Rosebay Hope - Ein Neuanfang in Irland - Jennifer Wellen - E-Book
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Rosebay Hope - Ein Neuanfang in Irland E-Book

Jennifer Wellen

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Beschreibung

Sanfte, grüne Hügel, bunte Fischerdörfchen und wildromantische Küsten – der perfekte Ort für frischen Wind im Leben! Kurz vor ihrem 30. Geburtstag will die Erfolgsautorin Gigi ihren einsamen Schreiballtag gegen ein Abenteuer eintauschen. Allerdings ist die irische See dann doch etwas zu stürmisch für ihr Kajak und prompt landet Gigi in einem kleinen Landkrankenhaus mitten im Nirgendwo. Doch Gigi entdeckt schnell, dass Rosebay Hope so einiges zu bieten hat: etwa den ebenso rätselhaften wie attraktiven Doktor Callan O'Cleary, der nicht gern über seine Vergangenheit spricht; oder den Krimiautorenclub der »Quill Pens«, die sich nicht nur gern als Hobbydetektive betätigen, sondern auch Gigi überaus herzlich aufnehmen. Schon bald muss Gigi sich fragen, ob sie ihr Londoner Leben eigentlich vermisst – und ob das große Glück nicht gerade auf Umwegen zu finden ist? Der erste Band der turbulenten Irlandreihe um eine kleine Landklinik, in der jeder Roman unabhängig gelesen werden kann. Zum Wohlfühlen und Träumen für alle Fans von Jenny Colgan und Ava Reed!

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Seitenzahl: 416

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

Kurz vor ihrem 30. Geburtstag will die Erfolgsautorin Gigi ihren einsamen Schreiballtag gegen ein Abenteuer eintauschen. Allerdings ist die irische See dann doch etwas zu stürmisch für ihr Kajak und prompt landet Gigi in einem kleinen Landkrankenhaus mitten im Nirgendwo. Doch Gigi entdeckt schnell, dass Rosebay Hope so einiges zu bieten hat: etwa den ebenso rätselhaften wie attraktiven Doktor Callan O'Cleary, der nicht gern über seine Vergangenheit spricht; oder den Krimiautorenclub der »Quill Pens«, die sich nicht nur gern als Hobbydetektive betätigen, sondern auch Gigi überaus herzlich aufnehmen. Schon bald muss Gigi sich fragen, ob sie ihr Londoner Leben eigentlich vermisst – und ob das große Glück nicht gerade auf Umwegen zu finden ist?

Über die Autorin:

Jennifer Wellen lebt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet und arbeitet als Dozentin im Pflegebereich. Wenn sie neben ihrer Tochter, den drei Katzen und ihrem Hund noch Zeit findet, schreibt sie mit Begeisterung witzige Romane für Frauen, die wissen, wie das Leben spielt.

Die Autorin im Internet:

www.jenniferwellen.com

www.instagram.com/jenniferwellen_autorin/

Ihre »Rosebay Hope«-Reihe erscheint bei dotbooks im eBook und bei Saga Egmont im Print und Hörbuch, weitere Bände sind bereits in Planung.

Ihre »Hollywell Hearts«-Reihe erscheint bei dotbooks im eBook und bei Saga Egmont im Print und Hörbuch:

»Hollywell Hearts – Die kleine Farm am Meer«

»Hollywell Hearts – Die Glückspension am Meer«

»Hollywell Hearts – Der Strickladen am Meer«

Ihr Roman »Drei Küsse für ein Cottage« erscheint bei dotbooks als eBook- und Printausgabe und bei Saga Egmont als Hörbuch.

Ihre »Schottische Herzen«-Trilogie ist bei dotbooks im eBook und Print erhältlich und bei Saga Egmont im Hörbuch:

»Das Rosencottage am Meer«

»Das Veilchencottage am Meer«

»Das Magnoliencottage am Meer«

Bei dotbooks veröffentlichte Jennifer Wellen auch ihre Liebesromane »Honigkuchentage«, »Sternschnuppenwünsche« und »Kiss me like a Star«.

***

Originalausgabe Juni 2025

Copyright © der Originalausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Katrin Scheiding

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98952-787-4

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Jennifer Wellen

Rosebay HopeEin Neuanfang in Irland

Roman

dotbooks.

Widmung

Kapitel 1 Gwyneth – May the road rise to meet you

Kapitel 2 Callan – Rosebay Hope

Kapitel 3 Gwyneth – Der Open Book Rock und ich

Kapitel 4 Callan – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Kapitel 5 Gwyneth – Wenn der Wind der Veränderung weht

Kapitel 6 Callan – Druck erzeugt Gegendruck

Kapitel 7 Gwyneth – O’Dreamy

Kapitel 8 Callan – Eine Hand wäscht die andere

Kapitel 9 Gwyneth – There we have the salad!

Kapitel 10 Callan – Thunfischbrötchen und Blaubeer-Muffin

Kapitel 11 Gwyneth – Erfolg ist eine Treppe und keine Tür

Kapitel 12 Callan – Unsichtbarer Feind

Kapitel 13 Gwyneth – Jeden Tag eine gute Tat

Kapitel 14 Callan – Wer heilt, hat recht

Kapitel 15 Gwyneth – Der Junge mit dem roten Rucksack

Kapitel 16 Callan – So und nicht anders

Kapitel 17 Gwyneth – Geld allein macht nicht glücklich

Kapitel 18 Callan – Es kommt immer anders, als wir denken

Kapitel 19 Gwyneth – Cottage Pie und Himbeer-Mascarpone

Kapitel 20 Callan – Wär doch gelacht …

Kapitel 21 Gwyneth – Wer den Schaden hat …

Kapitel 22 Callan – Grey’s Anatomy

Kapitel 23 Gwyneth – Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Kapitel 24 Callan – Lügen sind wie …

Kapitel 25 Gwyneth – Rückkehr nach Hause

Kapitel 25 Callan – Für jedes Problem eine Lösung

Kapitel 26 Gwyneth – Männer sind wie …

Kapitel 27 Callan – Am Ende wird alles gut

Epilog

Danksagung

Lesetipps

Widmung

Dieses Buch ist allen Ponys und Pferden gewidmet, die uns Tag für Tag auf ihrem Rücken tragen. All die Aufgaben meistern, die wir ihnen stellen. Die Teil unserer Familie geworden sind.

Insbesondere Demetria Devonne, die kleine Grumpy-Queen, die viel zu früh über die Regenbogenbrücke galoppieren musste.

Liebe Demi, irgendwann sehen wir uns alle wieder und auch wenn das Leben hier auf der Erde oft kein schöner Ponyhof ist, so ist es das für dich im Himmel ganz bestimmt.

Kapitel 1Gwyneth – May the road rise to meet you

Es waren genau vier Zeichen, die jedes Mal mein Herz aufs Neue in Erregung versetzten. Nun gut, sagen wir sechs, denn vorn und hinten fügte ich immer noch einen Gedankenstrich dazu. Wohlwollend betrachtete ich schließlich das Wort, das direkt vor mir auf dem Bildschirm prangte: – Ende –

Ich schubste die Maus weg und ließ mich erleichtert aufatmend im Schreibtischsessel zurücksinken. Endlich war er fertig. Mein neuer Krimi. Und ich musste selbst zugeben, dass er mir dieses Mal wirklich mehr als gut gelungen war, auch wenn einer meiner Lieblingsprotagonisten leider ins Gras hatte beißen müssen. Aber hey, im nächsten Teil würde ich schon jemand neuen kreieren. Vielleicht dieses Mal einen hübschen, jungen Arzt, der meiner Ermittlerin auch in Liebesdingen gefährlich werden konnte? Plötzlich kam mir eine Idee, doch bevor ich sie aufschreiben konnte, wurde ich durch ein Klopfen an meiner Arbeitszimmertür abgelenkt.

»Na? Geschafft?« Payden steckte den Kopf hinein.

Aus einem inneren Impuls heraus riss ich die Arme hoch und rief ihr »Yes« zu.

Sie trat ein. »Wurde ja auch langsam Zeit, meine Liebe. Dieses Mal hast du dich aber ganz schön gequält, was?«

Ich sah zurück auf die sechs Zeichen am Ende der letzten Seite und nickte zustimmend. »So schlimm war es tatsächlich noch nie. Keine Ahnung wieso.« Immer schon war der Druck aufgrund der Deadline für mich eine Belastung. Vor allem, wenn die Nachfragemails der Lektorin aus dem Verlag zum Ende hin immer häufiger wurden. Bislang hatte ich dies jedoch meist souverän ausblenden können. Nur dieses Mal nicht. Es war, als hätte mein Gehirn bei jeder Mail seine Leistung ein wenig weiter heruntergefahren.

»Jetzt ist das Manuskript jedenfalls fertig und ich kann es endlich rausschicken.« Die Erleichterung schwappte über mich hinweg wie eine Welle am Strand.

Meine Freundin verschränkte die Arme und lehnte sich an meinen Schreibtisch. »Vielleicht brauchst du mal eine Auszeit. Dieses Jahr ist es immerhin schon der vierte Roman, den du raushaust.« Ich sah zurück auf den Monitor, wo der Cursor aufgeregt blinkte, so als wolle er das Ende nicht akzeptieren.

»Vielleicht hast du recht. Vier Bände in einem Jahr ist wirklich viel.« Seufzend beugte ich mich vor, griff zur Maus und rief mein Mail-Programm auf, um meine Story an den Verlag zu schicken, der schon sehnsüchtig darauf wartete.

Ein paar Klicks und einen Gruß dazu, dann war der 17. Teil meiner Buchreihe Murder at first sight offiziell versendet. Als ich fertig war, stand ich auf und streckte mich.

»Dieses Mal nehme ich mir wirklich eine längere Schreibauszeit. Vielleicht mal einen ganzen Monat. Das kann ich mir als Bestsellerautorin doch durchaus gönnen, oder nicht?« Natürlich wusste ich um die Verpflichtung gegenüber meinen Leserinnen. Aber etwas Abstand war auch nötig. Vor allem, um weiterhin kreativ zu bleiben. Mein Gehirn hatte mir in den letzten Wochen deutlich gezeigt, wie dringend es nach einer Pause lechzte. Was, wenn ich endlich mal das Puzzle, das Payden mir zu Weihnachten geschenkt hatte, in Angriff nahm? Oder einfach nur spazieren ging? Shoppen? Abhängen und eine Serie streamen? All die Dinge, für die ich sonst nie Zeit fand, weil die eine Deadline die nächste jagte.

»Warum fährst du nicht ein paar Tage weg? Meerluft und Sand unter den Füßen sind bestimmt erholsamer als der abgasverpestete Londoner Stadtmief. Und wenn du zu Hause bleibst, arbeitest du ohnehin wieder mir nichts, dir nichts am Exposé für den nächsten Band.« Meerluft, Sand und ein wenig Wind um die Nase wehen lassen – das klang toll.

»Dir könnte frische Luft statt Krankenhausmuff auch guttun«, schlug ich vor. Doch Payden schüttelte sofort den Kopf.

»Sorry, aber bei uns ist gerade die Hölle los. Außerdem ist da noch Elliot …« Sie zögerte. »Gern, aber nächstes Mal.« Schade. Mit Payden wegzufahren, wäre sicher schön gewesen. Denn sie war weit aus mehr als nur meine Freundin und Mitbewohnerin. Sie war wie meine Schwester. Wir hatten uns vor Jahrzehnten im Kinderheim kennengelernt, die gleichen Erfahrungen gemacht, Hoffnungen, Träume und Tränen geteilt. Seitdem waren wir unzertrennlich, bis auf die kurzen Episoden in irgendwelchen Pflegefamilien. Wir zwei waren also wie Zwillinge, nur eben mehr emotional.

»Dieser Elliot …«, setzte ich vorsichtig an, »er ist doch nicht verheiratet, oder so?«

Sie zwinkerte mir zu. »Keine Sorge, das habe ich schon abgeklärt. Er ist definitiv solo.« Seit ein paar Tagen bandelte sie nun schon mit diesem Neurochirurgen auf der Arbeit an. Payden war gelernte OP-Schwester. Leider hatte sie aber auch ein Händchen für schlechte Typen, die etwas verbargen oder es einfach nicht ernst mit ihr meinten.

»Außerdem gehen wir nur essen und zu dieser Kunstausstellung von David Hockney, Bigger and Closer, von der ich dir erzählt habe.« Und von der sie mehr als einmal geschwärmt hatte. Paydens kreative Leidenschaft war nicht wie bei mir das Schreiben, sondern das Malen. Immer schon hatte sie ihren Frust über die schreckliche Zeit im Heim und den Drangsalen der Erzieher in Bildern ausgedrückt. Ich dagegen in Worten. Also kein Wunder, dass sie gerade nicht aus der Stadt rauswollte. David Hockney war eines ihrer Vorbilder. Dazu noch ein Date mit einem ungebundenen Kerl … da könnte vermutlich kein noch so schöner Urlaubsort dagegen anstinken.

Aber mir würde etwas Abstand von der Arbeit guttun. Vor allem, weil mein 30. Geburtstag vor der Tür stand und ich ihn dieses Jahr nicht in einem Nachtclub verbringen wollte. Jedes Jahr schleppte Payden mich aufs Neue gezwungenermaßen irgendwo hin. Dabei war ich gar nicht so der feierfreudigste Mensch und noch viel weniger ein Freund von großen Menschenansammlungen. Vielleicht war ich als Autorin auch genau deshalb so erfolgreich, weil ich die Einsamkeit liebte und mir viele Dinge lieber in Gedanken ausmalte.

»Gut, dann schaue ich jetzt mal nach schönen Reisen. Das Manuskript ist raus und einen neuen Vertrag, den ich erfüllen muss, gibt es zum Glück auch noch nicht. Und du bist ganz sicher, dass du nicht doch ein paar Tage mit willst?«

Payden lächelte. »Tut mir leid, Gigi.« Sie stieß sich vom Schreibtisch ab und ging langsam Richtung Tür. »Und wenn du weg bist, muss ja auch hier jemand die Stellung halten und Sherlock füttern.« Stimmt, an den Kater hatte ich gar nicht mehr gedacht. Vielleicht auch, weil er und ich uns nicht wirklich sympathisch waren. Payden hatte ihn vor Jahren von einer Tierhilfe adoptiert. Da er nur noch drei Beine hatte, war er ein reiner Hauskater. Doch trotz seines fehlenden Beines schaffte er es ständig, auf meiner Tastatur seine eigenen Geschichten zu schreiben, wenn ich mir gerade einen Kaffee oder etwas zu essen holte. So was wie bydvlIWEGBLAKSNöqofh CNHbvölwiegbvlkcjbWUEHDBVÖLnäweiqjwpaihblvx,bcÖLÄJF.

Wenn ich dann zurückkam, sah er mich immer ganz provokant an und trampelte mit den Hinterbeinen noch ein wenig mehr herum. So als wolle er sagen: Siehst du? So schreibt man das. In diesen Augenblicken rutschte mir jedes Mal das Herz in die Hose. Sherlock hatte es nämlich schon mehrmals geschafft, das gesamte Manuskript zu löschen, womit ein ganzer Tag Arbeit ironischerweise für die Katz gewesen war. Zum Glück stets nur ein Tag, denn jeden Abend machte mein Rechner automatisch eine Datensicherung in der Cloud.

»Wir hätten Sherlock zwar auch Nancy aufs Auge drücken können, aber …«, wandte ich vorsichtig ein. Nancy war die Nachbarin unter uns und sie hätte sich bestimmt liebevoll um ihn gekümmert.

Payden nickte. »Hätte, Wenn und Aber.« Sie zwinkerte mir zu. »Ich muss jetzt los, Süße. Hab Nachtdienst. Wir sehen uns dann morgen früh?«

Ich warf ihr einen letzten Blick zu. »Bringst du Scones zum Frühstück mit?«

Sie grinste. »Na klar, ist doch tausendmal besser als Schokolade, oder etwa nicht, Bridget?« Ich grinste nun ebenfalls aufgrund ihrer Anspielung auf eine meiner Bestseller-Kolleginnen. Sharon Maguire und ihre Bridget-Jones-Reihe mochte ich sehr.

Kurz darauf verließ sie mein Arbeitszimmer und ich wandte mich wieder dem Monitor zu. Der Gedanke an warme Scones hatte mich nämlich auf eine Idee gebracht. In Schottland oder in Irland war ich noch nie. Generell war ich noch nie außerhalb von England gewesen. Anfänglich, weil kein Geld dafür da war, danach, weil ich während dem Vorantreiben meiner Schriftstellerkarriere keine Zeit mehr gefunden hatte. Was wäre also mit einer Reise in die weite Ferne? Weit zumindest für meine Verhältnisse. Ich verließ das Arbeitszimmer und kochte mir schnell einen Kaffee. Als ich zurückkam, stand Dreibein-Sherlock auf der Tastatur und sah mich abschätzend an. Er trampelte los und ich hörte die Tasten wild klappern. In diesem Moment rutschte mir allerdings mal nicht das Herz in die Hose. Immerhin hatte ich das Manuskript schon längst abgeschickt. Ätschebätsch!

***

Nachdem ich den Kater von der Tastatur genommen, mein Manuskript wiederhergestellt und mich an die Recherche nach einem schönen Urlaubsziel gemacht hatte, dauerte es nur zwei Stunden, bis ich wirklich völlig verzweifelt war. Es gab so viele tolle Angebote und ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Flugreisen, Städtetouren, Wandern. Wieder klickte ich alle geöffneten Reiter durch und seufzte auf. Einfach nur das Meer in Pendine genießen? Mein Kulturmanko im schönen Edinburgh aufbessern? Oder doch lieber eine Backpackertour durch die atemberaubende Landschaft von Irland planen? Es gab so viele wunderbare Orte, und vor allem ruhig und malerisch am Meer gelegen. Also was sollte es jetzt sein? Sightseeing oder einfach nur entspannen? Vielleicht eine Kombi aus beidem?

Es war schließlich mein klingelndes Handy, das meine Urlaubssuche abrupt beendete. Zum Glück, ich war tatsächlich kurz davor, mich für das Puzzle von Payden und die Serie The Handmaid’s Tale zu entscheiden anstatt für einen Urlaub.

»Hey, Michael. Ich gehe davon aus, das Manuskript ist angekommen?«

Mein Programmleiter lachte in den Hörer. »Natürlich, und ich habe sogar schon reingelesen. Wow, einfach nur wow. Das erste Kapitel zieht einen sofort in den Bann. Dieses Mal hast du dich wirklich übertroffen.« Stolz flammte in mir auf.

Ich wusste ja, wie gut ich war, nicht umsonst verkauften sich meine Bücher wie geschnitten Brot und brachten mir jede Menge Tantiemen ein. Es dennoch immer wieder zu hören, streichelte mein unsicheres Ego. Hoffentlich sahen es die Leser ebenso. Doch diesbezüglich hatte Michael ein Händchen. Wenn er sagte, das Manuskript war gut, dann war es auch gut.

»Die Leute werden uns den neuen Neil Carnegie förmlich aus den Händen reißen. Ich sehe ihn schon wieder ganz oben auf der Bestsellerliste. Was hältst du davon, wenn wir dieses Mal einen Werbetrailer aufzeichnen und ihn im Fernsehen bringen? Das hatten wir noch nie. Das schlägt bestimmt ein wie eine Bombe.« Beim Klang des Namens Neil Carnegie zog sich mein Herz trotz des Lobes schmerzhaft zusammen. Bedingung für das Verlegen meines ersten Romans war damals die Verwendung dieses männlichen Pseudonyms, das sich der Verlag ausgedacht und rechtlich gesichert hatte. Der Verlag war der Ansicht gewesen, dass sich der Krimi eines männlichen Autors als Debüt viel besser verkaufte als der Erstling von einer jungen Frau, die dazu noch aus einem Heim stammte und mit ihrer Freundin in einer Bruchbude hauste. Nicht, dass sie damit nicht recht behielten. Neil Carnegies Karriere lief seit dem ersten Teil der Reihe Murder at first sight richtig gut, womit Payden und ich schnell das verwanzte Ein-Raum-Apartment in Stratford in eine schöne Wohnung in Covent Garden tauschen konnten. Dennoch tat es weh zu sehen, wie ein fiktiver Mann die ganzen Lorbeeren erntete, während ich unsichtbar blieb. Gleichzeitig war der einzige Vorteil, den das Pseudonym mir bot, die schützende Anonymität. Ein Schauspieler nahm die ganzen Pressetermine als Neil Carnegie wahr. Damit ersparte er mir die Lesungen sowie die Menschenaufläufe bei den zahlreichen Signierstunden, denn zu viele Menschen machten mir irgendwie Angst, was sicher an meiner aufgewühlten Vergangenheit lag. Trotzdem, ein bisschen Wehmut blieb, oder war es doch eher Neid, dass ein anderer diese Verbindung zu den Lesern hatte und das Gesicht zu den Büchern war?

Ich schluckte den aufkommenden Kloß in meinem Hals herunter. »Wann kann ich denn mit dem Lektorat rechnen?« Das entschied schließlich darüber, wann und wie lange ich Urlaub machen konnte.

»Ich denke, erst im Oktober.« Hastig warf ich einen Blick auf den Kalender an der Pinnwand direkt vor mir. Wir hatten Mitte August. Perfekt! »Aber bis dahin kannst du dir ja schon Gedanken über den nächsten Teil machen. Wie du Sam auf den ersten Seiten hast sterben lassen, wirklich hervorragend, aber gänzlich unerwartet. Bekommt Leandra jetzt einen neuen Partner?« Ich keuchte auf. Herrgott, was dachte Michael sich? Die Tastatur war quasi noch warm von den letzten Anschlägen und das fertige Manuskript noch keine 24 Stunden alt.

»Ganz ehrlich, Michael? Ich schreibe jetzt ganz sicher kein Exposé, sondern gönne mir tatsächlich mal eine Auszeit. Auch Autorinnen haben Anspruch auf Urlaub, sogar wenn sie selbstständig sind«, gab ich heftiger zurück als geplant. Schließlich war ich keine Maschine oder künstliche Intelligenz, die ein 300-Seiten-Werk in gefühlt fünf Minuten schrieb. »Aber gern setze ich mich ans Exposé, wenn ich aus dem Urlaub wieder zurück bin.« Wenn es nach meinem Verlag ging, würde ich vermutlich dieses Jahr noch einen fünften und sechsten Roman herausbringen, damit die Kasse klingelte. Aber nicht mit mir. Nicht dieses Mal.

»Oh, natürlich, entschuldige, ich wollte dich nicht unter Druck setzen. Wenn wir das nächste Exposé im November bekommen, reicht das völlig. Und sicher – mach mal Urlaub, entspann dich, fahr weg, lade die Batterie wieder auf. Wohin soll es denn überhaupt gehen?«

Mich durchzuckte es und mir wurde warm. Mist. Vielleicht hätte ich nicht so laut posaunen sollen. Schließlich war der Urlaub nur ein Gedanke und noch nichts definitiv gebucht.

»Ähm … Irland«, log ich, weil mein Blick zufällig auf den geöffneten Reiter fiel, der die Grüne Insel anpries.

»Und wo genau?«

Hastig scrollte ich die Seite durch, die ich für meine Suche geöffnet hatte. Doch so schnell fand ich keinen passenden Ort. Deshalb improvisierte ich. »Ach, hier und da«, hielt ich es vage. »Ich mache eine Backpackertour. Das wollte ich immer schon mal machen, weißt du?«

Michael jauchzte auf. »O ja, das habe ich auch schon mal gemacht, Irland ist wirklich toll und dann musst du unbedingt zu den Open Book Rocks in Portnablagh, das ist eine Felsformation, die aussieht wie ein aufgeschlagenes Buch. In meinen Augen als Autor ein Muss.« Michael lachte. »Und dann kann ich dir noch die sechseckigen Basaltsäulen des Giant’s Causeway empfehlen. Wusstest du, dass die beinahe 60 Millionen Jahre alt sind? Und die Buchenallee bei Dark Hedges, die musst du gesehen haben … so romantisch, sag ich dir …« Es sprudelten zahlreiche weitere schöne Beschreibungen aus Michaels Mund, die ihn wahrlich als Irland-Fan outeten. Und das hätte ich nie von ihm gedacht. Er machte sonst nämlich eher den typischen Luxusurlaub-Eindruck. Fünfsternehotel, Strand und Cocktails im Pool. Aber seine Euphorie über den grünsten Teil des UK hatte mich nicht nur überrascht, sondern auch neugierig gemacht. Während seines überschwänglichen Vortrags googelte ich nebenher Giant’s Causeway und staunte nicht schlecht. Auch der Open Book Rock ließ mein Herz höher hüpfen. Und als ich das Bild von der Buchenallee sah, wusste ich es. Ja, es würde Irland werden. May the road rise to meet you.

Kapitel 2Callan – Rosebay Hope

Bevor ich aus dem Auto stieg, blieb ich wie jeden Morgen kurz sitzen, atmete tief durch und ließ den Anblick durch die Frontscheibe auf mich wirken. In meiner Ausbildung hatte ich schon in viel größeren und moderneren Kliniken gearbeitet, aber keine von jenen Kliniken hatte so eine tolle Lage wie das Rosebay Hope. Zwischen Marble Hill Beach und Back Beach gelegen, thronte das kleine Krankenhaus auf einer Anhöhe mit den massiven Felsklippen von Clone Mass und Gull Island im Rücken. Je nach Wellengang war in weiter Entfernung hin und wieder etwas Gischt zu sehen, die durch raue Wellen, die an den Felsen brachen, hochgeschleudert wurde. Im Gegensatz dazu lag das weiße dreistöckige Gebäude im Vordergrund völlig ruhig und umringt von viel Grün da. Die schmale, gepflegte Parkanlage mit Wiesenstreifen, kleinen runden Blumeninseln und den Parkbänken lud zum Innehalten ein. Insgesamt war die Klinik somit wirklich ein wundervolles, kontraststarkes Motiv für eine Postkarte. Vielleicht sollte ich es bei der nächsten Vorstandssitzung mal vorschlagen.

Mein Blick huschte nun zu einer der Parkbänke. Direkt daneben saß Mr Walken in seinem Rollstuhl. Er hielt ein Buch in der Hand und las. Der ältere Herr hatte von mir vor knapp zehn Tagen eine neue Hüfte bekommen, weil er mit einem sehr komplizierten Oberschenkelhalsbruch in die Klinik gebracht worden war. Klassischer Treppensturz nach Verfehlen der Stufe. Seine Heilung und Rehabilitation waren bis jetzt aber wie aus dem Lehrbuch abgelaufen, so dass ich ihn tatsächlich bald nach Hause entlassen konnte. Aber nicht heute. Nicht so kurz vor dem Wochenende.

Ich stieg aus, schloss das Auto ab und lief auf meinen Patienten zu. »Mr Walken, was lesen Sie heute?« Es war nicht der erste Schmöker, mit dem ich ihn hier draußen in der Sonne erwischte.

Mr Walken hob überrascht den Kopf und lächelte zurück. »Morgen, Doc.« Anschließend hielt er demonstrativ das Buch hoch, so dass ich das Cover sehen konnte. Ich las die großen roten Buchstaben Neil Carnegie und sah eine Blockhütte mit einem dämmrigen Wald. Passend dazu den Titel Murder at first sight – Das verlorene Leben. Interessant.

»Sieht nach Krimi oder Thriller aus.« Zumindest wusste ich, dass Neil Carnegie so was in der Richtung schrieb, und dem Cover nach handelte es sich auch nicht gerade um eine Liebesschnulze.

»Ich habe gestern erst angefangen, bin aber leider schon fast wieder durch, weil es so spannend ist. Also entweder entlassen Sie mich langsam oder ich muss mir den nächsten Band von meiner Frau bringen lassen.« Der ältere Herr griente verlegen, was mich insgeheim schmunzeln ließ. Manche Patienten schloss ein Arzt mehr in sein Herz als andere. Bei Walken war es fast schon so was wie das Gefühl von Familie. Ich hatte nie einen freundlicheren, aufgeschlosseneren und verständigeren Patienten als ihn erlebt. Wäre doch bloß mein Vater so. Doch der war das genaue Gegenteil. Herrisch, kalt und distanziert.

Ich warf einen weiteren Blick auf das Cover. Grundsätzlich war Neil Carnegie ein sehr bekannter und gern gelesener Autor hier bei meinen Patienten, von dem ich aber selbst noch nie ein Buch in der Hand gehabt hatte. Dafür hatte ich einfach zu wenig Zeit und auch nicht genug Ruhe. Aber nun bekam ich fast Lust, mir einfach die Zeit zu nehmen. Immerhin war Arbeit nicht das ganze Leben.

»Wenn Sie durch sind, könnten Sie mir das Buch vielleicht mal leihen?«

Walken grinste. »Sie bekommen das Buch geliehen und ich dafür meine Entlassung unterschrieben. Wäre das ein Deal?«

»Lassen Sie uns gleich noch mal zusammen mit Elaine in Ruhe darüber reden. Grundsätzlich spräche nichts gegen eine Entlassung am Anfang der Woche. Dennoch müssten Sie weiterhin ambulant zu Physio kommen, bis sie das vollständige Bewegungsausmaß des künstlichen Gelenkes erreicht haben.«

»Wenn es weiter nichts ist. Apropos Physio …« Mein Patient legte sich das Buch auf den Schoß und sah sich um. »Könnten Sie mich womöglich mit reinnehmen? Eigentlich wollte Neela mich ja wieder abholen, aber erst in 15 Minuten und ich wollte vor der Krankengymnastik noch kurz auf die Toilette.«

Nickend sah ich mich um, ob ich Neela vielleicht irgendwo sah, aber die Pflegerin war bestimmt im Gebäude, um sich um die anderen Patienten zu kümmern. »Kein Problem, ich muss ohnehin auf die Station.« Ich löste die Bremse an Mr Walkens Rollstuhl und schob ihn von der Parkbank weg auf den Weg. Der feine Kies, mit dem der Weg bedeckt war, knirschte unter den Rädern. Ein Geräusch, das ich mochte. Es hatte für mich etwas Beruhigendes, genau wie Hufgetrappel.

»Und wie geht es Ihnen heute, Doc?«

Während ich meinen Patienten zum Eingang schob, horchte ich in mich hinein. Heute war nicht nur wirklich ein schöner Tag, weil die Sonne schien und im Hintergrund das Meer ganz ruhig da lag, nein, es war auch ein guter Tag für meine Halswirbelsäule. Ich hatte kein fieses Ziehen oder Stechen oder Brennen. So gut war es mir schon lange nicht mehr gegangen. Und das ganz ohne Medikamente.

»Meist macht mir der Rücken nur noch bei Wetterumschwüngen Probleme.« Oder wenn ich seelischen Stress hatte. Zum Beispiel Streit mit meinem Vater.

Ich schob Walken durch die gläserne Drehtür auf die Fahrstühle zu.

»Meinen Sie, es wird bei mir und meiner Hüfte vielleicht genauso sein?«

»Kann gut sein, viele Patienten mit Implantaten oder Metallplatten klagen über eine Wetterfühligkeit. Aber das muss nicht unbedingt etwas heißen.« Ich drückte den Knopf, der den Fahrstuhl nach unten in das Parterre rief. Dabei horchte ich noch einmal in mich hinein. Nein, wirklich, meine Halswirbelsäule fühlte sich fast normal an, außer diesem etwas sperrigen Gefühl durch die Metallschrauben, die meinen dritten mit dem vierten Halswirbel fixierten.

»Sind Sie denn seit Ihrem Unfall mal wieder geritten?«

Allein bei dem Wort geritten zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen. Ich schluckte schwer und schob den Rollstuhl durch die Aufzugtüren, die gerade aufgingen.

»Ähm … nein«, krächzte ich und spürte das Blut in mein Gesicht schießen. Gut, dass ich hinter Walken stand, es keine Spiegel im Fahrstuhl gab und auch sonst niemand anderes in der Nähe war.

»Aber heißt es nicht immer, sobald man vom Pferd fällt, soll man so schnell wie möglich wieder aufsteigen?«

Ich biss mir schnell auf die Zunge, weil dieser Spruch vor Klischee nur so triefte. Ja, natürlich sollten Menschen sich ihren Ängsten stellen, aber nach so einem schweren Reitunfall, wie ich ihn vor Jahren gehabt hatte, war ich froh, noch am Leben und nicht gelähmt zu sein. Da war die Angst vor dem Wiederaufsteigen tatsächlich das geringste Problem. Aber natürlich musste ich. Um meine Angst zu überwinden. Das wusste ich selbst.

»Leider ist das mit dem Aufsteigen nicht so einfach«, wiegelte ich daher ab. »Aber irgendwann wird der Tag kommen. Da bin ich sicher.« Auch wenn ich von den Ärzten ein klares Reitverbot bekommen hatte. Aber ich wollte ja auch nicht mehr springen, sondern lediglich hin und wieder ausreiten. Trotzdem wollte der Kloß in meinem Hals nicht verschwinden.

Die Türen des Aufzuges glitten auf und ich schob Walken heraus. Von da aus rechts den Gang runter zu seinem Zimmer. Hier lief uns Neela über den Weg. Sie sah überrascht auf ihre Uhr, die mit einem Karabiner an der Hose befestigt war.

»O mein Gott, Mr Walken, habe ich Sie womöglich vergessen?«

Der ältere Herr schüttelte den Kopf. »Nein, ich wollte nur schon hoch und der Doc hat sich angeboten, mir zu helfen.«

»Alles klar, dann kümmere ich mich jetzt um Sie.« Sie nahm mir den Rollstuhl ab. »Danke, Doktor O’Cleary. Ach, und Oberschwester Alfreda möchte Sie unbedingt sehen.« Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und ich stöhnte verzweifelt auf.

***

Mittlerweile arbeitete ich schon seit einem halben Jahr im Rosebay Hope und konnte mit Fug und Recht behaupten, dass ich mich richtig entschieden hatte. Auch wenn die Anzahl der Patienten und Mitarbeiter recht überschaubar war, so genoss ich die wertschätzende Vertrautheit, mit der hier jeder jeden behandelte. Genau das fehlte den großen Kliniken oft, weshalb ich bewusst das Jobangebot der Uniklinik in Dublin ausgeschlagen und die Stelle als leitender Facharzt für Orthopädie hier in Marble Hill angenommen hatte. Dazu kam auch, dass ich in Marble Hill verwurzelt war. Ich war hier geboren und aufgewachsen. Es gab nur eines, was mich meine Entscheidung manchmal bereuen ließ – Oberschwester Alfreda: klein, korpulent, recht burschikos und motzig wie ein Drill Sergeant. Selbst der gestandene Klinikchef Prof. Dr. Walsh kuschte vor ihr und ihren Ansagen. Ich dagegen war der Einzige hier, der ihr manchmal Kontra bot, was mir das Leben auf der Station aber nicht gerade erleichterte. Ich war auch keiner von den Menschen, die kuschen wollten. Wenn ich so wenig Rückgrat oder Mumm in den Knochen gehabt hätte wie die anderen, wäre ich vermutlich niemals so erfolgreich im Springsport gewesen. Geschweige denn ein guter Orthopäde geworden.

»So geht das nicht«, fauchte Schwester Alfreda mich an. Ich stand ihr direkt gegenüber. Während sie die Hände in die Hüften gestemmt hatte, hatte ich meine in den Kitteltaschen vergraben.

»Und warum nicht?«, versuchte ich mich zu beherrschen und nicht laut zu werden oder mit den Zähnen zu knirschen.

»Weil es eben nicht geht.«

»Weil es eben nicht geht?«, echote ich. »Dann liefern Sie mir bitte mindestens zwei gute Argumente, warum nicht.«

Nun wurde Alfreda puterrot im Gesicht. Sie sah aus wie eine Tomate kurz vor dem Platzen. »Weil ich dann jedes Mal ihr Büro aufschließen muss, wenn ich Ihnen etwas auf den Schreibtisch legen möchte.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Sie können die Papiere auch einfach in mein Fach im Schwesternzimmer legen und ich nehme sie dann nach der Visite mit.«

»Papiere offen herumliegen zu lassen, ist aber keine gute Idee«, setzte sie entgegen.

»Sie liegen nicht offen herum, sondern im Schwesternzimmer in meinem Fach. Bis auf das Personal hat dort niemand Zugang. Ich denke, das ist durchaus akzeptabel.«

Da Oberschwester Alfreda langsam die ohnehin nicht vorhandenen Argumente ausgingen, presste sie die Lippen zusammen. Die Linien um ihren Mund wurden tiefer. Ich schätzte sie auf gut 60, sprich kurz vor dem Ruhestand. »Mein Büro bleibt also zu. Somit müssen Sie sich für Ihre privaten Telefonate ein anderes ruhiges Eckchen suchen.« Denn das war der eigentliche Grund dafür, warum Oberschwester Alfreda sich verbot, dass ich mein Büro abschloss – die Möglichkeit, mit ihrem privaten Handy unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischendurch zu telefonieren, was nicht einmal erlaubt war. Mein Büro war leider der einzige Raum hier auf Station, der nicht regelmäßig von vielen Leuten frequentiert wurde.

Ein empörter Ächzlaut entrang sich ihrer Brust. »Sie … Sie … Sie …« Dann rauschte sie schnellen Schrittes an mir vorbei. Ich sah ihr kopfschüttelnd nach. Im Gegensatz zu den jüngeren Pflegekräften trug Alfreda immer noch diese altmodischen Kittelkleider, die etwas eng um die breiten Hüften saßen, und passend dazu ein weißes Häubchen auf dem Kopf. Völlig oldschool, wie Neela stets zu sagen pflegte. Aber anscheinend war Alfreda da noch in ihrer Vergangenheit gefangen.

»Der haben Sie es aber gezeigt.« Sam, der zweite examinierte Pfleger neben Neela hier auf Station, betrat das Schwesternzimmer und grinste.

Auch wenn ich Oberschwester Alfreda erfolgreich die Stirn geboten hatte, zu Recht, fühlte ich mich irgendwie schlecht. Hinter jeder Handlung steckte doch auch meist eine tiefergehende Motivation. »Na ja, wie man es nimmt. War sie eigentlich immer schon so?« Ich lief rüber zur Personalküche, um mir ein Glas Wasser zu holen.

Sam folgte mir auf dem Fuße. »Sie meinen, so unsympathisch?«

Ich runzelte die Stirn. Unsympathisch klang nicht nett. »Nein, eher so willensstark«, drückte ich es ein wenig geschickter aus. Mit wenigen Handgriffen hatte ich mir ein Glas aus dem Schrank genommen und mir Wasser aus einer der Glasflaschen gegossen. Mit dem gefüllten Glas zog ich mir einen der Stühle zurecht und setzte mich, um einen Schluck zu trinken und mich selbst zu beruhigen. Ich hasste nichts mehr als Konfrontationen. Ein Rudiment aus meiner Jugend, die durch viel Streit mit meinem Vater geprägt war. Sie laugten mich stets aus. Deshalb versuchte ich, so oft es ging, sie durch Angriff schnell zu beenden, was mir bei meinem Vater gut gelungen war.

Da Sam anscheinend gerade nichts zu tun hatte, setzte er sich dazu. »Als ich vor vier Jahren hier mit meiner Ausbildung angefangen habe, war sie zwar schon sehr streng und oberlehrerhaft, aber ich finde, dass es im letzten Jahr schlimmer mit ihr geworden ist. Früher hat sie nie privat telefoniert oder auch mal das ein oder andere Schwätzchen mit uns gehalten. Jetzt ist sie ständig abgelenkt, schafft ihre Arbeit nur mit Ach und Krach und geht zum Lachen in den Keller.«

Ich trank einen Schluck und dachte nach. Das klang, als hätte Alfreda Probleme oder Sorgen, die sie belasteten und die gut der Grund für ihre Motzigkeit sein konnten. Vielleicht hätte ich sie vorhin nicht so anfahren, sondern lieber mal fragen sollen, wie es ihr ging. Verdammt!

»Haben Sie sie mal darauf angesprochen?«

Der Krankenpfleger mir gegenüber lachte trocken auf. »Gott bewahre, wer weiß denn, wie sie auf Nachfrage reagiert?« Zustimmend nickte ich. Auch ich versuchte mich ja eher zurückzuhalten und nicht unbedingt einen Flickflack im Minenfeld zu starten, aber vorhin war es mir einfach zu viel geworden. Es ging niemanden etwas an, wenn ich mein Büro abschließen wollte. Selbst wenn Alfreda noch so alt eingesessen hier war. Dennoch …

»Vielleicht hat sie einfach gerade nur eine schlechte Phase«, postulierte ich. »Probleme in der Familie, Geldsorgen, wer weiß das schon? Wir sollten es also nicht persönlich nehmen.«

Sam nickte. »Wahrscheinlich. Aber hat das nicht jeder? Und nicht jeder pflaumt hier so herum wie Alfreda.«

Hastig trank ich das Glas aus. Auch wenn mich die persönlichen Probleme der Angestellten nichts angingen und ich selbst meine eigenen Sorgen hatte, so wie Sam sagte, hatten seine Worte in mir das schlechte Gewissen angeheizt. Hätte ich Schwester Alfreda vielleicht doch die Nutzung meines Büros erlauben sollen? Das wäre doch nicht schlimm, oder? Und sollte ich sie vielleicht sogar mal nach dem Grund ihrer Telefonate fragen? Vielleicht könnte ich ihr irgendwie helfen.

Ich holte tief Luft und stand auf. Jetzt erst mal die Arbeit, danach würde ich mich um alles weitere kümmern.

»Okay Sam, Zeit für die Visite, legen wir los. Wo ist Eric?«

Sam stand ebenfalls auf. »Bestimmt bei Neela.« Wieder zwinkerte der Pfleger mir zu. Ich stöhnte auf und verdrehte die Augen. Das nächste Problem. Ein Assistenzarzt, der einer Schwester nachstellte.

»Gehen Sie zu ihm hin und richten ihm von mir aus, wenn er nicht binnen fünf Minuten bei Mrs Attenborough im Zimmer ist, kann er sich einen neuen Job suchen.« Sam nickte und bog nach rechts ab. Ich ging kopfschüttelnd nach links. Himmel noch mal, waren wir hier etwa bei Grey’s Anatomy?

Kapitel 3Gwyneth – Der Open Book Rock und ich

Ich saß im Donegal Boardwalk Restaurant auf der Terrasse bei einem Glas Weißwein und genoss meine Jakobsmuscheln in Zitronenvinaigrette. Zuzüglich zu dem hervorragenden Essen ließ mich der Blick aufs Meer und die flache Sandbucht leise aufseufzen. Bald schon würde ich wieder in London hinter meinem Schreibtisch sitzen und an meinem nächsten Exposé arbeiten, was mich gerade etwas wehmütig stimmte. Der Urlaub in Irland war viel zu schnell vergangen. Vermutlich, weil ich so viel Tolles erlebt und Wunderschönes gesehen hatte, womit die vier Wochen wie im Flug verflogen waren. Am Ende meiner Urlaubsrecherche hatte ich mich für den rund 2.600 km langen Wild Atlantic Way entschieden, dem ich mit dem Mietwagen gefolgt war. Angefangen bei Kinsale in West Cork, dem Süden Irlands, über die Halbinsel Dingle, Burren und West Clare, Connemara, Erris und Sligo. Dazu war ich zuerst in London in ein Flugzeug nach Dublin gestiegen und von dort aus mit einem Inlandsflug weiter nach Cork gereist, wo mich bereits der vorab reservierte Mietwagen erwartet hatte. Nach einer erholsamen Nacht in einer Frühstückspension war ich in den Mini Cooper gestiegen und einfach drauflosgefahren. Lediglich bewaffnet mit der Wild-Atlantic-Pocket-Map per App auf dem Handy und meinem Gepäck. Wenn es etwas Schönes oder Interessantes zu sehen gab, hatte ich angehalten. Wenn ich Hunger verspürte, hatte ich mir einfach ein Restaurant gesucht. Wenn ich müde war, war es ein Leichtes gewesen, mir ein Hotel oder eine Frühstückspension zu suchen, wo ich für eine Nacht oder länger unterkommen konnte. So war ich pro Tag rund 100 km gefahren, na ja, eher mal mehr, mal weniger, und konnte nun nach knapp vier Wochen sagen, dass ich die 2.600 km der Westküste Irlands ganz allein gemeistert hatte. Und es war überwältigend gewesen. Nicht nur, dass ich mich mal richtig erholen konnte, da ich keinen Schreibstress empfunden hatte und völlig selbstbestimmt entscheiden konnte, wie viel ich fuhr oder besichtigte. Nein, die Meeresluft gepaart mit Sonne, das gute Seafood und die kleinen Endorphin-Kicks bei der Besichtigung von Schlössern, Leuchttürmen, Küstenstädtchen oder Felsformationen hatten mich zum ersten Mal in meinem Leben richtig abschalten lassen. Als ich an meinem zweiten Urlaubstag, der auch gleichzeitig mein Geburtstag gewesen war, den berühmt berüchtigten Blarney Stone geküsst hatte, weil dieser der Legende nach die Macht der Worte in einem Menschen hervorrief – was für mich als Autorin ja nur gut sein konnte –, war ich mir über eines klar geworden: Ich muss viel mehr reisen und mir Auszeiten nehmen, um die Welt kennenzulernen und mich um mich selbst zu kümmern. Das Leben spielte sich immerhin nicht nur im Arbeitszimmer oder in meinem Kopf ab. Natürlich war ich kein Freund von übermäßigen Sozialkontakten und Menschenmengen, doch bei meiner Reise hatte ich nur wenige Kontakte gepflegt und diejenigen, die ich nicht hatte vermeiden können, stets als freundlich und unaufdringlich empfunden.

»Darf es vielleicht noch etwas Weißwein sein?«

Ich sah zu Ida hoch, einer jungen Frau ungefähr in meinem Alter. Im Gegensatz zu mir hatte sie jedoch rotblondes Haar, jede Menge Sommersprossen und grüne Augen. Mit meinen dunkelbraunen Haaren und den ebenso dunklen Augen entsprach ich so gar nicht dem typischen irischen Bild wie sie. Da ich meine Herkunft leider nicht kannte, könnte ich auch durchaus aus einem anderen Land als England stammen. Vielleicht Italien? Oder Spanien? Das würde ich wohl nie erfahren, es sei denn, ich ließe einen Gentest machen.

»Danke, nein, ich habe morgen meinen letzten Urlaubstag, und den will ich nicht unbedingt mit einem schweren Kopf erleben.« Ich war einer der Menschen, die kaum Alkohol vertrugen, weil sie selten welchen konsumierten.

»Dann vielleicht lieber einen Espresso oder Cappuccino zum Nachtisch?«

Nun musste ich lachen. »Besser nicht, dann kann ich heute Nacht nicht schlafen.«

Die Kellnerin lächelte. »Was haben Sie denn für ihren letzten Tag morgen geplant?« Das hatte ich in meinem Urlaub immer wieder erfahren dürfen: Die Iren waren wirklich freundlich und immer an einem persönlichen Gespräch interessiert.

»Ich wollte vielleicht zum Open Book Rock wandern.«

Die Kellnerin runzelte kurz die Stirn. »Ehrlich gesagt, ist es besser, den Open Book Rock von vorne zu sehen. Also vom Meer aus.«

»Sie meinen, ich soll schwimmen gehen? Das ist doch bestimmt nicht ganz ungefährlich wegen der Strömung, oder?«, fragte ich überrascht.

Nun lachte sie auf. »Natürlich, aber mit dem Boot geht es. Mein Cousin bietet Kajaktouren dorthin an. Denn es macht keinen Sinn, eine Felsformation, die wie ein aufgeschlagenes Buch aussieht, von oben zu betrachten, oder nicht? Soll ich Jona mal fragen?«

Nun gut, da musste ich ihr zustimmen. Ich konnte auch kein Cover vom Buchrücken aus beurteilen. »Das ist vermutlich zu kurzfristig, oder? Außerdem kann ich gar nicht Kajak fahren.« Ich hatte noch nicht einmal in einem Kajak oder Ähnlichem gesessen. Wieder einmal wurde mir klar, wie wenig ich doch bislang erlebt hatte.

Die Kellnerin zückte bereits ihr Handy aus der hinteren Hosentasche. »Das ist alles kein Problem, die meisten Touristen können das ebenfalls nicht, deswegen bietet Jona nur begleitete Kajak-Touren mit eigenem Guide an.« Das klang dennoch nicht beruhigend. Wollte ich wirklich mit einem Fremden zusammen in einem kleinen Plastikboot sitzen?

»Ähm … ich weiß nicht recht …« Die Kellnerin zwinkerte mir zu und hielt bereits das Telefon an ihr Ohr gepresst.

»Hey, Jona, hier ist Ida, ich habe hier eine Besucherin, die gern morgen noch mit zum Open Book Rock möchte. Hast du noch ein Plätzchen frei?« Durch den Hörer hörte ich eine Stimme, verstand aber die Wörter nicht. Sie nickte. »Hm, okay, ja verstehe.« Das klang eher negativ, was mich erleichterte. Vielleicht würde ich den Open Book Rock einfach weglassen und stattdessen in Ruhe packen, mich noch etwas erholen und einen letzten Strandspaziergang machen.

»Alles klar, ich danke dir. Bye.« Sie nickte erneut. »Okay, bye bye.« Dann nahm sie das Telefon runter und drückte das Gespräch weg.

»Morgen früh um zehn am Marble Hill Beach. Die Adresse für den genauen Treffpunkt schreibe ich Ihnen schnell auf. Sie paddeln bei meinem Cousin im Boot mit.« Nun stutzte ich, denn für mich hatte es sich so angehört, als wäre es gar nicht möglich.

Ich keuchte überrascht auf. »O … okay … und was ist mit der Bezahlung? Was kostet die Tour überhaupt?«

Sie lächelte. »Gar nichts. Jona hatte noch einen Platz frei und nimmt Sie einfach so mit.« Und damit konnte ich zur Kajaktour wohl schlecht Nein sagen. Dennoch zog sich mein Magen zusammen. Aber hey, ich hatte knapp 2.600 Kilometer in vier Wochen mit dem Auto hinter mich gebracht, da würde ich doch wohl noch eine kleine Kajaktour überstehen, oder etwa nicht?

***

Am anderen Morgen stand ich pünktlich um zehn am verabredeten Treffpunkt mit fünf weiteren Touristen. Drei Männer und zwei Frauen, die sich anscheinend alle kannten, da sie miteinander schnatterten wie aufgeregte Enten. Ich hielt mich etwas abseits der Gruppe und versuchte, das ungute Gefühl in meinem Bauch zu ignorieren. Das waren mir einfach zu viele Menschen. Am liebsten wäre ich gleich zum Flughafen durchgefahren, um zurück in mein einsames Arbeitszimmer zu flüchten.

»Oha, da kommen sie«, rief eine der Frauen aufgeregt und zeigte in Richtung Straße. Ein großer SUV mit einem langen Anhänger kam langsam runter zum Strand gefahren. Das dicke Profil der Reifen hinterließ fischgrätartige Spuren im Sand. Auf dem Anhänger waren vier rote Kajaks zu sehen, die an speziellen Vorrichtungen festgemacht waren. Ich konnte jeweils drei Sitze in jedem Boot erkennen. Also würde ich nicht nur mit einem, sondern vermutlich noch mit einem zweiten Menschen auf ganz engem Raum hocken. Oh, bitte nicht!

Hastig sah ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch ehe ich mich versah, hatte das Auto angehalten, und einer der Männer, der Fahrer des Wagens, war ausgestiegen. Er kam auf uns zu. »Hallöchen zusammen, ich bin Jona, euer Fremdenführer.« Sein Blick schweifte zu mir, vermutlich weil ich weiter weg stand. »Und du bist bestimmt Gwyneth, die Bekannte von Ida, oder?« Er lächelte. Insgesamt milderte sein Lächeln mein unangenehmes Bauchgefühl etwas ab. Jona war mir sympathisch. Sein Lächeln war offen und herzlich, und insgesamt war er auch ein recht attraktiver Kerl mit den hellblonden Haaren und den grünen Augen, die beinahe die gleiche Farbe hatten wie die von Ida.

Ich nickte und versuchte, sein Lächeln zu erwidern, aber es fühlte sich merkwürdig schief an.

Jona drehte sich zum Auto um und ging auf es zu, wo gerade die beiden anderen Männer ausgestiegen waren. Sie luden das erste Kajak ab und brachten es zum Wasser. »Gut, dann wollen wir mal. Ich gebe euch als Erstes die Sicherheitswesten und eine kurze Einweisung.« Er öffnete die hintere Tür und zog eine Kiste hervor. Als er den Deckel abhob, sah ich es schon. Schwimmwesten. Leuchtend gelb, noch nicht aufgeblasen.

»Hier, zieht die bitte über eure Jacken und macht sie mit dem Gurt am Bauch fest.« Nun gab er uns kurz eine Einführung in die Verwendung der Weste. Sollten wir aus dem Kajak fallen, so müsste ich nur an der Reißleine ziehen, die direkt rechts neben meiner Brust baumelte, und dann würde sich die Weste in einem Sekundenbruchteil automatisch aufpusten. Es erinnerte mich ein wenig an die Einweisung im Flugzeug.

Anschließend gab es noch eine kurze Aufklärung zum Verhalten im Kajak. Nicht hinstellen oder schaukeln, das Paddel immer mit beiden Händen etwa schulterbreit halten, immer langsam und gleichmäßig von vorn nach hinten ziehen und das dann abwechselnd rechts und links. Rückwärts richten, indem die Vorwärtsbewegung einfach umgekehrt wurde, und so weiter und so weiter. Ich fühlte mich jetzt schon bei der Fülle an neuen Informationen überfordert, und dabei waren wir noch nicht einmal im Boot. Herrje!

»Handys, Schlüssel und Geldbörsen packe ich gern ins Auto. Oder möchte jemand unbedingt sein Handy mitnehmen? Ich hätte auch Drybags anzubieten.« Die meisten von uns gaben ihr Zeugs ab. Ich ebenfalls, denn ich hatte sicher nicht vor, ein Selfie von mir vor dem Book Rock zu machen. Wofür auch? Mein Insta-Account lief ja schließlich auf Neil Carnegie und wurde vom Verlag gepflegt.

»Und was, wenn wir die Kontrolle verlieren?«, wollte eine der Frauen wissen. In ihrem Gesicht las ich die gleichen Bedenken, wie sie sicher auch in meinem zu sehen waren.

»Keine Sorge, ihr habt doch uns Profis mit im Kajak«, beruhigte Jona sie. »Also wird schon nichts Schlimmes passieren.« Jona wandte sich anschließend zu mir. »Ich mache das hier schon seit beinahe fünf Jahren, und es ist noch nie etwas vorgefallen. Vielleicht ist der eine oder andere bei stärkerem Wellengang mal etwas nass geworden, aber das war es auch schon.« Ich biss mir schnell auf die Zunge, denn das Sprichwort Sag niemals nie lag mir darauf. Da ich aber den Bogen nicht überspannen und einfach nur das Ding hier hinter mich bringen wollte, nickte ich zustimmend.

»Okay, die Verteilung ist wie folgt. Ryan und Mary, ihr fahrt mit Mike in einem Boot, Edward und Susan bei George, und Gwyneth und Norman fahren bei mir mit.« Alle strömten zu den drei Kajaks, die mittlerweile am Strand lagen. Ryan war der Erste, der zusammen mit Mike das Kajak anhob, ins Wasser trug und einstieg. Mein unangenehmes Bauchgefühl wurde zu einem schmerzhaften Ziehen.

»Setz dich auch schon mal rein und zieh die Spritzdecke fest«, sagte Jona. Er stand nun direkt neben mir. Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu.

»Vielleicht fahr ich besser doch nicht mit«, flüsterte ich.

Er lächelte mich an und ich sah ein extrem hübsches Grübchen am Kinn auftauchen. »Keine Sorge, ich pass schon auf dich auf, Gwyneth.« Jaha, der Kerl war nett, und ich glaubte ihm auch, aber trotzdem wurde mir etwas schwummrig bei dem Gedanken ans offene Meer und die Nähe der Menschen. »Setz dich am besten in die Mitte. Da bist du ein wenig geschützter.« Nun wandte er sich an Norman. »Und du gehst bitte ganz nach vorn. Also los, hüpft schon rein.« Jona legte seine Hand auf meinen Rücken und schob mich sanft in Richtung Kajak. Ich hielt die Luft an und stieg ein. Was soll’s, mehr als über Bord gehen konnte ich ja schließlich nicht!

***

Wenn ich gedacht hatte, dass das Über-Bord-Gehen tatsächlich mein einziges Problem wäre, so hatte ich nicht an den rauen Seegang und mein Frühstück gedacht. Anfänglich war das Kajak in Strandnähe recht ruhig dahergeschippert, aber je näher wir zu den Felsen, sprich aufs offene Meer kamen, desto heftiger wurde es. Ich fühlte mich wie ein Korken, der im Whirlpool hin und her trieb.

»Ist … ist das Wackeln normal?«, stotterte ich an Jona gewandt.

Er lachte auf. »Keine Sorge, ja, aber falls du kotzen musst, denk dran, den Kopf schön weit nach unten zu halten, sonst erwischt es nachher noch mich.«

Norman vor mir sah über die Schulter zu Jona. »Wie gut, dass der Wind von vorn kommt.« Beide Kerle lachten los.

Just in diesem Moment schoss mir das Blut ins Gesicht, und ich bereute es einmal mehr, nicht doch auf mein Bauchgefühl gehört zu haben, den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen, zu packen und morgen einfach zum Flughafen zu fahren. Aber jetzt saß ich hier und kam da vorerst so schnell nicht raus.

»O-okay, aber wie lange noch?«

»Sagen wir, so anderthalb Stunden wirst du schon noch aushalten müssen«, sagte er fröhlich.

»Anderthalb Stunden?« Ich keuchte entsetzt auf. Himmel, das konnte sich ja noch ewig hinziehen. Ich seufzte leise auf und konzentrierte mich wieder aufs Paddeln. Dabei zählte ich alle Krimiautoren auf, die ich so kannte, was mich ein wenig beruhigte.

Knapp eine halbe Stunde später waren wir mit den Kajaks direkt vor der Felsformation angekommen. Jona stellte das Paddel quer und begann zu reden. »Der Open Book Rock ist eine Millionen Jahre alte Felsformation, die …«

Ich blendete seine Stimme aus und ließ das Bild auf mich wirken. Die Felsen mit ihrer markanten Wölbung erinnerten mich tatsächlich an ein aufgeschlagenes Buch. Durch Einkerbungen in der Felswand, die sich dazu noch farblich differenziert zeigten, erschien der Eindruck von einzelnen Blättern. Nun hätte ich wirklich gern ein Bild davon gemacht, um mich später daran erinnern zu können. Schade, dass mein Handy in Jonas Auto lag.

»Alles gut bei dir?« Es war Jonas Stimme, die langsam in mein Bewusstsein drang. Ich sah über die Schulter nach hinten. »Ja, alles gut.« Er lächelte, und das Grübchen tauchte wieder auf. In diesem Moment quittierte mein Herz dies mit einem kleinen Hüpfer. Hastig sah ich nach vorn.

»Gut, dann paddeln wir noch ein Stück weiter, da gibt es eine Höhle, durch die wir durchfahren können.« Jona tauchte das Paddel ein, und Norman machte es ihm nach. Ich wartete kurz ab und schloss mich mit den Ruderbewegungen den beiden an. Wir näherten uns langsam den Felsen, wo ich tatsächlich eine Art Höhle erkennen konnte. Mittlerweile hatte ich mich auch etwas entspannt und konnte die Tour sogar genießen. Kurz bevor es wieder zurückging, war ich fast schon enttäuscht. Hatte sich der Mensch erst einmal an den Seegang gewöhnt, war es alles gar nicht mehr so schlimm.

Jona, Mike und George holten vorsichtig die drei Kajaks zusammen, so dass wir ein Selfie aufnehmen konnten. Dazu zückte Jona sein Handy und hielt es weiter weg. In diesem Moment war ich froh, mich überwunden zu haben, und strahlte mit beiden gehobenen Daumen siegreich in die Kamera. Dies war ein Erlebnis, das ich so schnell nicht vergessen würde!

***