Salzburger Totentanz - Ines Eberl - E-Book

Salzburger Totentanz E-Book

Ines Eberl

4,4

Beschreibung

Der Galerist Tobias Tappeiner treibt tot im Schlossteich von Hellbrunn, kurz darauf stirbt der Kunstprofessor Arnulf Salchenegger an einer Pilzvergiftung. Sein Assistent Hans Bosch glaubt nicht an einen Unfall. Als er in der Villa eines reichen Kunstsammlers auf eine gefälschte gotische Madonna stößt, nimmt er deren Spur auf. Sie führt ihn in die Welt des Kunsthandels, der echten Künstler und der begabten Fälscher. Am Ende sieht Bosch sich zu einem drastischen Schritt gezwungen.

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Ines Eberl ist in Berlin und Bayern aufgewachsen und hat in Salzburg Jura studiert. Nach ihrer Promotion war sie Universitätsassistentin am Institut für Europäische Rechtsgeschichte und arbeitet jetzt in einer Salzburger Anwaltssozietät. Sie ist Mitglied der International Thriller Writers. Im Emons Verlag erschienen ihre Kriminalromane »Salzburger Totentanz« und »Jagablut«.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

© 2012 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch, Berlin eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-183-1 Originalausgabe

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Für Reinfried

EINS

Es war der 23. Juli, der heißeste Tag dieses Sommers, der als heißester Sommer seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnungen in die Statistik eingehen sollte. Um sieben Uhr früh brannte die Sonne bereits auf die weiten Rasenflächen des Hellbrunner Schlossparks. Die von Buchsbaumhecken gesäumten Blumenrabatten und die alten Laubbäume schienen die aufkommende Hitze mit derselben Gleichmut zu erwarten wie die skurrilen Steinfiguren, die in ihren dunklen Schatten schon seit Jahrhunderten ausharrten. Nur die anmutige Marmorstatue der Kaiserin Sisi leuchtete bereits weithin in der Morgensonne. Den Kopf für immer wie in Gedanken geneigt, hielt sie das Gesicht den Schlossteichen zugewandt.

Kein Luftzug regte sich. Das steinerne weiße Kleid der Kaiserin bauschte sich in einem imaginären Windstoß, auf dessen Abkühlung die Bewohner der Stadt schon seit Wochen hofften. Die lanzenförmigen Schilfhalme an den Ufern der dunkelgrünen Teiche ragten regungslos und steif in die Höhe. Am Rand des größten Beckens hockte ein monströser Steinfrosch auf einem moosbewachsenen Sockel, und aus seinem breiten Maul plätscherte unablässig ein Strahl auf die jadefarbene Wasseroberfläche. In der stehenden Luft tanzte ein Mückenschwarm, und hin und wieder schnappte eine Forelle nach einem Insekt.

In dem kleinen Becken daneben schwamm knapp unter der Oberfläche ein fetter Karpfen und zog mit seinem breiten Rücken Bahnen auf dem spiegelglatten Wasser. Er hatte den Schutz des schlammigen Grundes verlassen, war aus der Wärme seines Morasts aufgetaucht an die hell glitzernde Oberfläche. Langsam umrundete er eine Gruppe Seerosen und stieß dann mit seinem wulstigen Maul gegen einen Fremdkörper, der reglos in dem algigen Wasser trieb.

Starr schaukelte der Körper hin und her und erzeugte leichte Wellen, die in konzentrischen Kreisen von den Armen und Beinen weg bis zum Beckenrand liefen.

Seit Stunden hatte die Leiche bereits im Wasser gelegen und sich dabei ihrem neuen Element mehr und mehr angepasst. Die schulterlangen schwarzen Haare kräuselten sich auf den Wellen und umflossen das bleiche Gesicht wie seltsame Schlingpflanzen. Die Augenlider waren halb geschlossen und verliehen dem Antlitz ein jungenhaftes, verklärtes Aussehen. Der Abendanzug klebte am Körper wie eine dunkel glänzende Fischhaut. Die Schnürsenkel der schwarzen Lackschuhe hatten sich gelöst und wanden sich im Wasser wie schlanke Wasserschlangen.

Gegen acht Uhr fanden zwei Gärtner den Toten, als sie ihre rostigen Schubkarren über den sandigen Weg zwischen den Teichen schoben. Der dunkle Fleck im Wasser hatte schon von Weitem ihre Aufmerksamkeit erregt. Sie ließen ihre Karren stehen und eilten an die steinerne Beckenumrandung.

Während der Jüngere der beiden auf das gelbgrüne Wasser starrte, nahm der Ältere den zerfransten Strohhut ab und hielt ihn sich mit beiden Händen vor die Brust. Er zog scharf die von der Nacht noch feuchte Luft ein.

»Na, servas«, sagte er und kratzte sich am Kopf. »Der is mausetot.«

ZWEI

Ein endloser Pilgerzug von Touristen bewegte sich durch die Salzburger Altstadt. Er verharrte auf dem Mozartplatz vor dem Denkmal des Komponisten, zog dann am barocken Domportal vorbei, ehe er sich durch die engen mittelalterlichen Gassen wälzte, um endlich vor dem Wallfahrtsziel, Mozarts Geburtshaus, zum Stillstand zu kommen. Es war Festspielzeit, und die Stadt war zum Bersten voll. Überall drängten sich die Menschen, um die kunstvollen Hausfassaden im Bild festzuhalten. Eines der Fenster des alten Universitätsgebäudes stand zur Sigmund-Haffner-Gasse hin offen.

»Bei der abgebildeten Statue handelt es sich um eine sogenannte ›Thronende Maria mit Kind‹, entstanden wahrscheinlich um 1435. Das Material ist Zirbelholz, wobei die Fassung neu aufgetragen wurde. Die Figur befindet sich zurzeit im Pfarrmuseum von Sand in Taufers im Pustertal.« Hans Bosch, Universitätsassistent am kunsthistorischen Institut, räusperte sich. Seine tiefe Stimme war in dem großen Raum fast nur als Murmeln zu vernehmen. »Die Provenienz der Plastik ist nicht gesichert. Vor ihrer Sicherstellung und Restaurierung – auf Vorschlag des kirchlichen Denkmalamtes – befand sich die Madonna in dem 1636 errichteten Peststöckl, wo sie als volkstümlicher Kultgegenstand verehrt wurde …«

Der lautstarke Gesang einer Pfadfindergruppe, der von der Gasse herauf durchs Fenster drang, unterbrach ihn. Hans Bosch legte das Diktiergerät auf den Schreibtisch und schaute hinaus in den strahlend blauen Sommerhimmel. Seufzend stand er auf und ging von seinem Schreibtisch auf das geöffnete Fenster zu. Das sternengemusterte Parkett knarrte unter seinen Schritten. Er stützte die Hände auf die breite Fensterbank und warf einen Blick auf die Gasse hinab.

Von dieser Stelle aus bot ihm die Salzburger Altstadt das Bild einer mechanischen Spielzeugwelt. Wie auf Schienen bewegten sich die Menschenmassen durch die Sigmund-Haffner-Gasse, an deren Ende sie entweder in Richtung des Domplatzes abbogen oder in Richtung Festspielhaus.

Die Sonne brannte auf die erst kürzlich fertiggestellte Ladenfront der gegenüberliegenden Häuser, deren Fassade im barocken Stil restauriert worden war. Die neuen schmiedeeisernen Zunftschilder glänzten. Zwei Mädchen schwitzten unter ihren gepuderten Perücken, während sie in ihren bonbonfarbenen Kunststoffkostümen perfekt nachgebildete weiße Federn mit Parfüm besprühten und sie lächelnd an die Vorübergehenden verteilten. Vom Café Tomaselli näherte sich eine mit Touristen besetzte Kutsche. Die Hufe der Fiakerpferde klapperten auf dem Kopfsteinpflaster, das seit ein paar Jahren die frühere Asphaltdecke ersetzte. Der heftige Regen vor ein paar Tagen hatte nur kurz für Abkühlung gesorgt. Nun hing eine staubige Wolke heißer Luft zwischen den eng stehenden Häusern.

Bosch schloss die Fensterflügel und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Er liebte sein Zimmer, auch wenn es streng genommen gar nicht seines war. Professor Salchenegger nahm sein Recht, als Institutsvorstand in Ruhe zu Hause zu arbeiten, gerne in Anspruch, dennoch war es mehr als großzügig von ihm, seinem Assistenten die Benutzung des Büros zu erlauben. Manchmal erschien Bosch das lichtdurchflutete Zimmer wie eine Befreiung von seinem eigentlichen Arbeitsplatz, einer winzigen stickigen Kammer, deren einziges Fenster auf einen dunklen Innenhof ging. Er wusste das Vertrauen zu schätzen, das diese Vergünstigung bedeutete.

Mit der hohen stuckverzierten Decke, den im Laufe vieler Jahre nachgedunkelten Holzdielen und den ringsum an den Wänden stehenden Bücherregalen erinnerte der Raum eher an eine Bibliothek als an ein Büro. Der runde weiße Kachelofen in der Ecke verströmte eine warme Atmosphäre, obwohl sich Bosch nicht erinnern konnte, den Ofen je in Betrieb gesehen zu haben.

Sein ganzer Stolz aber war das einzige Bild im Raum, das direkt gegenüber dem Schreibtisch neben der Doppelflügeltür hing, die ins Vorzimmer führte. Es war ein silbergerahmter Stich aus dem 17. Jahrhundert und zeigte eine Stadtansicht von Wien. Die zarten Linien gaben den Stadttoren, den Häusern und sogar dem spitzen Turm des Stephansdoms etwas Leichtes, fast Schwebendes. Der Stich war Boschs persönlicher Besitz und ziemlich teuer gewesen. Doch jedes Mal, wenn er sich fragte, ob es nicht leichtsinnig war, etwas derart Wertvolles in ein öffentlich zugängliches Büro zu hängen, genügte ein Blick, und das Bild blieb, wo es war.

Gerade wollte er sein Diktat wieder aufnehmen, als es energisch an die weiße Flügeltür klopfte.

»Herr Doktor, guten Morgen. Ich störe doch nicht?« Frau Happel, die Sekretärin, steckte den Kopf zur Tür herein.

»Guten Morgen, Frau Happel, was gibt’s denn?« Bosch spürte, wie ein Schweißtropfen langsam seine Schläfe hinabrann und am Bügel seiner dicken Hornbrille zum Stillstand kam. Er nahm die Brille ab und warf der Sekretärin einen fragenden Blick zu, so gut das mit drei Dioptrien eben möglich war.

Frau Happel blieb im Türrahmen stehen, eine Hand hinter dem Rücken versteckt und ein geheimnisvolles Lächeln auf den Lippen. Ihr blau-weiß gestreiftes Sommerkleid wirkte frisch, und die braune Kurzhaarfrisur saß so untadelig wie immer. Die Sommerhitze schien ihr nichts auszumachen, während er es schon jetzt, um halb zehn am Vormittag, kaum mehr aushielt. Mit einer schwungvollen Geste zog sie einen winzigen Blumenstrauß hinter ihrem Rücken hervor.

»Meinen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Strahlend kam sie auf ihn zu, blieb an der Schreibtischkante stehen und hielt ihm die Blumen direkt vors Gesicht.

Bosch starrte auf die kleinen gelben und rosafarbenen Seidenröschen und die mit Golddraht umwickelten Gewürznelken, deren süßlichen Duft er verabscheute. »Ein Gewürzsträußchen …« Er musste heftig niesen.

»Gesundheit, Herr Doktor«, sagte die Sekretärin freudestrahlend.

»Danke«, murmelte Bosch.

Er stand auf und nahm die Kunstblumen mit einem gezwungenen Lächeln entgegen. Nach den vielen Jahren, die sie nun schon am Institut zusammen arbeiteten, sollte Frau Happel eigentlich wissen, dass ihm jegliche Anteilnahme an seinem Privatleben unerwünscht war. Und was sollten diese imitierten Blumen, deren Anblick jeden, dem Kunst irgendetwas bedeutete, beleidigen musste?

»Nur eine Kleinigkeit … Ich dachte, so ein Sträußerl würde sich nett machen hier …« Frau Happel sah sich um. »Vielleicht auf dem Aktenschrank da drüben. Unter dem Wiener Stich? Der ist eh so farblos.«

Bosch brummte eine unverständliche Zustimmung und suchte einen Platz, um sich des Sträußchens zu entledigen. Auf seinem wohlgeordneten Schreibtisch stapelten sich die Bücher, mit denen er das kommende Wintersemester vorbereitete, griffbereit zu seiner Rechten, auf Kante ausgerichtet und nur die, die er gerade brauchte. Links von ihm lag sein Terminplaner aufgeschlagen neben dem Telefon und zeigte die letzte Juliwoche. Vor drei Wochen hatten die Semesterferien begonnen, deshalb waren die meisten Seiten fast leer. Darauf lag schreibbereit sein Füllfederhalter, natürlich mit Goldfeder und Kolben, und daneben das Tintenfass. Darauf legte er Wert, was seinem Chef nur recht war, der die Füllfeder ebenfalls benutzte. Direkt vor ihm befand sich das bunte Bild der thronenden Madonna mit Kind. Ein Blick auf den künstlich glitzernden Golddraht des Gewürzsträußchens reichte, und Bosch behielt die Kunstblumen in der Hand.

Er murmelte ein paar höfliche Dankesworte und hoffte, dass damit die peinliche Situation beendet wäre. Aber die Happel erkundigte sich ohne Hemmungen nach seinen weiteren Plänen für den heutigen Tag. Er würde seinen achtunddreißigsten Geburtstag doch wohl noch etwas feiern? Vielleicht käme ja auch die Frau Mutter extra nach Salzburg?

»Wahrscheinlich«, log Bosch.

Seine Mutter hatte ihn schon früh bei der Großmutter zurückgelassen, um einen gut situierten Hotelier am Arlberg zu ehelichen. Zu Hause würde Bosch nur die alljährliche Geburtstagskarte mit dem Emblem des »Enzianhofes« vorfinden, fünf halbmondförmig angeordneten Enzianen, sowie die gönnerhafte Einladung seines Stiefvaters, doch wieder einmal ein paar Tage im Kreise der Familie zu verbringen. Wobei es sich natürlich gut traf, dass sein Geburtstag im Sommer lag. In der Wintersaison konnte man in Lech kein Bett entbehren. Aber er hatte ohnehin nicht vor, Gebrauch von dieser Einladung zu machen.

»Und?« Frau Happel kannte keine Gnade. »Aha! Ich seh’s Ihnen direkt an. Aber mir brauchen S’ nichts zu sagen, ich weiß, wie lästig das ist. Heuer kommt mein Schwager mit der ganzen Familie aus Wien.«

Langsam verlor Bosch die Geduld. Jeder im Institut wusste von seiner kleinen Zweizimmerwohnung im dritten Stock eines Altstadthauses am Papagenoplatz. Nur über eine enge, ausgetretene Stiege zu erreichen, mit niedrigen Räumen und dicken, unebenen Wänden. Für Besuch war darin kein Platz.

»Na ja«, sagte die Happel, räusperte sich und schien endlich aufzugeben. »Ich bringe Ihnen jedenfalls noch eine Vase für das …«

In diesem Augenblick läutete das Telefon.

Sie hob die fein gezupften Augenbrauen und griff blitzschnell nach dem Apparat auf Boschs Schreibtisch.

»Kunstgeschichte, Happel? … Ach, Fräulein Salchenegger … Ja, ja, ich wollte mich gerade bei Doktor Bosch erkundigen, wann Ihr Herr Vater heute … Aha, nicht … Was? … Im Krankenhaus? … Gestern Abend? … Ja, warum … Wie bitte? … Was?! …« Sie setzte sich auf die Schreibtischkante, während sie krampfhaft den Hörer ans Ohr presste. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. »Oh, mein Gott, nein.«

Bosch machte Handzeichen, um den Hörer zu bekommen, aber Frau Happel schaute mit starrem Blick aus dem Fenster, wo die helle Marmorfassade des Nachbarhauses die Sonnenstrahlen reflektierte. Dann legte sie mit einem mechanischen Kopfnicken den Hörer langsam auf die Gabel und sah Bosch mit bleicher Miene an.

»Seine Tochter«, sagte sie leise.

»Das ist mir klar.« Bosch wedelte ungeduldig mit den Seidenblumen, die er noch immer in der Hand hielt. »Und? Was wollte sie? Was ist mit dem Krankenhaus?«

»Unser … unser Herr Professor selig …«

»Wie bitte?« Bosch starrte sie an.

Frau Happel holte tief Luft. »Unser Herr Professor ist heute … heute Morgen … verschieden.«

»Verschieden? Wie meinen Sie das – verschieden?«

»Na, was schon?«, sagte Frau Happel. »Gestorben halt. Im Krankenhaus. An einer Pilzvergiftung.« Dann schlug sie die Hände vors Gesicht und fing hemmungslos zu schluchzen an.

Boschs Finger schlossen sich so fest um das Gewürzsträußchen, dass die spröde Seide der kleinen Rosen brach. Der scharfe Golddraht bohrte sich in die Innenfläche seiner Hand. Er biss sich auf die Lippen. Dann fiel ihm ein, dass auf der letzten Fakultätssitzung von einer Herzerkrankung des Professors gemunkelt worden war.

»Und Sie sagen, es war eine Pilzvergiftung?«, wandte er sich wieder an die Sekretärin, die schluchzend auf die Gasse hinabsah. »Haben Sie das auch richtig verstanden?«

Frau Happel drehte sich um. Ihre Wimperntusche hatte sich aufgelöst. Schwarze Farbe lief ihr über die Wangen und hatte sich in den feinen Fältchen um ihre rot geweinten Augen festgesetzt. Mechanisch hielt ihr Bosch eine Packung Papiertaschentücher hin.

»Am Freitag war doch das … das Schwammerlsuchen. Zum Semesterabschluss«, schniefte sie. »Und bei dem letzten Regen – da schießen die Pilze nur so aus dem Boden.« Sie zog ein Taschentuch aus der Packung. »Und Sie wissen ja, wie gern unser Herr Professor in die Pilze gegangen ist.«

»Ja … äh, ja aber …« Bosch konnte es nicht glauben. Ausgerechnet Arnulf Salchenegger. Pilze waren seine Leidenschaft. Er hatte sogar ein kleines Fachbuch über im Alpenraum wachsende Pilzsorten verfasst. Und jedes Jahr lud er seine Diplomanden zu Beginn der Semesterferien zum Schwammerlsuchen ein. Bosch kannte das Prozedere. Man fuhr mit einem eigens gemieteten Bus ins Tennengebirge, stöberte unter Anleitung des Professors einige Zeit im Unterholz des Bergwaldes, um sich dann mitsamt der Ausbeute des Tages in den Gastgarten eines gemütlichen Wirtshauses zu verfügen. Und dort gab es dann immer einen kleinen Vortrag über die heimischen Pilze unter besonderer Berücksichtigung der gefundenen Exemplare. Unmöglich, dass dabei ein giftiger übersehen wurde.

Frau Happel putzte sich geräuschvoll die Nase. »Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, Herr Doktor, ich muss mich mit dem Dekanat in Verbindung setzen. Es müssen jetzt ja so viele Dinge … Entschuldigung!« Sie presste das nasse Taschentuch vor den Mund, drehte sich um und lief weinend aus dem Zimmer.

Mit einem Knall fiel die Tür hinter der Sekretärin ins Schloss. Das alte Holz hatte die weiße Farbe aufgesogen, sodass stellenweise die Maserung hervortrat. Das Türblatt schien sich unter Boschs starrem Blick in eine kalkig-glatte Marmorplatte zu verwandeln, aus der mit einem Mal Pilze wuchsen, mehr und immer mehr, bis sie schließlich die ganze Tür mit ihren bizarren Formen überwucherten.

Ein pochender Schmerz riss Bosch aus seinen Gedanken. In der rechten Hand hielt er noch immer den kleinen Geburtstagsstrauß umklammert. Er öffnete die verkrampfte Faust und sah auf die zerdrückten Seidenrosen. Die Kunstblumen wirkten wie echte Blumen, doch verwelkt und tot. Langsam ließ er den Kopf sinken, bis seine Stirn auf die kalte Schreibtischplatte traf. Dann weinte er wie um einen verlorenen Freund.

DREI

Die Festung Hohensalzburg schien von den langen Lichtfingern der Scheinwerfer gehalten über dem abendlichen Stadtpanorama zu schweben. Zu ihren Füßen, in der Hofstallgasse, drängte sich eine festlich gekleidete Menschenmenge, eingehüllt in eine Wolke aus Autoabgasen, Schweiß, teuren Parfüms und beißendem Pferdeurin, den die im Schritttempo vorüberfahrenden Fiaker hinterließen. Geduldig warteten die Besucher in eleganter Abendgarderobe vor dem Festspielhaus auf Einlass. Sie schienen die kühle Abendluft zu genießen, die Männer im Smoking oder dunklen Anzügen und die Frauen in auffallenden Abendroben oder Seidendirndln. Einige Kameramänner und Reporter, die überdimensionalen Mikrofone im Anschlag, kämpften sich einen Weg durch die Menge.

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