Sag‘ mir wie man sein Herz tötet - Friederike Kielisch - E-Book

Sag‘ mir wie man sein Herz tötet E-Book

Friederike Kielisch

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Beschreibung

Franziska, eine verheiratete deutsche Frau, verliebt sich wieder in ihre Jugendliebe. Doch es ist nicht ein Held wie in ihren Träumen, sondern Mustafa, ein gescheiterter Türke, der sie in ihren Bann zieht. Franziska begibt sich auf Spurensuche. Eine Frau träumt in ihrem tristen Ehedasein jahrelang von ihren romantischen Jugendjahren, bis sie wieder auf eine alte Liebe trifft, und damit verändert sich ihr Leben. Erst verliebt sie sich wieder in einen Türken, dann später in einen Kurden. Sie sucht Hilfe bei einem alten Freund, um die verhängnisvollen Ursachen zu verstehen, die sie immer tiefer in ihr Unglück treiben. Hin und her gerissen gerät sie zwischen ihrer Lust und die Werte unserer Gesellschaft.

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Seitenzahl: 372

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1.Teil

2.Teil

3.Teil

4.Teil

Namus, Ehre

Es gibt nur zwei wichtige Regeln im Leben:

Vorwort

Dies ist die Geschichte einer Frau, die zwischen den Welten lebte.

Damit meine ich Menschen die zwischen den Kulturen in einer, der unseren Gesellschaft, geraten. Und manche Menschen kamen als Immigranten zu uns, wir wissen oft nicht viel von ihren Ursprung, ihren Träumen und ihrer Motivation.

Oder Andere würden sagen: Am Rande des Wahnsinns, gefangen zwischen Lust und Werten.

Wenn es um Liebe geht, sind wir alle mehr oder weniger wahnsinnig, denn Liebe hat so unendlich viele Facetten, öffnet Türen oder baut Mauern. Aber Liebe bedeutet auch: Menschenwürde zu geben.

So wie Plato schon in der Antike meinte: Liebe ist ein schlimme Geisteskrankheit.

Und zu Recht, wir spielen mit unseren Glückshormonen, lassen unseren Alltag durch diese bestimmen, oder gehen falsche Beziehungen ein. Und manchmal werden wir beziehungsunfähig. Das sogenannte Glück, und die Lust zu lieben, kann süchtig machen, aber auch eine endlos kalte Leere entstehen lassen, dann wenn man eines Tages wie betäubt aufwacht, und nichts mehr fühlt…einfach NICHTS. Ein eisiger innerer Tod, wie gestürzt von einem grauen Felsen.

Und was sind unsere Werte?

Eine Strategie der Gesellschaft, in der wir willkürlich hineingeboren wurden, um uns vor den Unbilden des Lebens zu schützen? Und was geschieht mit uns, wenn wir auf andere Werte oder gar Kulturen treffen? Und wenn wir wieder anfangen, zu verschmelzen und neue Gefühle zu entdecken? Und wie können wir es Anderen verständlich machen? Oder aber nur teilhaben zu lassen an der Fülle des Lebens? Es ist ein Lernprozess, immer da gewesen, in jeder Zeit, und doch sitzen wir alle im selben Boot im Fluss der Zeit.

Der Wahn entsteht, durch eine Unfähigkeit miteinander und untereinander in Verbindung zu treten, sei es durch Sprache oder sozialer Ausgrenzung, Nichtverstehen, eben wenn wir uns untereinander nicht austauschen können, um voneinander zu lernen, in einer bunten Mischung der Welt in der wir nun leben. Es ist nicht notwendig, alle Sprachen zu verstehen, doch ist es notwendig unsere Gefühle zu kultivieren.

Uns wurde gelehrt zu leiden sei edel… eine Ehre.

Und deshalb denken wir die Verantwortung tragen zu müssen für andere Menschen, wie Familie und Freunde oder sogar für Bekannte- Nehmen auch ihre Last auf uns:

Weil wir nützlich sein wollen

Gebraucht werden

Und geliebt

Jedoch ist jeder Mensch für sich selbstverantwortlich

Aber wenn wir mitleiden nützt das niemanden, das bloße

Mitleiden

Es ist eine Lüge, dass wir für Andere leiden müssen: Es ist nicht edel, kein Vorbild

Es schwächt uns

Und genau das war das Ziel:

Dadurch wurden wir klein gehalten.

Dies hat uns möglicher Weise die Religion und andere Mächte gelehrt.

Ist es nicht so, dass wir Menschen immer dazu neigen, über Etwas hinauswachsen zu wollen, über uns Selbst und Andere zu stehen, sei es nur mit Äußerlichkeiten oder Statussymbolen, sei es nur mit Äußerlichkeiten oder Statussymbolen, und dann hoffen wir uns dadurch etwas weiter zu entwickeln, ohne aber zu merken, dass wir in Wirklichkeit nur geleitet werden, durch ureigene primitive Instinkte. Doch noch nicht einmal jeder schafft es dies zu erkennen, oder sich überhaupt jemals über seine privaten Bedürfnisse zu erheben, um Etwas zu erreichen, oder selber etwas Eigenes zu kreieren, in diesem einen Leben. Und warum auch, wenn es bequem von Anderen zu bekommen ist, und nicht durch uns Selbst, und so ist das Denken vieler.

Eine träge Masse im Fluss des Alltags, die geprägt ist, mit der Gier nach Geld, Sex und Macht. Etliche Menschen möchten sich einfach nicht die Mühe machen, um etwas weiter zu sehen, wahrhaft geprägt nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut.“

Ohne auch nur über Selbstverantwortung jemals nachgedacht zu haben…

Doch Einige von uns tun es, und es sind die, welche es schaffen werden zu überleben, kultiviert und zivilisiert. Aber erreichen wir dann jemals wirklich diejenigen, um die es geht? Wenn wir bereit sind für eine Sache einzutreten? Wohl eher nicht.

Denn selbst wenn für solche Menschen gesorgt sein sollte, in Form von Nahrung, Kleidung und Wohnung, nehmen sie nicht mal die Herausforderung des „Menschseins“ an, eben mehr zu sein oder zu wollen, als eine lebende Kreatur. Zu sehr verletzt, mit dem Gefühl, nicht wirklich im Leben willkommen zu sein. Diese Geschöpfe lassen sich blind machen mit Konsumwünschen, oder laufen verblendet hinter jemanden her, der ihren Mangel benennt, nur um nicht auch selber noch denken zu müssen.

Der Mensch sieht nur immer das, was ihm fehlt, und nicht was er hat. Dadurch fängt das Klagen und Jammern und natürlich auch das Selbstmitleid an.

Somit kann man auch die Gesamtproblematik des Einzelnen und der restlichen Menschheit mit zwei Worten zusammenfassen: Die berühmten zwei F‘s: (Fressen und v…) Oder um es vornehmer auszudrücken : Liebe und Nahrung.

Daran macht sich im Kern Alles fest. Bei etwa 98% der Menschen dreht sich im Leben alles um diese beiden Dinge.

2% bleiben somit über. Aber schauen auch wirklich diese 2% über den Tellerrand hinaus? Nun, um einen Staat zu führen, bedarf es nur 2 % einer Elite. Was es damit auf sich hat, zeigt uns das tägliche Erleben und Geschehen in der Welt.

Oder sind es einfach auch nur zu viele zerbrochene Existenzen? Grade beschränkt durch ihre Ideologie oder Religion, besonders in islamgeprägten Ländern, denn der Quran hat unzählige Regeln und Gebote. Eine gute Bedürfnisversorgung beinhaltet eben auch die Möglichkeit zur Weiterentwicklung und des Weiterdenkens. Der Islam wurde nie wirklich reformiert, und er wird dem Individuum ohne Wenn und Aber einfach darüber gestülpt.

Aber hat nicht viel eher auch ein gesunder potenter Körper auch einen kraftvollen Geist?

Ach ja, Liebe ist die stärkste Macht, denn nur sie kann uns bis in den Wahnsinn oder sogar in den Tod treiben, uns süchtig machen… aber den Einzelnen auch verändern.

Jedoch nur die Liebe, die wir vermögen selber zu geben, ist die, welche uns am Ende bleibt.

Ja, Selbstverantwortung…Und der verfluchte Satz übersetzt aus dem Arabischen:

„Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verfluchten Satan.“

Der Fluch, den ich einst unwissend und selbst schmerzerfüllt über Menschen mit meinem wenigen arabischen Worten ausgebreitet habe, da ich tief im Innern glaubte, auch für den Verlauf von ihrem Schicksal mitverantwortlich zu sein.

Dadurch etwas an ihnen wieder gut machen zu müssen, mit meinem Leben dahinter zu stehen, oder um mit all meiner Liebe an ihnen und uns etwas zu verändern.

Doch was vermag schon einen einzelnen Menschen zu erreichen? Was ist das, was uns am Ende bleibt? Mit weniger als Nichts, nur mit unserer eigenen Seele, die darum kämpft, sich selber vergeben zu können, denn es gibt keine Sieger.

Jedoch Eines können wir dennoch besiegen: Den Wahn. Mit Offenheit und ohne Furcht, denn der Mensch ist sein eigener größter Gegner. Und nur das bedeutet Eigenverantwortung.

Durch Erkennen und angewandtes Verstehen unseres Selbst, und der Welt in der wir leben. Der verändernde X-Faktor liegt nur in uns.

Nur so kann ein neues Gleichgewicht entstehen, ein Gleichgewicht, das bitter notwendig ist, und Möglichkeit eröffnet, eine Strategie zu entwickeln, im Alltag bestehen zu können, ohne Kriege.

Durch den Kampf mit unserem Selbst, dem ureigenen Ich, gehen wir als eine veränderte und neu strukturierte Person hervor. Denn der Mensch ist im Grunde wie ein Stein, der durch das Leben geschliffen wird: Mal springt Etwas ab, mal zerbricht Etwas, und doch erscheint manchmal unter der groben Schale eine strahlende Facette.

Die Hoffnung stirbt immer zuletzt, doch wenn sie gestorben ist, gibt es kein Zurück. So müssen wir lernen uns auch zu verabschieden, von allem was uns nicht guttut, oder sogar von Menschen, die uns in Stück in unserem Leben begleitet haben. Lassen wir sie in Dankbarkeit gehen, denn ihr Seelenweg ist ein Anderer, und doch waren sie immer eine Herausforderung an uns Selbst, ein Lehrer.

Sei meine Sehnsucht

Mein ganzer Mut

Sei wie ein Tropfen von meinem Blut

Ich liebe Dich mein Edelstein

Über Alles, über Alles hinaus,

Über alle Welten

Und wenn Du etwas liebst, dann lasse es frei, und kommt es einst zurück, dann bleibt es für immer Dein, in Ewigkeit…

Monika Elena Fillias

1.Teil

Frühjahr 1985

Ergün Sevgilim,

Sag‘ mir: „ Welcher Gegner ist gefährlicher: Der, welcher sich kontrolliert, oder der, der sich instinktiv von seinem Gefühl leiten lässt?“

Die Antwort war: „Der Gegner, der sich selbst nicht mehr kontrolliert, denn dann wir dieser auch nicht mehr für seinen Feind berechenbar.“

Nun, meine Fähigkeit war nie die Kontrolle. Im Fluss der Zeit vertraue ich auf mein Gefühl.

Ich bin nun eine Zeitreisende.

Eine Zeitreisende, auf den Spuren ihrer eigenen alten Wahrheit. Damals, im Jahre 1985, war ich ein junges Mädchen aus „guten Hause“ mit den besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben. Zwar waren meine biologischen Eltern bereits seit Jahren getrennt, aber nun ich hatte Zugang zu Büchern und durchaus Freiräume. Was mir am meisten dort fehlte war eine Bezugsperson, und jemand der mir zuhörte, und mich verstand, eben menschliche Wärme und nicht nur bloßes Versorgt werden mit den Segnungen der immer breiter werdenden Konsumgesellschaft. Familiäre Herzlichkeit und Geborgenheit. Mein Zuhause war nach außen gerichtet, bedacht auf Status und den sogenannten „guten Ruf.“ Für mich zu kalt und oberflächlich.

Und so verliebte ich mich in einen jungen sensiblen Mann, der aus genau umkehrten Verhältnissen kam, eine warmherzige aber nicht so gut situierten Abstammung. Das war genau der Harken, seine fremde Herkunft sollte auf Grund meiner Sozialisation nicht zu mir passen. So sollte ich erzogen worden sein. Das Spannungsfeld der Werte begann.

Jahrelang hatte ich mich davor in eine eigene Welt begraben, mich mit unseren Dichtern beschäftigt, und mir ein eigenes Welt Gefüge zusammen gebastelt. Ich konnte nie wie andere Mädchen sein, ich lebte irgendwo, in Träumen, und schrieb selber Gedichte, und studierte auch Lao Tse, sein Tao te King, beispielsweise.

Einfach um zu lernen, das Leben ist ein Tal, von Bergen umschlossen, und wir jeden Tag einen Berg zu ersteigen haben, und doch jedes Mal, wenn wir es geschafft haben, ein neuer Berg auf uns wartet. Auch wenn unser Atem immer dünner wird.

Manchmal erscheint doch der Berg unüberwindlich und zu hoch, und wir stürzen ab, und müssen von vorne anfangen, doch erst wenn auch dieser Berg geschafft ist, können wir weiter gehen.

Aber auch dies war genau das, was mich mit Ergün verband. Und als ich ihn fand, stand er erst noch am Anfang seiner Kung Fu Berge, er wurde darin später einmal Weltmeister. Schon damals war er berauschend und wundervoll, voller Fantasie und Elan.

Bis die wirkliche Welt uns einholte, denn manche Berge sind von Mauern umgeben. Meine Grenze war Europa, bis Griechenland schaffe ich es, doch niemals weiter hinaus. Das stand nur in Deinen Pass, aber das warst Du nicht. Ich wählte diesen Weg, der sogenannten Freiheit, bis zum Tod. Und doch ist Liebe ein Licht, das auch über Mauern springt, auch wenn ein Kampf vergeblich scheint.

Wir hatten es uns so sehr gewünscht, damals, ich hatte sogar schon ein Hochzeitskleid, ein schwarzes mit goldroten Stickereien aus Afghanistan, und er schenkte mir alles Gold, das er besaß…

Aber er war ein Sohn von Gastarbeitern, mit sunnitischer Abstammung, und er konnte neben mir, meiner Wirklichkeit und Familie nicht bestehen, meine Waffen reichten nicht aus, diesen Kampf zu bestehen. Eine junge Frau, die sich nicht traute, das finale Risiko zu bestehen. Zu rational und kalt waren meine Realität, aber meine Gefühle nie! Zur Pflicht erzogen, um die Kür zu opfern.

Ergün hatte es nie leicht gehabt. Er war der älteste Sohn einer sehr weisen und intelligenten Frau die mit 16 Jahren zwangsverheiratet wurde, damit sie bloß nicht in einer griechischen Provinzstadt die Ausbildung zur Krankenschwester beginnt. Ihr Mann war erheblich älter. Ihre ältere Schwester hatte die Hochzeit eingefädelt, manchmal glaubt Fatima dass es aus Neid gewesen sein könnte, denn Fatima war eine Hübsche mit herausragenden schulischen Leistungen. Doch sie hatte Glück im Unglück, denn ihre Schwiegermutter war sehr stolz auf sie, und herzlich ihr zugetan. Man könnte sagen: dankbar für diese Tochter. Beide hielten nicht besonders viel von Männern, im scherzhaften Sinne gemeint, glaube ich. Wenn ich mit Fatima redete, sprach ich etwas griechisch mit ihr, mit ihrem Mann türkisch. Fatima sagte dann: „Du sprichst Dorftürkisch!“ Sie meinte mein Dialekt. Ich lächelte dann charmant, und antworte: „Fatima, ich komme doch vom Dorf!“ Bei Ergüns Eltern hatte ich keine Angst so zu sein wie ich bin. Jeder Mensch fühlt sich dort wohl. Mit 17 Jahren bekam sie Ergün, er muss ein Prachtbaby gewesen sein, der Stolz der gesamten Familie. Fatima ließ ihn in den fürsorglichen und liebevollen Händen ihrer Schwiegermutter, um dann in Deutschland zu arbeiten. Sie arbeitete ihr ganzes Leben hart für die Familie, ihr Mann eher weniger, er, vom Dorf, fürchtete sich etwas vor der deutschen Welt. Er kam sich nicht so wertvoll vor. Mit acht Jahren holten sie Ergün zu sich, er wurde gelockt mit goldenen Versprechungen, die sich in seinen Augen leider nicht erfüllten. Mit 12 Jahren bekam er die Verantwortung für seinen zweiten Bruder aufgetragen, und es folgte noch ein Dritter. Das Einzige was Ergün Halt und Kraft gab, war der Sport. Das machte ihn wertvoll. Ergün fühlte sich nie als Türke, aber nun als Grieche…das war er ja nun auch nicht. Im Grunde heimatlos, aber im freien Deutschland. Sein erster Kung-Fu Lehrer war ein älterer deutscher Herr, er lehrte ihm Thai-Chi. Dieser Herr übernahm alle Funktionen der Integration, Vertrauen. Ergün hatte wenig Zugang zu der türkischen Kultur, hier in Deutschland, aus einem gemischten Elternhaus, griechische Türken. Seine zweite Begabung war die Fantasie, und Träume. Er wollte dann sein Wissen teilen, an all den Anderen, die dafür empfänglich sein könnten. Das machte ihn besonders: Er, der nirgends dazu gehörte, öffnete sich. So lernte ich ihn kennen, über meine allererste und beste Freundin, sie war so fasziniert und auch verliebt in ihn, ich sollte ihn unbedingt kennen lernen. Mit anderen Worten: Veni,Vidi, Vici. Ob das nun ein ruhmreicher Sieg von mir war, sei dahin gestellt. Meiner Familie jedenfalls hatte er nicht genug vor zuweisen. Zähneknirschend akzeptierten sie unsere Bekanntschaft. Ich komme aus einer sehr weltoffenen und toleranten Familie, dort schaut man aber immer auf den einzelnen Menschen, und vertraut auch seinen Kindern. Also ich musste nie heimliche Spielchen spielen, meine Familie kannte immer meinen Umgang. Jeder der mir bekannt war, durfte auch in unser Haus, ich fand das als normal. Ich kenne keine Lügner und Betrüger in meiner Welt. Das haben Ergüns und meine Familie gemeinsam. Auch als gutbürgerliche Dorftochter. Doch für Ergüns Eltern war ich die Schwiegertochter par exzellente. Gebildet, warmherzig und höflich, ach und hübsch, nicht zu vergessen, lach. Doch in unserer Beziehung knirschte es trotz aller Geborgenheit und Wärme gewaltig. Ergüns Kosmos war so gewaltig, dass für meine persönliche Entfaltung wenig Raum blieb. Nun auch hatte ich andere Lebensziele als er. Ich war ehrgeizig, ich wollte höhere Bildungserfolge, und es scheiterte eben an zu wenig geistigen Raum. Des Weiteren, nein, ich wäre nie konvertiert, auch wenn Ergüns Familie es bestimmt nicht niemals nie forciert hätte. Fatima und ich hatten ein sehr entspanntes Verhältnis zur Religion. Weiß nicht, nein, ich wollte aber in Wahrheit auch einfach nicht die Mutter seiner Söhne werden. Das hätte mir nie gereicht. Somit es war schon eine ehrliche Liebe, aber es mit Worten auszudrücken: Es gibt wirklich Wichtigeres als das jeweilige andere Geschlecht.

„Ergün, ich weiß, Du hättest damals auch gern Einiges anders gemacht, ich weiß nun, Du glaubst wir hätten es schaffen können und müssen… wir hätten uns glücklich machen können, aber wir waren zu leidenschaftlich!“

Wenn wir zusammen waren, waren wir immer Eins, wie Ying und Yang, so sagtest Du, ich wurde Deine Symbiose. Es war eine wunderbare Zeit, unsere eigene Vergangenheit, unser nie endender Respekt.

Und er und ich wissen heute, er ist mein Ursprung der folgenden Geschichte.

Und später, nach unserer Zeit, fand er Katja, ein Mädchen mit blonden Haar, das ihn bezauberte, aber auch ihn zerbrach. Jahre später. Es war einfach von außen ab zu sehen, doch Männer können ganz gut ihre Augen verschließen, besonders wenn sie etwas beweisen wollen!

Besonders junge Männer.

Noch immer fühle ich Dich, wir schauen in unsere Augen und lesen in den Anderen. Wir fühlen einander, ich trage Dich…mein Bruder.

Ich zerbreche niemanden, niemanden den ich liebe, oder liebte, niemals…den Anstand bis zum Schluss auch noch das Gute zu sehen und zu suchen, lasse ich mir niemals nehmen! Auch wenn ich dafür Opfer bringen muss, ist doch das, was ich nur allein zu ertragen habe, denn wer kennt schon die Wahrheit? Niemand von außen kann das Innere eines Menschen bewerten und ermessen, es gibt keine Schubladen in denen man sich vor der Welt verstecken kann, es ist immer ein Teil von Allem.

Ich hoffte noch, sie, Katja, sei gut und richtig für ihn, denn ich gab ihr etwas Seltenes, etwas Kostbares, denn meine Liebe war und ist stärker als jede Vernunft und Eifersucht. Schließlich jemanden zu lieben, bedeutet nur das Beste zu wollen, auch wenn das eigene Herz dabei blutet.

Er jedoch ließ sich von ihr hinreißen, und er merkte es damals auch nicht, seine Lebenserfahrung war noch nicht so weit wie heute.

Und ich lief in eine Leere, Gefangene einer Einsamkeit…Niemand und Nichts…Alles war wertlos wie zuvor und oberflächlich.

Der Schmerz, ein unendlicher Schmerz…

Wer schon sollte es jemals wieder schaffen meine Wunden zu küssen? Es wurde mir fast egal…

Nur er glaubte an Mich, immer, an die Prinzessin, seine Wald Fee, er redetet es sich ein, um im Himmel sein zu können.

Doch nur ich wusste, was ich aufgab.

Ach, mein Leben, wie egal ist das, ich war mir egal. Eine glänzende Hülle. Ob ich Wert hatte in meinen Gefühlen oder nicht, ich spürte es nicht mehr.

So kam ich zu den Entschluss, wenigstens noch ein nützliches und sinnvolles Leben zu führen.

UND NIEMALS MEHR MEINEN SCHMERZ ZU ZEIGEN.

Bis zu diesem letzten Mal.

Wir trainierten draußen, auf den Wiesen unserer Kleinstadt. Ergün, unsere Kung Fu Gruppe, etwas 20 junge Männer unterschiedlichster Herkunft(Griechen, Türken, Deutsche) und ich. Alle hatten sich dem Kampfsport verschrieben, nun nur ich war immer einfach da, zuerst, über ein halbes Jahr hatte ich nur zugeschaut, ja, nun ich hatte auch den Meister ganz privat für mich gehabt, und irgendwann fing ich auch an, im Scherensprung über Zäune zu hüpfen. Doch die Anderen trainierten noch nebenbei viele verschiedene Varianten des Kung-Fu, wie Karate oder Kickboxen.

Es war nie wirklich mein tiefstes Interesse, aber Ergün versuchte auch mich einzubeziehen. Er war so stolz auf mich, sein Traum, ein liebreizendes Mädchen, das nur süß lächelte, wenn es kämpfen sollte. Mein höchster Gurt war allenfalls orange, im Judo, den ich nebenbei in der Schule gemacht hatte. Aber in unserer Gruppe hatten wir alles, nur keine Luschen, eben Karate schwarz, Taek Won Do, ab Blau, Braun, Schwarzgold, eher so etwas.

Ich war als einziges weibliches Wesen bei ihnen, wie gesagt, mit einem Gurt auf unterster Ebene, und etwas Tai Chi Kenntnisse.

Doch heute spürte ich, Ergün wollte besonders nett zu mir sein, besonders jetzt, nach unserer Trennung. Doch was seine Liebe und Respekt zu mir war, hielt ich für Mitleid.

Denn nachdem wir unsere Aufwärmübungen untereinander absolviert hatten, war nun ich an der Reihe mit ihm, unseren Meister, zu kämpfen.

So stand ich ihn also gegenüber, ich sah ihn, sah in seine geliebten Augen, sah sein Haar, maß seinen Körper und die Bewegungen ab, ich roch ihn, er war mir so vertraut…

Ich begann ihn zu umkreisen, bevor ich meinem Angriff begann, mit einem wirklichen Angriff, im Angriff noch bewusst bereitete ich einen wirklichen Kampf vor. So ließ ich alle Regeln außeracht, mit dem Wissen, nur so könnte ich, ohne Kontrolle und nur dem Instinkt nach, wie eine wild gewordene Tigerin, mich leiten lassen. Um dazu fähig zu sein, muss der Adrenalin Spiegel hoch gepuscht werden, darauf konzentrierte ich mich, auf alle Aggression in mir und auf meinem Atem.

Vor den Augen aller seiner Schüler, verprügelte ich den Meister, einen damaligen 8-fachen Schwarzgurt.

Es war mir egal ob er mich abwehrte, es war mir egal ob ich mich selber verletzte, ich zerriss seine Trainingskleidung, ich kratzte und biss, brach mir meine Nase an, und spürte in meiner Rage nur das Pochen meines Blutes, und meinen Herzschlag am ganzen Körper.

Er wollte mich stoppen, abwehren und festhalten, doch selbst wenn ich kurz zu Boden ging, stand ich wieder auf…Doch irgendwann konnte ich nicht mehr, stand da, völlig derangiert mit blutigen Streifen an meinem Oberkörper, und gab auf.

Dies war das wirkliche Ende. Er konnte nun nicht mehr mein geliebter Freund und Meister sein.

Die Lage war hoffnungslos, es machte keinen Sinn.

Mein Gefühl war zu stark, stärker, als meine Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, oder Selbstbetrug.

So war ich, so bin ich.

Ich hatte die Regeln missachtet.

Und ich starb im tiefsten Innersten.

Ich starb sehr langsam, es dauerte Jahre, bis ich etwa selbst 21

Jahre zählte.

Es ging ein Graben danach durch unsere Trainingsgruppe.

Die Deutschen und Griechen behandelten mich freundlich wie zuvor, und akzeptierten von nun an meine Distanz.

Zum Training kam ich nicht mehr regelmäßig. Nur noch zu einigen besonderen Anlässen. So bemühte ich mich auch um andere Bekannte zu kümmern, die nicht zu diesem engen Kreis gehörten.

Zum Glück hatte ich damals viele Kontakte, und so vermittelte mir eine Schulfreundin einen Job in einem Kaffeegarten, so dass ich die leere Zeit sinnvoll nutzen konnte, um etwas Geld neben der Schule her zu verdienen.

Geld, eigentlich brauchte ich nicht viel Geld für mich Selbst, nun ja, ich verdiente nun mehr als ich im Alltag brauchte, davon ging ich aus, kaufte mir schöne Kleider und fing einfach mal an, zu sparen.

So suchte ich mir neue, rationale Ziele, und wollte wie andere jungen Frauen das Leben genießen.

Doch immer wenn mich Ergün sah, warnte er mich, und kritisierte mein Freizeitverhalten, denn er wusste, ich war auch abends, besonders an den Wochenenden, in Diskotheken unterwegs, allein. Es kam mir jedoch auf das Tanzen an, auf die Musik. Schon immer haben mich gewöhnliche Menschenansammlungen gelangweilt, ich stand am Rand und beobachtete nur das Treiben.

Sicherlich hatte ich wie immer etliche Verehrer, aber wer sich mich anbot, entfachte nie mein Interesse. Hingezogen fühlte ich mich selten zu jemanden. Und wenn ich die Oberflächlichkeit nicht mehr aushielt, suchte ich nur noch Wärme und Geborgenheit.

Und die fand ich bei Ali. Alis Bruder, der auch Ali hieß, war ein Trainings Kamerad. Da er auch nicht so ein hoher Kampfgrad hatte, ist er oft mein Übungspartner gewesen, und ich wusste, ihn konnte ich vertrauen. Daran merkt man es, wenn man mit jemanden trainiert, denn so etwas hat fast ausschließlich nur mit Vertrauen zu tun. Er sah mich allein in der Disko unserer Stadt, und als ein lieber Bekannter war er stolz, mir seinen älteren Bruder vorstellen zu können.

Ali fing mich also einmal mit den Worten ab: „Schau mal Franziska, soll ich Dir mal meinem Bruder Ali vorstellen? Der ist draußen, und er hat einen weißen BMW!“

Oh Ali, der Ältere, konnte grinsen wie ein Kobold, freundlich und verschmitzt, zugleich. Ganz stolz waren beide Brüder auf den schicken BMW, tiefer gelegt, mit Spoiler, den sie besaßen.

Zwei warmherzige Brüder, ich spürte reine Freundlichkeit.

Und na klar, ich durfte mitfahren, ganz vorne, während auf der Rückbank sich bis zu fünf türkische Kumpels quetschen mussten. Immer, wenn ich nicht wusste, wie ich nach Hause kommen sollte, war später Ali der Ältere für mich zur Stelle.

Wir verbrachten nach Tanzabenden so manche Nacht zusammen, in der Form, das wir dann irgendwo mit den Kumpels Tee tranken, Lamacun aßen und wilde Türkenmusik hörten, oder einfach nur schwatzten. Unsere Liebling Themen waren: „Liebeskummer“, Religion und Zukunftsplanung.

Es verwundert mich schon sehr, dass wir uns trotzdem so fremd geblieben sein sollen. Damals, in unserer Kleinstadt, kannte ich doch die Jungs aus dieser Generation. Keiner von denen war jemals frech und unhöflich zu mir. Weiß nicht, könnte es sein, das es an meinem Bekanntheitsgrad gelegen haben kann? Wohl eher nicht. Vielleicht war ich auch einfach nur ein Alien, hm, wohl eher auch nicht. Nein, ich hatte nie das Gefühl das sie mich nicht mochten, oder anzweifelten oder kritisierten. Die Jungs aus dieser Generation nahmen Deutschland einfach so hin wie es war, und sie lernten selbstverständlich deutsch. Dass ihre Eltern es oft schlechter konnten, erklärt sich von selbst. Und in diesem Moment entstanden Probleme. Die Kinder, draußen bei uns in der Welt, doch die Eltern schön gemütlich türkisch verrammelt, Zuhause. Einige Male bekam ich etwas von den persönlichen Schwierigkeiten mit, wenn ich mit meinen sog. Kumpels (Brüdern) nach der Disko nachts noch im Teesitzkreis saß, und hey, echt, ich aus dem Dorf war angewiesen auf sie, denn irgendjemand musste mich ja sicher ins Dorf nach Hause bringen. Irgendjemand mit ‘nem BMW. Nun, wir bildeten Sitzkreise, und jeder sagte das, was er dachte, oder ihn bewegte. Es gab Tee, es gab immer TEE. In diesen für Zwerge gedachten Tassen. Einer sagte: „Mein Vater möchte das ich zurück in die Türkei gehe, zur Schule, um dann Imam, oder so, zu werden!“ Er war traurig, doch hat niemals das Gebot seines Vaters angezweifelt. „Nun, warum denn das?“ fragte ich, doch er zuckte nur hilflos mit den Schultern. Er hatte einfach nicht gewusst, wo er ansetzen sollte, um es mir zu erklären. Nun, aber das doch absolute mit mir favorisierte Lieblings -Thema war: „Liebeskummer.“ Ha, da hatten sie doch mal live ein weibliches Wesen am Wickel! Türken sind absolute Profis im Bereich Liebeskummer! Damals jedenfalls. Nie hätte ich gedacht, dass sie so hochgradig emotional darüber sich ergehen konnten. Es so ernst nahmen, es so nahe an sich heran ließen. Ein deutscher Junge in dieser Altersgruppe harkte es kurz mit sich selber ab, besoff sich, und Ende. Schade eigentlich bis heute, das oft türkische Frauen dies nie mitbekamen. Viele denken immer noch bis heute, ihre Jungs sind eiskalt, hart und gruselig. Gruselig ist höchstens die verzerrte Sichtweise. Die Distanz zueinander. Leider kann ich es nicht beurteilen, ob sich dort etwas verändert hat, in all den Jahren. Und wenn, dann nicht genug, auf jeden Fall. Unsere deutschen Jungs waren auch verwirrt, wussten in dieser Zeit auch nicht, wie man am besten ein idealer Kerl wird. Zu viele Einflüsse kamen in dieser Zeit auf einmal auf alle von uns zu. Na ja, ich hatte es nicht so schwer, es gab für mich auch noch Griechenland, auf das ich sparte, weil ich unbedingt einmal nur dorthin reisen wollte, und andere Ziele. Wahrscheinlich bin auch nur ich wirklich frei gewesen, bis ich mich später entschloss, konkret sesshaft und verheiratet zu sein. Ich fand das gut und sinnvoll. Es war bei uns immer ein erstrebenswertes und positives Lebensziel gewesen. Für beide. Mit Sicherheit habe ich mich dafür relativ früh entschieden, denn es gab mir nichts…Diese Partyzeit ohne Ende, das wird mit der Zeit auch langweilig! Lustig ist es allerdings gewesen, das auch die türkischen Jungs das so sahen, und sich bemühten für mich, ihrer fast „Schwester“, nur die allerbesten Optionen mal so heraus zu kramen. Reich sollte ich dann sein, und gut versorgt, und einer der meine Gedichte liebte. Das wollten sie für mich. Ich lächelte nur darüber, und hörte mir die Vorschläge an. Das habe ich nie wirklich ernst genommen. Es war so gut gemeint…Das weiß ich heute. Aber ihr Lieben, das Freisein bedeutet auch dass man eigenverantwortlich und frei seinen Weg geht! Glücklich kann man nur sein, wenn man das für sich selber erreichen kann. Kein Prinz kommt angeritten! Sowas gibt es nur im Märchen. Es tut zwar weh dies zu erkennen, ist aber so. Meiner Meinung nach steckte viel Potenzial grade in dieser damaligen türkischen Generation. Das ist das Fazit. Umso verwunderter bin ich nun, was daraus geworden ist. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, das die heutigen Generationen der damaligen aus meiner Kleinstadt nicht das Wasser reichen kann… Sowas von primitiv und billig, unfassbar! Es ist schon fast ein Geschenk, wenn von denen überhaupt einer akzeptables sprachliches Level erreicht hat, geschweige ein gewisses geistiges Niveau! Ich sage nur: Ihr habt Euch zu sehr verrammelt! Ihr wart zu depressiv und in der Vergangenheit verhaftet, habt in einer Schublade gelebt, so, ihr habt zu wenig erreicht! Party ohne Ende…Ergüns Warnung. Regeln und Grenzen … Ach, wie wäre denn mal meine Alternative? Eigenverantwortung und Selbstdisziplin.

Party ohne Ende, Konsumgüter und Ich-Bezogenheit, bringt unser Leben gemeinsam nicht weiter! Aber nächtliche gemeinsame Teesitzkreise eigentlich schon. Es ist schön, im Angesicht zu schwatzen, ich meine wirklich zu reden, sich zuhören. Keine lauten dröhnenden Orte. Keine Orte wo man sich präsentieren muss, heraus putzen muss, und eine Rolle spielen. Einfach nur da sein, mit offenen Augen. Einige haben es aber geschafft. So verblendet bin ich nicht, dass ich das nicht unterscheiden kann.

Aber leider zu wenig Eurer Söhne!

Es trauert mich darum, dass so viele Träume untergegangen sind.

Ali, der Ältere, durfte mich auch privat zu Hause besuchen. Manchmal rief er einfach an, mal hatten wir beide Langeweile, er nach der Arbeit, und ich nach der Schule. So kam er einfach vorbei, und ich kochte ihm nach bosnischer Art einen türkischen Mocca, das hatte ich damals in Bosnien gelernt, als wir dort den zweiten Mann meiner Mutter besuchten, der sich dorthin aus beruflichen Gründen versetzen ließ. Dann redeten wir, er vertraute mir alles an, oder wir fuhren in seinem Auto umher. Er sprach oft von seiner großen Liebe, einem zartem Mädchen aus dem Nachbardorf. Er liebte sie so sehr, doch wollte er genau wie ich, in seiner Kultur bleiben, er wollte moslemische Kinder. Es zerriss ihn wie mir die Seele, unser Herz. Dieser Ali hat nie geheiratet später… Und später machte ich zu unseren gemeinsamen Bekannten den Witz, dass mein Mocca schuld war. Ja, Ali mein Freund, auch Dich nehme ich in meine Seele auf, wenn auch nur ein winziges Stück, denn wir waren nie verliebt ineinander. Unser Vertrauen und Ehrlichkeit bleibt bestehen. In dieser Zeit schrieb ich Gedichte, und war immer froh, wenn ich diese einem Zuhörer erklären konnte. Wir lachten viel, und er kam mir mit sunnitischer Koranlehre, das was er in der Moschee mitbekommen hatte. Interessant ist vor Allem die Auslegung des Alten Testaments, welche ja die Grundlage des jüdischen, christlichen und islamischen Glaubens ist. Ja, im Islam wird auf die wortwörtliche Übersetzung beharrt, während wir Christen durchaus in der Lage sind, unseren Glauben der Wissenschaft und der Evolutionsgeschichte anzugleichen, oder zu reformieren. Jedenfalls wir evangelisch lutherischen Deutsche. Von Ali lernte ich, seine Sichtweise einer Friedensreligion, er lehrte mir, das friedliche Betrachten seines Glaubens. Ergün sprach nie mit mir in der Form darüber. Ali hat so hohe Werte von Freundschaft und Gerechtigkeit. Ein unendlich freundlicher Mensch, wer ihn zum Freund hat, wird nie enttäuscht. Aber wie wir Christen sagen würden, auch er hat sein Kreuz zutragen, und seine Verantwortung. Mehr werde ich dazu nicht ausführen.

Einmal mutierte ich auch zu Alis Kleidung und Stil Beraterin, er nahm mich mit zum Einkaufen. Des Weiteren versuchten wir auch Kumpels zu trösten, deren Verheiratung bevorstand. Damals war so etwas noch durchaus üblich, und nun ich denke, das ist auch eine mögliche Ursache, für den fast Stillstand der türkischen Kultur in Deutschland. Diese fremden Frauen aus der Türkei importiert, zogen dann die Kinder auf. Sie hatten es nicht leicht, auch wenn sie perfekt Türkisch sprachen, ließ oft die eingeheiratete Familie nicht mehr an Bildung und Beruf zu, so dass sie dann auch selten den gemeinsamen Kinder helfen konnten, in der Schule, beispielsweise. Und unser Land machte es sich auch nicht als Pflicht, das einzureisende Verwandte die dauerhaft hier bleiben wollten, die Auflage bekamen, mindestens zwei Jahre Deutschkenntnisse in einem Sprachkurs zu erlernen. Selten wurde dann eine solche Ehe wirklich glücklich.

Besonders schön ist die Weisheit: Frauen sind aus der Rippe des Mannes gemacht, ein Mann muss sie gefühlvoll behandeln, denn sie sind gebogen. Wer versucht die Rippe zu begradigen, zerbricht sie. Frauen müssen gefühlvoll behandelt werden!

Reformiert könnte es so lauten:

Als es vollbracht war, sprach Adam zu Gott:

Adam: „Die Frau, die Du mir gemacht hast ist wunderschön!“

Gott: „Ich habe sie so schön gemacht, damit Du sie liebst!“

Adam: „Aber warum ist sie so schrecklich dumm?“

Gott: „Nun, Adam, wäre sie nicht so dumm, würde sie Dich dann lieben?“

Die Frau ist nicht aus der Rippe des Mannes, sondern aus seinem Gehirn. Der Beweis: die Rippe hat er noch!

Ali fand es gut, dass wir alle zusammen ausgingen, und manchmal war auch sein geliebtes Mädchen aus dem Nachbardorf dabei. Er dachte wohl, dann würde sie sich wohler fühlen, bei ihm, mit uns. In meiner Gesellschaft. Ich machte mir keine Gedanken, mir ging es gut, in dieser Zeit.

Mein Herz schlug noch, freundlich und sanft, und verspielt.

Ergün jedoch befand, dies sei nie und nimmer der passende Umgang für mich. Das denkt er bis heute.

Doch ich wollte normal sein, nicht auf einem Sockel stehen, sondern das Leben fühlen.

So lernte ich auch bei einem unserer nächtlichen Ausflüge Yasin kennen. Er saß irgendwann einfach mit in Alis Auto. Nun, Yasin, das war so eine Sache… von ihm wusste ich nur, das er sehr lange Zeit auch mit einem Mädchen aus meinem Dorf befreundet gewesen war, Sofia. Sofia war ein sehr lebensfroher Mensch, eine junge Frau, mit naturrotem Haar und einem warmen Lächeln. Sie war etwa ein Jahr jünger als ich, und besuchte ein anderes Gymnasium. Ich glaube sie musste durch die Leute in unserem Dorf etwas leiden, denn sie war ja mit einem „angeblichen“ Türken zusammen, und das wurde nicht sehr hoch geschätzt. Nun, ich hatte etwas mehr Glück gehabt, mein Ex-Ergün gehörte nicht zu den türkischen Kreisen, und hatte sich schon einiges Ansehen erworben. Doch irgendwie empfand ich so etwas wie Solidarität mit den Beiden.

Doch sie hatten sich nun getrennt. Ali sagte nur: „Yasin heiratet bald.“ Ah so, ich dachte mir nichts weiter dabei. Ich spürte nur, dass so etwas wie eine Melancholie auf ihm lag. Und konnte mir weiter nichts Schreckliches in dieser Richtung ausmalen. Bei uns verliebt man sich, verlobt man sich, und heiratet. Irgendwie vermutete ich, dass er um Sofia trauerte. Und wie sich ein gebrochenes Herz anfühlt, ja, das wusste ich auch nur zu gut. Yasin war eine Ausnahmeerscheinung. Zwar nicht groß gewachsen, aber in allem sehr zart strukturiert. Sehr feine Gesichtszüge und gelocktes Haar, ganz im Gegensatz zu den oft grob aussehenden Restosmanen, die ich so kannte. Seine Familie waren Geschäftsleute, und er fuhr einen cremefarbenen Mercedes.

So ganz anders lag dieser Fall als wie bei Ergün und mir. Wir zwei waren zusammen immer total arm gewesen, teilten uns von unserem knappen Budget oftmals nur eine Dose Cola…Und dann küsste er mich hinterher, und sagte, dass ich nun nach Kirsche oder Pirsich schmeckte…

In aller Öffentlichkeit, nein, wir haben uns nie versteckt. Wir hatten auch kein Auto, aber wir waren glücklich, wirklich glücklich.

An diesen einen Abend nun, wollte Ali mit uns seine Freundin in ihrer Stadtwohnung besuchen, und Yasin und ich kamen mit zu Besuch. Und es wurde sehr spät, und Ali fragte ob wir mit dort übernachten wollten. Nun Yasin und ich hatten nichts dagegen, und Alis Freundin fand für jeden von uns noch eine Zahnbürste. So bauten wir also ein Viererbett auf, Alis Freundin und er nebeneinander, dann Yasin und dann ich. Wir vier kuschelten uns alle neben einander, und ich nahm Yasin in den Arm, einmal weil ich es total mag, mich an einem anderen Menschen zu wärmen, und dann um ihn etwas zu trösten, denn ich spürte seine Traurigkeit, und wollte ihn in seinem Schmerz begleiten. Er sollte sich nicht allein fühlen in dieser Nacht. Ich mochte ihn, und es war für mich eine Ehrensache, mich für Sofia um ihn zu kümmern.

Und für Yasin war es dann wahrscheinlich auch Ehrensache allein später mich bei mir zu Hause zu besuchen. Er kam etwa fünf Mal zu mir. Ich freute mich darüber. Doch immer hatte ich das Gefühl, das er von seinem Schmerz nicht los kam, und zwei Straßen weiter wohnte ja schließlich Sofia.

Es gab damals zwischen uns so Etwas wie ein Gentleman Agreement, wir hielten in unserer Gruppe stillschweigend zusammen, und halfen uns gegenseitig in bestimmten Lebenslagen. Wir behandelten uns mit gegenseitigem Respekt und akzeptierten uns als Menschen, so wie wir waren. Jeder konnte frei über Alles sprechen, und das gab uns Sicherheit. Und auch Ali behandelte alle gleich, egal ob Grieche, Deutsche oder Türke. Es war schön Freunde zu haben, auf die man sich verlassen konnte, und vertrauen.

Im Grunde wollte er, Yasin, mit Sicherheit zu ihr, als er zu mir kam. Doch er konnte nicht mehr weiter. Und ich weiß auch nicht genau wie Ali auf die Idee kam, uns bekannt zu machen. Er dachte wohl, ich bin sozusagen als Ergüns „Witwe“, ebenfalls in Beziehungstrauer, geeignet, ihm Gesellschaft zu leisten. Aber egal, ich trank mit ihm Tee, redete mit ihm, und behandelte ihn wie einen ganz normalen Gast. Manchmal legte ich meinen Arm um ihn, denn er war ein sehr stiller und trauriger Mensch. Sofia und ich, wir hatten etwas gemeinsam, wir wirken sehr selbstbewusst und sind extrovertierte, herzliche Menschen. Aber in welchen Strukturen insbesondere diese jungen Herren aufwuchsen, nun, das wusste ich überhaupt nicht. Ich bekam auch nicht besonders viel heraus. Einmal fragte ich ihn, ob er Kurde sei, denn es war die Gründungszeit der PKK, und Einiges hatte ich zwar darüber gehört, und ich wusste, dass sie bei den Geschäftsleuten Geld sammelten. Für was und wofür, ich hatte keine Ahnung. Oder was es mit den Kurden auf sich hatte… Und ich dachte, na gut, Yasin könnte ja auch mal irgendwas erzählen. Ja, er bestätigte mir die Sache mit dem Geld sammeln, und ja, er sei eigentlich auch Kurde. Aber es gebe verschiedene, sagte er. Und Kurde hieß eigentlich Wolf, und es gäbe auch „graue Wölfe“. Aber irgendwie stimmt diese Aussage nicht, ich weiß es nicht. Oder einfach Bergtürke, das ist so etwas wie ein Schimpfwort der Türken für die Kurden. Mehr sagte er nicht. Als er mich dann zum letzten Mal besuchte, startete er im Ansatz mit mir so etwas wie eine nähere Beziehung aufzubauen: er wollte mir sagen, wie er sich eine Freundschaft vorstellte, was er von „Seinem“ Mädchen erwartete, doch mitten drin brach er ab, und lies resigniert seine Hand sinken…,es hatte keinen Sinn mehr für ihn etwas anzufangen, von dem ersichtlich war, dass es keine Zukunft hatte, denn seine bevorstehende Heirat lastete auf ihm. Er sagte nur noch:“ Wenn man verheiratet ist, ist es so, als wenn man mit einem Auto mit Anhänger durch das Leben fährt…“ Und ich meinte: “ Die Ehe muss doch keine Last sein…“ Doch er empfand das so.

So vieles wusste ich nun wirklich nicht darüber. Denn in unseren Kreisen heiratete man, wenn überhaupt, aus freudigem Anlass, freiwillig, möglichst nicht zu früh in der Jugend…Und mit einem Schuss Romantik.

Sehr viele Jahre später, 26, um genau zu sein, erfuhr ich, dass er zudem Yeside war.

Nun, aber bei Yasin damals, 1985, war vermutlich seine bevorstehende Eheschließung alles andere als von ihm gewollt, oder romantisch. Sondern ein beschlossener Plan zweier Familien. Er war höchstens 20 oder 21 Jahre alt. Ich wusste nicht mal ob er eine Berufsausbildung abgeschlossen hatte. Er war einfach nur traurig, irgendwie abwesend und verletzt. Wie ein kalter Stein im Meer, innerlich abgestorben. Ich hatte es nicht, in keiner Sekunde geschafft, ihn abzulenken, oder aus dieser melancholischen Stimmung heraus zu bringen. Zu wenig wusste ich, zu wenig verstand ich über sein Schicksal. Ich sah ihn erst viele Jahre später wieder, als er mit seiner Frau durch unsere Kleinstadt ging. Er sah mich, erkannte mich wohlmöglich, das war aber nur ein Erkennen, in der Form, nun es geht ihr, in diesem Fall, mir, gut. Ihm selbst geht es nicht gut. Er wirkt immer noch abwesend, als wenn er durch Alles und Jeden hindurch schaut.

Trotzdem schrieb ich unbewusst über ihn ein Gedicht…fing ein, was er damals in meiner Nähe ausgestrahlt hatte, und ich nur rein intuitiv spürte.

Shaitani

Süßer Höllenengel

Geist Einer Unterwelt

Durch Dein Bezauberndes Geheimes Lächeln

Verwirrst Du Mein Seelenzelt

In Der Zauberwelt des Bösen

Möchte Ich Dich Durch Die Offenbarung

Ach so gern Erlösen

Unendliche Gedanken,

Unerträgliche Kreise-

Zur Hexe würd‘ ich werden

Um in dieser Weise

Einen Zaubertrank zu brauen

Statt gewohnter Höllenqualen

Deine Nähe mir zu klauen

All‘ die Macht der Geisterkraft

Ist jedoch verloren

Spürst Du die Liebe nicht

Kein Zaubertrank sie Dir je verschafft

Süßer Höllenengel!

Willst Erobern - Ohne Zu Kämpfen

Willst Geliebt Werden - Ohne Zu Lieben

Träumst Von Einer Zauberwelt…

02.12.1985

Aber noch einer suchte meine Nähe…

Mustafa.

Ich hatte ihn während des Training kaum beachtet, stand ich doch in der Hierarchie weit über ihn, und er war nur der Bruder eines Karateblaugurts.

Und selbst bei den Auftritten unserer Trainingsgruppe hatte ich es kaum mit ihm zu tun gehabt.

Einmal nach dem Training, gingen wir alle geschlossen nach Hause, und unsere Gruppe wurde immer kleiner, denn irgendwann trennten sich all unsere Wege, doch einer blieb hartnäckig an meiner Seite, und bis zum Schluss ganz allein, Mustafa.

Ich lächelte ihn an, und sagte. „Na, Du willst wohl mit mir mit laufen?“ Er war nicht besonders gesprächig, aber wirklich wild entschlossen wie ein Hündchen hinter mir her zu laufen, mindestens vier Kilometer weit.

So in der Mitte von meinem Weg fing ich an, für ihn ein Lied zu singen, denn es war ein grauer Tag, und es nieselte leicht.

„Here comes the rain again, falling on my head like a memory…”

Zu der Zeit fand ich auch, dass ich eine angenehme Stimme hatte. Und der Mustafa hörte einfach nur zu.

Er schaute mich mit seinen riesigen Augen an, und er lief und lief den ganzen weiten Weg neben mir her. Irgendwie niedlich dachte ich, ein lieber Junge. Und in Wahrheit mag ich es sehr gern Gesellschaft zu haben, oder wenn jemand auf meinem Weg aufpasst.

Und als ich dann am Ziel war, wollte ich mich ganz lieb mit einem Schwesterkuss verabschieden, doch was tat er, er zog mich an sich heran und küsste mich voller jugendlicher Leidenschaft zurück. Du vergreifst dich in der Tonart, dachte ich noch, aber es war zu spät. Unsere Körper schmiegten sich inniglich aneinander, und wir verschmolzen in diesem Kuss zu nur einen Schatten.

Gut, als wir uns lösten, dachte ich mir nichts dabei, und schickte ihn nach Hause.

Und plötzlich, am nächsten Tag, klingelte es an unserer Tür.

Meine Mutter rief mich, und ich ging nach unten. Dort stand er vor mir, völlig verschwitzt, war er doch über 20 Kilometer mit seinem Fahrrad gefahren, um mich zu finden. Er kam mir heldenhaft und irgendwie mutig vor, so mit nichts, außer sich selbst vor unserer Tür zu stehen. Und seine Augen waren wunderschön, groß und hellbraun, fast grün…Mustafa Verwundert nahm ich ihn mit ins Haus. Sagte meiner Mutter etwas von Nachhilfeschüler, denn ich gab Hausaufgabehilfe in Englisch und Deutsch.

Führte ihn hinauf in mein Zimmer, und noch an der Türschwelle flüsterte ich: „Was willst Du?“ Doch er nahm mich sofort in den Arm und küsste mich inniglich und glitt mit seinen samtenen Lippen über mein Gesicht. „ Oh, das willst Du?“ Er nickte nur, und schob mich in mein Zimmer.

Er war zwar blutjung, doch schon etwas größer und kräftiger gewachsen als ich. Mir versagten fast die Knie, und er führte mich fest in seinem Armen haltend in mein Zimmer. Wir taumelten fast rückwärts auf mein Bett, und sanken darauf nieder. Es war so unendlich süß und zärtlich. Wir lagen nebeneinander und küssten uns nur. Unsere Hände berührten sich, und unsere Körper fühlten einander. Irgendwann zündete ich Kerzen an, und legte Musik auf, Tschaikowski und Rachmaninow…Wir liebten uns vier Schallplatten lang, bis in die Abenddämmerung hinein.- Als hätten wir alle Zeit der Welt, und als wenn wir uns schon ewig kennen würden. Wir verschmolzen zu Eins, ein Atemzug, eine Ewigkeit. „Sevgilim“, fragte ich, ist das richtig? Er nickte, und sagte: „Du kannst mich Musti nennen.“ Ich musste lächeln, denn es klang so fast unschuldig und kindlich: Musti.

„Sag‘, wie alt bist Du, Musti?“ Er sagte erst mal nichts. „Du, hör‘ mal, ich weiß das ich älter bin, ich werde 20. Und Du?“

„Ehm…17, ich werde 17…“, erwiderte er. Stirnrunzelnd sah ich ihn. Er war erheblich jünger als ich, es war mir fast peinlich, ja schien unmoralisch…Was hatte ich bloß getan? Drei Jahre Unterschied waren auch für mich schon hart an der Grenze des Anstandes und der guten Sitten.

Doch die Wahrheit sah in der Realität wirklich noch schlimmer aus, denn 25 Jahre später erfuhr ich, er ist zu diesem Zeitpunkt erst 15 gewesen war.

Man sollte solche Augenblicke im Leben nicht unterschätzen.

Glaube an den Himmel über Dir, denn allein kann niemand überleben.

Und somit legte sich von diesem Tage an etwas über uns, ein kosmisches Band, getragen von den Engeln. Denn manchmal verbinden sich unsere Seelen miteinander, wenn wir uns wahrhaft lieben, und nicht nur die Körper.