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Ein verwöhntes It-Girl, das einen Neuanfang braucht. Ein Ausbilder, der endlich angekommen ist. Zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Luckys Leben ist perfekt. So scheint es zumindest. Doch dann gerät sie in Schwierigkeiten und muss Sozialstunden in der C.H.A.N.C.E-Academy ableisten. Sie will so schnell es geht wieder zurück in ihr altes Leben und gibt alles, um ihrem Mentor Peanut das Leben schwer zu machen. Peanut hat endlich einen Platz gefunden, an dem er sich zu Hause fühlt und seine Leidenschaft zu kochen ausleben kann. Deshalb passt es ihm gar nicht, dass er jetzt die Upperclass-Diva Lucky betreuen muss. Doch was, wenn Luckys Leben gar nicht so perfekt ist? Was, wenn sie bei Peanut eine neue Seite von sich kennenlernt? Eine, die ihr vielleicht gefallen könnte... Rich It-Girl trifft auf Ausbilder von der Straße. »Save My Soul« ist eine dramatische Lovestory, die unter die Haut geht. //»Save My Soul« ist der dritte Band der fesselnden C.H.A.N.C.E.-Academy-Reihe. Alle Titel bei Impress: -- Band 1: Save My Love -- Band 2: Save My Heart -- Band 3: Save My Soul Alle Bände der Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Dies ist ein neuer Folgeband zu der Neuauflage der beliebten »Street Stories«-Reihe.//
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Veröffentlichungsjahr: 2025
COVE Story
More than a feeling.
COVE Story ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische E-Books und Prints. Wenn du süchtig machende Romance- und Romantasyromane deutschsprachiger Autor*innen suchst, ob von Newcomer*innen oder Vielschreiber*innen, wirst du hier garantiert fündig. Jede COVE Story lässt dich durch die Seiten fliegen und ist auf ihre eigene Art und Weise einzigartig.
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Laini Otis
Save my Soul (C.H.A.N.C.E. Academy 3)
Ein verwöhntes It-Girl, das einen Neuanfang braucht.Ein Ausbilder, der endlich angekommen ist.Zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Luckys Leben ist perfekt. So scheint es zumindest. Doch dann gerät sie in Schwierigkeiten und muss Sozialstunden in der C.H.A.N.C.E-Academy ableisten. Sie will so schnell es geht wieder zurück in ihr altes Leben und gibt alles, um ihrem Mentor Peanut das Leben schwer zu machen.
Peanut hat endlich einen Platz gefunden, an dem er sich zu Hause fühlt und seine Leidenschaft zu kochen ausleben kann. Deshalb passt es ihm gar nicht, dass er jetzt die Upperclass-Diva Lucky betreuen muss. Doch was, wenn Luckys Leben gar nicht so perfekt ist? Was, wenn sie bei Peanut eine neue Seite von sich kennenlernt? Eine, die ihr vielleicht gefallen könnte…
Buch lesen
Vita
Danksagung
Playlist
© privat
Laini Otis ist das Pseudonym einer musikverrückten Vierzigerin, deren Geschichten alle eines gemeinsam haben: sie beginnen mit einem Song. Ein Song, der während des Schreibens zu einem Soundtrack wird, der den Herzschlag der Geschichte wiedergibt. Neben dem Schreiben und der Musik begeistert sich die Autorin für das Fotografieren und die traumhaften Inseln Hawaiis.
Für Micha.
I feel the Need …
… The Need for Speed.
Liebe*r Leser*in,
dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.
Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.
Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.
Laini und das Impress-Team
Lucky
Frustriert riss ich das Top von mir und schmiss es zu den anderen Klamotten auf den Boden. »Ich hab einfach nichts zum Anziehen«, nörgelte ich und stapfte zurück in mein Ankleidezimmer.
Levia lachte. »Wir waren erst gestern für heute shoppen. Was ist mit dem Jumpsuit passiert, den wir bei Gucci gekauft haben?«
»Mein Dad ist passiert«, entgegnete ich und besah mir ein paar meiner Oberteile, die auf Bügeln aufgehängt mindestens die Hälfte des Raumes einnahmen. Tatsächlich war mein Ankleidezimmer ungefähr so groß wie mein Schlafzimmer.
»Du hättest ihm erst gar nicht deinen Einkauf zeigen sollen.«
»Er hat mich abgepasst, als hätte er es gerochen. Ich hatte keine Chance.« Ich schnappte mir ein paillettenbesetztes, schulterfreies Hemdchen in Lila, das schön züchtig über den Bauch ging – nicht wie der wunderschöne Jumpsuit, der rücken- und bauchfrei war – und zog es an. »Seit der Sache im Splash! ist er sooo unentspannt. ›Du bist kein Topmodel, Lucky …‹«, imitierte ich ihn mit genau dem gleichen genervten Unterton, den er mir gegenüber seit Wochen – ach was, seit Monaten! – anschlug, »›… sondern noch Schülerin mit immer schlechter werdenden Noten, und das kurz vor deinem Highschool-Abschluss! Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Wir werden dich nicht ewig unterstützen und denk mal an all die Kids da draußen, die kein so privilegiertes Leben haben wie du …‹ Bla, bla, bla.« Beim Zurückkehren ins Schlafzimmer präsentierte ich mich Levia, als liefe ich auf einem Catwalk.
»Heiß. Aber dein Busen ist zu flach. Zieh mal einen Push-up drunter.«
»Den nehme ich mit. Nee, besser, du steckst ihn in deine Tasche, sonst muss ich noch im Pullover zur Party gehen.«
»Gebongt«, erwiderte Levia, drehte sich wieder zum Spiegel an meinem Schminktisch um und tuschte sich ihre Wimpern in glitzerndem Gold weiter.
Was das Fertigmachen zum Ausgehen anging, hatten wir im Laufe der letzten zwei Jahre eine Routine entwickelt. Entweder trafen wir uns hier bei mir oder bei ihr zu Hause. Die eine schminkte sich, während die andere ein Outfit aussuchte, und umgekehrt. Dabei teilten wir alles. Levia war wie eine Schwester für mich und ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde. Wir kannten uns seit unserer Geburt, da unsere Moms miteinander befreundet waren. Es war eine ebenso enge, wenn auch eine andere Art von Verbindung, wie ich sie für meine kleine Schwester empfand.
»Mach mal lauter«, rief ich Levia zu. Rihanna schmetterte über meine Bluetooth-Boxen We found Love in ihrer unfassbar schönen Stimme und ich begann sofort beim Beat mitzuspringen. Ich liebte diesen Song. Ich liebte Rihanna. Sie war mein absolutes Vorbild. Wunderschön, extravagant, erfolgreich. All das wollte ich auch sein. Levia sprang vom Stuhl auf und tanzte mir entgegen. Gemeinsam grölten wir ins Mikrofon aka Haarbürste, sangen, tanzten, lachten. Es war einfach geil, siebzehn zu sein. Wir waren jung, gut aussehend, reich und Party war unser zweiter Vorname.
»Ziehen wir noch einen durch, bevor wir losgehen?«, fragte Levia atemlos und warf sich auf mein Bett, nachdem der Song geendet hatte.
»Mindestens. Ich hab aber auch noch ein paar Wodka-Red-Bull organisieren können.« Ich tänzelte zu meinem Minikühlschrank und zog zwei Dosen hervor, eine davon warf ich Levia zu, die sie mit einer Hand auffing. Wir öffneten, stießen an und ich nahm einen großzügigen Schluck. Heute würde ich mir heftigst die Kante geben. Immerhin war Silvester und ich konnte dem neuen Jahr kaum noch mehr entgegenfiebern. Endlich würde ich mein 18. Lebensjahr feiern und auf den Fond zugreifen können, den mein Großvater für mich eingerichtet hatte. Fünfhunderttausend Dollar wären dann Mein. Einfach so. Scheiß auf meine Noten. Mit dem Geld konnte ich mir endlich meinen Traum erfüllen und ein krasses Demotape aufnehmen, das ich an so ziemlich jeden Produzenten auf der Welt schicken würde. Und irgendwann wäre ich dann so bekannt und beliebt wie Rihanna. Mindestens.
»Lächeln«, rief Levia und hielt mir ihr Smartphone entgegen.
»Nur von oben.«
»Schon klar«, erwiderte sie grinsend, es klickte und das Foto war unterwegs auf Snapchat, um die Flamme am Lodern zu halten.
Ich zog den Rest des Wodkas runter und suchte mir danach noch einen passenden Minirock mit Taschen in Schwarz aus, glitt hinein und überprüfte mein Aussehen an meinem bodennahen Spiegel, der mit LED-Lichtern und Millionen Fotos geschmückt war. Nicht schlecht … Nun noch die passenden Schuhe und dann war ich ready fürs Schminken. In meinem Bauch kribbelte es; die aufputschende Wirkung des Mixgetränks machte sich so langsam bemerkbar.
»Stiefel oder High Heels?«
»Stiefel, Baby. Oder willst du, dass deine Füße Frostbeulen bekommen, wenn wir draußen aufs neue Jahr anstoßen?«
Ich seufzte. In High Heels würden meine Beine besser zur Geltung kommen, besonders weil ich nicht so groß war. Aber Levia hatte natürlich recht. Auf die Kälte hatte ich so was von keine Lust. Ich suchte mir lilafarbene Overknee-Stiefel aus und stellte sie neben meine Tasche, als mein Handy aufblitzte. Mehrmals. Ich war kein Fan von Klingeltönen, deswegen hatte ich an meinem iPhone das LED-Licht eingeschaltet. Ich schnappte es mir und überflog schnell die eingegangenen Meldungen: zwei verpasste Anrufe, 14 Snaps, 21 WhatsApps und unzählige mehr Benachrichtigungen auf Insta. Mich interessierte aber nur diese eine Nachricht.
»Asher hat sich gemeldet«, rief ich und quietschte aufgeregt. Schnell sprang ich rüber zu Levia und quetschte mich neben sie auf den Schminksessel, damit wir gemeinsam seine Nachricht lesen konnten.
Hey Queen, lass mal dein Outfit checken. IR – Asher
Mein Herz begann wie wild in meiner Brust zu schlagen. Asher war der heißeste Typ in unserer Clique und nachdem er mit Coco Schluss gemacht hatte, war nun endlich meine Chance gekommen. Er war zwei Jahre älter als ich und in meinem Jahrgang, weil er ein paar Sonderrunden hatte drehen müssen, aber das störte mich nicht. Asher fragte niemanden mehr um Erlaubnis. Er machte seine eigenen Regeln und das war heiß! Er war heiß! Mit seinen tiefschwarzen Haaren, seinen dunklen Augen und seinem ausgeprägten Sinn für Style.
»Also, wenn heute Nacht nichts bei euch geht, ist euch echt nicht mehr zu helfen«, sagte Levia, legte den Arm um meine Schultern und ihren Kopf an meinen.
»Das wird nicht passieren. Ich bin heiß, ich bin bereit und die Party im Splash! wird genauso gigantisch wie das Jahr, das vor der Tür steht.«
Levia lachte. »Yes, Baby! Das ist genau die richtige Einstellung!«
Nur wenn du deins droppst – Lucky
Grinsend verschickte ich die Nachricht und legte das Handy auf den Schminktisch. Das Kribbeln in meinem Bauch nahm an Fahrt auf. Ich hatte es im Blut – heute würde der beste Tag ever werden!
»Dann schmeiß ich mich mal in mein Outfit, damit wir endlich losziehen können.«
Ich nickte, während Levia in mein Kleiderzimmer tanzte. Im Spiegel lachte ich mir breit entgegen. Meine blasslilafarbenen Locken, die mir bis zu den Hüften reichten, hatte ich schon zu einer offenen, wuchtigen Mähne frisiert; Haarverlängerung sei Dank. In meiner Clique gab es keine, die in echt so megaviele und schöne Haare hatte. Das Gleiche galt für Wimpern und Fingernägel. Wir alle waren aufgepimpt. Und ich konnte auch beim besten Willen nicht verstehen, wie eine Frau das nicht sein konnte. In der heutigen Zeit, wo uns alle Tore und Türen für unsere Schönheit offenstanden, war es geradezu unsere Pflicht, uns so schön wie möglich zu stylen. Gut aussehend durch die Welt zu gehen und der Gesellschaft etwas fürs Auge zu schenken. Hässlichkeit gab es ja zur Genüge. In diese Gruppe wollte ich mich nie und nimmer einreihen. Egal unter welchen Umständen. Es gab keine Entschuldigung für ungepflegtes Aussehen!
Peanut
Am Mantel prangte ein großer dunkler Fleck, der dem Aussehen nach von Motoröl stammen konnte, doch das war speziell nicht zu riechen. Der Mantel roch nämlich so, wie er aussah – verdreckt und niemals gewaschen. Also passte er perfekt zu meinem restlichen Obdachlosen-Outfit.
»Und du bist dir sicher, dass du das machen willst?«
Ich schlüpfte in das Teil, in das ich mich selbst damals, als ich noch auf der Straße gelebt hatte, niemals reingeworfen hätte, und legte den Kopf schief. »Ich weiß, dass es dich seinerzeit verstört hat, mich zu begleiten. Beziehungsweise mitanzusehen, wie sehr ich darunter leide, meinen Geschwistern nicht helfen zu können.«
Nika schaute bedröppelt drein. »Mann, Nuts …«
»Schon gut, Nini. Weder du noch ich können uns zu tausend Prozent retten.«
»Aber wir sind nah dran«, entgegnete sie lächelnd.
Ich lachte kurz auf. Wo sie recht hatte … Nika war meine allerbeste und längste Freundin in meinem neuen Leben, das mir C.H.A.N.C.E. geschenkt hatte. Nur ihretwegen war ich damals in der Einheit untergekommen und durfte jetzt seit knapp einem Jahr die Ausbildung zum Koch machen, obwohl ich immer noch an meinem Highschool-Abschluss arbeitete und wortwörtlich wie verrückt dafür büffelte.
»Hör mal«, setzte sie an und band sich derweil ihre mittlerweile halblangen pinken Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen, »ich verstehe sehr gut, wie wichtig Familie ist. Schon allein weil du ein Teil von meiner bist. Nur sind uns die Hände gebunden. Deine Geschwister wohnen weder auf der Straße noch haben wir Kapazitäten für 13-Jährige.«
»Das weiß ich doch, Nini. Aber nur weil ich ihnen keinen Platz anbieten kann, möchte ich sie nicht vergessen. Und ich habe das Gefühl, dass mir genau das passieren wird, wenn ich sie nicht mehr sehen würde. Als würden sie sich auflösen und wären dann einfach verschwunden.«
»Aus den Augen, aus dem Sinn …«, flüsterte sie und ihr Blick trübte sich. Vermutlich dachte sie gerade an ihre Mutter, die vor einigen Jahren an Krebs verstorben und bis dato ihr einziges Familienmitglied gewesen war. Nicht, dass sie ihre Mutter jemals vergessen würde, doch das Grab, das sie vor C.H.A.N.C.E. regelmäßig besucht hatte, konnte sie mittlerweile nur noch sporadisch besuchen. Das lag zum einen daran, weil wir nun in einer anderen Stadt wohnten, und zum anderen, weil es uns verboten war, in unsere alte Stadt zurückzukehren. Das hatte etwas mit den Sicherheitsbestimmungen zu tun, die C.H.A.N.C.E. sehr rigoros einhielt.
»Puuh, was ist denn hier für eine trübe Stimmung?« Dallas schlenderte ins Kleiderzimmer der Mitarbeiter und sah uns fragend an.
»Du meinst die Stimmung, in der du seit einigen Tagen steckst?« Nika zog vielsagend ihre Brauen hoch.
»Soweit ich mich erinnere, hast du mir die Entscheidung überlassen, mit dir darüber zu reden, wenn ich es brauche …«
Sie seufzte tief und schwer. »Heute ist wohl nicht mein Tag. Zuerst trete ich Nuts auf den Schlips und nun dir. Sorry, Jungs.«
Dallas zog sie in den Arm und drückte sie liebevoll an sich. »Das verkraften wir schon. Oder, Peanut?«
»Da fragst du noch?« Ich hielt die Hand hoch und er schlug ein. Ich mochte Dallas, obwohl er es mir zu Beginn etwas schwer gemacht hatte. Ich dachte damals, er würde mir meine beste Freundin wegnehmen, was völliger Bullshit war. Aber Nika war meine Familie, so wie sie es eben gesagt hatte. Wir beide hatten zusammen so viele Jahre auf der Straße überlebt … das verband. Mittlerweile verstand ich, dass mir nichts genommen wurde, ich nichts verlor, wenn ich meine Familie, meine beste Freundin teilte – sondern dass ich stattdessen etwas dazugewann. Beziehungsweise jemanden.
»Okay, dann wäre das jetzt ja geklärt. Seid ihr so weit? Ich möchte gerne noch rechtzeitig zur Silvesterparty zurück sein.«
»Es wird Zeit, dass wir den Führerschein machen«, sagte Nika und zog sich eine Beanie auf ihren Kopf, ehe sie sich einen schwarzen Mantel griff.
»Ich bin gerne euer Fahrer«, erwiderte Dallas. »Ich liebe Autofahren, das wisst ihr.«
»Und du bist ein um Welten besserer Fahrer als der alte Bestimmer, der immer so fährt, als wäre er achtzig und würde mit Tempo dreißig ein Formel-Eins-Rennen gewinnen wollen.«
Ich lachte und auch Dallas prustete los. »Das hast du jetzt nicht gesagt.«
»Warum nicht? Was wahr ist, darf man sagen.«
»Lass das den alten Bestimmer nur nicht hören. Irgendwann kündigt er dir noch den Vertrag.« Grinsend zog Dallas die Tür auf und gemeinsam stiefelten wir aus dem Raum Richtung Aufzug, um in die Tiefgarage zu fahren.
»Moment mal«, unterbrach ich. »Woher willst du wissen, dass Nika überhaupt einen Vertrag hat?«
»Stimmt!« Dallas fasste sich an die Stirn. »Und wenn sie einen hat, ist der bestimmt mit etlichen Zusatzparagraphen ausgestattet.«
»Hey … uncool. Hört auf. Alle beide!« Sie hüpfte in den Aufzug, drückte auf den Knopf und drehte sich dann belustigt lächelnd zu uns um. »Es gibt nur einen Zusatz in meinem Vertrag und der besagt, dass ich zu jeder Zeit gewisse Worte buchstabieren darf, ohne eine Konsequenz befürchten zu müssen.«
Dallas und ich schüttelten gleichzeitig den Kopf. »Nicht wahr! Das ist ein Scherz, oder?«
Nika sprang genauso befreit aus dem Aufzug, wie sie reingehüpft war, drehte sich im Lauf um, immer noch mit diesem riesigen Lächeln im Gesicht. »V-E-R-A-R-S-C-H-T!«
Eine gute Stunde später, und nachdem wir Nika beim Friedhof abgesetzt hatten, hielten wir in der Nähe meines alten Zuhauses in Ruston. Es war ein seltsames Gefühl, wieder in der Stadt zu sein, in der ich geboren, aufgewachsen und in der ich jahrelang obdachlos gewesen war. Genauso wie Nika, die nun das Grab ihrer Mutter besuchte. Dallas hingegen war nur wenige Monate hier gestrandet, bevor er von C.H.A.N.C.E. aufgegabelt worden war, und den wir in der Grundausbildung kennengelernt hatten.
»Wie vertreibst du dir jetzt die Zeit?«, wollte ich von ihm wissen, während ich mir den Rucksack von der Rückbank angelte.
»Ich werd an den Strand fahren. Ich liebe das Meer.«
»Äh. Es ist arschkalt und bereits dunkel.«
»Gut erkannt, Sherlock. Das hat der Winter so an sich.«
»Nicht auf Hawaii.« Ich wackelte belustigt mit den Augenbrauen.
Dallas schlug mit der Faust gegen meinen Oberarm. »Mal wieder nen Clown gefrühstückt? Immerhin liegt hier kein Schnee wie bei uns in Kalun. Außerdem liebe ich den Klang und den Geruch des Meeres.«
Ich zog mir eine dunkelbraune Wollmütze über meinen Kopf und versteckte meine gesamten blonden Haare darin. »Dann lass dich mal berauschen. Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier?«
»Jep. Schreib mir, falls du länger brauchst. Ich kann Nika auch zuerst abholen.«
Nickend öffnete ich die Wagentür, stieg aus und klopfte kurz aufs Wagendach, nachdem ich die Tür zugeworfen hatte. Dallas rauschte davon und für einen Moment atmete ich tief durch. Weiße Wölkchen lösten sich vor meinem Gesicht in Nichts auf. Ich schulterte den Rucksack und lief los. Hoffentlich waren meine Erzeuger schon weg. Und hoffentlich hielten sie an ihrer Gewohnheit fest, Silvester und Neujahr saufend und dauerbetrunken in ihrer Lieblingsabsteige zu verbringen.
Ein paar Straßen weiter versteckte ich mich auf der gegenüberliegenden Seite hinter einem der wuchtigen Bäume und beobachtete das Haus des Schreckens, wie ich es früher immer betitelt hatte. Lichter brannten in den vereinzelten Zimmern, aber ich konnte keine Gestalten hinter den Fenstern ausmachen. Ich setzte mich auf den kalten Boden und wartete einige Minuten ab.
Du elender Nichtsnutz, hätte deine Schlampe von Mutter dich besser im Krankenhaus vergessen, erklang der harte Ton meines Vaters in meinem Kopf und ich zuckte zusammen. Egal wie viel Zeit vergangen war und wie intensiv ich meine verkorkste Kindheit mit Doc Sanders aufarbeitete, diese Stimme würde nie verklingen. Alles, was ich tun konnte, war, ihr zu entkommen, indem ich sie in die tiefste Tiefe meiner Seele verbannte. Oder wie der Doc immer sagte: Packen Sie Ihre Dämonen in eine Kiste und verschließen Sie diese so gut, dass selbst Houdini sie niemals würde öffnen können …
Lucky
Die bunten Stroboskoplichter zuckten genauso wild durch den Club wie der Bass unter meinen Füßen. Ich schloss die Augen und atmete einmal tief den Dunst aus Zigarettenrauch, Weed, Schweiß und teurem Parfüm ein. Aaah, das fühlte sich sooo krass an. Mein Körper bewegte sich zum Beat von Calvin Harris, mein Gehirn befand sich schon seit Stunden jenseits von Gut und Böse. Das neue Jahr war angebrochen und ich spürte regelrecht die Veränderung, die es mit sich bringen würde. Alles würde sich ändern! Alles!
Zwei Hände legten sich von hinten an meine Hüften. Ich blickte über meine Schulter und mein Herz schlug augenblicklich schneller. Asher! Endlich! Schon den ganzen Abend wartete ich darauf, dass er die Initiative ergriff, doch bisher hatte er mich null beachtet. Seine Hände glitten vor zu meinem Bauch, er zog mich an sich heran, meinen Rücken fest gegen seine Brust gedrückt.
»Du weißt, dass sie auf uns Wetten laufen haben?«
»Mhm«, nuschelte ich. »Ich hab auch gesetzt.«
Asher lachte. »Dann werd ich dir jetzt mal zu einem ordentlichen Sümmchen verhelfen. Insgesamt sind 2000 Dollar im Pot.«
»Peanuts«, erwiderte ich und drehte mich zu ihm um. Seine dunklen Augen funkelten und im nächsten Moment beugte er sich zu mir herunter und küsste mich.
Johlen und Klatschen brandete im Hintergrund auf; ich stellte mich auf meine Zehenspitzen und er begann den Kuss in eine wilde Knutscherei zu wandeln. Seine Hände glitten wie in einer rasanten Verfolgungsjagd über meinen Rücken, meinen Po hinab und wieder hinauf. Dann zog Asher mein Bein rauf auf seine Hüfte und kniff mir fest in meinen Hintern. Okay … das ging mir etwas zu schnell. Und es war etwas zu intim für die Öffentlichkeit.
Jetzt stell dich nicht so an, murrte meine Stimme irgendwo aus den Tiefen meines alkoholgeschwängerten Bewusstseins. Das ist jetzt dein neues Leben. Deine Chance auf ein gigantisches Jahr! Alles ändert sich. Alles!
»Lasst uns abhauen«, rief irgendjemand und Asher löste sich augenblicklich von mir, nahm meine Hand und zog mich mit sich. Ich stolperte mehr, als dass ich ordentlich ging, aber auch das war mir egal. Der Rausch in meinen Adern, der vollkommen von mir Besitz ergriffen hatte, ließ mich glauben, dass ich schwebte.
»Levia!«, brüllte ich über die Musik im Splash! hinweg, da ich vor lauter Schnelligkeit und Menschenmassen nichts mehr sehen, geschweige denn erkennen konnte.
»Bin da«, hallte es von irgendwoher. Beruhigt klammerte ich mich fester an Ashers Arm. Ohne Levia würde ich nirgendwohin gehen und sie nirgendwohin ohne mich. Gemeinsam kommen, gemeinsam gehen lautete die Devise. Und die hatten wir uns mit einem Blutschwur im Alter von sechs Jahren geschworen.
Ich knallte gegen eine Wand aus Kälte und umgehend fröstelte es mich.
»Meine Jacke«, nuschelte ich, doch Asher zog mich vehement weiter aus dem Club raus, rein in eine wartende Limousine. »Scheiß drauf. Ich kauf dir eine neue. Fünf, Queen. Ach, fuck, ich kauf dir einen ganzen verschissenen Klamottenladen!«
***
Einige Zeit später saß eine kleine Traube meiner Clique im Wohnzimmer von Henry, dessen Eltern die Feiertage auf den Bahamas verbrachten, und spielten Wahrheit oder Pflicht. Ich lehnte mit dem Kopf an Asher, der den Arm um mich geschlungen und mich, seit wir uns geküsst hatten, keine Sekunde mehr losgelassen hatte.
»Wahrheit oder Pflicht?«, fragte Henry, der zuletzt dran gewesen war und als Pflicht Nova hatte küssen müssen.
»Pflicht natürlich. Bin doch kein Schwanzeinzieher«, grölte Asher und lachte tief. Einige lachten über seine Worte, ich nicht. Ich war mittlerweile dermaßen müde und neben mir, dass ich sogar einfach an seiner Seite hätte einschlafen können.
»Puder dir die Nase«, gab Henry als Pflicht auf und sah ihn herausfordernd an.
»Du Arschloch«, erwiderte Asher grinsend. »Du weißt genau, dass ich auf Entzug bin.«
»Pflicht, Pflicht, Pflicht«, riefen die anderen gleichzeitig und Asher hob ergeben die Arme.
»Schon gut, schon gut. Schmeiß rüber.«
Henry warf eine Tüte auf den kleinen Wohnzimmertisch, um den wir uns versammelt hatten, während Asher seine Kreditkarte aus dem Geldbeutel nahm. Er schüttete eine kleine Menge Koks auf die Tischplatte, präparierte das Ganze und rollte dann einen Hundert-Dollar-Schein ein, mit dem er zwei Lines durch die Nase inhalierte.
Ich warf Levia einen Blick zu, den sie schulterzuckend kommentierte. Wir feierten gerne mit viel Alk, Zigaretten und Weed, aber Koks oder andere Drogen waren nicht unsere Baustelle. Für uns gab es einen klaren Unterschied zwischen etwas Spaß haben und sich komplett wegdröhnen. Doch da gehörten wir zu den wenigen in unserer Clique, die so dachten. Je schwerer das Zeug zu bekommen war, desto gehypter wurde es.
»Fuck«, raunte Asher, steckte seine Materialien wieder ein und zog mich dann zu sich, um mich stürmisch zu küssen. Seine Hände wanderten wie selbstverständlich meinen Körper hinab, als hätten sie noch nie etwas anderes getan. Ich ergab mich seiner Wärme, seiner Zärtlichkeit, seiner Nähe, auch wenn seine Küsse mittlerweile mehr feucht und unkoordiniert zungenlastig waren als im Splash!.
Eine Weile spielten wir nur unseren eigenen Film, bis irgendwann mein Name im Chor gerufen wurde. Völlig neben mir stehend blickte ich in die Runde. Was war los?
»Wahrheit oder Pflicht?«, wollte Henry wissen, der wohl schon wieder dran gewesen war.
»Pflicht«, verließ die Antwort meine Lippen, noch ehe ich darüber wirklich hatte nachdenken können.
»Fahr mit meinem Auto den Drive runter und wieder rauf in weniger als zwei Minuten. Wenn du es nicht schaffst, musst du diese …«, er zeigte auf eine Riege kleiner, mit heller Flüssigkeit befüllter Schnapsgläser, »… Shots exen.«
»Ich exe die gleich«, sagte ich wie aus der Pistole geschossen und griff bereits nach dem ersten Glas.
»Rulebreaker, Rulebreaker«, sang es im Chor und irgendjemand nahm mir das Glas aus der Hand.
»Los, Queen. Ich feuer dich auch an!«
»Aber –«
Bevor ich auch nur irgendeinen Einwand vorbringen konnte, stand ich auf meinen Beinen und wurde zur Tür rausgeschoben. Meine Knie begannen zu zittern, meine gechillte und müde Verfassung wich schlagartig einem Angstgefühl und panisch sah ich mich nach Levia um, die mit der übrigen Meute aus der Villa gestiefelt kam. Hilfe, formte ich lautlos mit meinen Lippen.
»Sie ist doch viel zu betrunken«, versuchte Levia mir aus der Patsche zu helfen. Doch vergebens. Niemand achtete auf sie und in Nullkommanichts saß ich hinter dem Steuer, Asher neben mir. Ich konnte nicht mehr klar denken, und das schon seit einigen Stunden nicht mehr. Noch weniger spürte ich, dass ich noch irgendeine Kontrolle über meine Glieder hatte. Meine Sicht war verschwommen und was das Allerschlimmste an dem ganzen Debakel war: Ich besaß keinen Führerschein, weil ich bereits dreimal durch die Prüfung gefallen war. Autofahren flößte mir nämlich eine Scheißangst ein und die spürte ich trotz meines berauschten Zustands immer stärker zu mir durchdringen. Und wenn sie mich erst mal erfasst hätte, wäre ich wie gelähmt.
Nova stand vor dem Auto und hielt ein Tuch hoch. Wie fremdgesteuert drückte ich den Startknopf und umklammerte das Lenkrad. Alleine, um aus der Zufahrt des Anwesens der Brixtons zu kommen, musste ich einen Halbkreis um den Brunnen machen.
»Und los«, schrie Nova, schwenkte das Tuch, die Meute grölte und klatschte.
»Fahr«, brüllte Asher mich an. Erschrocken trat ich auf die Bremse, stellte den Hebel auf Fahren und ließ mit einem Ruck die Bremse los. Wir holperten nach vorne, Asher schrie: »Gib Gas!«
Ich trat aufs Pedal und rauschte in einem stetig schneller werdenden Tempo schlingernd davon und dann war es so weit: Ich konnte mich vor Panik nicht mehr bewegen. Das Auto schlitterte über einen Teil des Brunnens, streifte hart das Eingangstor, raste über die Straße und knallte auf der gegenüberliegenden Seite gegen den Laternenmast. Der Airbag sprang auf, mein Kopf prallte dagegen und pustete mir die Lichter aus.
Peanut
»Wusste ich’s doch, dass ich dich hier finden werde.« Die Tür schloss sich hinter Nika mit einem leisen Klacken, das jedoch vom Knirschen ihrer Schuhsohlen auf dem Schnee verschluckt wurde.
»Ich brauch mal einen kurzen Moment für mich«, erwiderte ich und zog mir die Mütze tiefer ins Gesicht. Ich liebte meine beste Freundin wie niemanden sonst auf der Welt, aber selbst sie wollte – nein, konnte! – ich gerade nicht um mich haben. Doch anstatt mir meine Ruhe zu geben, kam sie angestapft, setzte sich zu mir auf die große Couch, die auf dem Dach des Komplexes stand, und nahm mich in den Arm.
»Du weißt, dass ich deine Wünsche respektiere, Peanut. Aber du hattest deinen Moment nun schon knapp ne Stunde lang und ich mache mir Sorgen. Was ist in Ruston passiert?«
Ich schluckte schwer beim Versuch, weitere aufkommende Tränen zu unterdrücken. Seufzend schüttelte ich den Kopf und knetete meine bereits eisig gewordenen Hände.
»Es ist okay. Dann sitzen wir hier einfach ein bisschen und ich erzähle dir eine Geschichte über einen Jungen, der in seinem Leben schon so viel Shit einstecken musste und immer noch das Gefühl hat, er würde das alles nicht verdienen.«
»Ich verdiene das.«
»Mhm. Es nur zu sagen, reicht nicht aus. Du musst schon wirklich daran glauben.«
»Wie kann ich das? Wie kann ich mich ausschließlich nur für mich freuen, wenn ich weiß, dass es ihnen schlecht geht, und jetzt, jetzt, wo ich endlich die Chance habe, ihnen helfen zu können, mir die Hände gebunden sind?« Fahrig wischte ich mir übers Gesicht. Elenas blau-grüne Wange schimmerte wie ein Hologramm vor meinem inneren Auge. Zusammen mit den Narben, die Alana auf ihren Armen trug.
»Du sagst es: Dir sind die Hände gebunden. Du kannst nichts machen, wenn sie sich nicht dazu entschließen, ihr Zuhause zu verlassen.«
Erste Tränen rollten über meine Wangen. Dieser Schmerz, diese Ohnmacht tat mir so verdammt weh. Nika verstärkte den Griff um mich und legte ihren Kopf an meine Schulter. Ich schluchzte auf. »Ich hab mich getraut, Nini. Ich hab an der Tür geklopft und Landon hat mir geöffnet. Die Alten waren schon seit Stunden verschwunden und sie drei allein. Elena war im Begriff, selbst auf ne Party zu gehen; sie war so dick geschminkt und trotzdem habe ich ihre malträtierte Wange dahinter erkannt. Und Alana und Landon …« Ich brach ab und weinte so bitterlich wie schon lange Zeit nicht mehr.
Das neue Jahr war gerade mal wenige Stunden alt und begann gefühlsmäßig für mich genauso verzweifelt, wie das letzte geendet hatte. Und du bist dir sicher, dass du das machen willst?, dröhnten Nikas Worte durch meinen Kopf. Zu diesem Zeitpunkt war ich felsenfest davon überzeugt gewesen, dass ich das Richtige tat und es mir helfen würde, besser mit der Tatsache zurechtzukommen, dass ich meine jüngeren Geschwister zurückgelassen hatte, als ich elf Jahre gewesen und von zu Hause abgehauen war.
Nun wünschte ich, ich hätte mir vielleicht einen anderen Tag als Silvester dazu auserkoren, sie treffen zu wollen. Ein paar Tage mehr oder weniger … Aber irgendwie war ich dem unerklärlichen Glauben daran aufgesessen, dass sich das Ende des alten Jahres und der Neubeginn des neuen Jahres wie Abschied und Neuanfang verhalten mussten. Und das hätte es auch sein können, wären meine Geschwister nicht so von Angst geprägt. Würden sie mir vertrauen …
Ich löste mich aus der Umarmung, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und atmete ein paarmal durch. »Die Zwillinge sahen echt schlimm aus«, fuhr ich mit meiner Erzählung fort. »Schon allein der üble Gestank nach kaltem Rauch und Abfall, der mir beim Öffnen der Tür entgegengeweht ist, war so zum Kotzen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Blick ins Innere des Hauses war, als wäre ich wieder elf Jahre alt und würde das Alles zum letzten Mal sehen. Es hat sich nichts verändert. Nichts. Zwei erwachsene Menschen haben die Macht, so viele Kinder auf die Welt zu bringen, wie es ihnen beliebt, um diese Kinder zu behandeln, wie es ihnen beliebt. Und niemanden kümmert es.«
»Das ist eine heikle Situation, Nate. Du weißt, dass Polizei und Jugendamt schon vor Ort gewesen sind. Aber weil deine Geschwister immer zur Schule gehen und ausreichend genährt sind und – und das ist der ausschlaggebende Punkt – sie sagen, dass alles in Ordnung sei, sind auch den Behörden die Hände gebunden.«
»Da läuft doch etwas völlig falsch, Nini! Alle Anzeichen sind da; das waren sie schon bei mir und Josie und trotzdem dürfen die beiden immer weiter Kinder in die Welt setzen und kommen mit ihrem Bullshit durch.« Ich sprang auf und kickte den Schnee umher. Meine Trauer hatte sich blitzschnell in ungeheure Wut verwandelt. Das Gefühl meiner Ohnmacht war auf beiden Gefühlsebenen so unheimlich stark, dass es mir nahezu körperlich Schmerzen bereitete, damit umzugehen.
»Da geb ich dir recht. Es ist frustrierend und so schwer es auch ist, das zu akzeptieren, dürfen wir nicht und niemals vergessen, dass es trotzdem sehr viele Institutionen gibt, die unterstützen und helfen, wo sie nur können. So wie C.H.A.N.C.E. Und das bedeutet für mich im Umkehrschluss, dass wir uns genau darauf fokussieren sollten. Auf all die guten Dinge, die wir jetzt bewirken können, und all die Dinge, die andere für viele benachteiligte Kids da draußen tun.«
»Ja. Wenn die das zulassen! Aber wie können sie das, wenn sie von großer Angst geleitet werden? Dabei habe ich so gigantisch gute Pläne für meine Geschwister im Gepäck gehabt.«
Nika hob die Brauen. »Hast du deswegen mit Sky so oft private Sitzungen gehabt?«
»Ja.« Meine Wut verrauchte und ich blieb reglos vor der Couch stehen. »Es war aber alles noch nicht niet- und nagelfest und … na ja, du weißt ja, wie Sky ist. Er würde auch am liebsten die ganze Welt retten, aber ihm sind oft vonseiten des Vorstands die Hände gebunden. Wenn jemand anderes mitbekommen würde, was er für mich in die Wege geleitet hat …«
»Verstehe«, erwiderte sie, stand auf und tänzelte um mich herum. Entgeistert schaute ich sie an.
»Sorry, aber mir friert gleich mein Hintern ein. Zum Glück waren die Winter in Ruston nie so kalt.«
Ich nickte. Ja. Leider lag Kalun nicht am Meer, sondern mehr im Landesinneren, was ich sehr bedauerte. Mir fehlten die Weite des Ozeans und die angenehmen Temperaturen.
»Magst du mir von den Angeboten erzählen?«
»Ich werde dir davon erzählen. Aber nicht mehr heute Nacht. Alles, was ich sagen kann, ist, dass sie die Angebote ausgeschlagen haben und mich das ganz schön fertigmacht.«
Nika stoppte und griff nach meinen Händen. »Das ist deutlich geworden. Und das tut mir wirklich sehr leid. Ich wünschte, ich könnte dir die Enttäuschung nehmen, das Leid.«
»Das tust du doch, Nini. Genau jetzt.«
Lächelnd zog sie mich zur Tür. »Komm, lass uns noch ein paar Momente das neue Jahr in Wärme mit unserer Familie feiern. Alles andere wird morgen auch noch auf uns warten.«
Lucky
Mein Kopf dröhnte, als ich aufwachte. Irgendetwas piepste und behäbig versuchte ich, mich aufzurichten. Doch mein Körper fühlte sich wie ein nasser Sack an – schwer und reglos.
»Bleib liegen, mein Schatz. Dein Vater ruft schon nach dem Arzt.«
Mom? Ich blinzelte und da, in einer sekundenschnellen Abfolge erkannte ich meine Mutter, die mich besorgt ansah.
»Was ist passiert? Wofür brauche ich einen Arzt?«, krächzte ich, da sich mein Rachen total kratzig anfühlte. Irgendwie trocken und verdorrt.
»Erinnerst du dich nicht?«
Erinnern? Ich war feiern. Vermutlich hatte ich zu viel von den Wodka-Red-Bull und lag nun mit einem miesen Kater in meinem Bett. Aber warum sollte Dad dann einen Arzt rufen? Hatte ich etwa eine Alkoholvergiftung? Ich versuchte, meine Augen komplett zu öffnen, aber irgendwie war das schwierig. Ich hob den Arm, damit ich mir mit der Hand meine Augen reiben konnte, doch es ging nicht. Etwas hielt mich zurück.
»Was –«
»Lucky. Du bist wach! Sehr schön.«
Mit aller Kraft riss ich meine Augen auf und erkannte eine Frau in einem weißen Doktorkittel. Sie lächelte freundlich auf mich herab, während sie mit einer kleinen Lampe in meine Augen leuchtete.
»Folge bitte meinem Finger.« Ich tat wie geheißen und spürte in meinem kraftlosen Körper plötzlich Panik aufsteigen. Was stimmte hier denn nur nicht? War ich auf einem Trip? Hatte ich unbedachterweise Drogen genommen, die mich komplett durcheinanderbrachten?
»Wie fühlst du dich?«
»Ich – ich weiß nicht genau. Wie erschlagen? Ich habe Kopfweh und meine Arme lassen sich nicht bewegen.«
»Einen Schnell-Scan von deinem Schädel haben wir bereits durchführen lassen. Dieser sah vollkommen in Ordnung aus. Zur Sicherheit werde ich aber noch ein komplettes MRT veranlassen, um etwaige Komplikationen weitestgehend ausschließen zu können. Außerdem behalten wir dich für die nächsten 48 Stunden zur Beobachtung hier. In deinem rechten Arm steckt der Zugang zu einer Transfusion.«
»Ich bin im Krankenhaus?«
Mein Dad trat neben die Ärztin und musterte mich mit weniger sorgenvollem Blick als meine Mom. Tatsächlich glich sein Gesichtsausdruck jenem, wenn er mir wieder eine Tirade über mein neuerdings beschämendes Verhalten hielt. Seine Worte. Nicht meine. »Du bist im Seabrook-Hospital, Lucky. Du hast mit dem Auto einen Unfall gehabt.«
Erschrocken zuckte ich zusammen. Scheiße! Die Silversternacht! Der Club. Die Party bei Henry. Die Küsse von Asher. Wahrheit oder Pflicht … Die Autofahrt!
Stöhnend schloss ich die Augen bei dem kläglichen Versuch, der Aneinanderreihung der letzten Bilder, an die mich erinnern konnte, zu entfliehen. Verdammter Bullshit. Mein Dad würde mich so was von killen deswegen. Vermutlich bekam ich jetzt wieder Hausarrest für ne Woche. Ich hasste es, nicht das Haus verlassen zu dürfen. Es gab nichts Schlimmeres, als irgendwo eingesperrt zu sein.
Im Hintergrund verabschiedete sich die Ärztin und ich atmete einmal tief durch.
»Trink was«, bat mich meine Mom und hielt mir einen Becher mit einem Röhrchen darin vors Gesicht. Ich hob erneut den Arm, aber konnte ihn nicht bewegen. Mein Blick glitt rüber und ich erkannte die Kanüle in meiner Armbeuge, von der die Ärztin gesprochen hatte. Das erklärte jedoch nicht, warum sich mein anderer Arm ebenso nicht bewegen ließ. Ich schaute nach links und riss ungläubig meine Augen auf.
»Handschellen?«, stieß ich überrascht aus. »Wieso lasst ihr mich ans Bett fesseln?«
Panik stieg in mir hoch. Mein Schädel dröhnte, mein Hals tat weh und mein Herz begann wie wild gegen meinen Brustkorb zu klopfen. Waren sie jetzt völlig verrückt geworden?
»O fuck! Hab ich jemanden totgefahren?«, krächzte ich und hätte mir am liebsten an den Hals gefasst, um diesen widerlichen Kloß wegzudrücken, der plötzlich in meinem Rachen zu stecken schien.
»Nein, o Gott, Lucky! Du bist mit dem Auto kaum aus der Ausfahrt gekommen.«
Meine gesamte Anspannung sackte wie ein Luftballon, auf den getreten wurde, in sich zusammen. Kraftlos fiel ich zurück ins Kissen. »Wieso bin ich dann angekettet wie ein Schwerverbrecher?«
