Romantische Bibliothek - Folge 8 - Johanna Thorwald - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 8 E-Book

Johanna Thorwald

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Beschreibung

"Du betrittst dieses Haus erst wieder, wenn du zur Vernunft gekommen bist!" Das sind die Worte, mit denen Lena von Striebeck aus dem heimatlichen Schloss geworfen wird. Viele junge Männer haben Graf Robert um die Hand seiner Tochter gebeten, und genauso viele hat Lena hochmütig abblitzen lassen.

Für sie ist Flirten nur ein Spiel, und küssen macht doch Spaß! Was kann sie dafür, wenn die jungen Männer darin sofort ernst gemeinte Liebesbekenntnisse sehen?

Doch Graf Robert ist außer sich - er ist es leid, sich bei den anderen Familien von Stand in Misskredit bringen zu lassen! Fern vom heimischen Luxus soll Lena endlich lernen, auf eigenen Beinen zu stehen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Wort, das sie für immer trennte

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Nejron Photo

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1645-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Wort, das sie für immer trennte

Warum Lena ganz allein nach ihrem Glück suchen musste

Von Johanna Thorwald

„Du betrittst dieses Haus erst wieder, wenn du zur Vernunft gekommen bist!“ Das sind die Worte, mit denen Lena von Striebeck aus dem heimatlichen Schloss geworfen wird. Viele junge Männer haben Graf Robert um die Hand seiner Tochter gebeten, und genauso viele hat Lena hochmütig abblitzen lassen.

Für sie ist flirten nur ein Spiel, und küssen macht doch Spaß! Was kann sie dafür, wenn die jungen Männer darin sofort ernst gemeinte Liebesbekenntnisse sehen?

Doch Graf Robert ist außer sich – er ist es leid, sich bei den anderen Familien von Stand in Misskredit bringen zu lassen! Fern vom heimischen Luxus soll Lena endlich lernen, auf eigenen Beinen zu stehen …

„Was will der denn?“, fragte Ulla von Kirstein ihre Freundin Lena. „Der sieht ja ordentlich feierlich aus.“

„Ach, Peter? Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht.“ Lena zuckte die wohlgeformten Schultern. „Was machen wir heute? Schlag etwas vor. Wollen wir uns heimlich das Boot nehmen und segeln?“

„Deine Eltern haben es dir streng verboten, und ich weiß nicht recht …“ Ulla machte ein nachdenkliches Gesicht. „Immerhin hast du das Boot schon zweimal zum Kentern gebracht“, erinnerte sie. „Ich kann deine Eltern verstehen. So ungefährlich ist es schließlich auch nicht, mitten auf dem See Schiffbruch zu erleiden.“

„Angsthase! Ich verstehe überhaupt nicht … Ja, was gibt es?“, unterbrach sich Lena und schaute das eingetretene Hausmädchen fragend an.

„Die Herrschaften lassen das gnädige Fräulein bitten, nach unten zu kommen.“ Käthe wurde rot, als Lena sie prüfend anschaute. „Es dreht sich um den Herrn von Kunatzki. Ich glaube, er will um Ihre Hand anhalten.“

„Der hat wohl nicht alle Tassen im Schrank“, meinte Lena kopfschüttelnd. „Also gut, ich folge dem Ruf meiner Regierung. Bin gespannt, was die alten Herrschaften wieder verkünden. Alles, was Spaß macht, ist bei denen verboten.“

Sie ging hinaus, und als Ulla ihr nachschaute, bewunderte sie wieder ihre Freundin. Lena von Striebeck besaß nicht nur ein ungewöhnlich schönes Gesicht, sondern auch eine Figur, von der jedes Mädchen träumt. Ulla stieß einen tiefen Seufzer aus. Obwohl sie selbst recht hübsch war, wusste sie doch, dass sie sich mit Lena nicht messen konnte.

Ihre Freundin betrat unterdessen äußerlich unbekümmert den Salon, in dem ihre Eltern und Peter von Kunatzki sie erwarteten. Ihre Eltern machten strenge Gesichter, und prompt regte sich bei Lena das schlechte Gewissen. Das war nichts Neues bei ihr, sie hatte meistens ein schlechtes Gewissen, denn sie konnte sich nun einmal nicht an die vielen Verbote halten, die ihre Freiheit auf Schloss Striebeck einengten.

Sie begrüßte Peter von Kunatzki mit kameradschaftlichem Handschlag. Der junge Mann trug einen dunklen Anzug, und Lena fiel als Erstes auf, dass seine etwas abstehenden Ohren vor Erregung glühten.

„Nett, dass du uns besuchst“, meinte sie leichthin.

„Herr von Kunatzki hat uns um deine Hand gebeten“, äußerte Graf Robert finster. „Und ich muss sagen, diese Werbung war für uns eine Überraschung.“

Lena senkte betreten den Kopf. „Das tut mir wahnsinnig leid“, behauptete sie. „Aber glaubt mir, ich habe Peter niemals ermutigt. Das musst du doch auch zugeben“, wandte sie sich um Beistand bittend an ihren Freier.

Peter blickte sie verwirrt an. „Aber Lena … Ich verstehe nicht … Ich dachte, wir wären uns einig …“ Er konnte einfach nicht mehr zusammenhängend sprechen, so verstört war er. „Wir lieben uns doch“, schloss er hoffnungsvoll sein Gestammel ab.

„Nicht die Bohne“, behauptete Lena wegwerfend. „Ich habe dich wirklich gern, Peter, ich weiß, dass du ein feiner Kerl bist, aber lieben …“

Auf Vater Roberts Stirn bildeten sich ein paar tiefe Falten. Sein Blick forderte Herrn von Kunatzki zu einer Erklärung auf. Der junge Mann wurde noch verlegener.

„Aber wir haben uns doch geküsst“, stieß er hervor. „Und – und du warst immer so nett zu mir … viel netter als zu den anderen … und wir haben uns doch geküsst“, wiederholte er.

„Geküsst?“ Lena zuckte die Schultern. „Mag sein, dass ich dich geküsst habe, das weiß ich nicht mehr so genau. Aber wenn man jeden heiraten wollte, den man küsste …“ Diese Vorstellung erheiterte sie so sehr, dass sie in herzhaftes Lachen ausbrach. „Tut mir leid, dass du dich meinetwegen in seelische Unkosten gestürzt hast, aber ich denke nicht ans Heiraten. Nun setz dich doch. Ich finde es schrecklich ungemütlich, wenn ihr alle hier steht. Das ist ja fast wie vor Gericht.“

„Ich verstehe nicht …“ Peter warf einen flehenden Blick auf Graf von Striebeck. „Glauben Sie mir, ich war fest überzeugt, dass Lena mich liebt. Man küsst doch keinen Mann, den man nicht gern hat.“

Der Graf wandte den Blick verlegen zur Seite.

„Ich verstehe Ihre Verwirrung“, sagte er gepresst. „Was ich nicht verstehe, ist meine Tochter. Glauben Sie mir, ich habe mich wirklich bemüht, Lena anders zu erziehen. Es tut mir leid, dass es mir nicht gelungen ist. Nun setzen Sie sich. Trinken wir noch ein Fläschchen Wein miteinander …“

Peter von Kunatzki schüttelte heftig den Kopf. Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen.

„Ich danke Ihnen, aber leider … ich habe keine Zeit, Sie verstehen …“ Beim Sprechen ging er rückwärts auf die Tür zu und verneigte sich ein paar Mal. „Ich bitte um Entschuldigung.“

Er hatte die Tür erreicht, seine tastende, rückwärts greifende Hand spürte die Klinke. Noch eine letzte tiefe Verneigung, dann stürzte er hinaus.

„Was für ein komischer Vogel“, sagte Lena verwundert. „Er hätte doch ruhig noch einen Schluck mit uns trinken können. Was hast du denn Feines, Vati?“

Graf Robert musterte sie von oben bis unten. „Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass ich mich meiner Tochter einmal so schämen müsste. Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, Herrn von Kunatzki derartig zu ermutigen? Er stammt aus einer angesehenen Familie, und er ist ein Mann, der überall anklopfen kann, ohne befürchten zu müssen, einen Korb zu bekommen. Nur du schickst ihn fort, wie … einen dummen Jungen. Was hast du dir dabei gedacht?“

„Aber Robert“, mahnte seine Frau Irene. Sie kannte die seltenen Zornesausbrüche des Gatten. So sehr Graf Striebeck sich in der Regel auch beherrschen konnte, manchmal platzte ihm der Kragen, und dann erkannte man ihn kaum wieder.

„Mische dich nicht ein!“, schrie Vater Robert seine Frau an. „Ab heute weht für Lena ein anderer Wind. Sie ist kein Kind mehr. Sie bringt uns in der ganzen Umgebung in Misskredit. Unsere Tochter küsst einen jungen Mann und erinnert sich nicht einmal daran!“ Die Stimme versagte ihm vor Erregung. „Aber das hört jetzt auf. Warte ab, mein liebes Kind! Geh erst einmal in dein Zimmer. Und wage nicht, es ohne meine Erlaubnis zu verlassen. Ich kann deinen Anblick einfach nicht mehr ertragen!“

Frau Irene fasste bang den Arm des Gatten.

Lena schlich sich verstört zur Tür. „Vati, ich habe mir doch gar nichts dabei gedacht“, brachte sie als Entschuldigung hervor.

„Nichts dabei gedacht“, keuchte Graf Striebeck. „Auch das noch! Wer weiß, was man hinter dem Rücken meiner Tochter alles über sie sagt.“

Als Letztes sah Lena noch, wie er sich schwer in einen Sessel fallen ließ und die Fäuste gegen die Stirn presste. Sie floh förmlich durch die Halle die Treppe hinauf und atmete erst auf, als sie die Tür ihres Zimmers hinter sich geschlossen hatte.

„Du siehst aus, als wärest du eurem Schlossgespenst begegnet“, stellte Ulla von Kirstein verdutzt fest. „Was ist denn los?“

„Mir ist nicht nach Lachen zumute.“ Lena setzte sich auf die Couch und stützte die Ellenbogen auf die Knie. „Peter wollte mich heiraten. Und weißt du, warum? Weil ich mich von ihm habe küssen lassen. Also, wäre die Geschichte nicht so ernst, ich könnte mich kringelig lachen.“

„Vielleicht liebt er dich“, sagte Ulla leise.

„Und?“ Lena zuckte die Schultern. „Man kann doch nicht jeden heiraten, der einen liebt. Wie oft haben sie mir das schon gesagt, dass sie ohne mich nicht leben können und all dieses Zeug! Mein Vater tat so, als müsse die Welt untergehen, nur weil ich Peter und ein paar andere geküsst habe.“

Ulla drehte den Kopf zur Seite, trat ans Fenster und zupfte an den Gardinen.

„Es könnte sein“, meinte sie, „dass manche dein Verhalten falsch verstehen.“

„Wie meinst du das?“, fragte Lena hellwach. Es kam eigentlich selten vor, dass ihre Freundin Ulla einmal Kritik an ihr übte.

„Nun … man könnte dich für leichtfertig halten. Ein guter Ruf ist schnell zerstört. Zu reparieren ist er meistens nicht.“

„Das hätte Vati sagen können.“ Lena schob die Unterlippe trotzig vor. „Meine alten Herrschaften sind spießig“, urteilte sie wegwerfend. „Sie haben keine Ahnung, dass die Jugend heute anders ist als zu ihrer Zeit. Mag sein, dass ein Kuss vor fünfzig Jahren eine Staatsaffäre war, aber heutzutage …“

Lena von Striebeck war nicht bereit, ein eventuelles Unrecht zuzugeben.

„Und nun will Vati eine große Schau abziehen. Erst einmal hat er mir Hausarrest aufgebrummt. Stell dir vor, ich soll dieses Zimmer nicht verlassen, bis er es mir erlaubt. Fast schon mittelalterlich! Jetzt gehe ich erst recht. Kommst du mit? Ich nehme das Boot und segle ein bisschen auf dem See. Heute ist gerade der richtige Wind.“

„Es ist viel zu böig. Lena, sei doch vernünftig! Es hat keinen Zweck, dass du deine Eltern noch weiter aufbringst.“

„Ich weiß selbst, was ich zu tun habe! Ich brauche keinen Aufpasser mehr. Du hast ja nur Angst. Na ja, du bist eben das brave Mädchen aus guter Familie! Halt die Stellung, Mädchen, und wenn jemand nach mir fragt, ich bin segeln gegangen.“

Sie kleidete sich beim Sprechen um und sah in ihren weißen Hosen und dem gleichfalls weißen Rollkragenpullover zum Anbeißen hübsch aus. Ulla verstand, weshalb die Männer Lena umschwärmten.

Selbst sie, die Lenas Schwächen gut kannte, konnte einfach nicht anders, als sie gern haben. Nur manchmal verstand sie die eigenwillige Art der Freundin nicht. Begriff Lena denn gar nicht, dass ihre Eltern im Recht waren, wenn sie sich über ihre etwas leichtfertige Lebensauffassung entsetzten?

***

Graf Striebeck riss die Tür zum Zimmer seiner Tochter auf.

„Lena!“, sagte er scharf.

Ulla schreckte zusammen. „Ihre Tochter, Herr Graf …“

„Wo ist Lena?“, brüllte Vater Robert sie an. Die Zornadern an seinen Schläfen traten hervor. „Ich habe ihr verboten, das Zimmer zu verlassen. Wo steckt sie?“

Ulla senkte den Kopf. „Ich weiß nicht genau … vielleicht ist sie zum See gegangen.“

„Zum See?“, wiederholte der Mann fassungslos. „Womöglich will sie segeln, und das bei diesem Wetter? Es ist ja fast Sturm!“ Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Wenn Lena kommt, sagen Sie ihr, dass ich sie sofort sprechen möchte. Sofort!“

Grußlos, wie er hereingekommen war, ging er auch wieder hinaus. Die Tür warf er hinter sich zu.

Ulla hatte Angst um ihre Freundin, die sich so unbekümmert benahm. Ihr war es immer gut gegangen, alles hatte man von ihr ferngehalten. All die Schicksalsschläge, die sonst kaum einem Menschen erspart blieben – Lena hatte sie noch nicht erlebt.

Und anstatt dankbar zu sein, machte sie solche Sachen, dachte Ulla und schüttelte den Kopf. Lena wusste gar nicht, wieviel ein gutes Elternhaus wert war. Sie, Ulla von Kirstein, lebte anders. Ihre Eltern waren geschieden, und einen Teil des Jahres verbrachte sie bei der Mutter, den anderen beim Vater. Heimisch fühlte sie sich bei beiden nicht. Irgendwie war sie immer die Besucherin, die ein klein wenig störte.

Das sensible Mädchen litt unter diesem Zustand, und vielleicht lag es daran, dass sie schon früh das unbekümmerte Lachen verlernt hatte. Sie war genauso alt wie Lena, wirkte aber viel reifer und vernünftiger.

In der Schule hatten sie sich angefreundet, zwei gegensätzliche Mädchentypen, die sich doch sehr gut verstanden. Lena hatte nämlich trotz ihrer Oberflächlichkeit ein sehr gutes Herz, und Ulla tat ihr leid. Ulla hielt sich scheu von allen lauten Vergnügungen zurück. Aber schließlich hatte Lena es geschafft, Ullas Freundschaft zu erlangen.

Seit jener Zeit war Ulla ein häufiger Gast auf Schloss Striebeck. Auch Lenas Eltern begrüßten die Freundschaft der beiden, denn ihnen war klar, dass Ulla einen guten Einfluss auf ihre Tochter ausüben konnte.

Die Zeit verging, es begann schon zu dämmern, und noch immer war Lena nicht zurückgekehrt. Ob ihr vielleicht etwas passiert war? Schließlich hielt sie es nicht länger aus. Sie zog sich einen Mantel an und lief aus dem Haus.

Eine unerklärliche Unruhe trieb sie voran. Der Wind pfiff ihr ins Gesicht, heulte in ihren Ohren, und vielleicht lag es daran und an ihrer verständlichen Aufregung, dass sie den Wagen nicht hörte.

Erst an einer Wegbiegung bemerkte sie das Auto. Mit kreischenden Bremsen hielt der Wagen unmittelbar vor ihr.

„Können Sie nicht besser aufpassen?“, schrie der Herr am Steuer sie wütend an.

„Ach, Sie sind es, Graf Wildhagen.“ Ulla keuchte vom Laufen. „Verzeihen Sie, ich hatte Sie nicht gehört. Ich will zum See, meine Freundin …“

Mitten im Satz brach sie ab. Auf dem Rücksitz des Wagens lag Lena, die Augen geschlossen, das Haar nass. Es hing ihr in Strähnen ins Gesicht.

„Mein Gott“, flüsterte Ulla. „Ist sie …?“

„Nein, gottlob nicht. Sie muss sofort in ärztliche Behandlung. Steigen Sie ein!“

Axel von Wildhagen öffnete ihr von innen die andere Tür des Autos und forderte sie mit einem herrischen Wink auf, an seiner Seite Platz zu nehmen.

„Das Boot ist gekentert. Was für ein Wahnsinn, bei diesem Wind zu segeln! Ich traute meinen Augen nicht, als ich sie zufällig sah. Gottlob sprang der Motor meines Bootes sofort an. Ich weiß nicht, was sonst geschehen wäre“, schloss Axel von Wildhagen mit rauer Stimme.

Ulla wurde einen Moment übel vor Angst. Hatte sie nicht geahnt, dass heute noch irgendetwas geschehen würde? In schnellem Tempo raste Graf Wildhagen über die Schlaglöcher dem Schlosse zu.

Auf starken Armen trug er Lena dann die breiten Stufen empor. Ulla öffnete ihm die Tür.

„Rufen Sie sofort einen Arzt an“, befahl Axel mit einer Stimme, der man anmerkte, dass sie gewohnt war zu befehlen.

Das Mädchen gehorchte eingeschüchtert.

Lena hatte die Augen noch nicht geöffnet. Ihr Kopf ruhte an der Brust des Mannes, der sie trug, als spürte er ihr Gewicht überhaupt nicht. Ulla ging neben ihm, und einmal sah sie zufällig in sein Gesicht. Ein Schmerz durchzuckte sie, und sie meinte, einen derartigen nie zuvor gespürt zu haben.

Liebe hatte auf seinem Antlitz gelegen, sehr viel Liebe und Zärtlichkeit, als er Lena anschaute. Auch er liebte sie also, wie jeder Mann, der sie kennenlernte, dachte Ulla. Für sie war Graf Wildhagen immer ein Ausnahmemensch gewesen, und nur deshalb, sagte sie sich, war sie so enttäuscht, dass auch er nicht imstande war, hinter Lenas hübscher Fassade das oberflächliche Mädchen zu sehen.

Frau Irene und Vater Robert stürzten fast gleichzeitig ins Zimmer. Das Gesicht der Mutter war von Angst gezeichnet. Vater Robert hatte sich etwas besser in der Gewalt, ihn verriet nur das nervöse Spiel seiner Finger.

Mit ein paar Sätzen informierte Wildhagen die Eltern über das, was sich draußen abgespielt hatte.

Ulla stellte fest, dass er seine Rolle in dem Drama bescheiden nur am Rande erwähnte.

„Ihr Boot ist allerdings wahrscheinlich verloren“, schloss Axel von Wildhagen bedauernd.

Mit einer Handbewegung gab Graf Robert zu verstehen, wie wenig ihm in diesem Moment an seinem Segelboot lag, auf das er sonst so stolz war.

Der Eintritt des Arztes unterbrach ihr Gespräch. Sie verließen das Zimmer.

„Sie sind ja ganz nass“, stellte Frau Irene erst jetzt fest. „Mussten Sie denn ins Wasser springen, um Lena herauszuholen?“

„Ja.“

„Und wenn das Boot in der Zeit abgetrieben worden wäre?“ Die Gräfin schloss entsetzt die Augen, als sie sich diese Möglichkeit vorstellte.

„Es ist ja alles gut gegangen“, beruhigte Axel mit charmantem Lächeln.

Graf Robert bestand darauf, dass der junge Mann seine Kleider wechselte. Zehn Minuten später saß Axel wieder am Tisch, und Ulla stellte fest, dass der Anzug des Hausherrn sehr knapp saß. Erst jetzt fiel ihr auf, wie kräftig er war. Ein Bild von einem Mann, dachte sie. Und er liebt Lena.

Der Arzt beruhigte sie über den Zustand der Komtess. Er hatte ihr eine Spritze gegeben. Wenn sie am nächsten Morgen aufwachte, dann würde sie sich wieder wohl fühlen.

„Ich möchte einmal nach ihr schauen.“ Gräfin Irene erhob sich, und Ulla folgte ihrem Beispiel.

„Darf ich mitkommen?“, fragte die Freundin bittend.

„Selbstverständlich, mein Kind.“ Frau Irene strich ihrem jungen, sympathischen Gast leicht über das Haar.

„Sorgen hat man mit seiner Tochter“, seufzte Graf Striebeck, als er mit Axel allein war. „Ich weiß manchmal nicht, was ich von Lena denken soll. Sie kann so liebenswert sein, und dann wiederum … Manchmal habe ich fast beinahe Angst, sie könne leichtfertig sein.“

„Ausgeschlossen“, widersprach Wildhagen temperamentvoll.

Seine Antwort war so schnell gekommen, dass Vater Robert stutzte und ihm einen nachdenklich prüfenden Blick zuwarf.

„Ihr Fräulein Tochter ist bezaubernd“, stellte Axel von Wildhagen träumerisch fest. „Der Mann, der einmal das Glück hat, sie zu erringen, ist zu beneiden. Ich wünschte …“

„Was?“, fragte Striebeck gespannt.

„Ich wünschte, meine Vorfahren hätten etwas besser gewirtschaftet und mir ein rundes Vermögen hinterlassen“, vollendete der junge Graf seinen Satz.

„Und wenn es so wäre, was würden Sie dann tun?“, fragte Vater Robert hartnäckig.

Wildhagen lächelte traurig. „Ich würde eines Tages mit einem Blumenstrauß bewaffnet bei Ihnen antanzen und Sie bitten, mir Lena als Frau anzuvertrauen. Aber so, wie die Verhältnisse liegen … Meine Klitsche wirft gerade genügend ab, um gut davon leben zu können. Für Luxus reicht es nicht.“

„Geld haben wir genug“, stellte Robert von Striebeck nachdenklich fest. „Es kommt auf den Menschen an, Wildhagen.“ Vater Robert presste die Fingerspitzen auf die Tischplatte. „Wenn Sie mit einem Blumenstrauß bewaffnet bei mir aufkreuzen und mich um Lena bitten, ich würde Ihnen keinen Korb geben. Nur eine Bedingung müsste ich stellen.“

„Und die wäre?“, fragte Graf Wildhagen gespannt. Er war blass geworden, man sah ihm an, wie es in seinem Inneren arbeitete.

Graf Striebeck lächelte verständnisvoll. „Sie müssten mir versprechen, Lena nicht jeden verrückten Wunsch zu erfüllen – etwas härter zu ihr zu sein. Wenn Sie sich das zutrauen, lieber Wildhagen …“

„Ich liebe Lena. Ich wäre der glücklichste Mann der Welt, wenn sie mich heiraten würde. Haben Sie Ihre Worte wirklich ernst gemeint, Graf?“

„Ja.“ Striebeck nickte nachdenklich.

„Und ich weiß, dass meine Frau genauso denkt. Also, wie ist es? Dürfen wir Sie morgen um elf Uhr erwarten?“

„Ich kann es noch gar nicht fassen.“ Axel von Wildhagen schüttelte benommen den Kopf. „Ich hätte niemals damit gerechnet … Und Lena, wird sie mich überhaupt wollen?“, fiel ihm ein.

Das Gesicht des Grafen Striebeck verhärtete sich. „Darüber machen Sie sich keine Sorgen, lieber Wildhagen, Lena ist im Grunde genommen noch ein törichtes Kind und braucht eine harte Hand.“

„Ich werde alles versuchen, um Lena glücklich zu machen“, versprach Wildhagen, und Vater Robert glaubte ihm aufs Wort.

„Seien Sie vor allem nicht zu weich, hören Sie! Es ist schwer, Lena etwas abzuschlagen. Wer wüsste das besser als ich?“

Graf Wildhagen war viel zu aufgewühlt, um für diese Ermahnung eine Entgegnung

zu haben.

Lena, das Mädchen, für das er seit langem heimlich schwärmte, Lena würde seine Frau werden? Er konnte so viel Glück einfach nicht fassen.

Als Lena am nächsten Morgen aus tiefem Schlaf aufwachte, fühlte sie sich sterbenselend. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, was geschehen war.

Erst als Ulla, durch ihr Stöhnen alarmiert, in ihr Zimmer huschte, erinnerte sie sich wieder.

„Du kannst froh sein, dass Graf Wildhagen dich gerettet hat“, sagte Ulla. Sie vermied es, Lena beim Sprechen anzuschauen. „Ich hoffe, es, geht dir jetzt wieder gut“, sagte sie mit spröder Stimme.

„Das hält sich in erträglichen Grenzen. Du, waren meine Eltern sehr böse?“, fragte Lena doch ein wenig ängstlich. „Ich verstehe gar nicht, wie das alles so kommen konnte. Anfangs ging das Boot wunderbar unter meiner Hand, und nur diese eine Bö … das kann schließlich jedem passieren. Mach nicht solch ein Gouvernantengesicht! Manchmal bist du genauso altmodisch wie meine Eltern. Ich möchte jetzt aufstehen. Gibt es denn sonst noch etwas Neues?“

„Ja“, sagte Ulla mit dünner Stimme. „Graf Wildhagen … hat um deine Hand angehalten.“

Lena, die schon beide Beine aus dem Bett geschwungen hatte, schüttelte konsterniert den Kopf.

„Ist er denn verrückt geworden? Ich denke gar nicht daran, ihn zu heiraten. Er ist mir viel zu langweilig. Hat Vater ihm seinen Korb schon gegeben, oder überlässt er das mir?“

„Ich glaube, dein Vater ist mit Graf Wildhagen sehr einverstanden.“

„Aber ich soll ihn doch heiraten, nicht er.“ Lena schüttelte den Kopf. „Was für eine verrückte Idee, dass ich den Wildhagen heiraten soll. Ausgerechnet den. Ich glaube, der kann noch nicht einmal richtig tanzen.“

„Aber was hat es denn damit zu tun?“, fragte Ulla verstört. „Wildhagen ist zuverlässig, er wird seiner Frau bestimmt treu sein, er wird sie niemals im Stich lassen.“

„Puh, wie langweilig das klingt, was du da alles aufzählst. Wenn dieser Musterknabe dir so gut gefällt, dann heirate du ihn doch.“

„Das war gemein!“, schrie Ulla die Freundin an. „Du hast kein Herz. Ich will nichts mehr von dir wissen.“

„Was hat die nur?“, fragte Lena laut, als Ulla hinausgestürzt war und in ihrer Erregung die Tür hinter sich zugeknallt hatte.

Kopfschüttelnd sah sie ihr nach, doch als sie etwas später unter der Dusche stand, hatte sie Ulla und deren seltsames Benehmen schon wieder vergessen.

Die junge Dame fühlte sich munter und unternehmungslustig, als sie bald darauf zum Frühstück nach unten ging.

Ihr Vater schien sie erwartet zu haben. Um diese Zeit pflegte er nämlich sonst die Arbeit draußen zu überwachen. Einen Verwalter gab es auf Schloss Striebeck nicht, denn Vater Robert war Landwirt mit Leib und Seele und verstand seine Arbeit.