurfsvollem Ton an, während ich wieder auf und ab marschiere. »So gut ich konnte.«

»Du meinst, einen tiefen Blick, ein verlegenes Lächeln und so?«

»Und es hat mehrere perfekte Gelegenheiten gegeben«, verteidigte ich mich. »Glühwürmchen, wehende Blätter, einfach alles!«

»Aber du hast nicht versucht ihn zu küssen?«

»Hast du nicht gehört?«, frage ich Melanie. »Wir haben sogar Glühwürmchen gesehen. Glühwürmchen! Im Park!«

Konzentriert reibt sie sich die großen, runden Augen. »Wenn du ihn küssen willst, warum tust du es dann nicht einfach? Ergreif doch selbst endlich die Initiative.«

Ich bleibe stehen und betrachte meinen Schreibtisch, auf dem noch so einige ungelesene Bücher auf mich warten. »Aber … «

»Wir leben nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert, okay? Die Frau kann ruhig den ersten Schritt machen.«

Als Melanie das sagt, muss ich an Sir Maxelot und holde Lady denken. Max und ich sind sogar schon so weit, dass wir uns Spitznamen geben. Spitznamen, die ans europäische Mittelalter angelehnt sind, wie sie nur zwei Nerds einfallen können.

»Hast du gehört, Ann?«

»Das mag sein«, entgegne ich und schaue vom Schreibtisch zum Fenster. Mein Blick fällt auf den Vorgarten, in dem ich noch vor wenigen Minuten mit Max gestanden habe. All die Magie, die ich vor wenigen Minuten noch dort draußen verspürt habe, scheint nun wie weggeblasen zu sein. »Aber ich wünsche es mir einfach. Dass der Mann auf mich zukommt, wenn es um solche Dinge geht.«

»Okay«, bekomme ich zu hören.

Ich trotte zum Bett zurück. »Natürlich möchte ich mich mit einem Typen auf Augenhöhe unterhalten und all so was. Nur … manchmal finde ich es schön, wenn der Mann den ersten Schritt macht. Wenn er selbstbewusst ist und mir zeigt, dass er mich will. Verstehst du?« Ich setze mich auf die Bettkante.

»Ja, das kann ich nachvollziehen. Und Max könnte dieser Jemand sein! Hast du mal darüber nachgedacht, dass er gerade deswegen wartet?« Darauf bleibe ich ihr eine Antwort schuldig. »Ann, du weißt, ich will nur das Beste für dich, wenn ich dir das nun sage.«

O Gott, was kommt jetzt?

»Aber du bist bereits im zweiten Semester am North Seattle College.«

»Genau wie du an deiner Uni«, kontere ich und verstehe nicht, worauf sie hinauswill.

»Wo ich inzwischen einen festen Freundeskreis habe.«

Als mir klar wird, was sie meint, muss ich schlucken. »Ich habe mich bisher darauf konzentriert, mich in der neuen Umgebung zurechtzufinden und in die Kurse reinzukommen.«

»Das ist ja auch richtig so, aber das Privatleben darf nicht zu kurz kommen.«

»Nein, natürlich nicht«, stimme ich ihr zu. »Deswegen habe ich ja Dates.« Mit Steve, Mitch, Owen und schließlich … »Mit Max.«

»Genau. Aber egal ob es um Freundschaft oder Liebe geht, manchmal muss man sich einen Ruck geben und den nächsten Schritt wagen. Dann können wunderbare Dinge geschehen.«

Dinge, so wunderbar wie unverhoffte Glühwürmen, jagt es mir aus irgendeinem Grund durch den Kopf.

»Du wirst noch viele selbstbewusste Küsse von Max bekommen«, meint Melanie, als ich nichts sage. »Aber euren ersten musst du vielleicht in die Hand nehmen.«

Ich stoße Luft aus und lasse mich zurück aufs Bett fallen.

»Anscheinend hat er deine Signale nicht verstanden und hält sich zurück. Und sei mal ehrlich, Ann. Du magst ihn. Deinen Max.«

Sogleich zaubert sich ein Lächeln in mein Gesicht. »Sehr sogar.«

»Siehst du? Eventuell ist er auch in dem Punkt besonders, dass er nicht so ein schnelles Tempo vorlegt wie andere Kerle.«

Ich nicke.

»Aber wenn das so weitergeht mit euch, verpasst ihr eure Chance womöglich und seid für immer in der Friendzone gefangen, obwohl ihr eigentlich mehr füreinander fühlt.«

Diesmal atme ich dermaßen dramatisch durch, dass sie es zweifellos mitbekommt.

»Das soll sicherlich heißen, dass ich recht habe«, gibt sie zufrieden von sich und legt ein breites Grinsen an den Tag.

Ich schmunzle in die Handycam. »Du fehlst mir, Melanie, weißt du das?«

Ihr entfährt ein gerührtes Geräusch. »Du mir auch, Ann. Ohne dich ist das Büffeln für die Prüfungen nicht mehr dasselbe.«

Ich ziehe eine Braue hoch. »Hast du auf der High-School nicht bis zum Schluss versucht bei mir abzuschreiben?«

»Sage ich doch!«

Wir lachen und ich merke, wie gut es tut, mit ihr noch immer so ausgelassen reden und herumalbern zu können, obwohl uns mittlerweile mehrere hundert Meilen voneinander trennen.

Anschließend sprechen wir darüber, was es bei ihr Neues gibt. Über Dozenten, Footballteams, darüber, was wir in den nächsten Semesterferien zusammen machen wollen.

Und doch bekomme ich eine Frage nicht mehr aus dem Kopf. Denn was Max und mich betrifft, könnte Melanie tatsächlich recht haben. Sollte ich den nächsten Schritt machen, obwohl ich es andersherum romantischer fände?

***

Struktur und Dynamik moderner Gegenwartsgesellschaften. So heißt der Soziologie-Kurs, aus dem ich gerade komme. Fürs nächste Fach muss ich auf die andere Seite des Geländes und so marschiere ich mit vollem Rucksack und vollem Kopf quer über den Campus. Ich will an einer kleinen Menschenansammlung vorbeigehen, da dreht sich eine Blondine plötzlich um und rennt gegen mich.

Bäm!

Mit Wucht donnern wir gegeneinander. Mir fällt ein altes Buch, das nicht mehr in den Rucksack gepasst hat, aus der Hand. Und der Blonden platscht der Inhalt ihres Kaffeebechers über die pinke Bluse.

Mein Blick wandert vom nun braun gefärbten Oberteil hoch zu ihrem zornigen Gesicht.

Ich kenne sie! Heißt sie nicht Ricarda?

Als ich vor neun Monaten frisch ans College gekommen bin, hat sie die Willkommensrede für die Neulinge gehalten. Sie ist ein paar Semester über mir und dürfte zu den beliebtesten Studenten ihres Jahrgangs zählen. Zumindest hat sie das bei der Ansprache mit jeder Faser ausgestrahlt. Dass sich auch heute mehrere Leute um sie versammelt haben, bestätigt meine Vermutung.

Und jetzt? Schockiert starrt Ricarda mich an. Dann blickt sie angewidert an sich hinab. Und wieder zu mir. Der Aufmerksamkeit ihrer Freunde bin ich mir ebenfalls sicher.

»O Man«, murmle ich genervt über die Situation, gehe in die Hocke und hebe das ausgeliehene alte Buch auf. Zum Glück ist es nicht ungünstig gefallen und umgeknickt oder so, denke ich mir, als ich mich wieder erhebe und vorsichtig den Dreck vom Buchumschlag wegfege.

»Kannst du nicht aufpassen?«, faucht Ricarda mich an und schüttelt sich ein paar Kaffeetropfen von der Hand.

»Was?«, entfährt es mir, denn ich bin mir keiner Schuld bewusst. »Du hast doch einfach auf dem Absatz kehrt gemacht und bist losgegangen, ohne zu gucken!«

»Blödsinn!«, meckert sie voller Selbstbewusstsein. »So schnell, wie du an mir vorbeigerauscht bist, hatte ich keine Chance!«

Ich merke regelrecht, wie sich meine Nasenflügel weiten und meine Atmung schwerer wird. Dass sie sich entschuldigt, habe ich nicht direkt erwartet, aber was fällt ihr ein, mir Vorwürfe zu machen?

»Die Bluse wirst du mir ersetzen!«, schimpft Ricarda mir wütend entgegen.

»Wie bitte? Die musst du bloß waschen! Das sind doch keine Rotweinflecken.«

Sie macht ein abfälliges Geräusch und wirft sich die blonde Mähne nach hinten. »Als wenn ich die noch mal tragen würde!«, jammert sie und sieht an ihrer durchnässten Bluse hinab. »Sieh dir das nur mal an! Bäh!«

Meine Augen werden schmaler. »Wenn du Kaffee so eklig findest, warum trinkst du ihn dann?«

Verständnislos reißt sie den Mund auf.

Okay, das war zwar ein schlagfertiger Konter, aber besser gemacht habe ich die Situation damit auch nicht, stelle ich fest.

Ich fasse mir an die Stirn und will mich besinnen.

Einatmen. Ausatmen.

Was hat Melanie gestern Abend gesagt? Ich soll selbst mal die Initiative ergreifen. Auch wenn es darum geht, neue Freundschaften zu schließen, und dass manchmal schon ein kleiner Schritt reicht.

Lächle stets und du bekommst viel zurück. Das hat schon meine Oma gesagt. Selbst wenn du angegangen wirst.

In der Zwischenzeit hat Ricarda sich einer ihrer Freundinnen zugewandt hat und schimpft vor dieser darüber, was aus ihrer schicken, teuren Bluse geworden ist. Den leeren Pappbecher, von dem noch etwas Kaffee tropft, hat ihr einer der Kerle abgenommen und hält ihn für sie.

»Hey«, sage ich und achte auf einen sanften Tonfall.

Keine Reaktion.

Also räuspere ich mich, gehe einen Schritt auf Ricarda zu und werde lauter: »Hey!«

Nun hat sie keine Wahl mehr und kann mich nicht länger ignorieren. Also dreht sie sich zu mir und wirft mir einen genervten Blick zu. »Was ist?«

Dadurch kostet es mich erst recht Überwindung, besonnen zu bleiben, doch ich will es versuchen. »Tut mir leid, dass wir zusammengestoßen sind, Ricarda«, beginne ich mit ruhiger Stimme und demütiger Miene. »Ich verstehe, dass dich deine versaute Bluse ärgert.«

»Du weißt, wer ich bin«, stellt sie zufrieden fest. Einer ihrer Mundwinkel zuckt nach oben.

»Natürlich. Ich bin letztes Semester neu ans College gekommen und habe deine Willkommensrede gehört. Sie war sehr inspirierend, dein Elan hat mich richtig angesteckt.«

Kurz scheint sie zu überlegen, ob sie mir glauben soll. »Wirklich?«

Entschlossen nicke ich. »Ja. Jedenfalls trägt keiner von uns Schuld an dem, was eben passiert ist. So etwas kommt vor.«

Ricarda erstarrt zu Eis. Mit einer solchen Antwort hat sie wohl nicht gerechnet.

Um ihr zu zeigen, dass ich es ernst meine, bringe ich ein Lächeln hervor.

Endlich regt sie sich wieder. »Stimmt schon«, meint sie und zuckt mit den Schultern. »Die Bluse lässt sich waschen.«

Erleichtert atme ich auf.

Als sie sogar mein Lächeln erwidert, ändern auch ihre Freunde die Körperhaltung.

Ich murmle noch ein »Gut« und wende mich ab zum Gehen.

»Wie heißt du eigentlich?«, ruft Ricarda mir hinterher.

Also sehe ich sie wieder an. »Ann.«

»Zweites Semester, sagst du?« Mit schiefgelegtem Kopf mustert sie mich.

»Genau. Und selbst?«

»Viertes. Welches Fach?«

»Soziologie.«

»Ich auch.« Sie kommt näher und ihr Augenmerk fällt auf das Buch, das ich halte. »Ist damit alles in Ordnung?«

Ich blicke auf das schwere Ungetüm hinunter, das ich mit mir herumschleppe. »Äh, ja.«

»Gut. Dann klemm es dir unter den Arm.«

Meine Augenbrauen schnellen nach oben. »Wieso?«

»Weil du jetzt dein Handy herausholen und meine Nummer speichern wirst«, sagt sie wie selbstverständlich.

»Falls ich Fragen habe?«, wundere ich mich und gehorche, indem ich längst einen Kontakt mit ihrem Namen anlege.

Sie nimmt mir das Smartphone aus der Hand und tippt ihre Nummer ein.

»Unter anderem.« Mit diesen Worten gibt sie es mir zurück.

In der nächsten Sekunde wendet sie sich ab und geht. Ein paar der anderen folgen ihr sofort.

Mit einem Schmunzeln sehe ich ihr nach, dann packe ich das Handy weg und setze mich kopfschüttelnd, aber lächelnd in die entgegengesetzte Richtung in Bewegung.

Irgendetwas hat diese Ricarda an sich, das mich neugierig macht. Anstatt dass sich das zwischen uns weiter hochgeschaukelt hat, habe ich jetzt ihre Nummer.

Weil ich die Initiative ergriffen habe, würde Melanie jetzt sagen! Verdammt, sie hatte wirklich recht.

Womöglich sollte ich das dann auch bei Max tun.

2. Kapitel

Jonah

»Verdammt«, entfährt es mir und ich falte die Hände hinterm Kopf, während ich mich zurücklehne.

Entgeistert betrachte ich weiter das Trauerspiel, das ich vor der Nase habe:

Ann.

Wie sie auf und ab geht.

Und mit ihrer engsten Schulfreundin telefoniert.

Nicht, dass ich etwas dagegen habe, wenn sie mit Melanie spricht, aber damit ist der Abend gelaufen.

So. Ein. Mist.

Kopfschüttelnd erhebe ich mich und wende mich vom schwebenden Spiegel ab.

»Lass mich raten«, sagt Hyde sofort, als er durch die Halle des Sehens schreitet und mich erblickt. Mit mitleidiger Miene kommt er auf mich zu. »Es gibt nichts Neues.«

Leicht drücke ich die Lippen zusammen. »So ist es. Sie haben sich schon wieder nicht geküsst.«

»Überhaupt nichts?«, fragt er und prüft den Glanz seiner Fingernägel.

»Nichts Romantisches.« Frustriert entlasse ich ein Knurren. »Dabei war ich mir sicher, dass Max endlich der Richtige ist! Schließlich habe ich nicht aus Spaß dafür gesorgt, dass sich die beiden über den Weg laufen und in ein Gespräch verwickelt werden.« Ich schnaufe genervt über den Ausgang von Anns Date. »Auch heute habe ich alles gegeben, verstehst du? Ich habe ihnen eine leichte Brise geschickt – und alles Mögliche. Sogar Glühwürmchen!«

»Glühwürmchen, echt?«

»Ja! Und was ist? Nichts! Ich bekomme echt einen zu viel.«

»Armer Jonah«, meint Hyde und legt den Arm um meine Schulter. »Da gehörst du schon zu den wenigen Feen, die eine besonders starke Verbindung zu einem bestimmten Menschen haben, und kannst sie nicht nutzen.«

»Es ist doch immer wieder erfrischend, wie oft du mich daran erinnerst«, bringe ich ihm grummelnd entgegen und befreie mich aus seinem Griff.

»Im Ernst! Überleg mal. Was bringt dir deine intensive, seltene Verbindung zu dieser Menschenfrau, wenn sie nicht macht, was sie soll? Genau – nichts!« Hyde verschränkt die Arme – was er nur zu gerne tut, um seine definierten Muskeln zur Schau zu stellen. »Zugegeben, vor zehn Jahren bin ich neidisch auf dich gewesen, mein Freund. Aber jetzt?«

Aus irgendeinem Grund fühlt sich mein bester Freund ein weiteres Mal dazu verleitet, den Arm um mich zu legen, und mich damit von meinem Platz zu ziehen. Gemeinsam schlendern wir durch die Halle des Sehens, vorbei an unzähligen schwebenden Spiegeln, in denen wir die Menschen beobachten können.

»Ja?«, hake ich nach, weil Hyde nichts mehr sagt, sondern einer hübschen Mero, an der wir vorbeigehen, hinterhersieht.

Da wendet er sich wieder mir zu. »Was ist?«

»Du wolltest auf irgendetwas hinaus.«

Hyde holt Luft, als wüsste er nicht, wie er es am besten sagen sollte. »Lass es mich so anfangen, Jonah: Wie lange beschäftigst du dich jetzt schon mit dieser Ann?«

Ich zucke mit den Schultern und hebe damit Hydes Arm an, der noch immer auf mir ruht, als würde er mich unter seine Fittiche nehmen. Dabei ist er genauso jung wie ich.

»Seit du denken kannst«, hilft er mir auf die Sprünge und fährt sich mit der freien Hand durchs schwarze, lockige Haar, was seinen vielen Goldschmuck, den er fast schon so sehr liebt wie seine Muskeln, klimpern lässt. »Jahr für Jahr versuchst du bei ihr dein Glück. Und zwar mit allem, was du hast, mein Freund. Ich meine, wie oft siehst du ihr zu?«

Ich ziehe die Brauen hoch, unfähig darauf eine Antwort zu geben.

»Wie viele Stunden waren es allein heute?«, will er wissen.

»Ich muss vorbereitet sein«, verteidige ich mich und ducke mich aus seinem Griff. »Und sie gut kennen. Damit ich weiß, wann ich eingreifen soll.«

Ungläubig sieht Hyde mich an und reibt sich den gestutzten Vollbart. »Und deswegen musst du zusehen, wenn sie einen Film guckt oder Musik hört und dazu tanzt?«

Seite an Seite schreiten wir durch die größte aller Hallen des Sehens. An den Seiten des Ganges reihen sich unzählige schwebende Spiegel aneinander, vor denen jeweils eine Sitzgelegenheit aus geschlagenem Stein, der von Bergkristall durchwachsenen ist, steht. Vereinzelt sitzen Feen auf diesen und beobachten die verschiedensten Menschen. Die wenigsten von ihnen arbeiten so lange wie ich, das weiß ich, auch ohne dass Hyde mich daran erinnern muss. Mein Blick wandert über die sehenden Spiegel hoch zu den Gesteinswänden, die ebenso grau sind wie die restliche Umgebung. Man könnte das Reich, in dem wir leben, daher tatsächlich als trist bezeichnen, da sich unser Volk im Gebirge von Argenvin angesiedelt hat. Zumindest wenn man den vielen weiß schimmernden Bergkristall außer Acht ließe, der hier und dort das gräuliche Gestein auflockert. Ebenso wie die Tatsache, dass wir hier am besten vor wilden Tieren oder auch gewissen anderen Gefahren geschützt sind.

»Zufälligerweise haben Ann und ich denselben Geschmack, was solche Dinge angeht«, entgegne ich. Und ich muss zugeben, dass ich nicht selten die Zeit vergesse, wenn ich Ann durch ihren Alltag begleite. »Was spricht dagegen, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden?«

»Sehr viel, mein Freund, denn du könntest dich in der Zeit locker mit hundert anderen Menschen befassen. Mit irgendwelchen Seelen, die … unkomplizierter sind.«

Das Seufzen, das ich daraufhin von mir gebe, ist die einzige Antwort, die ich Hyde gebe. Schließlich führen wir dieses Gespräch nun schon zum x-ten Mal.

Unterdessen gehen wir gerade an einem besonders großen schwebenden Spiegel vorbei, vor dem sich ein Dutzend Unseresgleichen versammelt hat und mitfiebernd das Geschehen verfolgt. Das passiert hin und wieder, wenn sich in der Liebesgeschichte zweier oder mehrerer Menschen eine überraschende Wendung zeigt.

»Sieh mich an!« Plötzlich bleibt Hyde stehen, stellt sich breitbeinig vor mich und bringt mir mit seinen strahlend weißen Zähnen ein breites Grinsen entgegen. »Ich habe keine besondere Verbindung zu einem Menschen, und doch strotze ich vor Niwwa! Weil ich auf Masse statt Klasse setze und täglich vielen x-beliebigen Menschen Gutes tue. Das solltest du auch mal versuchen.«

Aus meinem Seufzen wird ein Schnaufen. »Danke für den Tipp. Zum tausendsten Mal. Ohne dass ich dich darum gebeten habe.«

»Weswegen ich eigentlich hier bin«, fährt er fort. »Kommst du mit in die Arena? Da kämpfen gleich sechs Runi gegeneinander – das muss ich sehen. Und danach können wir einen Happen essen gehen. Bei Belyor gibt es heute Kürbis in sämtlichen Variationen.«

Hyde steuert bereits auf den Ausgang der Halle des Sehens zu, hinter dem man die Abenddämmerung erkennen kann. Er scheint fest davon auszugehen, dass ich ihn nach draußen begleiten werde. Doch ich bleibe stehen und wende mich einer Reihe mit schwebenden Spiegeln zu. »Dann lass uns in zwei Stunden beim Lokal treffen«, schlage ich vor. »In die Arena musst du allerdings ohne mich gehen.«

»Wieso?«

»Weil ich erstens keine Lust habe, sechs Runi dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig zerfleischen.« Warum machen Runi das eigentlich ständig? Lieben sie es so sehr, sich vor uns Mera zur Schau zu stellen?

»Und zweitens?« Er folgt mir zu einem der freien Spiegel.

Ich verziehe den Mund und lasse mich auf dem aus Bergkristall gefertigten Stuhl nieder. »Wie du schon sagtest: Ich muss Überstunden machen.«

Erneut wagt Hyde es, einen mitleidigen Blick aufzusetzen. »Ich sage ja: Du gehst das falsch an, mein Freund. Würdest du meinem Rat folgen, hättest du längst Feierabend.«

»Irgendwann wird es mit Ann klappen und dann bekomme ich mehr Niwwa, als du dir in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst«, gebe ich verheißungsvoll von mir. »Ich weiß, was ich tu. Du wirst schon sehen.«

Das spüre ich.

Ann wird mich nicht enttäuschen.

3. Kapitel

Ann

Vertieft sitze ich vor dem Fenster am Schreibtisch und lese in dem alten Buch, das ich mir aus der Bibliothek besorgt habe. Am Laptop läuft das neueste Album von Ed Sheeran und auf der Fensterbank steht eine Tasse, auf der »Beste Tochter der Welt« in Schreiblettern geschrieben steht. Aus dem dampfenden Gefäß riecht es angenehm nach Pfefferminze. Auch wenn die Farbe schon langsam bröckelt, erinnert mich die Tasse und der Duft an zu Hause. Leicht wippt mein Fuß zum Takt der Musik, während ich die Nase in die Fachlektüre gesteckt halte. Dass andere Studenten vor mir mit Bleistift und teilweise sogar mit Textmarker ins Buch gekritzelt haben, versuche ich auch heute zu ignorieren. Irgendwann habe ich es aufgegeben, mich darüber aufzuregen, wie respektlos manche Menschen Bücher behandeln – insbesondere alte Exemplare, die ihnen nicht gehören. Ich hingegen schreibe mir alles Wichtige handschriftlich in mein Notizbuch.

Als das nächste Lied von Ed Sheeran erklingt, muss ich an Ricarda denken. Vielleicht weil ich gerade das Buch durcharbeite, das mir heruntergefallen ist, als wir zusammengestoßen sind. Das ist inzwischen mehrere Tage her und seitdem bin ich ihr auch nicht noch einmal auf dem Campus begegnet. Da ich bereits einige Stunden am Schreibtisch sitze, klappe ich das Buch zu und betrachte den abgegriffenen Schutzumschlag.

Wenn ich ihr ohne Grund schreiben möchte, warum tu ich es dann nicht einfach?, kommt es mir in den Kopf. Diese Frage würde mir vermutlich Melanie jetzt stellen, wenn sie hier wäre.

Also nehme ich das Smartphone in die Hand und öffne den Chat. Wie ich es schon oft getan habe, erstelle ich ein neues Fenster mit Ricardas Kontakt und sehe, dass mir kein Profilbild angezeigt wird. Doch diesmal will ich es nicht dabei belassen.

Hey, hier ist Ann. Jetzt hast du meine Nummer. :-)

Ich setze noch ein Daumen-hoch-Emoji dahinter und schicke die Nachricht ab. Dann lege ich das Handy weg und will mich wieder dem Lernen widmen. Kaum habe ich das Buch aufgeklappt und die nächsten paar Zeilen gelesen, vibriert mein Smartphone und das Display leuchtet auf. Ich sehe nach und stelle fest, dass Ricarda mir geantwortet hat:

:-)

Nur ein Smiley. Mehr nicht. Aber sie ist noch online und nun kann ich ihr Profilfoto sehen. Sie hat mich also zu ihren Kontakten hinzugefügt.

Ich klappe abermals das Buch zu und fotografiere das Cover, um Ricarda das Bild zu schicken, gefolgt von:

Hast du das im zweiten Semester auch durchgenommen?

Es dauert nicht lange und mir wird angezeigt, dass sie etwas tippt. Sie schreibt:

Ja, aber nur kurz. Bei welchem Prof sollst du es lesen?

Ich antworte:

Miller

Wieder tippt Ricarda.

Bei dem war ich auch. Dann brauchst du nur die Einleitung. Der Rest …

– und dann schreibt sie die drei magischen Worte –

… ist nicht prüfungsrelevant.

Ich lächle.

Wirklich?

Ricarda ist wieder dran:

Hol dir die gleichnamige Ausgabe, die zwanzig Jahre jünger ist. Die ist von einer anderen Wissenschaftlerin und passt besser zum Kurs.

Ich schreibe zurück:

Danke!

Sie tippt:

Kein Problem. Ich lasse andere gerne von meiner grenzenlosen Weisheit profitieren. ;-)

Damit bringt sie mich zum Lachen. Nun fliegen meine Finger über die digitale Tastatur.

Hab tausend Dank, o weise Ricarda. :-D Ich werde mir das Buch gleich morgen besorgen.

Ich sende ihr noch einen Daumen hoch und prompt schickt Ricarda mir das gleiche Emoji zurück.

Als die Angabe online unter ihrem Namen verschwindet, lege ich das Handy beiseite. Ich schlage das Buch zum Einleitungskapitel auf und will es noch einmal aufmerksam lesen.

Eine Dreiviertelstunde später klingelt es an der Tür. Da es kurz nach vier ist, weiß ich genau, um wen es sich handelt. Gelassen lege ich den Stift weg und erhebe mich vom Stuhl.

Ich pausiere die Musik am Laptop, gehe zur Gegensprechanlage und drücke auf den Knopf. »Na?«

»Rate mal, wer hier ist!«, ertönt eine freudige Frauenstimme aus dem Lautsprecher.

»Pünktlich wie immer, Mom.« Mein Zeigefinger landet auf dem anderen Knopf, womit ich die Haustür entriegele.

Wenige Sekunden später sind Schritte im Treppenhaus zu hören. Ich ziehe die Apartmenttür auf und will meine Mutter wie verabredet in Empfang nehmen, doch stattdessen prescht ein kleines, rotbraunhaariges Etwas auf mich zu. Mehr als überschwänglich fällt es mir in die Arme und ruft: »Juhuuuuu, Ann!«

So wenig, wie ich darauf vorbereitet gewesen bin, taumele ich nach hinten und habe Mühe, das Gleichgewicht zu halten. »S-Sam … «, ächze ich und schaffe es gerade noch, ihn abzufangen und zu einem sicheren Stand zurückzufinden.

»Ann, hallo! Wie geht’s dir, was machst du, wann rufst du mich mal an, was gibt es bei dir Neues, was macht dein Studium?« So fest, wie er kann, presst er mich an sich.

Gequälte Geräusche verlassen meinen Mund. »Ist ja gut.«

Ich tätschele ihm den Rücken und versuche ihn dann von mir loszumachen, doch mein kleiner Bruder klebt an mir wie eine Klette. »Du erdrückst mich.«

»Dann müsstest du wenigstens nicht zur nächsten Prüfung«, kommentiert Mom und geht zwinkernd an uns vorbei, um das Apartment zu betreten.

»Du hast ihn mitgebracht«, spreche ich das Offensichtliche aus und lasse einen dezent vorwurfsvollen Ton mitschwingen. Humpelnd folge ich ihr in die Wohnung und ziehe Sam mit hinein.

Du weißt doch, wie sehr er dich momentan vergöttert, lese ich in ihren Augen.

»Ann!«, ruft Sam noch mehrere Male euphorisch und beteuert, wie sehr er mich vermisst hat. Dabei ist unsere letzte Begegnung erst ein paar Tage her, denn ich bin übers Wochenende in Kennewick gewesen.

»Sam … «, gebe ich leidend von mir und befinde mich noch immer in dem schwierigen Unterfangen, mich aus seinem Klammergriff befreien zu müssen. »Machst du die Tür zu, bist du so lieb?«

Da lässt er endlich von mir ab.

»Okay!« Mit funkelnden Augen stürmt er zur Tür und macht sie zu.

Wenigstens darauf kann ich noch zählen, geht es mir durch den Kopf. Ein Neunjähriger ist nicht nur aufgedreht, sondern hat auch eine erstaunlich kurze Aufmerksamkeitsspanne.

»Auftrag ausgeführt!« Er streckt die Brust raus und salutiert.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Sehr schön.«

»Und?«, lenkt Mom meine Aufmerksamkeit auf sich und sieht sich um. »Hast du dich inzwischen gut eingelebt?«

»Ja, ich … au!«