Romana Exklusiv Band 186 - Michelle Reid - E-Book

Romana Exklusiv Band 186 E-Book

Michelle Reid

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Beschreibung

SÜSSE UNSCHULD von MATHER, ANNE
In der spanischen Winzerdynastie de Montoya ist es ein Skandal: Antonio will eine Engländerin heiraten! Umgehend fliegt sein Bruder Enrique nach London, um das Unerhörte zu verhindern. Doch als er Antonios Zukünftiger gegenübertritt, erkennt er schlagartig, was Liebe ist …

SIZIALIANISCHE VERFÜHRUNG von REID, MICHELLE
Sechs Wochen hat der sizilianische Unternehmer Giancarlo Cardinale Zeit, die Wahrheit herauszufinden: Will die bezaubernde Natalia wirklich die Ehe seiner Schwester zerstören? Höchstpersönlich kümmert er sich um die junge Dame - und verfällt ihr vollkommen.

MITTEN IM PARADIES von WINSPEAR, VIOLET
Die schöne Bliss fühlt sich wie im Traum: Auf der griechischen Insel Dovima genießt sie himmlische Stunden in den Armen des attraktiven Millionärs Lukas Angelos. Sie begehrt diesen Mann so sehr! Aber warum spricht der stolze Grieche nie von Liebe?

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Seitenzahl: 595

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Anne Mather, Michelle Reid, Violet Winspear

ROMANA EXKLUSIV, BAND 186

IMPRESSUM

ROMANA EXKLUSIV erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© by Anne Mather Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© by Michelle Reid Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© by Violet Winspear Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Fotos: Matton Images / gettyimages

© by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe ROMANA EXKLUSIV, Band 186 - 2009

Veröffentlicht im ePub Format im 02/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-603-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

ANNE MATHER

Süsse Unschuld

Es gilt einen Skandal zu verhindern: Antonio de Montoya – jüngster Spross einer spanischen Weindynastie – hat sich ganz unstandesgemäß mit einer Engländerin verlobt. Sein Bruder Enrique, Erbe der Weingüter, soll Cassandra die Hochzeit ausreden. Doch auch er kann sich dem zauberhaften Charme der süßen Engländerin nicht entziehen und begeht einen großen Fehler …

MICHELLE REID

Sizilianische Verführung

Sein Puls geht rasend schnell, als Giancarlo Cardinale der bezaubernd schönen Natalia gegenübersteht. Für sechs Wochen hat der sizilianische Unternehmer die junge Frau in seine Heimat eingeladen. Eigentlich nur, um herauszufinden, ob Natalia ein Verhältnis mit seinem Schwager hat. Ein kühl kalkulierter Plan, der plötzlich gefährlich ins Wanken gerät …

VIOLET WINSPEAR

Mitten im Paradies

Wie atemberaubend der Blick auf das türkisfarbene Meer ist! Dabei hatte es der schönen Bliss anfangs so gegraut, den griechischen Millionär Lukas Angelos hierher auf die kleine Insel zu begleiten. Schließlich hat sie ihn nur geheiratet, um ihrem Bruder aus der Klemme zu helfen. Doch jetzt spürt Bliss mitten im Paradies, wie viel Macht die Liebe hat …

Anne Mather

Süsse Unschuld

1. KAPITEL

Enrique bekam eine leichte Gänsehaut, als er frühmorgens um sechs auf den Balkon hinaustrat. Es hatte in der Nacht geregnet, und die Luft war noch kühl.

In London war es kalt und bedeckt gewesen, und er war gern nach Andalusien zurückgeflogen, wo er zu Hause war und wo im Juni der Himmel meist blau war und die Sonne warm schien. Und dann hatte er diesen Brief vorgefunden.

Ich sollte noch im Bett liegen, statt hier zu stehen und zu grübeln, überlegte Enrique ärgerlich. Er umfasste das Geländer des Balkons und runzelte die Stirn. Was passiert wäre, wenn sein Vater den Brief gelesen hätte, wollte er sich lieber nicht ausmalen. Er hatte ungeöffnet auf Julio de Montoyas Schreibtisch gelegen, und dort hatte Enrique ihn am Abend entdeckt.

Mit den Fingerspitzen berührte er die Blüten der Prunkwinde, die sich an den Säulen unterhalb des Balkons in die Höhe rankte. Die Regentropfen, die noch an den weißen Blüten hingen, schimmerten in allen Farben. Dann betrachtete Enrique den Jasmin und die Bougainvilleen, die ihre ganze Pracht und Schönheit im Garten unter ihm entfalteten.

Er war immer der Meinung gewesen, dass sein Zuhause der schönste Platz der Welt sei. Doch an diesem Morgen konnte er sich über nichts freuen. Er quälte sich mit den lästigen Gedanken, die seine heile Welt zu zerstören drohten. Sogar die ersten zaghaften Sonnenstrahlen, die auf die Kirchturmspitze im Tal unterhalb des Palasts fielen, konnten ihn nicht aufheitern. Frustriert drehte er sich um und ging in sein Schlafzimmer zurück.

Nachdem er den Brief um drei Uhr in der Nacht zum x-ten Mal gelesen hatte, hatte er ihn neben das Bett auf den Boden geworfen, wo er immer noch lag. Obwohl er ihn am liebsten noch einmal gelesen hätte, tat er es nicht. Stattdessen stellte er sich im angrenzenden Badezimmer unter die Dusche.

Zuerst ließ er sich heißes Wasser über den Körper rinnen, um warm zu werden. Dann wusch er sich das Haar, seifte sich ein und drehte den Thermostaten auf kalt. Das eiskalte Wasser wirkte erfrischend und schärfte seine Sinne. Jetzt war er bereit, sich mit allem, was der neue Tag ihm brachte, auseinanderzusetzen.

Er nahm ein großes Handtuch vom Regal neben der Dusche und schlang es um seine Hüften. Mit einem anderen rieb er sich das glatte schwarze Haar trocken. Schließlich betrachtete er sich kritisch im Spiegel über dem Waschbecken, während er sich mit der Hand über die Bartstoppeln fuhr.

Seine gebräunte Haut wirkte weniger strahlend als sonst, und er hatte dunkle Ränder unter den Augen. Die Lippen hatte er zu einem dünnen Strich zusammengepresst, und seine feindselige Miene fand er selbst abstoßend. Warum die meisten Frauen ihn attraktiv fanden, war ihm ein Rätsel.

Ich habe mich überanstrengt, gestand er sich ein. Nach seiner Rückkehr aus London hatte er den ganzen Nachmittag an geschäftlichen Besprechungen teilgenommen. Obwohl er sehr erschöpft gewesen war, hatte Sanchia erwartet, dass er den Abend mit ihr verbrachte. Und nicht nur den Abend, wie sich herausstellte. Zu ihrer Enttäuschung hatte er es abgelehnt, bei ihr zu übernachten. Dennoch war er erst weit nach Mitternacht ins Bett gegangen und hatte wegen des Briefes nicht schlafen können.

In den nächsten Tagen würde sein Vater aus dem Krankenhaus entlassen. Bis dahin musste die Sache geregelt sein. Seine Mutter hatte ihm am Abend zuvor am Telefon überglücklich berichtet, sein Vater erhole sich nach der Operation gut. Julio de Montoya war jedoch noch längst nicht wieder gesund, und sie mussten jede Aufregung von ihm fernhalten.

Enrique presste die Lippen zusammen und fing an, sich zu rasieren. Verdammt, was verspricht sich diese kleine Hexe davon?, fragte er sich. Und wer war das Kind, das den Brief geschrieben hatte? Mit ihm oder Antonio war es bestimmt nicht verwandt, dessen war er sich sicher. Cassandra hatte die ganze Sache wahrscheinlich erfunden. Aber warum?

Cassandra …

Was, zum Teufel, war mit ihm los? Weshalb war er plötzlich so beunruhigt? Diese Frau durfte sein Leben nicht noch einmal zerstören. Auch wenn sie Antonios Witwe war, gehörte sie nicht zu seiner Familie.

Nachdem Enrique sich rasiert hatte, zog er eine leichte Baumwollhose und ein schwarzes T-Shirt an. Dann schlüpfte er in die Schuhe aus weichem Leder, ehe er den Brief aufhob und ihn noch einmal las.

Er war nur kurz, und ein Kind schien ihn geschrieben zu haben. Hatte Cassandra etwa ihre Schrift verstellt? Es war nicht auszuschließen. Jedenfalls bezweifelte Enrique, dass der Brief echt war.

Am liebsten hätte er ihn zerrissen und weggeworfen. Dann könnte er die ganze Sache vergessen. Cassandra würde sich nicht noch einmal an seine Familie wenden, dessen war er sich sicher.

Doch trotz seines Misstrauens und der Tatsache, dass Antonio keine Kinder gehabt hatte, war Enrique neugierig, was dahintersteckte.

Sogar das Briefpapier empfand er als Beleidigung. Es war ein liniertes Blatt aus einem Schulheft oder dergleichen. Wahrscheinlich sollte damit der Eindruck verstärkt werden, ein Kind hätte den Brief geschrieben. Er verzog die Lippen, während er das Blatt aus dem Briefumschlag zog.

Lieber Großvater,

Du kennst mich nicht, und meine Mum sagt, Du wolltest mich auch nicht kennenlernen. Aber das glaube ich nicht. Ich wünsche mir, wir wären Freunde. Deshalb habe ich meine Mum überredet, mit mir dieses Jahr in den Ferien nach Spanien zu fahren. Wir kommen am zwölften Juni an und wohnen in der Pension del Mar in Punta del Lobo. Es liegt am Meer, aber ich weiß nicht, wie weit es von Tuarega entfernt ist. Du kannst mich bestimmt besuchen. Ich glaube auch, dass meine Mum sich freut, Dich zu sehen. Liebe Grüße von Deinem Enkel David de Montoya

Enrique biss die Zähne zusammen. Wie kann sie es wagen, ihrem Kind den Familiennamen de Montoya zu geben?, fragte er sich zornig. Wenn es überhaupt ein Kind gab, musste es nach Antonios Tod zur Welt gekommen sein. Und Enrique wusste, dass …

Nein, auf diese Gedanken wollte er sich jetzt nicht einlassen. Es ging hier nicht darum, was er über Cassandra Scott oder de Montoya, wie sie jetzt hieß, wusste oder nicht wusste. Wichtig war nur, dass dieser Brief seinem Vater nicht in die Hände fallen durfte. Momentan musste man jede Aufregung von dem alten Mann fernhalten.

Enrique zerknüllte das Blatt und warf es in den Papierkorb. Doch dann überlegte er es sich anders. Jemand könnte es dort finden und die Nachricht lesen. Deshalb holte er es wieder heraus und strich es glatt. Schließlich legte er es in das Buch in seiner Nachttischschublade.

Das Problem war damit aber noch längst nicht gelöst, wie Enrique sich später eingestand, als er in dem Säulengang des Innenhofs frühstückte. Um diese Zeit war es sehr angenehm, draußen zu sitzen. Normalerweise würde er jetzt schon mit den Managern seines Vaters über alle möglichen Fragen und Probleme diskutieren. Enrique vertrat seinen Vater und war momentan der alleinige Geschäftsführer des Familienunternehmens. Er nahm seine Verantwortung sehr ernst. Dass er sich an diesem Morgen auf nichts konzentrieren konnte, störte ihn sehr. Aber immer wieder musste er daran denken, dass es schon der fünfzehnte Juni war und Cassandra sich mit ihrem Sohn, wenn es ihn überhaupt gab, ungefähr fünfzig Kilometer entfernt in Punta del Lobo aufhielt. Würde sie es etwa wagen, zu ihnen nach Tuarega zu kommen?

Er stand auf und wanderte mit der Tasse Kaffee in der Hand über den Innenhof zu dem Brunnen. Neben dem Becken blieb er stehen und betrachtete die Wasserlilien, während er versuchte, sich zu beruhigen. Der Innenhof war von drei Seiten von den verschiedenen Flügeln des Palasts umgeben. Die vierte Seite war offen und mit leuchtend rotem Oleander und purpurfarbenen Azaleen bepflanzt, deren Duft Enrique an diesem Morgen kaum ertragen konnte. Eine warme Brise wehte ihm das Haar in die Stirn, und ungeduldig strich er es mit den Fingern zurück.

Verdammt, warum ausgerechnet jetzt, nachdem sie sich zehn Jahre nicht gemeldet hat?, überlegte er und trank einen Schluck Kaffee. Hatte sie vielleicht irgendwie erfahren, dass sein Vater krank war? Glaubte sie etwa, der alte Mann sei dadurch etwas zugänglicher und toleranter? Was soll ich jetzt machen?, fragte Enrique sich.

Cassandra beobachtete ihren Sohn, der im Wasser spielte. Er hatte sich mit Horst, dem Sohn eines deutschen Ehepaars, das in derselben Pension wohnte, angefreundet. Die Bucht war für Kinder geradezu ideal. Sie gestand sich ein, dass ihnen der Urlaub, den sie nur widerstrebend gebucht hatte, guttat.

Es war beinah fünf Uhr, und Cassandra hatte das Gefühl, lange genug in der Sonne gelegen zu haben. Sie hatte sich noch nicht an das Klima gewöhnt, was auch kein Wunder war, denn sie waren erst vor drei Tagen in diesem kleinen Ort in Andalusien angekommen. Cassandra wollte keinen Sonnenbrand riskieren.

David kannte solche Probleme nicht. Er hatte dunkles Haar und eine dunklere, weniger empfindliche Haut als sie. Dennoch bestand Cassandra darauf, dass er sich mit einem Sonnenschutzmittel schützte. Aber da er einen spanischen Vater hatte, vertrug er das heiße Klima besser als sie, obwohl er in England aufgewachsen war.

So braun wie er werde ich nie, dachte sie, während sie mit ihren schlanken Fingern den Sand von ihren Armen wischte. Ihre Haut wurde nur rosa oder rot, und sobald Cassandra sich nicht mehr der Sonne aussetzte, wurde sie rasch wieder hell.

Sie sah sich um und stellte fest, dass sich der Strand, der beinah ausschließlich von Touristen benutzt wurde, rasch leerte. Die meisten Urlauber gingen in ihre Hotels und Pensionen zurück, die an dem Hügel oberhalb des kleinen Ortes Punta del Lobo lagen. Cassandra gab ihrem Sohn ein Zeichen, dass sie auch gehen wollten.

David zuliebe aß Cassandra früher zu Abend als viele der anderen Gäste, weil er morgens schon sehr früh aufstand. Es gefiel ihr, in einem der Straßencafes oder kleinen Restaurants um den Marktplatz herum zu sitzen. Sie freute sich schon auf das Glas Wein, das sie sich normalerweise nach dem Abendessen gönnte.

Nachdem sie ihre und Davids Sachen in die Strandtasche gesteckt hatte, blickte sie sich noch einmal um. Obwohl Tuarega ungefähr eine Autostunde von hier entfernt war, verspürte sie immer ein seltsames Unbehagen, wenn der Strand so menschenleer war wie jetzt.

Eigentlich rechnete sie nicht damit, irgendwelchen Bekannten zu begegnen. Niemand wusste, dass sie hier war, und sie brauchte nichts zu befürchten. Es wäre ein großer Zufall, wenn die de Montoyas in Punta del Lobo auftauchten. Wahrscheinlich machte sie sich unnötige Sorgen.

Als David wieder einmal davon geredet hatte, in den Ferien nach Spanien zu fliegen, hatte sie lange gezögert. Zum ersten Mal hatte er es mit sechs oder sieben Jahren vorgeschlagen, und es war relativ leicht gewesen, es ihm auszureden. Doch in diesem Jahr hatte er sich nicht davon abbringen lassen. Schließlich hatte sie nachgegeben und sich gesagt, Spanien sei groß genug, sie würde den de Montoyas sicher nicht über den Weg laufen.

Dann hatte David ausgerechnet diesen kleinen Ort in Andalusien als Urlaubsziel ausgesucht. Um keine neugierigen Fragen zu provozieren, hatte Cassandra sich dann entschlossen, die Reise zu buchen. Glücklicherweise hatte in der Pension niemand gefragt, ob sie mit den de Montoyas verwandt sei. Punta del Lobo war eben nicht Cadiz, und sie war sich jetzt sicher, in diesem kleinen Ort würde niemand sie mit den de Montoyas in Verbindung bringen.

Ihr Vater war natürlich entsetzt gewesen. Aber er war sowieso der Meinung, sie hätte ihrem Sohn nicht erzählen dürfen, dass er einen spanischen Vater hatte. Doch weshalb hätte sie es ihrem Kind verschweigen sollen? David hätte es früher oder später selbst gemerkt, schon allein wegen des spanischen Namens. War es ein Fehler gewesen, dass sie nicht auf ihren Vater gehört hatte?

Ach, es darf einfach nichts passieren, dachte sie, während David angerannt kam und sie mit Wasser bespritzte. Horst folgte ihm. Cassandra lächelte den Jungen freundlich an. Seine Eltern waren nach Sevilla gefahren. Ihr Sohn war nicht mitgefahren, sondern hatte lieber mit David spielen wollen. Deshalb hatte Cassandra sich bereit erklärt, auf ihn aufzupassen. Er war ein netter Junge und viel gehorsamer als ihr eigener Sohn.

Bei dem Vater ist es auch nicht überraschend, dass David so eigenwillig ist, sagte sie sich. Doch sogleich verdrängte sie den Gedanken wieder. Sie wollte sich nicht daran erinnern, was für stolze, arrogante Vorfahren ihr Sohn hatte. Es war sowieso beinah unmöglich, zu vergessen, was vor zehn Jahren geschehen war, denn der Junge sah seinem Vater sehr ähnlich.

Sie konnte sich ein Leben ohne ihren Sohn nicht vorstellen. Die Angst, die Familie seines Vaters würde eines Tages etwas von seiner Existenz erfahren, war allgegenwärtig. Wenn David erwachsen war und eigene Entscheidungen treffen konnte, würde sie ihm vielleicht erzählen, wer sein Vater war. Doch das hatte noch Zeit.

„Müssen wir schon gehen?“ David rieb sich mit dem Badetuch das Haar trocken.

Cassandra lächelte und reichte Horst auch ein Badetuch. „Ja. Alle anderen sind schon weg. Fällt dir nicht auf, dass wir die Letzten sind?“

David schnitt ein Gesicht und zog leicht arrogant eine Augenbraue hoch.

Er reagiert genau wie sein Vater, schoss es ihr durch den Kopf. „Es ist wirklich schon spät, wir sollten zurückgehen“, erklärte sie betont energisch. Sie ärgerte sich über ihre Gedanken.

„Es war ein schöner Tag, Mrs. de Montoya“, sagte Horst. „Es war sehr nett von Ihnen, dass ich bei David bleiben durfte.“

„Das ist doch selbstverständlich“, erwiderte Cassandra und forderte ihren Sohn auf, seine Shorts anzuziehen. „Wir haben uns gefreut, dass du da warst. Stimmt’s, David?“

„Was? Ach so, ja.“ David schnitt wieder ein Gesicht. „Es macht mir Spaß, ihm zu beweisen, was für ein Schwächling er ist.“

„Weißt du, was du bist? Ach, in Gegenwart deiner Mutter sage ich es lieber nicht.“ Horst musste lachen.

„Nur keine Hemmungen“, neckte David ihn. Dann liefen sie über den Strand und wälzten sich schon bald lachend im Sand.

Cassandra seufzte und folgte ihnen mit großen Schritten. David war größer und geschickter als Horst, und er war ein hübscher Junge. Cassandra konnte sich gut vorstellen, wie attraktiv er einmal werden würde. Hoffentlich schlägt er nicht in jeder Hinsicht nach seinem Vater, dachte sie deprimiert.

Die Pension del Mar war relativ klein. Eine gestreifte Markise schützte die weiße Fassade vor der Sonne. Der Service war überraschend gut, obwohl es eins der preisgünstigsten Angebote gewesen war. Señor Movida, der Inhaber, war ein freundlicher, netter Mann und bemühte sich sehr, seinen Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Zu ihrer Erleichterung stand der kleine Fiat, den Horsts Eltern gemietet hatten, auf dem Parkplatz vor der Pension. Und Horsts Vater wartete am Eingang schon auf seinen Sohn, der ihm entgegenlief.

„Er hat Glück“, sagte David leise.

Cassandra blickte ihn verblüfft an. „Wie bitte?“

„Horst kann glücklich sein, dass er einen Vater hat“, erklärte David mürrisch. „Vielleicht ist Post für uns da“, fügte er hinzu.

„Post?“, wiederholte sie verständnislos. „Wer sollte uns schon schreiben? Mit deinem Großvater haben wir erst gestern Abend am Telefon gesprochen.“

David zuckte die Schultern. „Ach, es war nur ein Gedanke“, antwortete er.

Plötzlich überlief es Cassandra kalt. Doch ehe sie überlegen konnte, was Davids Bemerkung zu bedeuten hatte, kam Horsts Vater auf sie zu.

„Ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie auf Horst aufgepasst haben, Mrs. de Montoya.“ Der Mann betrachtete bewundernd und ungeniert ihre schlanke Gestalt. „Hat er sich gut benommen?“

Sie war sich auf einmal viel zu bewusst, wie feucht ihr knöchellanger Baumwollrock war. „Ja, das hat er“, versicherte sie ihm. „Hat sich der Ausflug gelohnt?“

„O ja, es war sehr interessant.“ Der Mann nickte. „Wir haben einige Paläste und Museen besichtigt. Meinem Sohn hätte es sicher nicht gefallen.“

„Das glaube ich auch.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „David würde sicher auch nicht mit nach Sevilla fahren.“

„Wissen Sie, dass de Montoya in Andalusien ein sehr häufiger Name ist?“, fragte Horsts Vater. „Wir haben uns Literatur beschafft, und daraus geht hervor, dass die Familie de Montoya für die Qualität ihrer Weine und die prächtigen Stiere berühmt ist, die sie auf ihrem riesigen Landgut nicht weit von hier züchtet. Sind Sie vielleicht mit dieser Familie verwandt, Mrs. de Montoya?“

„Nein“, antwortete sie hastig.

In dem Moment kam ein Mann aus dem Haus. Cassandra wurde blass. Sie legte David schockiert die Hand auf die Schulter und stand wie erstarrt da. Das ist doch völlig unmöglich, schoss es ihr durch den Kopf. Aber es war wirklich Enrique de Montoya. Er blieb stehen und beobachtete die Szene vor ihm kühl und irgendwie verächtlich.

Du liebe Zeit, das gibt es doch gar nicht, überlegte Cassandra. Außer ihrem Vater hatte sie niemandem verraten, wo sie Urlaub machte. Ihr Chef, der Inhaber der Buchhandlung, in der sie arbeitete, wusste natürlich, dass sie in Spanien war, mehr jedoch nicht. Von ihm konnten es die de Montoyas nicht erfahren haben.

Ihr Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. Enrique sah noch genauso aus wie damals, er war noch genauso stolz, arrogant, herablassend und attraktiv. Vor zehn Jahren hatte sie sich viel zu sehr zu ihm hingezogen gefühlt, was er rücksichtslos ausgenutzt hatte.

„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte Horsts Vater besorgt.

Cassandra hoffte verzweifelt, es sei reiner Zufall, dass Enrique hier aufgetaucht war. Vielleicht erkannte er sie ja gar nicht. David hatte er sowieso noch nie gesehen, und er ahnte auch nicht, dass es ihn überhaupt gab.

„Ich habe Kopfschmerzen“, improvisierte sie. „Wahrscheinlich war ich zu lange in der Sonne. David, komm mit, ich muss mir in der Apotheke Tabletten holen.“

„O, Mum!“, rief David aus. „Muss das sein? Wir sind doch gerade erst vom Strand zurückgekommen. Ich will duschen.“

„David!“

„Vielleicht kann ich Ihnen helfen“, mischte Horsts Vater sich ein. „Ich fahre gern für Sie zur Apotheke.“

„Nein, ich …“

Und dann war alles zu spät. Enrique kam auf sie zu, ehe Cassandra den Satz beenden und eine plausible Ausrede finden konnte, weshalb sie selbst in die Apotheke gehen müsse.

„Cassandra?“, fragte er. Beim Klang der ihr so vertrauten Stimme überlief es sie heiß. „Du bist es doch, Cassandra, oder täusche ich mich?“

Enrique de Montoya täuscht sich nie, jedenfalls würde er es nie zugeben, dachte sie. Dann hob sie den Kopf und sah ihn an.

„Und das ist … David, nehme ich an“, fuhr er fort und musterte den Jungen überrascht und irgendwie fassungslos.

Cassandra war verblüfft. Woher kannte er den Namen ihres Sohnes? Am liebsten hätte sie ihn aufgefordert, sich den Jungen genau anzusehen. Vielleicht begriff er dann, was er getan und was er verloren hatte.

Sie schwieg jedoch. Horsts Vater stand immer noch da und beobachtete Enrique und Cassandra neugierig und interessiert. Wahrscheinlich überlegte er, was ein so eleganter, attraktiver Mann wie Enrique de Montoya mit einer ziemlich zerzaust und aufgelöst wirkenden Engländerin zu tun haben mochte. Enriques dreiteiliger Anzug war bestimmt ein Designermodell, während Cassandras Outfit unauffällig und nichts Besonderes war.

„Sind Sie ein Freund von Mrs. de Montoya?“, fragte Horsts Vater schließlich.

„Kennst du meinen Großvater?“, wollte David wissen.

Cassandra war verblüfft. Woher wusste ihr Sohn etwas über seinen Großvater?

„Ich bin … dein Onkel Enrique, David“, stieß Enrique angespannt hervor. „Es freut mich, dich endlich kennenzulernen.“

„Sie sind Enrique de Montoya? Der Enrique de Montoya?“ Horsts Vater konnte seine Neugier kaum zähmen, und Cassandra wünschte, er würde sich taktvoll zurückziehen.

Enrique straffte die Schultern und sah den anderen Mann kühl an. „Ja, genau der bin ich“, antwortete er und lächelte höflich. „Und wer sind Sie?“

„Franz Kaufman“, stellte Horsts Vater sich vor und reichte Enrique die Hand. „Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

Enrique zögerte absichtlich sekundenlang, damit der andere Mann sich unbehaglich fühlte. Dann schüttelte er ihm die Hand. „Ganz meinerseits“, antwortete er, ehe er sich wieder zu Cassandra und David umdrehte.

„Bist du wirklich mein Onkel?“ David konnte es kaum glauben.

Endlich merkte auch Franz Kaufman, dass er störte. „Entschuldigen Sie mich bitte. Meine Frau und ich wollten noch spazieren gehen“, erklärte er.

Enrique zog eine Augenbraue hoch. Wahrscheinlich hat er angenommen, Horsts Vater sei mein Begleiter, überlegte Cassandra verbittert. Sie wünschte, sie könnte diesen Mann, der versucht hatte, ihr Leben zu zerstören, irgendwie verletzen.

2. KAPITEL

Als Franz Kaufman weg war, herrschte bedrückendes Schweigen. Enrique war sich bewusst, dass er die Frage des Jungen beantworten musste. Obwohl er ruhig und beherrscht wirkte, waren seine Nerven zum Zerreißen gespannt.

Dabei hatte er geglaubt, genau zu wissen, was er tat, als er nach Punta del Lobo gefahren war. Er hatte Cassandra wegen des Briefes zur Rede stellen und sie von seinem Vater fernhalten wollen. Aber jetzt war er der Meinung, er wäre am besten gar nicht gekommen.

„Ich … ja, ich bin dein Onkel“, sagte er schließlich. Es hatte keinen Sinn, es abzustreiten. „Antonio de Montoya war mein Bruder“, fügte er hinzu und bemerkte, dass Cassandra sich offenbar genauso elend fühlte wie er. „Du bist doch David, oder?“

Ehe der Junge antworten konnte, hatte Cassandra ihn an den Schultern gepackt und zu sich umgedreht. „Was hast du gemacht, David?“, fragte sie aufgewühlt.

Ihr Sohn errötete. „Ich habe dir doch gesagt, dass vielleicht Post für uns da ist“, erwiderte er und versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien. „Ich wusste nicht, dass … er hier auftauchen würde.“

Nein, das konnte er wirklich nicht wissen, dachte Enrique.

Aber vielleicht hätte er vermuten können, dass man auf seinen Brief reagieren würde. Oder hatte der Junge etwa angenommen, sein Großvater wisse, dass es ihn gab?

„Hast du geglaubt, wir würden deinen Brief ignorieren?“ Enrique war sich sehr bewusst, dass Cassandra wie erstarrt neben ihrem Sohn stand und ihn, Enrique, genauso feindselig ansah wie damals. Dabei war sie an dieser Situation selbst schuld. Er konnte nichts dafür, dass sie ihm und seiner Familie ihren Sohn verheimlicht hatte.

„Nein.“ David drehte sich um und war offenbar froh, vom Zorn seiner Mutter abgelenkt zu werden. „Ich habe gewusst, dass ihr mich kennenlernen wollt. Immer wieder habe ich meiner Mum erklärt, ich wolle meinen spanischen Großvater besuchen. Aber sie hat behauptet, ihr wärt nicht an mir interessiert.“

„So?“ Enriques Stimme klang verbittert. „Aber sie hat dich doch aufgefordert, uns zu schreiben, oder?“

„Nein!“, rief Cassandra ärgerlich aus. „Das würde mir überhaupt nicht einfallen …“

„Nein, das hat meine Mum nicht getan“, unterbrach David seine Mutter aufgeregt. „Ich habe eure Adresse in dem Pass meines Vaters entdeckt“, erklärte er stolz. „Der liegt in einem Kästchen in Mums Schrank. Dads Brieftasche und alte Briefe liegen auch darin.“ Er seufzte reumütig und wandte sich an seine Mutter. „Es tut mir leid. Ich habe das Kästchen gefunden, als ich … etwas anderes suchte.“

„Was denn?“, fragte Cassandra gefährlich ruhig.

David zuckte die Schultern. „Meine Schleuder“, antwortete er.

„Wie bitte? Du hast die Schleuder in meinem Kleiderschrank gesucht? Erwartest du wirklich, dass ich dir das glaube?“

„Es stimmt aber“, verteidigte David sich. „Ich hatte schon in der Schublade mit den Slips und so nachgesehen …“

Obwohl die Sache gar nicht komisch war, musste Enrique lächeln.

„Findest du das auch noch lächerlich?“, fuhr Cassandra ihn zornig an, als sie seine belustigte Miene bemerkte. „Etwas anderes kann ich wohl von dir nicht erwarten. Wahrscheinlich ist das alles für dich ein großer Spaß. Wenn du nach Hause kommst, kannst du dich mit deinem Vater kaputtlachen. Am besten fährst du sogleich zurück. Hier gibt es nichts für dich zu tun.“

Enrique wurde wieder ernst. „Meinst du? Leider muss ich dir widersprechen.“

Sekundenlang war Cassandra entsetzt, sie hatte sich jedoch rasch wieder unter Kontrolle. „Es ist alles gesagt worden“, stellte sie angespannt fest.

Er schüttelte jedoch den Kopf. „Nein“, entgegnete er kühl. „Ich möchte dir noch sagen, dass mein Vater in Sevilla im Krankenhaus liegt. Wenn er nicht vor zehn Tagen operiert worden wäre, hätte er sich vermutlich selbst um David gekümmert.“

Cassandra schwieg. Was hätte sie auch antworten können?

„Wir fliegen in ungefähr zwei Wochen nach England zurück. Ist er bis dahin wieder gesund?“, fragte David seinen Onkel mit ernster Miene.

„Das ist völlig egal“, mischte Cassandra sich ein. „Ich erlaube dir nicht, Kontakt mit den de Montoyas zu haben, David. Wir sind neun Jahre lang gut ohne sie zurechtgekommen. Ich habe nicht vor, das zu ändern.“

Enrique war jetzt klar, dass sie mit dem Brief nichts zu tun hatte.

„Aber sie gehören doch genauso zu meiner Familie wie du und mein anderer Großvater“, rief David empört aus und verzog trotzig die Lippen.

„Diese Leute wollen nichts mit dir zu tun haben“, stieß Cassandra angespannt hervor. „Das stimmt doch, oder?“ Sie blickte Enrique mit Tränen in den Augen an. „Verdammt, sag ihm doch endlich die Wahrheit!“

Erst um acht Uhr abends war Enrique wieder in Tuarega. Nachdem er in Punta del Lobo gewesen war, war er noch mindestens eine Stunde ziellos umhergefahren. Er hatte versucht, sich zu beruhigen und mit dem, was er erfahren hatte, zurechtzukommen.

Weder er noch sein Vater hatten jemals daran gedacht, dass Antonio und seine Frau ein Kind haben könnten. Obwohl Antonio wenige Stunden nach der Hochzeit ums Leben gekommen war, bezweifelte Enrique nicht, dass David ein de Montoya war. Der Junge hatte offenbar von sich aus Julio de Montoya geschrieben, ehe er und seine Mutter nach Spanien gereist waren.

Enrique stöhnte auf. Natürlich hätte er zu gern Cassandra die Schuld gegeben. David war erst neun Jahre alt, und sie war für ihn verantwortlich. War es wirklich so schwierig, ihn zu beaufsichtigen und zu kontrollieren, was er machte?

Aber letztlich konnte Enrique das nicht beurteilen, wie er sich eingestand. Nur weil die Söhne und Töchter seiner Freunde brav und gehorsam waren, konnte er daraus nicht schließen, dass andere Kinder genauso waren. Na ja, der Junge ist ja auch ein de Montoya, das lässt sich nicht leugnen, deshalb ist er wahrscheinlich sehr eigensinnig, sagte Enrique sich spöttisch.

Es kam ihm ungerecht und unfair vor, dass Cassandra ihm und seiner Familie die Existenz des Jungen verschwiegen hatte. Aber kann man es ihr wirklich verübeln?, fragte er sich. Nach allem, was geschehen war und was er ihr angetan hatte, glaubte sie sicher, es sei ihr gutes Recht gewesen, den Kontakt nach Antonios Tod abzubrechen.

Für Enriques Vater würde es ein Schock sein. Wenn er gewusst hätte, dass er einen Enkel hatte, hätte er sicher Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um das Sorgerecht zu bekommen. Einen anderen Enkel hatte er nicht, und für Julio de Montoya war die Familie das Wichtigste im Leben. Es wäre ihm in dem Fall egal gewesen, dass er Cassandra nicht mochte und versucht hatte, die Hochzeit zu verhindern.

Da Cassandra sich dessen natürlich bewusst gewesen war, hatte sie die Familie ihres Mannes nicht über die Geburt ihres Sohnes informiert. Sie hatte schmerzlich erfahren müssen, wie rücksichtslos sein Vater sein konnte und wie rücksichtslos er, Enrique, die Wünsche seines Vaters hatte durchsetzen wollen.

Darüber wollte er jedoch jetzt nicht nachdenken. Es war nicht der richtige Zeitpunkt für Gewissensbisse. Er durfte nicht vergessen, dass Cassandra Antonio von seiner Familie und der jungen Frau, mit der er verlobt gewesen war, weggelockt hatte. Hatte sie etwa Gewissensbisse gehabt? Es hatte ihr noch nicht einmal leidgetan, dass sie …

Enrique atmete tief ein. Nein, er wollte seine eigene Rolle bei der ganzen Sache lieber nicht hinterfragen. Es hatte tragisch geendet, und das war schlimm genug. Cassandra hatte Antonios Ehre und seine Zukunft, sein Leben zerstört. Hatte sein Bruder etwa herausgefunden, dass seine Frau ihn betrogen hatte? War vielleicht deshalb der Unfall passiert, als sie unterwegs in die Flitterwochen gewesen waren?

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, dann müsste Antonio auch herausgefunden haben, was mein Vater und ich geplant hatten, überlegte Enrique. Cassandra hätte sich in dem Fall bestimmt mit ihnen in Verbindung gesetzt und versucht, sich zu rächen.

Glücklicherweise hatte er sich nicht anmerken lassen, wie betroffen er über Davids Existenz war. Cassandra musste glauben, er hätte den Schock rasch überwunden und sei zornig, weil sie ihnen ihren Sohn verheimlicht hatte. Zweifellos hielt sie ihn für gefühllos, und das war ihm auch lieber.

Aber wie sollte er es seinem Vater beibringen? Enrique schüttelte den Kopf. Vor zehn Jahren wäre es viel leichter gewesen. Damals war Julio de Montoya noch völlig gesund, sehr dominant, rücksichtslos und jeder Situation gewachsen. Deshalb hatte er es auch nicht hinnehmen wollen, dass Antonio sich ihm widersetzt und darauf bestanden hatte, die Engländerin zu heiraten, die er während seines Studiums in London kennengelernt hatte. Julio hätte beinah alles getan, um diese Heirat zu verhindern. Er hatte sogar seinen ältesten Sohn nach England geschickt und ihn aufgefordert, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass Antonio und Cassandra nicht heirateten.

Dass ich keinen Erfolg hatte, hat mein Vater mir nie verziehen, dachte Enrique. Sein Vater ahnte natürlich nicht, was wirklich geschehen war und warum er, Enrique, unverrichteter Dinge nach Hause zurückgekommen war.

Wenn er Antonio die Wahrheit gesagt hätte, hätte sein Bruder die Hochzeit in letzter Minute abgesagt, dessen war Enrique sich sicher. Er hatte jedoch geschwiegen, weil er sich viel zu sehr geschämt und sich wegen der Rolle, die er in der ganzen Sache gespielt hatte, verachtet hatte. Deshalb hatte er Cassandra schließlich gewinnen lassen.

Wieso gewinnen?, fragte er sich jetzt. Hatte sie wirklich gewonnen? Er wusste es selbst nicht.

Als er durch das Tal fuhr, das sich seit Jahrhunderten im Besitz seiner Familie befand, war es dunkel. Die angestrahlte Spitze der Kirche San Tomas und die vielen erleuchteten Fenster der Häuser im Dorf waren ein beruhigender Anblick. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass hier noch alles so war wie vor hundert Jahren. Es hatte sich jedoch viel verändert, vor allem während der Präsidentschaft General Francos. Glücklicherweise hatte man das politische Klima in dieser ländlichen Gegend nie so deutlich gespürt wie in den Städten. Während er an den Feldern und Weiden vorbeifuhr, auf denen die Stiere grasten, war er stolz auf das, was seine Familie erreicht hatte.

Plötzlich erinnerte er sich daran, dass er seiner Mutter versprochen hatte, sie an diesem Abend vor sieben anzurufen. Sie hielt sich in dem Apartment der Familie in Sevilla auf, solange ihr Mann im Krankenhaus lag. Er gestand sich reumütig ein, dass er in den letzten Stunden andere Dinge im Kopf gehabt und seine Mutter vergessen hatte.

Sie würde glauben, der Gesundheitszustand seines Vaters interessiere ihn nicht. Seit Julio krank war, war Elena de Montoya überempfindlich. Oft fühlte sie sich beleidigt oder verletzt, obwohl sie gar keinen Grund dafür hatte. Vielleicht befürchtete sie, sie würde durch die Krankheit ihres Mannes an Autorität verlieren oder Enrique würde sie nicht mehr respektieren, falls Julio starb. Das war natürlich absurd.

Seit Julios Herzanfall vor einigen Monaten stellte sie immer mehr Ansprüche an ihren Sohn und seine Zeit. Enrique war klar, dass er unter den Umständen kaum etwas anderes erwarten konnte. Dennoch fiel es ihm nicht leicht, seine eigenen Interessen mit denen seiner Eltern in Einklang zu bringen.

Neben dem Säulengang des Gebäudes, in dem man früher die Wagen und Geräte untergebracht hatte und das jetzt als Garage diente, stellte er seine Limousine ab. Er musste sich entscheiden, was er machen wollte. Seiner Mutter wollte er jedenfalls noch nicht erzählen, was er erfahren hatte.

Er nickte dem Mitarbeiter zu, der aus dem Gebäude kam, damit dieser sich um das Auto kümmerte. Dann ging er mit großen Schritten über den Vorhof auf den prunkvollen Eingang des Palasts zu und eilte durch die Eingangshalle mit der hohen Decke. Dies war der älteste Teil des Palasts im maurischen Stil, und hier war die Vergangenheit noch lebendig. Der Name Tuarega ging auf die Sarazenen zurück, die diesen Teil Spaniens während der Kreuzzüge erobert und besetzt hatten, und nicht auf den Volksstamm in der Sahara, wie Enrique früher einmal geglaubt hatte.

Die Sarazenen waren von spanischen Eroberern vertrieben worden, und man hatte den Palast in vergangenen Jahrhunderten erweitert. Er war sehr geräumig, hell und kühl, und viele Handwerker und Künstler waren damit beschäftigt, ihn in Stand zu halten und die ursprüngliche Architektur wieder herzustellen und zu erhalten.

Den Innenhof, in dem Enrique am Morgen gefrühstückt hatte, ließ er links liegen und ging die Marmortreppe hinauf auf die Galerie. Dort begegnete er einem der Angestellten, der ihn fragte, ob er etwas essen wollte. Doch dafür interessierte Enrique sich momentan nicht. Zuerst musste er seine Mutter anrufen, dann musste er nachdenken.

Cassandra war sehr verschlossen und unfreundlich gewesen. Sie hatte ihm noch nicht einmal erlaubt, mit David zu reden, weder allein noch in ihrem Beisein. Stattdessen hatte sie den Jungen mit sich in die Pension gezogen und hoffte wahrscheinlich jetzt, nie wieder einem Mitglied der Familie de Montoya zu begegnen.

Das wäre ziemlich naiv, sagte Enrique sich und öffnete die Tür zu seinem Apartment. Dann löste er die Krawatte und legte sie achtlos weg. Was auch immer er empfand, er konnte die Tatsache nicht ignorieren, dass David sein Neffe war. Zum Abschied hatte er dem Jungen versprochen, sie würden sich bald wieder sehen. Doch Cassandra hatte kühl entgegnet: „Nur über meine Leiche.“

Es war ihm jedoch völlig egal, ob Cassandra es ihm leicht oder schwer machte. David war ein de Montoya, und früher oder später würde er zu der Familie seines spanischen Vaters gehören.

3. KAPITEL

Cassandra stützte das Kinn in die Hände und betrachtete ihren Sohn über den Tisch hinweg. Sie war zornig, aber sie konnte ihn auch irgendwie verstehen.

Immerhin war es nicht seine Schuld, dass sie ihm nie die Wahrheit über seine Verwandten väterlicherseits gesagt hatte. Sie hatte es immer vermieden, über die Familie ihres verstorbenen Mannes zu reden, und gehofft, David wäre damit zufrieden, dass sie mit den de Montoyas keinen Kontakt haben wollte. Der Junge hatte trotzdem eine große Familie, denn Cassandra hatte zwei Schwestern, die beide verheiratet waren und Kinder hatten. Doch die vielen Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen und sein Großvater mütterlicherseits reichten ihm offenbar nicht.

David war wie sein Vater, er war sehr intelligent und gab sich nie mit Ausflüchten zufrieden. Cassandra hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass er Antonios Pass finden und Julio de Montoya schreiben würde, ohne es ihr zu erzählen. Wie sollte sie ihm das verzeihen?

Sie seufzte. Vielleicht konnten sie vorzeitig abreisen? Nein, das war keine gute Idee. Sie hatte für zwei Wochen bezahlt, und wenn sie früher zurückfliegen wollte, müsste sie wahrscheinlich den Rückflug extra bezahlen.

Und das konnte sie sich nicht erlauben. Sie hatte schon mehr für die Reise ausgegeben, als sie verantworten konnte. Nur ungern würde sie ihren Vater bitten, ihr zu helfen. Es würde ihr schwerfallen, ihm zu erklären, was passiert war.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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