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Die Kreuzzüge waren eines der großen mittelalterlichen Projekte des Abendlandes, und insbesondere die logistischen Fähigkeiten waren in hohem Maße gefordert. So mussten unzählige Ritter, die oft genug keinerlei maritime Erfahrung hatten, über große Entfernungen verschifft, ernährt und ärztlich behandelt werden. Das Seewesen wurde dadurch enorm modernisiert, und die spätere Entdeckung der Weltmeere vorbereitet. Das Buch stellt dieses faszinierende Kapitel der Seefahrt vor und zeigt detailreich die zahlreichen Aspekte dieser frühen Form von »Kreuzfahrt«.
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Seitenzahl: 447
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Georg-Michael Fleischer
Ritter auf dem Meer
Seemacht und Seewesen zur Zeit der Kreuzzüge
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Impressum
248 Seiten mit 62 Abb.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2011 by Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt/Mainz
ISBN: 978-3-8053-4409-8
Lektorat: Stephanie Brecht, München / Andrea Rottloff, Gersthofen
Gestaltung: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau
Umschlaggestaltung: Ines von Ketelhodt, k und m design, Flörsheim am Main
Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Konvertierung: Koch, Neff & Volckmar GmbH,KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.
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Inhaltsübersicht
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Inhaltsübersicht
Vorwort
I. TEIL: SEEMACHT AM MITTELMEER VON DEN URSPRÜNGEN BIS ZU DEN KREUZZÜGEN
Handlungsraum Mittelmeer
Wiege der Kulturen
Meeresräume und Küsten
Klima und Winde
Der Ursprung aller Seefahrt
Am Anfang – Bronzezeitliche Mittelmeerschifffahrt
Griechen, Punier, Römer – Seefahrt in der Antike
Neue maritime Machtzentren am Mittelmeer
Kampf um die Vorherrschaft auf See
Der wankende Riese – Seemacht Byzanz
Vom Kamelrücken aufs Meer – die arabische Seemacht
Fischerhäfen werden zur Seemacht – die italienischen Seerepubliken
Seestädte in Frankreich und Spanien – Konkurrenz der Italiener
Eroberer aus Westeuropa – die Normannen in Italien und Sizilien
Geißel der Meere – die Piraten
II. TEIL: SEEMACHT UND SEEGELTUNG IM GANG DER GESCHICHTE (1096–1291)
Prolog: Die Kreuzzüge – eine Seefahrtsgeschichte?
Seekriegshandlungen und Schiffsbewegungen während der ersten Kreuzzüge (1096–1204)
Es ging immer über das Wasser
Hilfe kam vom Meer – der erste Kreuzzug (1096–1099)
Nabelschnur nach Europa – die Eroberung der Levantehäfen
Flottenoperationen und Seegefechte des zweiten Kreuzzuges (1147–1149)
Hundert Segel vom Atlantik – der dritte Kreuzzug (1189–1192)
Venezianische Schiffe nach Konstantinopel – der vierte Kreuzzug (1202–1204)
Europas letzte Aufgebote (1217–1291)
Der fünfte Kreuzzug – Damiette (1217–1221)
Der säumige Ritter – Kaiser Friedrich II. im Heiligen Land (1228–1229)
Die Fahrten Ludwigs des Heiligen – der sechste und siebte Kreuzzug (1248 und 1270)
Outremers Ende – der Fall von Akkon 1291
Seekriegshandlungen außerhalb der Kreuzzüge
Seemacht an der Levanteküste (1149–1189)
Palästinas Griff nach Ägypten
Normannisch-sizilianische Seemacht im 12. Jahrhundert
Maritimes Machtstreben der italienischen Seerepubliken
Die Seekriege der Händler (1257–1299)
III. TEIL: SEEWESEN IM MITTELALTER
Die Schiffe der Kreuzfahrerzeit
Ruder und Segel – Entwicklungen in Nordeuropa und im Mittelmeer
Besegelte Ruderschiffe – Galeeren und andere Schiffstypen
Rundschiffe – Navis, Nef und Nao
Mittelalterliche Landungsboote – die Pferdetransporter
Anker, Beiboot und Wurfmaschinen – Schiffsausrüstungen
Wege in ein neues Zeitalter – die nautische Revolution des Mittelalters
Mediterranes Seewesen im Hochmittelalter
Was ist Seewesen?
Der Weg nach Palästina: Reisezeiten, Schifffahrtsrouten, Reiseumstände
Venedig – Palästina und zurück: Handels- und zivile Schifffahrt
Pfeffer war wie Geld – Handelswaren und Verpackungen
Schifffahrtsgesetze – Entwicklung des mittelalterlichen Seerechts
Die früheste Sachversicherung – Seeversicherungswesen
Mit Handbeil, Blocksäge und Bohrer – Schiffbau und Werften
Erkennung auf See – Seesignale
Der sichere Weg übers Meer – Navigation, Seekarten, Lotsenwesen
Seefahrt der Jerusalempilger
Pilgertransporte über See vor den Kreuzzügen
Das Passagium – die großen Jahrhunderte der Pilgerfahrten (1150–1450)
Souvenirs und Beute – die Mitbringsel der Kreuzfahrer und Pilger
Das Leben an Bord
Was gehörte auf die Reise
Lebensverhältnisse auf den Schiffen – unglaubliche Enge und schlechter Geruch
Trinkwasser und Schiffszwieback – Ernährung an Bord
Von Seekrankheit und Ungeziefer – Krankheiten an Bord
Bader und Chirurgen – Die medizinische Versorgung an Bord
Die Heimkehr der Toten – Verstorben an Bord und auf der Pilgerfahrt
IV. TEIL: ANHANG
Zeittafel
Bibliographie
Tabellen
Anmerkungen
Abbildungsnachweis
Register
Für Carola
„Nur der ist etwas, der etwas liebt“
(Ludwig Feuerbach)
Die Literatur zu den Kreuzzügen ist Legion – ob Roman, Sachbuch oder wissenschaftliche Abhandlung, alles ist von vielen Seiten beschrieben, ausgeleuchtet und untersucht worden. Was erstaunlicherweise bislang fehlt ist eine Seefahrtsgeschichte aus dieser Zeit von etwa 1050 bis 1300, die von den Historikern als Hochmittelalter bezeichnet wird. In den einschlägigen maritimen Werken sind die entsprechenden Kapitel sehr kurz und die mittelmeerische Schifffahrt wird zumeist auf das späte Mittelalter fokussiert, das aus marinehistorischer Sicht mit den großen geographischen Entdeckungen auf den ersten Blick sehr viel spektakulärer erscheint. Dabei ist wenig beschrieben oder sogar bisher kaum beachtet worden, dass in dem genannten Zeitraum der Ursprung wesentlicher Grundlagen des Seeverkehrs, wie beispielsweise das Seesignalwesen, die Wurzeln des Seerechts, der Seeversicherungen, der Kartographie und vieles andere, zu finden ist. Die Seeschifffahrt hat während der Kreuzzüge eine entscheidende Rolle für den Verlauf der militärischen Unternehmungen gespielt und mehrfach den Verlauf der Geschichte beeinflusst. Mit riesigen Flotten von mehr als zweihundert Schiffen und Zehntausenden von Menschen, die nach Palästina unterwegs waren, nahm das Seetransportwesen gigantische Formen an. Gewaltige Geleitzüge von großen Rundschiffen umschwärmt von zahlreichen Galeeren, die Geleitschutz gaben, transportieren Waren, Kriegsmaterial und vor allem Menschen zwischen Europa und den Nahen Osten. Für den Transport der wertvollen Kampfrosse der Ritter wurden neuartige Schiffstypen, die Vorläufer der heutigen Landungsboote, auf Kiel gelegt.
Erstmalig hat der Verfasser die zeitgenössischen Mitteilungen über den Verlauf der Kreuzzüge, z. B. des Albert von Aachen, Fulcher von Chartres, Wilhelm von Tyrus oder der französischen Berichterstatter des Vierten Kreuzzugs auf ihren marinehistorischen Gehalt untersucht. Dazu wurden auch die mittelalterlichen Pilgerberichte der Reisen ins Heilige Land aus seefahrtsgeschichtlicher Sicht ausgewertet und die Reisewege der Pilger bis hin zu den Massenfahrten beschrieben. Wenn bis zu tausend Menschen über mehrere Wochen auf einem etwa dreißig Meter langen Schiff zusammenleben mussten, sind Probleme aller Art, bis zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, unvermeidlich. Aus all dem konnte hier eine Seefahrtsgeschichte aus der Zeit der Kreuzzüge vorgelegt werden.
Längst nicht alles, was dabei an interessanten und erwähnenswerten Fakten zutage trat, konnte im Text Aufnahme finden. Um dem Leser nicht zu sehr mit Einzelheiten zu konfrontieren, wurden die Anmerkungen jeweils an den Schluss der Hauptteile gestellt, sodass die Hinweise von hier weiter verfolgt werden können. Das Buch wendet sich in erster Linie an den an der Seefahrtsgeschichte und der mittelalterlichen Geschichte interessierten Leser, nicht an den Historiker, auf deren wohlwollende Toleranz der Verfasser hofft, finden doch die von ihnen erhobenen Daten hier vielfältige Erwähnung.
Georg-Michael Fleischer
Kloschwitz bei Plauen/Vogtland
im Sommer 2011
I. TEIL
SEEMACHT AM MITTELMEER VON DEN URSPRÜNGEN BIS ZU DEN KREUZZÜGEN
Bindeglied und Grenze, Verkehrsweg und Hindernis – zwischen Asien, Afrika und Europa gelegen, war und ist das Mittelmeer stets Mittler der Kulturen verschiedenartiger Welten. Geprägt von einem umgebenden schmalen und einzigartigen milden Klimagürtel (mediterranes Klima), hat sich eine eigene Fauna und Flora entwickelt; zusammen war dies immer ein Ort der Begehrlichkeiten, der mehrfach einen eigenen Drang der nördlich siedelnden Völker nach Süden ausgelöst hat. Kaum irgendwo anders waren Geographie und Geschichte eine so prägende Symbiose eingegangen wie in dieser Region, selten waren symbolträchtige Ereignisse in einer solchen Fülle und Bedeutung für historische Entwicklungen der Menschheit eingetreten. Wirtschaftliche, merkantile, politische und maritime Evolutionen erhielten schon immer von diesen teilweise verschwenderisch ausgestatteten Küstengebieten1 mächtige Impulse. Im Laufe der Jahrtausende gab es in diesem brodelnden Kessel immer neue Anziehungs- und Sammlungspunkte von neuen Völkern und Kulturen und sie machten die verschiedenen Regionen ihrer Küsten zeitweilig zum historisch lebhaftesten Gebiet unserer Erde.
Unerlässlich für die Entwicklung als gemeinsamer kulturgeographischer Lebensraum war die Eroberung des Meers als Lebensader der Kommunikation und des wirtschaftlichen und kulturellen Austauschs der verschiedenen Völker. Die Betrachtung eines umschriebenen Zeitraums und geographischen Gebiets maritimer Entwicklungen ließ es unerlässlich erscheinen, auf die Jahrtausende währende regionale Seefahrtsgeschichte mit all ihren vielfältigen Auswirkungen hinzuweisen. Wie so oft bei historischen Betrachtungen blieb auch hier die Feststellung, dass vieles, wenn auch in abgewandelter Form, bereits längst vergangene und teilweise fast vergessene oder noch weitgehend unbekannte Kulturen erträumt, erdacht und sogar praktiziert haben. Geographische Besonderheiten, kulturelle Eigenarten und technische Fortschritte ermöglichten auch in der Weiterentwicklung auf maritimem Gebiet neue Wege und Entdeckungen, diese waren dann wiederum die Basis für ganz andere Wege – die mittelmeerische Schifffahrt im Hochmittelalter kann letztlich als die Wiege der großen geographischen Entdeckungen im späten 15., 16. und 17. Jahrhundert angesehen werden. Um mit Joseph Conrad zu sprechen, war
„..das Mittelmeer die ehrwürdige (und manchmal schrecklich mißgelaunte) Kinderfrau aller Seefahrer..“2
Geologisch gesehen ist das Mittelmeer ein in west-östlicher Richtung verlaufender tiefer Graben, der an seiner tiefsten Stelle im Ionischen Meer 5267 m erreicht. Tektonisch besteht durch das Zusammentreffen mehrerer Platten immer noch eine große Aktivität, zahlreiche aktive Vulkane bestimmten das Leben der Menschen in ihrem Einflussbereich. Landschaft und Geschichte am und um das Mittelmeer wurden durch spektakuläre Vulkanausbrüche geprägt – seit Pindar und Aischylos über den Ausbruch des Ätna 475 v. Chr. berichteten, kennen wir die Darstellungen zahlreicher Schriftsteller; am bekanntesten sind die Ausbrüche des Vesuvs, der 79 n. Chr. Pompeji und Herculaneum unter seinen Lavamassen begraben hat. Wenn auch wissenschaftlich höchst umstritten ist, ob die minoische Kultur durch die Folgen des gewaltigen Vulkanausbruchs zerstört wurde, der die Insel Santorin, das antike Thera, um das Jahr 1450 v. Chr. zur Hälfte in die Luft gesprengt hat, so ist dies doch eine der möglichen Erklärungen. Der gewaltige Tsunami, den diese Explosion ausgelöst hatte, verführte durchaus zu den Gedanken, ihn mit den Legenden über die Sintflut in Verbindung zu bringen – war doch die Flutwelle mindestens doppelt so groß anzunehmen wie bei der Flutkatastrophe, die 2004 in Südostasien über 300 000 Menschen das Leben kostete.
Die topographischen Konstellationen teilen das Mittelmeer sowohl in der Nord-Süd-Achse als auch in der Ost-West-Richtung in äußerst gegensätzliche Hälften. Zieht man eine Linie von Korfu über die Straße von Otranto und Sizilien zur Nordküste Tunesiens, ist man im Westen im Okzident, im östlichen Teil des Meers im Orient.3 Große Kontraste zeigen die geologischen Formationen der Nord- und Südküste. Gewaltige Gebirge umschließen das Mittelmeer im Norden, teilweise fallen diese aus mehreren hundert Metern in das Meer ab: Die Pyrenäen mit den Bergketten Spaniens, die Alpen, die Apenninen, der Balkan, das Taurusgebirge bilden eine wirksame Barriere gegen die Kälte des Nordens. Abgesehen vom Atlasgebirge Nordafrikas und dem Libanon im Osten, die nur einen geringeren Teil des Meers abschirmen können, wird der Süden durch die größten Wüstengebiete der Erde begrenzt. Es ist eine wilde und lebensfeindliche Welt, die hier direkt an die Küste heranreicht, praktisch ein Meer aus Sand, deren Konvois zur Durchquerung der riesigen Flächen nicht aus Wasserfahrzeugen, sondern aus den „Wüstenschiffen“ der Kamelkarawanen bestehen. Nicht nur das Klima, auch die Menschen und Kulturen wurden von diesen gewaltigen Gegensätzen geprägt und es bleibt der Phantasie überlassen, wie weit bis heute bestehende feindliche Konfrontationen bereits in Urzeiten durch die Prägungen der Natur entfacht wurden.
Wie die Finger einer Hand ragen die großen Halbinseln in das Mittelmeer hinein: im Westen die Iberische Halbinsel, in der Mitte die Apenninen-Halbinsel und östlich die Balkan-Halbinsel mit der Peloponnes. Gemeinsam mit den großen Inseln Sardinien, Korsika, Sizilien, Kreta und Zypern teilen sie das einheitliche Meeresbecken in zahlreiche Nebenmeere, von denen die größten und bekanntesten das Balearen-Becken, das Tyrrhenische Meer, das Ligurische Meer, das Adriatische Meer (Adria), die Ägäis mit ihrer beispiellosen Inselwelt, das Ionische Meer und das Marmara-Meer sind. Für die an den Küsten der Buchten und Nebenmeere lebenden Menschen sind sie das „Mittelmeer“, bilden sie den mediterranen Lebensraum mit allen Besonderheiten, die die ihnen vertrauten Küsten zur Schau tragen.
Bei allen diesen Unterschieden der Lebensräume, die das Mittelmeer in den unterschiedlichen und teilweise weit auseinanderliegenden Regionen zu bieten hat, eint sie alle eine, schon buchstäblich gewordene Gemeinsamkeit – das Klima. Wenn wir von einem „mediterranen Klima“ sprechen, sind damit warme trockene Sommer und niederschlagsreiche, relativ milde Winter gemeint. Es ist das Produkt eines immerwährenden Kampfes zweier gigantischer Klimakonstellationen um die Vorherrschaft in dieser Region, wie sie gegensätzlicher kaum sein können. Riesige Tiefdruckgebiete sammeln sich im Winter über dem Atlantik und gelangen, beladen mit Feuchtigkeit, Welle auf Welle in östlicher Richtung über das Mittelmeer. Die Temperatur fällt, heftige Stürme wühlen das Wasser auf und tiefhängende Wolken treiben in Fetzen über die See. Wenn sich die winterlichen Einflüsse abschwächen, gewinnt die brennendheiße und trockene, von Süden her einströmende Saharaluft die Oberhand und verwandelt das ganze Mittelmeer in eine paradiesische Welt, die nahezu sprichwörtlich mit dem Begriff der Subtropen verbunden ist. Allerdings dürstet das Land rings um das Meer, je länger der Sommer dauert, nach Wasser und je weiter man nach Osten kommt, desto schmerzlicher ist die Trockenheit. Mit den ersten Schlechtwetterperioden ab Mitte Oktober, die den Regen bringen, schließt sich der Wetterkreislauf, der seit Jahrtausenden die Landschaften und das Meer charakterisiert.
In einer Zeit, in der das Segel die Hauptantriebskraft der Schiffe darstellte, waren die aus dieser Großwetterlage resultierenden Windverhältnisse von größter Bedeutung für die Schifffahrt. Einige typische Windkonstellationen machten seit alters her das Mittelmeer zu einem nicht ungefährlichen Meeresteil für die Schifffahrt. Vielleicht der bekannteste Wind, den die Seefahrer auch schon im Mittelalter fürchteten, war der Mistral: Geboren aus einem Hochdruckgebiet über der Biskaya und einem Tief im Golf von Genua, entstand ein Luftdruckunterschied von mehr als 15 hp und es floß nördliche Polarluft durch das Rhone-Becken nach Süden. Pyrenäen und Alpen wirkten wie eine Düse, die eine Beschleunigung der Luftmassen veranlasste, so entstanden, oft am Vormittag, ganz plötzlich hereinbrechende hohe Windgeschwindigkeiten, die insbesondere Schiffen unter Segeln äußerst gefährlich werden können. Aus einer ähnlichen klimatischen Situation entwickelte sich die Bora, die schon immer in der Adria für die Seefahrt bedrohlich war und ebenso plötzlich von Osten her über die See hereinbrach. Sie konnte mit Frost und Schneestürmen einhergehen und in den Böen schwere Sturmstärken erreichen, wenn die sehr kalte Kontinentalluft aus den Karsttälern Kroatiens als Fallwinde die Adria erreichten. Von den ersten Anzeichen bis zum Eintreffen der orkanartigen Stürme blieben den Seeleuten oftmals weniger als 30 Minuten, um einen schützenden Hafen zu erreichen oder wenigstens die Segel zu reffen.
Weniger dramatisch, ja sogar als angenehmer Schönwetterwind aus nördlichen Richtungen, durchwehte der Meltemi in den Sommermonaten von Juni bis September die Ägäis, konnte allerdings auch über mehrere Tage ziemlich gleichmäßig bis zu acht Windstärken nach Beaufort (Bft.) erreichen. Die typische Wetterlage war ein stabiles Hoch über dem Balkan und ein beständiges Hitzetief über Zentral-Anatolien, an deren Rändern diese Winde (die von den alten Griechen Etesien genannt wurden) heiteres Wetter und gute, klare Sicht mit sich brachten. Ebenfalls ein warmer, nicht selten sehr heißer Wind kam von den Tiefdruckgebieten über der Sahara und wehte ziemlich beständig in nördlicher Richtung – der Schirokko. Da er recht gleichmäßig bläst und sehr selten Sturmstärke erreicht, war er für die Segelschifffahrt weniger gefährlich und schaffte durch sein Auftreten vom Frühjahr bis zum Herbst in dieser Zeit stabile Bedingungen. Im südlichen Mittelmeer brachte er sehr trockene und staubhaltige Luft mit, die sich jedoch bei längerem Weg über das Meer (nach Sizilien, Süditalien, Golfe du Lion) mit Feuchtigkeit aufladen konnte und damit für diesige und feucht-schwüle Verhältnisse sorgte (feuchter Schirokko), die von den Menschen als unangenehm empfunden wurden.
Es wird später noch darzustellen sein, dass die mediterrane Schifffahrt mit den hölzernen Galeerenflotten im Winter weitgehend eingestellt wurde und es zeigte sich auch in der historischen Betrachtung, dass die Missachtung der klimatischen Gegebenheiten, insbesondere durch die arabische Flottentaktik, zu schweren Verlusten, teilweise zum Verlust ganzer Geschwader führte. So scheiterte am 24. September 958 die gesamte fatimidische Flotte nach Einfällen in Kalabrien auf dem Rückweg nach Palermo kurz vor dem Ziel in einem schweren Sturm. Aber auch die damals noch wenig seeerfahrenen Römer verloren schon 255 v. Chr. auf der Rückfahrt von Afrika nach einem großartigen Sieg über die punische Flotte in einem schweren Sturm etwa 300 Schlachtschiffe mit mehr als 100 000 Mann Besatzung – einer der schwersten Schiffbrüche in der Geschichte der Seefahrt.
Die vorherrschen Windrichtungen im Mittelmeer während der bevorzugten Passagezeiten und die wichtigsten periodisch einfallenden Winde
Die oben dargestellte Großwetterlage stellte sich am Umschlag vom Sommer in den Herbst besonders dramatisch dar, weil eine aus unseren Breiten bekannte milde Spätsommerperiode fast vollständig fehlte; kamen die Galeerenflotten von ihren Expeditionen nicht rechtzeitig in die Häfen, gingen ganze Flottenabteilungen verlustig. Bereits zwischen dem 15. und 20. September traten die ersten heftigen, aus westlicher Richtung kommenden Luftströmungen auf. Der seit Jahrhunderten etablierten Seefahrernation Byzanz, vor allen ihren Kapitänen, waren – im Gegensatz zu den arabischen Seeleuten – die verschiedenen Wetter- und Klimawechsel durch zahllose Überlieferungen wohlbekannt, daher waren deren Verluste deutlich geringer. Das was man Jahrhunderte später als gute Seemannschaft bezeichnete, vielleicht auch die besseren Schiffe, erlaubten den byzantinischen Seeleuten, ähnlich wie später den Venezianern und Genuesen, auch unter ungünstigen klimatischen Bedingungen in See zu stechen. Ein Admiral der Kibyrrhaioten formulierte das so:
„Es gibt keine anderen Sterne, auf die der Seemann acht gibt (gewisse maritime Gefahrenperioden des Kalenders waren nach bestimmten Sternen benannt), und wirklich erfahrene Schiffleute beachten nicht einmal die oben genannten, sondern stechen in See, obschon das Meer stürmisch und das Wetter rauh, ja, am Tage des ungünstigen Sternes selbst.“4
Die große Hitze, die monatelang das Mittelmeer beherrschte, führte zur Verdunstung reichlicher Wassermengen, die durch die Zuflüsse aus den großen Strömen Nil, Po und Rhone und dem Zustrom aus dem Schwarzen Meer nicht gedeckt werden konnten. Die entscheidende Wasserzufuhr erfolgte aus dem Atlantischen Ozean, dadurch entstand eine ständige, wenn auch nicht ganz gleichmäßige Strömung, die es den Schiffen entscheidend erleichtert hat, mit Hilfe von Segel und Ruder das ganze Mittelmeer zu umfahren. Von Gibraltar verliefen die Strömungen entlang der nordafrikanischen Küste bis zur Levante5, wendeten sich nach Norden und umkreisten Zypern, die Ägäis und die Adria, gelangten durch die Straße von Messina (Scylla und Charybdis der alten Griechen), wo sie gefährliche Geschwindigkeiten erreichten, ins Tyrrhenische Meer und kehrten an den Küsten Frankreichs und Spaniens zurück zum Atlantik. So reichte der Tidenhub von 20 bis 40 Zentimetern zwischen dem Ionischen und Tyrrhenischen Meer, der im Abstand von sechs Stunden auftrat, um in der weniger als drei Kilometer breiten Straße von Messina die Strömung um fünf Knoten zu beschleunigen. Mit Unterstützung der Strömungen gelang es schon in alten Zeiten sogar gegen den Wind zu segeln.6 Als Gefahren für die Schifffahrt spielten allerdings Strömungen, ebenso wie die Gezeiten, im Mittelmeer keine gravierende Rolle.
„Als die ersten Boote vor 8000–9000 Jahren die Flussmündungen verließen und hinaus ins Meer glitten, begann die wahre Geschichte des Mittelmeerraums. Ganze Heerscharen, von Alexander dem Großen bis Mussolini fegten über seine Küsten hinweg, aber sein Schicksal bestimmten vor allen die Seemächte und der Seehandel“7
Viel früher als häufig bisher angenommen wurde, haben offensichtlich die Menschen von diesem Meer Besitz ergriffen, haben die einzigartige Chance dieses Verkehrsweges genutzt, um Handel und Gewerbe zu treiben.
„Im Höhepunkt der Bronzezeit hatten die Völker des westlichen Mittelmeeres einen klaren Begriff von der geographischen Gestalt der westeuropäischen Küsten am Atlantik und den an der Nordsee liegenden Ländern. Die Azoren, Madeira und die übrigen im Atlantik liegenden Inseln waren damals schon entdeckt, und bekannt. Große Gebiete in Afrika wurden regelmäßig besucht, und wahrscheinlich hat man den Erdteil schon damals umschifft. Es ist auch sehr wohl möglich, dass der Seeweg nach Amerika während der Bronzezeit entdeckt worden ist, damals, als die Seefahrt in ihrer höchsten Blüte stand…..“
schrieb der norwegische Schiffshistoriker A. W. Brøgger.8 Weit vor den Phöniziern, Karthagern, Griechen und Römern hatte die Seefahrt im Mittelmeer ihre erste Blütezeit erlebt, auf ägyptischen Grabreliefs waren 2000 v. Chr. schon kretische Schiffe dargestellt.
Bereits um 5000 v. Chr. ließ sich erstmals die Besiedelung der Insel Malta nachweisen, ebenfalls zu dieser Zeit verschaffte man sich in Sizilien wichtige Steine, der Obsidian aus Pantelleria war bereits im Neolithikum auf Sizilien, dem nahen Tunesien, aber auch auf Malta, in Süditalien und sogar am Golfe du Lion nachweisbar. Ebenso fand sich Obsidian aus Anatolien zu früher Zeit auch auf Zypern – es bestanden also bereits überseeische Verbindungen, ein regelmäßiger Seeverkehr konnte zu dieser Zeit aber noch nicht nachgewiesen werden.9
Mit Beginn der Bronzezeit, deren Anfangspunkt auf Kreta um das Jahr 3000 v. Chr. anzusetzen ist, musste schon ein reger Seeverkehr bestanden haben. Die Kreter verstanden es, Schiffe aus Zedernholz mit Kiel und Spanten zu bauen, die sowohl mit Rudern als auch mit Segeln angetrieben wurden und mit denen sie sich auf das Meer hinauswagen konnten. Offenbar waren sie zu diesem Zeitpunkt mit ihren seemännischen Fähigkeiten konkurrenzlos, so dass sie es nicht einmal nötig hatten, ihre Städte und Paläste in Ufernähe zu befestigen. So wurde die Insel der bedeutendste Umschlagplatz für die zur Bronzeherstellung erforderlichen Zinn- und Kupfererze – das Kupfer kam vor allem von der Kupferinsel des Altertums Zypern, die ihren Namen von ihrem Kupferreichtum herleitete (lat. aes cyprium). Die bedeutendsten Zinnvorkommen lagen in Nordwestspanien, in der Bretagne und vor allem auf der Halbinsel Cornwall in Britannien. Der Bedarf an neuen Rohstoffen in der Bronzezeit bestimmte seit dieser Zeit die Seewege.
Das Wissen um diese gewaltige Seeherrschaft (Thalassokratie), die viele Jahrhunderte, mindestens aber zwischen 2000 und 1400 v. Chr. Bestand hatte, ist gerade einmal 100 Jahre alt. Sir Arthur Evans, der den Palast von Knossos erforschte, legte den Grundstein für die Entdeckung der minoischen Hochkultur, die bis heute noch viele Rätsel aufgibt. Vieles sprach dafür, dass es sich bei den Minoern um eine friedliche „Seemacht“ handelte, deren Vormachtstellung möglicherweise auf ihrer technischen Dominanz im Schiffbau und ihrer überlegenen Seemannschaft begründet war.
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