Rushwa - Helmut Zell - E-Book

Rushwa E-Book

Helmut Zell

4,8

Beschreibung

Rushwa heißt Korruption. Aber das weiß der Eisenbahnexperte Paul Mansfeld noch nicht, als er von einer deutschen Consultingfirma überraschend einen lukrativen Auftrag für Tansania bekommt. Er soll ein Projekt leiten, das ein Konzept zur Rehabilitation der Bahnlinie vom Indischen Ozean zum Tanganjikasee erarbeitet. Nach Ankunft in Daressalam wird ihm klar, dass bei der Auftragsvergabe Bestechung im Spiel gewesen ist. Gleichzeitig erfährt er, dass die deutsche Staatsanwaltschaft gegen diese Firma wegen Korruption ermittelt. Seine Weigerung bei der Korruption mitzumachen, bringt ihn in immer größere Schwierigkeiten. Als er einen tansanischen Parlamentsabgeordneten kennen lernt, stellen sie gemeinsam Ermittlungen an. Dabei finden sie heraus, dass auch im Bau- und im Bergbausektor dubiose Geschäfte gemacht und über Konten in der Schweiz abgewickelt werden. In dieser Zeit lernt Paul Mansfeld die Hotelmanagerin Vivien Chimagu kennen, der er in der schwierigen Situation näher kommt. In diesem spannenden Wirtschaftskrimi geht es um Korruption in Ostafrika. Die Verbindungen reichen bis zu einer Bank am Genfer See. Ein Whistleblower deckt auf, dass dort Millionen Dollar aus Afrika versteckt sind. In der Story wird ein Stück deutscher Kolonialgeschichte lebendig. Denn bei dem Eisenbahnprojekt handelt es sich um die Strecke, die vor über hundert Jahren unter Deutscher Kolonialzeit von der Küste zum Tanganjikasee gebaut wurde. Tansania - ein "Löwenstaat" auf dem Sprung? In der Millionenstadt Daressalam am Indischen Ozean schießen die Hochhäuser in den Himmel. Immer mehr Autos verstopfen die Straßen. Tansania verfügt über reiche Vorkommen an Gold, Tanzanite, Diamanten und Erdgas, die ausländische Investoren ins Land locken. Ganz vorne weg die Chinesen. Es geht um Millionen und Milliarden Dollar. Die Banken boomen. Nach Jahrzehnten des Stillstands verzeichnet Tansania enorme Wachstumsraten, hat aber riesige Entwicklungsprobleme: Armut und Krankheit, größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, Magie und Hexenglaube. Doch Tansania ist eines der wenigen demokratischen Länder in Afrika. Tansania hat Touristen viel zu bieten: Safaris in die Tierparks, Nationalparks, Serengeti, Wildreservat Selous, Massais in der Steppe, Sansibar, Palmen, weiße Sandstrände am blauen Ozean, Mount Meru, Trekking am schneebedeckten Kilimanjaro. Der Roman ist eine spannende und zugleich lehrreiche Lektüre zur Wirtschaft, Kultur, Sprache und Politik Tansanias.

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Dieser Roman beruht auf den Erfahrungen des Autors in Tansania und Afrika. Die Ereignisse haben so nicht stattgefunden, auch sind die Personen frei erfunden. Die Geschichte ist also fiktiv, allerdings hätte sie so oder ähnlich geschehen können.

Der Autor

Helmut Zell, geboren 1952, Diplom-Ingenieur, promovierter Volkswirt, erster Aufenthalt in Tansania als Entwicklungshelfer Ende der 70er Jahre, in den 80er Jahren Forschungsaufenthalt in Tansania für eine Dissertation zur industriellen Entwicklung des Landes, später als Senior Expert in dem von Weltbank und internationalen Donors finanzierten Projekt ‘Private Sector Participation‘ für das President's Office, Public Service Management in Daressalam. Er lebt jetzt als freier Autor in Remagen.

Rushwa heißt Korruption

ku-ruka - to jump; fly

ku-rusha - to throw

rushwa(-) - a bribe

ku-kula rushwa - to take bribes

Swahili Dictionary, London 1965

Inhalt

2. September 2013 – 16. September 2013. Ein schneller Start

23. September 2013 – 21. Oktober 2013. Eine unbezahlte Rechnung

23. Oktober 2013 – 21. Dezember 2013. Verdrängung

9. Januar 2014 – 28. Februar 2014. Ein Ultimatum

11. März 2014 – 22. März 2014. Im Versteck in Mwenge

25. März 2014 – 25. April 2014. Kampfpositionen

27. April 2014 – 16. Mai 2014. Millionen Dollar in der Schweiz

17. Mai 2014 – 24. Mai 2014. Flucht in den Norden

26. Mai 2014 – 20. Juni 2014. Die Konferenz

Glossar

Für meine Eltern in Dankbarkeit

2. September 2013 – 16. September 2013.

Ein schneller Start

Paul erwachte. Mit einem Ruck fuhr er hoch. Der Digitalwecker neben ihm zeigte sechs Uhr. Die Morgendämmerung drang schwach durch den dicken braunen Vorhang. Der Verkehrslärm war deutlich zu hören. Auf der nahen Kreuzung bremsten in regelmäßigen Abständen Fahrzeuge und fuhren wieder an. Gerade kam ein Bus mit einem lauten Quietschen zum Halt. Die letzten Erinnerungen an seinen Traum verblassten. Plötzlich fiel ihm ein, dass er heute nach Tansania fliegen würde. Ein freudiges Gefühl stieg in ihm auf, das aber schnell durch zahlreiche Bedenken gedämpft wurde.

Die Reise würde auch ein zeitweiliger Abschied von Katrin sein. War sie vielleicht schon wach? Vorsichtig beugte er sich zu ihr rüber. Sie schlief noch fest, tief eingegraben in ihrem Kissen. Ganz friedlich lag sie da, ihr Atem ging ruhig und kaum hörbar. Er beneidete Katrin um die Fähigkeit, abends schnell einzuschlafen, durchzuschlafen und morgens ausgeruht zu erwachen. Der gestrige Abend kam ihm in den Kopf. Katrin hatte sich mit dem Abschiedsessen viel Mühe gegeben. Doch dann hatte sie angefangen, die gemeinsame Zukunft zu planen und ihn über seine Vorstellungen zu befragen. Dieses Thema mochte er nicht. Es war doch alles gut so; warum sollte es nicht so bleiben. Wenn er einen seiner Aufträge hatte, war er über Monate weg. Doch zwischendurch lebten sie zusammen. Und regelmäßig telefonierten sie miteinander. Das war doch gut so. Viele andere Paare sahen sich noch seltener und hatten trotzdem eine für beide Seiten zufrieden stellende Beziehung. Das Gespräch hatte wieder einmal einen disharmonischen Verlauf genommen. Jetzt erschien ihm die bevorstehende Reise als Lichtblick. Als internationaler Consultant im Eisenbahnwesen wurde er zu bestimmten Zeiten bestürmt mit Aufträgen. Zu anderen Zeiten war Flaute. Eine solche Flaute ging heute zu Ende. Vor drei Monaten war er von einem Arbeitseinsatz aus Schanghai zurück gekehrt. Seither war er untätig in der Wohnung herum gesessen. All seine Bemühungen um einen Folgeauftrag waren erfolglos geblieben. Dann war plötzlich der Anruf von GermanRail-Consult gekommen, einem international tätigen Consulting-Unternehmen mit Sitz in Berlin. Ein sechsmonatiger Auftrag für Tansania, Beginn möglichst schon vorgestern. Einige Tage später hatte er im Büro bei Direktor Dr. Ernst Ziegler in der alten Villa in Berlin-Zehlendorf gesessen, vor ihm ein Blick durch das Fenster auf eine herbstlich gefärbte Baumreihe und dahinter der See Krumme Lanke. Dr. Ziegler hatte ihm erzählt, dass der bisherige Projektleiter plötzlich ausgeschieden sei und das Projekt deshalb unter hohem Zeitdruck stünde. Für Paul hatte sich dies positiv auf die Höhe des Honorars ausgewirkt und er hatte spontan zugesagt.

Seit sechs Jahren waren Katrin und er zusammen, mit Höhen und Tiefen. Katrin wollte ihre Beziehung nun in festere Bahnen lenken. Sie wollte Kinder, er nicht. Sie wollte heiraten, er nicht. Mit seinen achtundvierzig Jahren fühlte sich Paul dafür zu alt. Vielleicht war es auch nicht das Alter. Vielleicht wollte er einfach keine Änderung. Er liebte Katrin, doch er liebte auch seine Ungebundenheit. Er hatte einen Hang zur Unentschlossenheit und vermied schwerwiegende Entscheidungen. Zum Glück waren diese Gespräche für die nächsten Monate vorbei.

Paul schlich sich aus dem Bett, duschte und zog sich an. Als er sich im Wandspiegel betrachtete, war er mit sich und seinem Aussehen zufrieden. Mit achtundvierzig sah er immer noch sehr jugendlich aus. Sein dunkelblondes, leicht gewelltes Haar zeigte nur an den Schläfen graue Strähnen. Seine Jugendlichkeit zeigte er bei der Wahl seiner Kleidung. Am liebsten trug er hellblaue Jeans und dazu schlichte kleinkariert-gemusterte Baumwollhemden. So auch für die heutige Reise. Für modische Trends interessierte er sich nicht, aber er achtete sehr auf geschmackvolle Kleidung.

In der Küche setzte er die Kaffeemaschine in Gang. Essen wollte er nur eine Kleinigkeit. Verschlafen kam Katrin durch die Tür. Mit einem Seufzer ließ sie sich auf die hölzerne Küchenbank sinken und schenkte sich auch eine Tasse Kaffee ein. Katrin war achtunddreißig, aber heute Morgen sah sie älter aus. Ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen wirkte blass und zerknittert, die Gesichtsfarbe fleckig. Sie hatte sich noch nicht geschminkt. In den Augenwinkeln sah man viele zarte Falten. Ihre kurzgeschnittenen blonden Haare waren zerzaust und strähnig. Ihre schlanke Figur war das Ergebnis disziplinierter Ernährung und vieler anstrengender Trainingsstunden im Fitness-Studio. Man sah ihr den Stress und die Anstrengung der vergangenen Monate an. Katrin war ehrgeizig. Sie verdiente gutes Geld und wollte in ihrer Agentur für Internetwerbung weiter vorankommen.

»Du, ich muss aber gleich los«, sagte sie jetzt drängend. »Wir haben heute Morgen ein irre wichtiges Meeting mit unserem Hauptkunden.«

Die Verabschiedung verlief kühl.

***

Als Paul nun allein vor seiner lauwarm gewordenen Tasse Kaffee saß und überlegte, was er auf jeden Fall noch einpacken müsste, fädelte Katrin ihr Auto in den dichten Berufsverkehr auf der Stadtautobahn ein. Soweit sie sehen konnte, kamen die Autos zum Stehen. Stau. Manchmal schaffte sie den Weg mit dem Auto in dreißig Minuten. Heute war nicht so ein Tag. Sie würde zum Meeting zu spät kommen. Diese ewigen Staus – sie ärgerte sich über sich. Warum war sie auch mit dem Auto gefahren? Mit der U-Bahn wäre sie pünktlich gewesen. Doch schon der Aufenthalt an den Bahnsteigen und Haltestellen bereitete ihr Unbehagen. Noch schlimmer war für sie das Gedränge in den Abteilen, das Gefühl des Eingesperrtseins, die Geräusche und die Gerüche der Fahrgäste.

Sie war bedrückt. Einen schönen letzten Abend mit Paul hatte sie sich gewünscht. Aber wieder war es schief gegangen. Eigentlich hatte sie die Sache mit ihm schon aufgegeben. Seit Jahren ging das schon so mit seinen langen Auslandseinsätzen. Wenn sie ihn darauf ansprach, argumentierte er immer, mit seinen Kenntnissen und beruflichen Erfahrungen in Deutschland könne er im Alter von fast fünfzig keine Arbeit mehr finden. Mittlerweile glaubte sie, dass er dies nur vorschob. Wahrscheinlich war er einfach ein Eigenbrötler, der keinen Wunsch nach einer festen engen Beziehung hatte. Jedoch war es ihm immer wieder gelungen, sie zu vertrösten. Dann hatte er vor einigen Wochen von sich aus begonnen, Vorstellungen über eine gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Sie wollten eine größere und schönere Wohnung suchen. Sogar über Heiraten hatten sie gesprochen. Das war neu gewesen. Mit ihren achtunddreißig Jahren war sie noch nicht zu alt für ein Kind. Dann war plötzlich der Auftrag in Tansania dazwischen gekommen. Jetzt sah alles wieder anders aus und der Plan einer gemeinsamen Zukunft war wieder aufgeschoben.

Der Stau zog sich noch bis Steglitz hin. Völlig entnervt quälte sie sich im stop-and-go die wenigen Kilometer bis zur Abfahrt. Erst gegen zehn hetzte sie durch die Glastür ihrer Agentur im zweiten Stock. Ihr Chef saß mit den beiden Marketing-Leuten der Kundenfirma schon im Besprechungszimmer. Man hatte auf sie gewartet. Mit vielen Worten entschuldigte sie ihr Zuspätkommen. Sie hängte ihre Jacke über den Stuhl und versuchte alle Gedanken an Paul beiseite zu schieben.

***

Als sein Koffer fix und fertig gepackt an der Wohnungstür stand, rief er Katrin im Büro an. Sein Versuch, ihr noch etwas Nettes zu sagen, misslang. Sie wirkte kurz angebunden, wie üblich war sie in Hektik und Stress. Für die Fahrt zum Flughafen war es eigentlich noch zu früh. Aber Paul hielt es zu Hause nicht mehr aus. Es war noch nicht ganz zwölf, als Paul seinen Rollkoffer über den Gehsteig zur nahen U-Bahn-Station Neukölln schob. Obwohl er nur das Notwendigste eingepackt hatte, hatte sein Koffer vermutlich Übergewicht. Wie erwartet kam er viel zu früh am Flughafen Berlin-Tegel an. Von einer inneren Unruhe getrieben ging er noch vor der Zeit durch die Personen- und Gepäckkontrolle in den Innenbereich des Flughafens. Er schaltete sein Handy aus. Jetzt würde ihn sowieso niemand mehr anrufen. Von den kostenlosen Zeitungen, die hier in dem Ständer ausgelegt waren, nahm er sich eine Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.

Endlich kam der Aufruf zum Einsteigen. Die Maschine der Qatar Airways rollte auf die Startbahn und hob pünktlich auf die Minute um 15:25 Uhr in den sonnig-klaren Herbsthimmel von Berlin ab. Paul lehnte sich zufrieden in seinem Sitz zurück. Endlich raus aus dieser Stadt. Nach all den Wochen rast- und nutzlosen Tuns bekam sein Leben wieder Ziel und Orientierung. Auf dem Platz neben ihm saß ein Mann im Business-Anzug mit Schlips, mindestens zehn Jahre älter als er selbst, der ein Gespräch suchte.

»Haben Sie auch geschäftlich in Katar zu tun? Oder müssen Sie heute noch weiter?«

Paul blickte weiter aus dem Fenster.

»Ja, Daressalam, Tansania.«

»Ich fliege nur bis Doha, zwei Tage für Geschäfte. Ostafrika – interessant. Dort war ich noch nie. Sind Sie auch geschäftlich unterwegs?«

»Bei mir geht es um eine Eisenbahn. Ich fliege heute Nacht noch weiter. Wir werden also ein Stück den gleichen Weg haben«, murmelte Paul.

Sein Nachbar war gesprächig. »Wissen Sie, dass Katar auch eine Eisenbahn bauen will? Die Deutsche Bahn ist daran auch beteiligt. Mit Hochgeschwindigkeitsstrecken für den ICE. Ich weiß ja nicht, ob das bei dem kleinen Land Sinn macht.«

»Mit Katar hatte ich bisher noch nie etwas zu tun. In Tansania geht es um eine alte Strecke aus der deutschen Kolonialzeit. Von der Küste zum Tanganjikasee.«

»Die heutige Ausgabe der FAZ berichtet, dass sich die Chinesen in Ostafrika stärker engagieren wollen.«

»Ja, die Chinesen haben in Tansania auch eine Eisenbahn gebaut. Das war in den Siebzigerjahren, unter Mao Tsedong. Die TAZARA führt von Daressalam an der Küste bis nach Sambia. Sie funktioniert heute noch, aber mehr schlecht als recht.«

»Ich beneide Sie. Sie haben eine interessante Aufgabe.«

»Mhm, finde ich auch. Von dem deutschen Eisenbahnbau vor hundert Jahren profitiert Tansania bis heute.«

»Ja, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei ihrer Arbeit.«

Sein Nachbar schlug die mitgebrachte Zeitung auf und das Gespräch verebbte. Kurz darauf begannen die Stewardessen die Tabletts mit dem Essen zu servieren. Paul wählte Hühnchen mit Reis.

***

Als Paul aus dem Fenster der Maschine von Qatar Airways blickte und sah, wie die Dämmerung über dem Schwarzen Meer hereinbrach, saß Klaus Kronberg auf der Veranda seines Bungalows in Kunduchi. Über ihm erstreckte sich ein riesiger funkelnder Sternenhimmel. Kunduchi war ein Vorort von Daressalam direkt am Indischen Ozean rund zwanzig Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Kronberg war etwa einen Meter siebzig groß und von kräftiger Statur mit einem ausgeprägten Kugelbauch. Da er in München aufgewachsen war und dort seine Kindheit und Jugend verbracht hatte, verstand er sich in erster Linie als Münchner und in zweiter Linie als Bayer. Mit seinen achtundsechzig Jahren wirkte er jünger; zumindest meinte er das. Tatsächlich hatte ihm das ein befreundetes Ehepaar noch vor wenigen Tagen ganz vehement versichert. Seine Haare waren völlig weiß und stark ausgedünnt. Für sein Alter war er bei bester Gesundheit.

Vom Ozean her wehte eine kühle Abendbrise über die Terrasse, von der aus er einen Blick auf den Pool und den gepflegten Garten hatte. Kronberg war die graue Eminenz bei GermanRailConsult. Die Firma hatte er viele Jahre als Geschäftsführer geleitet. Vor drei Jahren war er aus der aktiven Arbeit ausgestiegen. Während seiner letzten Tätigkeit in Tansania hatte er Flora, seine jetzige Frau, kennen gelernt. Flora war etwas über fünfzig Jahre alt und kam aus einem Dorf am Hang des Kilimanjaro. Früher war sie im Transportministerium als Direktorin tätig gewesen, hatte sich aber früh pensionieren lassen. Sie war so groß wie Kronberg und deutlich schlanker als er. Sie hatte ein freundliches Gesicht und ein liebenswertes Wesen. Die Fältchen um ihre Augen konnte man nur bei gutem Licht sehen. Ihre guten Kontakte zur Führungsebene des Ministeriums und ihre Kenntnisse über die internen Entscheidungsmechanismen waren Kronberg bei seinen Geschäften immer zugute gekommen.

Wie an vielen Abenden saß er auch heute in seinem gut gepolsterten Korbsessel. Eben frischte der Wind auf. Da klingelte sein Handy, das auf dem kleinen Tischchen auf der Veranda lag. Er meldete sich mit einem knappen »Hello«. Dr. Ernst Ziegler war dran.

»Guten Abend, Klaus, hier spricht Ernst. Wie geht´s dir?«

»Ach du bist´s, Ernst. Freut mich, dich zu hören. Hier ist alles o.k.. Du weißt ja, immer schön warm hier, schon seit Tagen keine Wolke am Himmel. Gleich mache ich noch ein paar Runden im Pool.«

»Klaus, du hast es gut. Du kannst dein Leben genießen. Hier ist es nicht ganz so entspannt.«

»Was ist denn los?«

»Wir hatten heute ziemlichen Stress. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen uns. Acht Leute waren da und haben unser GRConsult-Büro durchsucht. Es soll beim Katar-Projekt Bestechung gegeben haben. Ich weiß nicht, wie die da drauf kommen.«

Ziegler wartete. Als keine Reaktion kam, fuhr er fort.

»Noch was anderes. Etwas, was dich betrifft. Lothar Woerz ist abgesprungen, schon vor zwei Wochen. Ich habe ihn gar nicht mehr gesehen. Er sagte, er habe ein besseres Angebot von einer britischen Consulting bekommen. Sein restliches Honorar hat er sich auszahlen lassen.«

Es herrschte Stille in der Leitung. Dann meldete sich Ernst Ziegler wieder: »Klaus, bist du noch da?«

»Ja, ja. Das ist ja ein Ding, die Staatsanwaltschaft im Haus. Und auch die Sache mit Woerz. Mich hat niemand unterrichtet.«

»Ich wollte dich damit nicht belästigen. Doch jetzt sieht es so aus, als ob es zwischen den beiden Sachen einen Zusammenhang geben könnte.«

Kronberg stand von seinem Sessel auf. Aufgeregt fragte er: »Welchen Zusammenhang? Was hat denn das eine mit dem andern zu tun? Woerz war es doch, der dieses Projekt angeleiert hatte. Er war es doch, der die Zusammenhänge alle kannte. Wie soll es denn jetzt weitergehen?«

Ziegler war über die Aufgeregtheit von Kronberg nicht überrascht.

»Klaus, vielleicht besteht ja auch kein Zusammenhang. Gegenwärtig konzentrieren sich die Ermittlungen auf unsere Geschäfte in Katar. Mach' dir keine Sorgen. Ich habe umdisponiert. Paul Mansfeld übernimmt die Sache. Er hat für uns ein Projekt in China gemacht. Er hat schon einmal in Tansania gearbeitet. Ist zwar ein paar Jahre her, und nicht für uns. Aber er ist loyal und verlässlich. Das ist der beste Mann für den Job. Er wird morgen in Daressalam ankommen und das Büro übernehmen. Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt.«

Kronberg antwortete zögerlich: »Na, dann wollen wir mal sehen, wie der Neue damit klar kommt. Ich kenne ihn ja nicht. Schick' mir unbedingt seinen Lebenslauf.«

»Bekommst du. Ich wäre dir dankbar, wenn du ein Auge auf ihn hast«, sagte Ziegler.

»Mach' ich. Du hast daran gedacht, dass diese Änderung möglicherweise auch Konsequenzen für unseren Partner Joseph Kiloko im Ministerium hat? Wie auch immer, falls es was Neues gibt, ruf' ich dich an. Hoffe nur, dass dieser Paul Mansfeld die Sache nicht vergeigt.«

Wegen der Entfernung von über 8.000 Kilometern kam die Antwort wieder zeitverzögert.

»Klaus, mach´ dir keine Sorgen. Ich habe das im Griff. Paul Mansfeld ist instruiert. Ich gehe davon aus, dass er seine Aufgabe verstanden hat. Grüß mir deine liebe Frau.«

Kronberg schob seine Brille über die Stirn hoch, kniff die Augen zusammen und brachte sein Handy ganz dicht vor seine Augen. Endlich fand er die Aus-Taste. Mit einem Piep wurde die Verbindung beendet. So ein Mist, dachte er. Er spürte, wie sich sein Bauch unangenehm verspannt hatte. Die Gelassenheit und Ruhe des heutigen Tages verflüchtigten sich zusehends. Nein, dachte er verärgert, alles war so gut eingefädelt gewesen. Und nun hat dieser Lothar Woerz kalte Füße bekommen. Sei´s drum, ich werde das auch so hinbekommen. Nur muss dieser Paul Mansfeld mitspielen.

»Wer war denn am Telefon?«, rief Flora von der Küche her.

»Ach, Ernst hat angerufen. Etwas Geschäftliches. Aber es ist alles in Ordnung. Er lässt dich grüßen.«

»Danke«, kam es aus der Küche zurück.

»Flora, für dich auch einen sundowner? Wie wäre es mit einem Gin Tonic?«

»Danke, gerne. Das ist nett von dir.«

Um diese Tageszeit trank er kein Bier. Der abendliche sundowner war ihnen zum Ritual geworden. Klaus Kronberg erhob sich mit einem Stöhnen aus seinem Sessel und schlurfte über die Steinfliesen zum Kühlschrank in der Küche. Seine Gesundheit war in Ordnung, doch sein Alter spürte er. Oft schien es ihm, dass ihm die Bewegungen mit jedem Tag schwerer fielen. Am hölzernen Küchentisch mischte er zwei Gläser Gin Tonic, eines für Flora mit einem Drittel Gin und zwei Dritteln Tonic mit Eis. Für sich wählte er das umgekehrte Verhältnis, und ausnahmsweise kippte er noch einen Extraschluck nach.

»Hier bitte, Flora, dein Gin Tonic.«

Kronberg achtete darauf, dass er seiner Frau das Glas mit der richtigen Mischung reichte. Sie hatte es sich inzwischen auf dem Sessel neben ihm bequem gemacht.

»Danke. Dann lass uns noch etwas hier sitzen. Und erzähl mal. Ich sehe es dir doch an, dass irgendwas schiefgelaufen ist.«

***

Den zweistündigen Zwischenstopp verbrachte Paul am Tresen in einem Café im Doha International Airport. Katar plante einen neuen und größeren Flughafen, aber gegenwärtig mussten die Passagiere noch eine lange Busfahrt über das Flugfeld machen. Tagsüber war es unerträglich heiß, doch jetzt am späten Abend war die Luft nicht mehr so drückend. Im Innern der Maschine war es kühl. Pünktlich um Mitternacht startete der Airbus A330 der Qatar Airways. Paul saß am Fenster. Er liebte diese langen Nachtflüge über Afrika. Vor mehr als zwanzig Jahren war er zum ersten Mal nach Daressalam geflogen, damals mit der Egypt Air über Kairo. Er war jung und begeistert gewesen, sein erster großer Auslandseinsatz. Er schaute aus dem Kabinenfenster. Die Stewardess hatte nach dem Abendessen das Deckenlicht der Kabine gelöscht. Leider spiegelte sich im Fenster die Rückseite des Vordersitzes und versperrte ihm den Blick nach draußen. Er neigte sich dicht an die Scheibe und schirmte gleichzeitig mit beiden Händen die störenden Lichtreflexionen ab. Über ihm eröffnete sich ein atemberaubend riesiger Sternenhimmel. Unter der Tragfläche des Airbus herrschte tiefe Schwärze. Nachts war Afrika wirklich ein schwarzer Kontinent.

Als sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah er zaghafte kleine Lichtpunkte am Boden. Also hatten sie schon die Sahara überflogen. Nun waren sie bereits über dem äthiopischen Hochland. Das kleine Flugzeugsymbol kroch ruckartig über den Monitor und zeigte die Flugroute an. Später würden sie erst über den Sudan und dann über Kenia fliegen. Lange hing er so, sein Gesicht an das Fenster gepresst. Er stellte sich vor, wie da unten Menschen in der Dunkelheit atmeten und schliefen. Einmal sah er in dem schwarzen Nichts eine leuchtende Fläche, vielleicht eine Stadt mit Straßenbeleuchtung.

Mit einem Griff an die Decke über sich schaltete er das Leselicht ein. Aus der Ablage des Vordersitzes zog er die schmale Projektakte heraus, die ihm Ernst Ziegler bei der letzten Besprechung im Büro geradezu feierlich übergeben hatte.

»Studieren Sie diese Dokumente sorgfältig, dann wissen Sie Bescheid. Den Rest können Sie sich dazu reimen. Sie sind ja schon länger im Geschäft.« Tatsächlich war Paul schon lange im Geschäft. Aber so kurzfristig und ohne ausführliche Vorbereitung hatte er noch kein Projekt übernommen. Er öffnete die Mappe. Oben auf lag das Angebot zur Erarbeitung einer Studie zu einer Rehabilitation der Eisenbahnlinie von Daressalam bis Kigoma am Tanganjikasee. Damit hatte GRConsult den Auftrag gewonnen. Kein Zweifel – das war professionell gemacht. Seine Aufgabe war es, die Rehabilitationsmaßnahme nach vorgegebenen Kriterien zu prüfen und die Unterlagen für die Ausschreibung der Baumaßnahmen vorzubereiten. Die vielen Seiten an langatmigen Ausführungen überschlug er. Dann fand er den Kern des Auftrags. Gesamtsumme 2,8 Millionen US-Dollar. Paul wurde schlagartig bewusst, dass er mit diesem Projekt in den kommenden Jahren viel Geld machen konnte: Denn mit Sicherheit standen Folgeaufträge an. Er musste sich nur klug positionieren. Doch seine Begeisterung hatte noch andere Gründe: Dies war ein Projekt, das er durch und durch für sinnvoll erachtete. Er war mit Herz und Seele Eisenbahner geworden, als ihm im Alter von sechs Jahren sein Vater eine Märklin-Modelleisenbahn geschenkt hatte. Es tat ihm immer weh, wenn er ansehen musste, dass Eisenbahnen vernachlässigt wurden. So wie die zur deutschen Kolonialzeit gebaute Mittellandlinie, die heute Central Line genannt wurde.

'Endlich kann ich das machen, was ich schon immer machen wollte', dachte Paul. Er merkte, dass es ihm zu kühl wurde. Im Gepäckfach über seinem Sitz fand er die in dünne Plastikfolie eingeschlagene Decke, die er über seine Beine breitete. Er legte sich bequem in seinem Sitz zurück. Zufrieden mit sich und seiner Situation knipste er das Leselicht über seinem Sitz aus, schloss die Augen und war kurz darauf eingeschlafen.

Als die Stewardess das Frühstück servierte, wurde er vom Klappern des Geschirrwagens geweckt. Der Bildschirm zeigte die Flugdaten: Flughöhe 9.665 Meter, Geschwindigkeit über dem Boden 945 Stundenkilometer, Rückenwind 77 Stundenkilometer. Dann wechselte das Bild und jetzt erschien die Maschine als kleines Symbol mit seiner aktuellen Position auf der Route über dem Kontinent. Zwischendurch wurde die Uhrzeit eingeblendet: Es war erst fünf Uhr. Obwohl müde und übernächtigt, war er hungrig. Eingequetscht in die enge Sitzreihe bekam er auf einem Plastiktablett ein pappiges Brötchen, einen Plastikbecher und in der Mitte ein Alu-Schälchen, in dem ein Omelett mit einer matschig-lauwarmen Tomate auf Kartoffelbrei lag. Er aß mit großem Appetit, erinnerte sich aber mit Bedauern an die Zeit, als er bei seinen Aufträgen ganz selbstverständlich noch Business Class fliegen durfte. Doch GRConsult musste offenbar sparen. Selbst für diesen Langstreckenflug von Berlin bis Daressalam hatte er nur ein Ticket für die Economy Class bekommen.

Am Horizont ging über dem Indischen Ozean die Sonne auf und beleuchtete die Kabinendecke mit einem fahlen Rot. Seine Knie schmerzten. Unter ihm tauchte jetzt die Küstenlinie auf. Durch das Oval seines Kabinenfensters bot sich ihm ein spektakulärer Blick auf die lang gestreckte Küste mit einem fulminanten Wolkengebirge. Über ihm gingen mit einem Pling die Anschnalllichter an. Kurz darauf ging die Maschine in den Sinkflug über und setzte zum Landeanflug an. Vor ihm lag Daressalam - Haus des Friedens. Unter ihm breiteten sich die Vororte aus, eine riesige Fläche von Häusern und Straßen in einem Rechteckmuster. An diesem Morgen lag die Hafenstadt am Indischen Ozean mit ihren vier Millionen Einwohnern völlig friedlich da. Sanft war auch die Landung, ein kleiner Ruck, dann hatte die Maschine aufgesetzt. Paul war erleichtert. Doch erst als die Triebwerke mit heftigem Gegenschub laut aufheulten und die Maschine abbremsten, fiel die innere Anspannung von ihm ab. Wieder gut gegangen. Die Turbinen gaben noch einmal Schub und die Maschine holperte auf das Ankunftsterminal zu.

Mit einem Rumpeln wurde die Fluggastbrücke an die Kabine angekoppelt. Es dauerte ein paar Minuten, bis die Tür geöffnet wurde. Tansania macht Fortschritte, dachte Paul. Früher musste man noch über den heißen Asphalt des Flugfelds und durch sengende Hitze zum Ausgang gehen. Im Julius Nyerere International Airport war es angenehm kühl. Erst in der Zollabfertigung außerhalb des klimatisierten Bereichs schlug ihm die feucht-heiße Tropenluft entgegen. Rasch zog er seinen Pullover aus. Dann durch die langen kahlen Gänge zur Immigration. Große Hektik unter den Ankommenden: Erfahrene Tansania-Traveller wussten, dass diejenigen, die zuerst das Einreiseformular ausgefüllt und zusammen mit dem Pass dem Beamten in die Hände gedrückt hatten, als Erste den Flughafen verlassen konnten. Paul merkte das erst jetzt und fand sich schon ziemlich am Ende der Schlange wieder. Den Fünfzig-Dollar-Schein für das dreimonatige Touristenvisum hatte er in seinen Pass gelegt.

Der Zollbeamte grüßte ihn. »Good morning, Sir. Welcome to Tanzania.«

Zügig wurde sein Pass geprüft und das Visum in eine der hinteren Seiten gestempelt. Paul hatte mit einer langwierigen Prozedur gerechnet. Deshalb sagte er erstaunt: »Heute geht das aber sehr schnell«, wobei er automatisch und ohne Mühe auf Englisch umgestellt hatte.

Der Zollbeamte lachte.

»Ja. Stimmt, früher ging das länger. Wir machen Fortschritte.«

Seinen Koffer holte er vom rotierenden Förderband, stellte ihn auf einen Gepäcktrolley und rollte ihn ohne angehalten zu werden durch die Zollkontrolle. Hintereinander strömten die Passagiere eilig zum Ausgang, die meist schweren Rollkoffer hinter sich herziehend. Nur wenige der Ankommenden waren schwarz, die Weißen überwiegten an Zahl. Viele der Weißen, der Wazungu, waren wegen ihrer Kleidung mit den bekannten Outdoor- und Globetrotter-Labels als Touristen erkennbar. Einige jüngere Touristen trugen große Rucksäcke in den aktuellen Modefarben mit vielen Seitentaschen. Neben den Angehörigen warteten draußen vor der Absperrung Mitarbeiter von Touristikunternehmen und Hotels, die große Namensschilder hoch hielten und die Köpfe zur Ausschau nach Gästen reckten. Paul kam kurz der Gedanke, ob ihn wohl jemand vom Transportministerium abholen würde. Aber er hatte seine Ankunft nicht angekündigt. Auf den Schildern konnte er seinen Namen nicht entdecken. Zahlreiche Taxifahrer bestürmten die ankommenden Passagiere. Wer nicht energischen Widerstand leistete, sah seinen Koffer an der Hand eines Taxifahrers, der ihn abschleppte. Paul wusste, dass manche Taxifahrer versuchten von den Touristen absurd überhöhte Preise zu kassieren. Ein stämmiger Taxifahrer mittleren Alters sprach ihn an.

»Brauchen Sie eine Fahrt in die Stadt? Ich nehme die offizielle Rate von zwanzig Dollar US.«

Auf Paul machte er einen seriösen Eindruck. Das schien ihm noch teuer genug, aber schnell stimmt er zu: »O.k., bringen Sie mich bitte ins Sunrise City Hotel.«

Der Fahrer nahm ihm den Koffer aus der Hand und rollte ihn aus der hohen Vorhalle des Flughafens über den Parkplatz bis zu einem weißen Toyota Corolla älteren Baujahrs. Als das Gepäck im Kofferraum verstaut war, setzte sich Paul auf den Beifahrersitz. Die stickig-heiße Luft im Wageninnern trieb ihm sofort den Schweiß aus den Poren. Der Wagen hatte offenbar schon lange in der Morgensonne gestanden. Die Digitaluhr im Armaturenbrett zeigte neun. Nach seiner Armbanduhr war es erst acht Uhr. Es war eine Stunde später als in Berlin. Paul stellte seine Uhr eine Stunde vor. Der Fahrer startete und schaltete sogleich die Klimaanlage ein. Als sie den Schlagbaum an der Ausfahrt passierten, wurden sie von der Beamtin in Uniform lässig durchgewinkt. Sie kannte den Fahrer. Sie bogen nach rechts in Richtung Innenstadt auf die vierspurige Pugu-Road ein, die durch das städtische Industriegebiet führte. Links und rechts der Straße standen hohe Mauern aus rotem Backstein, über die einige Schornsteine und rostige Wellblechdächer der altertümlichen Fabrikgebäude und Lagerhallen ragten. Einzelne moderne Gebäude stachen mit ihren großflächigen Glasfassaden aus den altertümlichen Bauten hervor. Seit Paul auf dieser Straße vor rund zwanzig Jahren zuletzt gefahren war, hatte sich hier nicht viel verändert. Einen Wirtschaftsboom hatte dieses Industriegebiet nicht erlebt. Als sie die Kreuzung mit der Nelson-Mandela-Road erreichten, schaltete die Ampel gerade auf Rot. Der Verkehr staute sich. Doch auch hinter der Kreuzung ging es nur schrittweise voran. In beiden Richtungen standen dicht gedrängt die Fahrzeuge: Lastwagen, Busse, Taxis, Limousinen meist japanischer Marken. Viele der Gefährte hatten ihre besten Zeiten lange hinter sich. Doch es gab auch funkelnde Luxuskarossen, deren dunkel getönte Scheiben einen Blick ins Innere versperrten.

»Das ist wirklich ein schrecklicher Verkehr. Ist das immer so?« erkundigte sich Paul gereizt.

»Das ist um die Zeit tatsächlich immer so. Später am Tag wird es noch schlimmer. Was meinen Sie, was das für meinen Benzinverbrauch bedeutet? Im Schritttempo vom Flughafen bis in die Stadt, immer im Stau, und immer läuft die Klimaanlage.«

Erst als sie von der Nkrumah Street kommend den Mnazi Moja Park passierten, ging es schneller vorwärts. Um das Gespräch im Gang zu halten, fragte Paul: »Fahren Sie schon lange Taxi?«

»Seit ungefähr zwei Jahren. Vorher habe ich als Fahrer für eine dänische Consultantfirma gearbeitet. Aber sie hat ihr Büro vor zwei Jahren geschlossen. Seither fahre ich Taxi.«

»Und, wie geht das Geschäft?«, fragte Paul.

»An manchen Tagen gut, an anderen schlecht. Hängt viel von der Jahreszeit ab. An ganz schlechten Tagen stehe ich von morgens bis abends am Flughafen und bekomme keinen einzigen Passagier.«

Bis zum City Center schwiegen beide. Sein letzter Aufenthalt im Land lag lange zurück, vielleicht zwanzig Jahre. Paul konnte sich nicht an das genaue Jahr erinnern. Doch er erkannte die Stadt. Die gleichen Straßen, die gleichen Häuserfronten, aber viel mehr Leute und viel mehr chaotisches Treiben auf den Straßen. Einige moderne Hochhäuser waren dazu gekommen, die mit ihren großflächigen Marmorfassaden und getönten Glasscheiben einen eigenartigen Kontrast zu den Nachbargebäuden aus der Kolonialzeit mit ihren bröckelnden Farbanstrichen bildeten. Straßenfeger, darunter viele Frauen, mit orangeroten Warnwesten reinigten mit Besen und Schaufeln die Straßenränder und Gehsteige von Abfall und Sand. Als sie den Stau in der Innenstadt passiert hatten, ging es etwas zügiger weiter. Kurz darauf bogen sie in die mit Palmen gesäumte Auffahrt zum Hotel ein. Als sei es sein persönliches Anwesen, verkündete sein Fahrer stolz: »Das ist das Sunrise City Hotel, eines unserer besten Hotels in Dar. Sie werden sich hier wohl fühlen.«

Der Fahrer brachte das Taxi direkt vor dem Eingang zum Stehen. Als die beiden Koffer im Foyer abgestellt waren, reichte Paul dem Fahrer die vereinbarte Summe in Dollar. Er fand den Fahrer sympathisch, hatte sich in seiner Anwesenheit sicher und entspannt gefühlt. Er sprach gutes Englisch und hatte nicht versucht, einen überhöhten Fahrpreis zu nehmen.

Als der Fahrer sich schon zum Gehen gewandt hatte, rief ihn Paul noch einmal zu sich:

»Sagen Sie mir doch bitte Ihren Namen. Haben Sie auch eine Visitenkarte?«

»Ich heiße John. Und eine Business Karte habe ich auch.«

»John, ich habe einen Vorschlag. Ich werde hier einchecken und mich kurz ausruhen. Heute Nachmittag muss ich in mein Büro. Mein Name ist Paul Mansfeld. Können Sie mich wieder fahren?«

John schaute ihn erstaunt an.

»Ja, natürlich. Sie können mich jederzeit anrufen.«

»Und dann habe ich noch ein Problem. Ich habe hier mein deutsches Mobiltelefon. Könnten Sie mir eine lokale Nummer und eine passende SIM-Karte besorgen?«

»Kein Problem. Als Provider schlage ich Celtel vor. Dafür brauche ich allerdings noch zwanzig Dollar.«

Paul schaute etwas skeptisch. Doch ohne zu zögern bezahlte er für die Fahrt und reichte einen Zwanzig-Dollar-Schein für die Karte dazu. »Bitte holen Sie mich um 14 Uhr hier ab.«

Mit Nachdruck setzte er hinzu: »Und vergessen Sie die SIM-Karte nicht!« Nun gut, dachte er, das kann auch schief gehen. Vielleicht sehe ich weder Karte noch Geld.

Das Einchecken im Sunrise City Hotel ging problemlos. Die Reiseabteilung der GRConsult hatte die Reservierung schon von Berlin aus gemacht. Die Empfangsdame an der Rezeption war attraktiv, nicht mehr ganz jung, die geglätteten Haare straff nach hinten gescheitelt und mit schwarzem engen Rock und weißer Bluse. Sie zog seine Kreditkarte durch das Lesegerät. Der Hotelpage nahm seinen Koffer und führte ihn mit dem Aufzug zu seinem Zimmer im dritten Stock. Am Fenster stand ein Schreibtisch mit Blick auf die alten Häuser aus deutscher Kolonialzeit. Er fragte sich, ob die Bäume in den Gärten damals schon gepflanzt worden waren.

Nach der Hitze der Stadt schätzte er die kühle Luft im Zimmer. Leise summte die Klimaanlage. Auf dem Sideboard stand ein kleiner Flachbildschirm mit der dazugehörenden Fernsteuerung. Er packte seinen Koffer aus, stapelte seine fünf Hemden sorgfältig in den Schrank und hing seinen Anzug ebenso achtsam auf einen Bügel. Im Schrank fand er einen kleinen Tresor mit einem elektronischen Schloss. Die in einer Plastikfolie beigelegte Benutzeranleitung war einfach zu verstehen. Trotzdem gelang es Paul nicht, die Tür zu verriegeln. Dann sah er auch den Grund: Das Batteriefach war leer. Hier ist immer noch Afrika, dachte er. Erschöpft legte er sich auf das Bett. Der lange Nachtflug saß ihm in den Knochen. Nachdem er sich eine Stunde auf dem Bett ausgeruht hatte – einschlafen konnte er nicht – rief er im GRConsult-Büro an. Nach zweimaligen Klingeln hob Joyce Malima, die Office-Managerin, den Hörer ab. Paul kündigte seinen ersten Besuch im Büro um halb drei an.

***

Pünktlich um vierzehn Uhr kam Paul mit dem Lift unten bei der Hotelrezeption an und legte seinen Zimmerschlüssel auf den Tresen. John lag hingefläzt in einem der überbreiten Sessel der Sitzgruppe im Eingangsbereich. Hastig legte er seine Zeitung beiseite und stand auf.

»Hallo, Mr. Mansfeld. Haben Sie sich gut ausgeruht? Geht es gut?«

»Alles in Ordnung.«

John hielt ihm einen kleinen zellophanverpackten Umschlag hin.

»Hier bitte, Ihre SIM-Karte.«

Paul schaute etwas ratlos.

John ließ sich Pauls Handy geben und machte die Installation. Kurze Zeit später verkündete er Erfolg.

»Es funktioniert. Rufen Sie bitte einmal meine Nummer an.«

Es klingelte. John war sichtlich stolz. Paul steckte das Gerät in seine Brusttasche. »Danke«, sagte er. Als sie aus der klimatisierten Hotelhalle ins Freie traten, wurden sie von einer gleißenden Sonne und Tropenhitze überfallen. John hatte sein Taxi direkt vor dem Hotel abgestellt.

»Wohin möchten Sie?«, fragte John, als er für Paul die Beifahrertür öffnete.

»GermanRailConsult. Das Büro ist in der Bibi Titi Street an der Kreuzung Maktaba-Street.«

»Ich weiß, wo das ist.«

Im Wagen schaltete John die Klimaanlage auf die höchste Stufe. Mit Schwung bog er von der Hotelausfahrt in die um diese Tageszeit wenig frequentierte Garden Avenue ein. Als sie sich dem Zentrum näherten, nahm der Verkehr zu. In beiden Richtungen der Ohio Street kämpften sich mit nur wenigen Zentimetern Abstand überladene Minibusse, hupende Taxis, hochbeinige SUVs, dreirädrige Motorrad-Rikschas (Bajajs) und Motorräder vorwärts. Eingehüllt von Benzin- und Dieselqualm versuchten die meist jugendlichen Straßenverkäufer lautstark ihre Produkte anzubringen. Jetzt von dieser Nebenstraße aus auf die Ohio Street zu kommen, schien Paul aussichtslos. Doch mit heftigem Gestikulieren und händeringendem Betteln schaffte es John, seinen Wagen nahtlos in die Kolonne einzureihen. An der Kreuzung fand John das Random House, wo das von GRConsult angemietete Büro im zweiten Stock sein musste. Mit einem gewagten Ausscheren und verkehrswidrigen Abbiegen von der Bibi Titi Road brachte John sein Taxi auf der Einfahrt zum Gebäude zum Stehen. Alle Parkplätze waren belegt. John wartete beim Wagen.

Auf der Liste der Firmenschilder im Eingangsbereich fand Paul kein GermanRailConsult. Eben signalisierte der Aufzug seine Ankunft im Erdgeschoss mit einem kurzen Glockenton. Mit einem Rattern öffneten sich die Türen und die Fahrgäste stiegen aus. Paul zögerte einen Moment. Sollte er sich wirklich diesem wackligen Gefährt aussetzen? Er beschloss tapfer zu sein, stieg ein und drückte den Knopf mit der Nummer zwei. Langsam schloss sich die Schiebetür. Der alte Aufzug zögerte für einige Sekunden, dann setzte er sich mit einem Ruck in Bewegung. In der zweiten Etage am dunklen Ende des Gangs fand Paul eine Glastür mit dem Firmenlogo der GRConsult. Er trat ein. Ein schmaler langer Empfangsraum mit einer kleinen Sitzecke, weiter hinten an der Wand ein niedriger Tisch, darauf ein elektrischer Wasserkocher mit Kaffee- und Teedosen. Gegenüber standen ein mit Ordnern überladenes Regal, ein Kopierer und ein Schreibtisch. Die Frau in den Dreißigern in einem eleganten Businesskostüm erhob sich rasch und kam auf ihn zu.

»Guten Tag, Herr Mansfeld?«

»Guten Tag. Und Sie sind bestimmt Joyce Malima. Ich habe Sie vorhin angerufen. Wie geht es Ihnen, Frau Malima?«

»Ah, schön Sie zu sehen, ich habe Sie schon erwartet. Hatten Sie eine gute Reise? Sind Sie gut im Hotel untergekommen?«

»Alles in Ordnung. Ich freue mich, Sie zu sehen. Ich habe schon gehört, dass Sie unser Büro in den vergangenen Wochen hervorragend allein gemanagt haben.«

»Ja, es war nicht so viel zu tun. Soll ich Ihnen einen Tee machen? Dann zeige ich Ihnen das Büro.«

Tatsächlich hatte sich Joyce in den letzten Wochen ziemlich gelangweilt. Einige Gespräche mit der GRConsult Zentrale in Berlin, Monatsabrechnungen, viele private Telefonate, meist mit ihrem Ehemann. Joyce zeigte ihm stolz das bestens aufgeräumte Büro. Vom Durchgangszimmer, in dem sie selbst saß, ging es durch eine Glastür zu einem größeren Zimmer. Das Büro hatte keine Gegensprechanlage – sie wäre auch überflüssig gewesen, denn man konnte sich problemlos durch die Verbindungstür verständigen. Die Wände waren schmucklos bis auf ein einzelnes Kalenderposter aus dem Jahr 2012. Hier stand ein breiter Schreibtisch mit einem Computer neuesten Baujahrs, einem Drucker und ein Chefsessel mit hoher Rückenlehne. Die breite Fensterfront bot einen Blick auf die vierspurige Maktaba Road, deren Verkehrslärm bis nach hier oben drang. Das war der Arbeitsplatz seines Vorgängers Lothar Woerz gewesen. Jetzt war es seiner. Paul legte seinen Aktenkoffer auf die Ablage. Joyce brachte auf einem Tablett zwei Tassen und eine große Thermoskanne mit heißem Wasser. In der nächsten Stunde ging es darum, sich etwas kennen zu lernen und die anstehenden Aufgaben zu besprechen. Anschließend ließ er sich von John zum Hotel zurück bringen.

Nach dem Abendessen im Restaurant des Sunrise City Hotel setzte sich Paul auf die nächtliche Terrasse. Soweit die Scheinwerfer reichten, beleuchteten sie die satte Farbe eines akkurat geschnitten Rasens von so gleichmäßigem und makellosen Grün wie auf einem Herrensitz im regenreichen Mittelengland. Vor ihm lag der Hotelgarten mit den exotischen Sträuchern und tropischen Bäumen, der direkt an den benachbarten Botanischen Garten angrenzte. Paul bestellte sich ein Bier der Marke Kilimanjaro von der Tanzania Breweries. Der Kellner trug eine elegante Uniform aus einer schwarzen Hose mit Bügelfalten, einem dunklen Hemd mit dem farbigen Logo des Sunrise City Hotels und einem dezenten Halstuch. Minuten später servierte er das Bier auf einem Tablett mit einem Glas. Die Oberfläche der Flasche war mit einem feuchten Film beschlagen. Nach und nach bildeten sich auf ihr Tropfen, die erst in Rinnsalen zusammenflossen und sich dann auf der glänzenden Tischplatte in einer Pfütze sammelten. Obwohl er das Bier vorsichtig ins Glas goss, schäumte es auf und drohte überzulaufen. Paul nahm einen Schluck, mehr Schaum als Bier. Es war ein leichtes Bier und eiskalt. So mochte er es.

Vom Nachbartisch grüßten ihn zwei junge hübsche, modisch gekleidete Frauen freundlich, die Haare geglättet und zu Locken geformt. Er fühlte sich geschmeichelt. Mit einem zurückhaltenden Nicken erwiderte er den Gruß. »Kennen sie mich?«, fragte er sich irritiert. Aber das konnte ja kaum sein, war er doch gerade erst angekommen. Nein, das waren wohl Prostituierte auf der Suche nach Kundschaft. Und er war offenbar als Objekt ins Auge gefasst worden. Als er nach dem Essen an der Bar saß und noch ein weiteres Bier bestellte, stellte sich eine der Frauen zu ihm.

»How are you?«

»Fine, thank you.«

Paul blieb distanziert. Nach einem kurzen Austausch höflicher Allgemeinheiten schlief das Gespräch ein.

***

Am nächsten Morgen betrat Paul schon kurz nach sieben den Frühstücksraum im Erdgeschoss. Ein Buffet mit einem umfangreichen Angebot wartete auf ihn: Tee, Kaffee, Orangensaft, tropische Früchte, Müsli, duftende Brötchen, Baked Beans, Bacon, rosarote Würstchen, verschieden zubereitete Arten von Eiern und vieles mehr. Dass man hier in Afrika war, konnte man höchstens an der Vielzahl der frischen Tropenfrüchte wie Mangos, Papayas, Ananas und Guavas merken. Nur wenige Tische waren besetzt. Nach dem Frühstück blätterte er durch die Daily News. Überschwemmungen, Dürre, Misswirtschaft und überambitionierte und völlig unrealistische Entwicklungsziele der Regierung. Auf der Titelseite wurde eine Anti-Korruptionskonferenz angekündigt, die nächste Woche im teuersten Hotel der Stadt, dem Palm Tree stattfinden sollte.

Plötzlich fiel ihm Katrin ein. Er hatte versprochen, sie gleich nach Ankunft anzurufen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wie üblich mit einem kurzen Hallo meldete.

»Hallo, Katrin. Guten Morgen. Ich bin gut angekommen. Wie geht es dir?«

»Schön, dass du dich auch mal meldest. Ich dachte, du bist unterwegs verloren gegangen.«

»Nein, alles in Ordnung.«

»Warum hast du nicht früher angerufen?«

»Na weißt du«, er stotterte. »Mit dem Handy geht das nicht so schnell. Aber jetzt habe ich eine lokale Nummer, auf der du mich immer erreichen kannst.«

»Gibt es denn kein Telefon im Hotel, mit dem du mich hättest anrufen können?«

Paul bemerkte, wie der Ärger in ihm hoch stieg. Eigentlich wollte er nach dem missglückten letzten Abend in Berlin nett zu ihr sein. Aber sie machte es ihm wirklich schwer. Er ging auf ihren Vorwurf nicht ein.

»Und sonst, geht es dir gut? Was macht deine Arbeit?«

»Schrecklich, du weißt ja, mein neuer Chef ist noch in seiner akuten Profilierungsphase. Er hat keine Ahnung, redet mir aber in alles rein.«

Nach dem Austausch einiger Belanglosigkeiten kam das Gespräch zum Ende. Beide Seiten schienen darüber froh zu sein. Als Paul kurz nach acht das Hotelfoyer betrat, wartete dort John bereits, um ihn für die Fahrt zum Büro abzuholen.

***

In den folgenden Tagen begann Paul zusammen mit Joyce so etwas wie ein Arbeitsprogramm zu entwickeln. Bald hatte er sich im Büro installiert, den Computer eingerichtet und die Arbeiten seines Vorgängers Lothar Woerz gesichtet. Als er damit fertig war und den Eindruck hatte, sich einen Überblick über den aktuellen Stand des Projekts verschafft zu haben, bat er Joyce, für ihn einen Besprechungstermin mit Joseph Kiloko zu vereinbaren. Kiloko war als Direktor im Transportministerium Ansprech- und Kooperationspartner für die Studie. Nach einigem Hin und Her mit dessen Sekretariat meldete Joyce Erfolg. Das Treffen wurde für kommende Woche Mittwoch zehn Uhr angesetzt.

Für diesen Anlass zog sich Paul im Hotel den für solche Fälle mitgebrachten dunkelgrauen Anzug an und band sich die bessere seiner beiden Krawatten um. So fein gemacht ging er erst zum Büro, wo Joyce ihm wegen seines Aussehens Komplimente machte. Das Ministerium war unten am Hafen, nur wenige hundert Meter vom Büro entfernt. Wegen des Dauerstaus im City Center drängte John schon eine halbe Stunde vorher auf Abfahrt. Auf dem Weg zum Aufzug ging er im Toilettenraum vorbei und bürstete sich die Haare. Dann warf er noch einen Blick in den Spiegel. Hervorragend, so sah ein professioneller Experte mit internationaler Erfahrung aus. Per stop-and-go schoben sie sich in einer endlosen Autokolonne in Richtung Hafen. Die Zeit wurde knapp und Paul nervös. Es war bereits zehn Uhr, als sie auf den Parkplatz des Ministeriums fuhren. Da es auf dem Innenhof keine Überdachung gab, musste John den Wagen in der prallen Sonne abstellen. Die Überprüfung durch die Sicherheitsleute erledigte John: Der Name des Besuchten, der Name des Besuchers und das Autokennzeichen mussten in das Gästebuch eingetragen werden.

Paul wurde von einer Sekretärin empfangen. Joseph Kiloko erschien mit über zwanzig Minuten Verspätung. Hochgewachsen, schlank und in einen eleganten dunklen Anzug gekleidet, entschuldigte er sich wortreich, während er Paul in sein modern eingerichtetes Büro führte und bat, am Besprechungstisch Platz zu nehmen. Paul kam zügig auf das Projekt zu sprechen, berichtete über seine bisherigen Eindrücke und stellte begeistert seine Vorschläge für die nächsten Schritte der Studie vor. In seiner Antwort betonte Kiloko mit vielen Worten die Wichtigkeit des Vorhabens, ging aber in keiner Weise auf die gemachten Vorschläge ein. Paul war enttäuscht. Er hatte mit mehr Engagement und vor allem mit mehr konkreter Unterstützung gerechnet. Kiloko schien ihm diese Enttäuschung anzumerken. Vielleicht machte er ihm deshalb den Vorschlag, sich in den nächsten Tagen zum Abendessen zu treffen.

»Ich zeige Ihnen Daressalam bei Nacht. Wir haben schöne Restaurants hier. Mögen Sie Bier? Wir haben gute Biere hier. Kilimanjaro, Castle, Safari, Tusker, Serengeti, Ndovu und auch deutsches Importbier. Sie werden erstaunt sein.«

Paul lachte. »Ja, tatsächlich mag ich alle Biere, egal welche Marke. Aber gestern habe ich Kilimanjaro getrunken. Sehr gut.«

Kiloko zog seine Stirn in Falten und dachte angestrengt nach.

»Gehen wir mal raus aus der City. Kennen Sie das Slipway auf der Msasani Peninsula? Da können wir alles Weitere besprechen. Lassen Sie uns dort im Waterfront Restaurant treffen. Übermorgen ist Freitag. Ein guter Tag um das Wochenende zu starten. Sagen wir 18 Uhr? Ihr Fahrer wird das Restaurant kennen.«

«Das ist eine ausgezeichnete Idee«, stimmte Paul zu und war sehr froh über diesen Vorschlag.

Der nächste Arbeitstag verlief ruhig. Paul tätigte wichtige Telefonanrufe, die Joyce ihm mit ihrer höflichen und gewinnenden Art vermittelte. Später am Nachmittag bat er Joyce, John wegen des Termins mit Kiloko im Slipway Bescheid zu sagen. Er wollte noch vor dem Treffen in dem Buchladen, der ganz in der Nähe des Restaurants lag, nach einer Lektüre für die langen Abende suchen.

John war pünktlich zur Stelle. Leider herrschte um diese Zeit hektischer Feierabendverkehr. Soweit er blicken konnte, stauten sich die Autos, vom City Center über die Hassan Mwinyi Road. Viele hochbeinige massige Fahrzeuge mit Vierradantrieb, meist aus japanischer oder koreanischer Produktion. Paul war ein Freund der Eisenbahn und ein Feind der Autos. Genervt wandte er sich an John: »Mir scheint, dass die Autos hier größer sind als in Deutschland.«

John lachte. »Das weiß ich nicht. Aber mit Sicherheit sind sie zu groß. Mein kleiner Corolla reicht für den Stadtverkehr völlig aus. Aber draußen auf dem Land, upcountry, da sind die Straßen manchmal sehr schlecht. Dort braucht man einen Four-wheel-drive.«

»Aber«, fuhr John fort und machte dabei eine Geste der Hilflosigkeit, »die Regierungsbeamten mögen diese Autos. Am liebsten Toyota Landcruiser. Es ist eine Sache von Macht und Prestige.«

Gerade schob sich auf der rechten Spur eines dieser Regierungsfahrzeuge langsam an ihnen vorbei. Auf dem Beifahrersitz saß ein elegant gekleideter Mann in Anzug und Krawatte. Kurz begegneten sich ihre Blicke.

»In einem solchen großen Fahrzeug kannst du auf die anderen hinunter schauen«, erklärte John.

»Früher haben nur die ausländischen Experten solche Autos gehabt. Die Zeiten haben sich geändert.«

Paul schaute zu ihm hinüber.

»Wir kommen doch mit deiner alten Kiste überall hin.«

Paul machte sich nichts aus Autos. Schon in Berlin hatte er sich über die wachsende Zahl von SUVs im städtischen Berliner Verkehr geärgert, die nun auch immer stärker das Stadtbild von Daressalam prägten.

Nach einer Pause wandte er sich an John.

»Wie bist du mit deinem Auto zufrieden?«

»Wie du siehst, läuft es noch. Aber diese vielen Reparaturen sind teuer. Deshalb will ich es verkaufen und mir ein Neues anschaffen. Einen Gebrauchtwagen natürlich.«

»Hast du dafür Geld zurückgelegt?«

John hob mit einer Geste der Verzweiflung beide Hände vom Lenkrad.

»Nein, da kommt immer was dazwischen. Mal ist das Auto kaputt, dann ist jemand in der Familie krank, dann braucht eine meiner drei Töchter wieder etwas für die Schule oder das Studium. Da bleibt nichts übrig.«

Nach wenigen Kilometern stadtauswärts bog John an einer mit einer Ampel bestückten Kreuzung nach rechts zur Msasani Peninsula ab. Msasani, das war die Halbinsel für die Reichen von Daressalam. Hier wohnten vorwiegend Diplomaten, Manager ausländischer Firmen, internationale Entwicklungsexperten und die tansanische Oberschicht. Nach etwa zwei Kilometern entlang von Geschäften und einigen Bars schwenkte John nach links auf eine holprige Staubpiste ein. Der vor ihnen fahrende Wagen wirbelte eine braungelbe Staubfahne auf, die ihnen im Gegenlicht der Abendsonne die Sicht auf die Straße versperrte. John vergrößerte den Abstand. Nach wenigen hundert Metern erreichten sie den Parkplatz des Slipway Shopping Centers. Die Anlage war ein an einer Bucht gelegenes modernes Einkaufszentrum mit einer kleinen Einkaufspassage und einigen Restaurants. Mittlerweile war es kurz vor fünf Uhr. Der Asphalt strömte die gespeicherte Tageshitze aus. Paul bat John, mit dem Wagen auf ihn zu warten.

Während er durch die Anlage schlenderte, sah er mehrere europäische Familien, die hier mit ihren Kindern flanierten. Vor den Geschäften standen modisch gekleidete Jugendliche mit heller und dunkler Hautfarbe in Gruppen zusammen. In einigen Schaufenstern wurden traditionelle Kunstgegenstände angeboten. Ein Laden hatte Bilder mit afrikanischen Motiven im Eingangsbereich ausgestellt. Im Buchladen fragte er die junge Angestellte nach Romanen von tansanischen Autoren.

»Nein, so etwas haben wir nicht«, kam die Antwort. Als Paul daraufhin bat, doch genauer nachzuschauen, rief sie die Geschäftsführerin, die durch ihre Aussprache als Engländerin erkennbar war.

»Ja, tansanische Autoren gibt es nur wenige; schließlich ist der tansanische Buchmarkt sehr klein, insbesondere für Belletristik. Das Land hat keine Lesekultur, wissen Sie. Und nur wenige können sich überhaupt Bücher leisten. Die Leute haben andere Sorgen.«

Um für die langen Abende etwas zum Lesen zu haben, ließ er sich einen amerikanischen Thriller einpacken. Als er den Laden verließ, war es immer noch über eine halbe Stunde bis zum Treffen. Um sich die Zeit zu vertreiben, schlenderte er weiter durch die Anlage. Am Eingang zum Supermarkt verkündete ein Schild die Öffnungszeiten: 9:30 bis 21:00 Uhr, 7 Tage die Woche. Innen war es sauber und hell beleuchtet. In den Regalen beim Eingang standen Cornflakes, Mehl und Reis in mehreren Sorten, Hülsenfrüchte, Konfitüren, Kekse und Schokolade. Im nächsten Gang fand er ein umfangreiches Sortiment an Tierfutter, Kosmetik, Wasch- und Reinigungsmitteln. An einer Theke wurden Fleisch und Wurstwaren verkauft. Im Grunde gab es fast alle Waren, die man auch in einem deutschen Supermarkt fand. Nur war die Auswahl deutlich geringer. Produkte aus tansanischer Herstellung konnte er nicht entdecken. Alle Haushaltsgeräte waren chinesischer Herkunft. Die Preise auf diesen Artikeln lagen auf deutschem Niveau. Diese Produkte konnten sich nur die ausländischen Diplomaten und Experten sowie die begüterten Tansanier leisten, die hier auf der Msasani Peninsula wohnten.

Als Paul vom Supermarkt die wenigen Meter über die kleine Promenade zum Restaurant ging, stand die Sonne als roter Ball schon tief über der Bucht. Nach der Hitze des Tages war es angenehm kühl, eine leise Brise wehte vom Wasser her. Das Publikum war gemischt, doch zweifellos dominierten zahlenmäßig die Europäer. Auf dem Wasser dümpelten sanft Boote und kleine Jachten. Die untergehende Sonne wurde vom Wasser der Bucht so stark reflektiert, dass sie blendete. Auf der anderen Seite der Bucht sah er im Licht der untergehenden Sonne auf einer Hügelkette die Umrisse der Universität von Daressalam. Auf der linken Seite am Horizont waren zwei einzelne Hochhäuser zu sehen. Noch weiter links müssten die Hochhäuser des City Centers liegen. Rechts lag das Zementwerk, das einen Großteil des benötigten Zements für die Bautätigkeiten im Land lieferte.

Es war 18 Uhr und von Kiloko noch nichts zu sehen. Als er mit viertelstündiger Verspätung vor ihm stand, erkannte Paul ihn erst nicht. Kiloko trug Jeans, darüber ein grell-bunt gemustertes Batikhemd und leichte hellbraune Lederschuhe. Überschwänglich begrüßte er Paul mit einem langen herzlichen Handschlag. Dann sagte er:

»Sie können Ihren Fahrer wegschicken. Ich werde Sie nachher persönlich mit meinem Wagen zurück ins Hotel bringen.«

Paul wollte ablehnen, doch Kiloko bestand darauf. Paul gab John per Handy Bescheid, dass er nach Hause fahren könne. Kiloko bestellte einen Red Snapper vom Grill, mit Pommes frites. Paul nahm der Einfachheit halber das gleiche. Als der Kellner das gezapfte Kilimanjaro Bier servierte, brachte die untergehende Sonne die in den Glaskrügen aufsteigenden Luftbläschen zu einem hellen Leuchten. Kiloko war hier so ganz anders als im Büro. Offen und locker. Begeistert erzählte er von seinen Erlebnissen bei seiner letzten Dienstreise, auf der er neben anderen europäischen Städten auch Berlin besucht hatte. Langsam veränderte sich die Sonne, wurde flacher und dickbäuchiger, bevor sie hinter der Wolkenbank über dem Horizont verschwand. Inzwischen war das Lokal bis auf den letzten Platz besetzt. Unter den Gästen herrschte eine fröhliche Feierabendstimmung. Um die Tische streunten hungrige Katzen in der Hoffnung, dass ihnen ein mitleidiger Spender ein Stück Huhn, Fisch oder Fleisch nach unten fallen ließ. Nachdem Kiloko und Paul gegessen und neue Biere vor sich hatten, sagte Kiloko: »Ich weiß, dass ihr Deutschen sehr höflich und manchmal förmlich seid. Doch, Mr. Paul, wir werden nun eine ganze Zeit zusammenarbeiten. Was meinen Sie? Wäre es nicht besser, wenn Sie mich Joseph nennen würden?«

Für Paul kam der Vorschlag überraschend, aber ohne zu zögern sagte er: »Einverstanden. Das ist eine gute Idee. Ich bin Paul.«

Mit einem kräftigen Handschlag besiegelten sie die Sache.

Nach einer weiteren Runde Bier brachte Kiloko ein Anliegen vor, so umständlich und zögerlich, dass Paul meinte, ihn ermutigen zu müssen.

»Um was geht's denn, Joseph? Bisher habe ich das noch nicht richtig verstanden.«

»Weißt du, dadurch, dass es beim Start des Projekts gewisse Schwierigkeiten gab, wurde von Deinem Vorgänger nicht alles erledigt.«

»Ja, was ist es denn? Joseph, sprich es aus. Dann lass uns das so bald wie möglich erledigen.«

»Es geht um eine Rechnung für eine Feasibility Studie, die noch nicht beglichen worden ist. Es betrifft eine Firma mit dem Namen Star Studies.«

Paul merkte, dass sein Gegenüber mühsam nach den richtigen Worten suchte. Paul kam ihm entgegen.

»Rechnungen sollte man so schnell wie möglich bezahlen. Das ist meine Devise. Man spart sich Arbeit und Ärger.«

Kiloko schien erleichtert.

»Dann werde ich den Geschäftsführer bitten, mit dir einen Termin zu vereinbaren.«

Paul sagte: »Ich denke, wir sollten noch ein Bier trinken.«

»Aber gerne«, sagte Kiloko. »Du solltest schleunigst Swahili lernen. Ganz wichtig ist: 'Naomba bia baridi', das heißt: Ich möchte ein kaltes Bier.«

»Das merke ich mir«, sagte Paul.

Nach der Zahl an Bieren, die sie inzwischen getrunken hatten, hatte Paul leichte Schwierigkeiten bei der Aussprache. Mehrmals rutschte er vom Englischen ins Deutsche.

»Ja, Joseph. So ist es. Dann wird das geklärt. Natürlich. Mit Joyce. Er soll mit Joyce einen Termin vereinbaren. Wie heißt er denn?«

»Er kommt aus meinem Dorf in der Nähe von Mwanza. Er heißt auch Kiloko. Stanley Kiloko. Würde mich freuen, wenn das klappt.«

Die gute Stimmung wurde durch noch eine Runde Bier weiter verbessert. Als sich um elf Uhr die umliegenden Tische allmählich leerten, ließ Paul die Rechnung kommen und bezahlte. Sie verließen das Restaurant mit leicht wackligen Schritten. Die Treppe zum Parkplatz bewältigten sie langsam, aber problemlos. Direkt vor dem Ausgang des Slipway wartete schon der Fahrer von Kiloko. Dienstbeflissen öffnete er ihnen die Türen des weißen nagelneuen Toyota Landcruisers. Im Auto lief leise Musik und die Klimaanlage verströmte angenehme Kühle. Paul fühlte sich leicht und beschwingt. Und er war sehr froh über den Verlauf des Abends. Eine freundschaftliche Beziehung zum wichtigsten Mann des Auftraggebers würde seiner Projektarbeit enorm hilfreich sein. Kiloko wies seinen Fahrer an, Paul bis zum Eingang des Sunrise City zu fahren. Kiloko und Paul waren inzwischen durch die späte Stunde und das Bier ziemlich schweigsam geworden. Am Sunrise City verabschiedete sich Paul und kletterte von der Rückbank. Der Rezeptionist reichte ihm seinen Schlüssel, nicht nur höflich, wie es sich für einen guten Hotelangestellten gehört, sondern wie einem Familienmitglied, das nach Hause kommt. Paul fühlte sich zu Hause, nicht nur in diesem Hotel, sondern in diesem Land Tansania. Ja, so schön kann Leben sein, dachte er, als ihn der Aufzug nach oben brachte.

***

Als Eisenbahnexperte kannte Paul alle wichtigen Eisenbahnlinien dieser Welt. Deshalb kannte er auch die Central Line, allerdings nicht im Detail. Zu seiner Überraschung fand er im Büroregal eine ganze Reihe von Büchern und Dokumenten, die sich nicht nur mit der Geschichte der Central Line oder der Mittellandlinie, wie man sie damals nannte, sondern mit der gesamten deutschen Kolonialgeschichte in Ostafrika beschäftigte. Beim Durchschauen der Bücher und Ordner in den Regalen wurde ihm klar, dass sein Vorgänger diese Materialien mit großer Sachkenntnis und Sorgfalt zusammengestellt hatte. Eine ergänzende Materialsammlung befand sich in einem systematisch geordneten Dateienverzeichnis auf dem Bürocomputer. Warum hatte sich Woerz so viel Mühe gemacht? Soweit sich die Dokumente auf die Central Line und ihren jetzigen Zustand bezogen, war das in diesem Umfang zwar erstaunlich, aber immerhin bestand ein klarer Bezug zur Projektaufgabe. Eigenartig war jedoch die Fülle an historischen Dokumenten, die Lothar Woerz bei seinem überstürzten Abgang zurückgelassen hatte. Offenbar war er ein Hobbyhistoriker. Paul begann in diesen Unterlagen zu stöbern. Schon zu Beginn ihrer Herrschaft in Ostafrika hatten die deutschen Kolonialbeamten in Berlin erkannt, dass dieses riesige Gebiet Ostafrika nur mit Eisenbahnen erschlossen werden konnte. 1895 hatte das Ostafrikanische Eisenbahn-Syndikat die Studie 'Vorarbeiten zum Bau einer zentralen Eisenbahn in Deutsch-Ostafrika' erarbeitet. Darin waren bereits die Pläne für die Streckenführung und den Streckenverlauf enthalten. Doch erst 1904 genehmigte der Reichstag den Bau für die 209 km lange Bahnstrecke von Daressalam nach Morogoro. Im Jahr 1905 wurde die Koloniale Eisenbahn-, Bau- und Betriebsgesellschaft gegründet. Das war eine Zeit des kolonialen Aufbruchs gewesen. 'Mehr Dampf! Baut Bahnen! Jahrelang erscholl vergebens der Weckruf! Neuerdings aber ist es anders geworden. In allen unseren Kolonien kracht gegenwärtig die Axt, donnert der Sprengschutz, freie Bahn zu schaffen für den Unterbau, der den Schienenweg tragen soll.'