Schäfchenwolkenhimmel - Gabriella Engelmann - E-Book
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Schäfchenwolkenhimmel E-Book

Gabriella Engelmann

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Beschreibung

Schäfchenwolkenhimmel: Der neue Insel-Roman von Gabriella Engelmann - zum Abschalten und Wohlfühlen! Der neue Urlaubs-Roman von Bestseller-Autorin Gabriella Engelmann. Wyk auf der Insel Föhr - die Möwen kreischen im Wind und die Luft schmeckt nach Salz. Willkommen an der Nordsee. Als Minnie die Gangway des Wyker Fähranlegers hinunter geht, ist es, als würde sie eine verflossene Liebe wiedertreffen. So viele Erinnerungen an ihre alte Heimat auf Föhr, bittersüß und auch ein wenig schmerzhaft. Denn die Ruhe auf Föhr ist bedroht, und Minnie hat den Auftrag, für eine Fernsehsendung über die Veränderungen auf der Insel zu recherchieren. Doch dann kreuzt ein hilfloses Lämmchen Minnies Weg, und ihr Aufenthalt auf der Nordsee-Insel nimmt eine gänzlich andere Wendung. Denn: »Föhr ist ein Ort der großen und kleinen Wunder.« »Eine der klügsten Autorinnen, die es in der Frauenunterhaltung gibt.« Wochenblatt (Landau) »Eine wundervolle Hommage an unsere schöne Insel und ein absolutes Muss für alle Föhr-Fans.« Kirsten Müller-Weckenmann, Wyker Buchhandlung Entdecken Sie auch "Sommerwind", einen weiteren Urlaubs-Roman von Gabriella Engelmann, der Sie auf die zauberhafte Insel Föhr entführt.

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Seitenzahl: 368

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Gabriella Engelmann

Schäfchenwolkenhimmel

Roman

Knaur e-books

 

 

Über dieses Buch

Am Himmel spielen die Wolken mit der Sonne Fangen, Möwen kreischen im Wind, die Luft schmeckt nach Salz und Nordsee. Als Minnie die Gangway des Wyker Fähranlegers hinuntergeht, ist es, als würde sie eine verflossene Liebe wiedertreffen. So viele Erinnerungen an ihre alte Heimat auf Föhr, bittersüß und auch ein wenig schmerzhaft. Denn die Ruhe auf Föhr ist bedroht, und Minnie hat den Auftrag, für eine Fernsehsendung über die Veränderungen auf der Insel zu recherchieren. Doch dann kreuzt ein hilfloses Lämmchen Minnies Weg, und ihr Aufenthalt auf der Insel nimmt eine gänzlich andere Wendung …

Inhaltsübersicht

WidmungHymne der FriesenProlog1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. KapitelEpilogRezepte aus Dörte Nielsens Föhrer KücheDörtes legendärer ButterkuchenDörtes Föhrer Friesen-CruffinsFriesen-CruffinVersunkener Cruffin auf einem Früchtespiegel mit VanillesoßeDörtes deftige Apfel-Lauch-QuicheDörtes Apfelkuchen mit Crème fraîcheKartoffelwaffeln mit RäucherlachsBeschwipste WaffelnUroma Käthes Rhabarber-SchneekuchenNachwort und DanksagungTeam FöhrTeam MünchenTeam HamburgGul, Ruad, Blä
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Für alle FÖHRVERLIEBTEN.

Und ganz besonders für Martha und Jimmy

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Gul, Ruad, Blä

(Hymne der Friesen)

Gulen gleut a hemel uun injemskiin,

gulen leit a skiin auer’t fial,

an gulen as at hier faan min Keike-Eleen,

wat lokelk an rik san wi bial’

 

Ruad san a ruusen tu somertidj,

ruad san föl bloosen uk,

an ruad san a schuken faan min leew bridj,

det san jo föör leefde an lok.

 

Blä as at weeder trinjenam Feer,

blä as a locht auer üs,

an blä san dö uugen, diar lewe ik för,

bal haale det foomen ik tüs.

 

So san a klöören faan üsens lun,

jo leet’f bi huuchhaiden sä,

an föör min hüs skal en flüger stun,

huar a flaag weit: gul, ruad an blä.

 

Originaltext im Mooringer Friesisch von: Albrecht Johannsen

Nachdichtung im hier abgedruckten Föhrer Friesisch von: Reinhard Arfsten aus dem »Liitjinbuk för Feer an Oomram«

 

Golden glüht der Himmel im Abendlicht,

golden liegt der Schein über’m Feld,

und golden ist das Haar von meiner Annekalien,

wie glücklich und reich sind wir beide.

 

Rot sind die Blumen zur Sommerzeit,

rot sind auch viele Blüten,

und rot sind die Wangen von meiner lieben Braut,

das sind sie vor Liebe und Glück.

 

Blau ist das Wasser rund um Föhr,

blau ist die Luft über uns,

und blau sind die Augen, dafür lebe ich,

bald hole ich das Mädchen nach Hause.

 

So sind die Farben von unserem Land,

lass sie bei Familienfeiern sehen,

und vor meinem Haus soll ein Fahnenmast stehen,

wo eine Flagge weht: gold, rot und blau.

 

Deutsche Fassung von Norma aus dem Album »Rückenwind«

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Prolog

Er trat kräftig in die Pedale, denn heute wehte an der Nordsee wieder mal eine steife Brise.

Während der Fahrt atmete er die frische, salzhaltige Luft ein, die er zum Leben brauchte wie kein Zweiter.

Am Himmel spielten die Wolken mit der Sonne Fangen, Möwen kreischten so laut, als wollten sie das Tosen des Windes übertönen. Sein Blick wanderte nach rechts.

Dort lag den Einheimischen und Urlaubern feiner, heller Sandstrand zu Füßen, die Seglerbrücke streckte ihre hölzerne Nase vorwitzig hinaus aufs offene Meer.

Strandkörbe waren überall verteilt wie bunte Würfel.

Im Hintergrund ragte dezent der Leuchtturm Olhörn auf.

Er trug keine rot-weißen Ringel, doch gerade das machte seinen Charme aus.

Diese Insel war keine protzige Diva, sondern von schlichter, ländlicher Schönheit, und genau deshalb liebte er sie so sehr.

Mittlerweile war er auf dem Deich angekommen und bestaunte mal wieder das Wunder, das da vor ihm lag: saftig grünes Gras, durchsetzt von Gänseblümchen, durchmischt mit dem satten Gelb der Butterblumen.

Neugeborene Lämmchen blinzelten verwundert ins Frühlingslicht und schmiegten sich Schutz suchend an ihre Schafsmamas. Seeschwalben und Austernfischer zeigten den Möwen stolz, dass diese nicht die Alleinherrschaft über die Insel hatten.

Nachdem er das Fahrrad ins Gras gelegt hatte, um nach unten zum Hafen zu gehen, blickte er noch einmal in den Himmel und schmunzelte. Die dicke Wolke über seinem Kopf erinnerte ihn an den Berg Schlagsahne, der zur Friesentorte gehörte wie die in den Boden eingelassenen Schachbretter zum Wyker Sandwall.

Zu seinen Füßen lagen Segelboote vor Anker, ein Schiff der Adler-Flotte machte sich zum Auslaufen Richtung Halligen bereit. Der laue Wind trug das aufgeregte Schnattern der Passagiere, die sich auf den Tagesausflug freuten, zu ihm herüber. Nicht mehr lange, dann begann auch für ihn wieder die Saison.

Von Mai bis Oktober fuhr er mit der stolzen Ankerherz hinaus auf sein geliebtes Nordmeer. Mal ging’s zu den Seehundsbänken, mal rüber, der Nachbarinsel Amrum »Moin« sagen. Dann wieder schipperte er in Richtung Langeneß. Ganz, wie es seine Kundschaft wünschte und die Wetterverhältnisse es erlaubten.

Aber noch war es nicht so weit, denn es war erst Anfang April. Alles in ihm kribbelte vor Vorfreude, er war zum Aufbruch bereit.

Doch bis dahin ging er, wie jeden Tag, in seine Lieblingskneipe, das Kehrwieder unten an der alten Mole. Dort hatte er sich früher mit ihr getroffen, aber das war lange her.

Es gab das Kehrwieder schon länger als ihn selbst, und es würde die Kneipe immer noch geben, wenn er zu seiner allerletzten Fahrt aufbrach. Und das war auch gut so.

 

Tove Paulsen mochte es, wenn die Dinge ihre Ordnung hatten, und das hatten sie auf Föhr – da gab es kein Vertun, auch wenn einige anderes munkelten und die Welt um sie herum sich Sandkorn für Sandkorn veränderte …

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1.

Die anderen Inseln haben wir schon durch. Also: Was wissen wir über Föhr?«

Mehrere Augenpaare heften sich gespannt auf meine Chefin Evangeline Schmidt. Platinblond-schön sitzt sie da und mustert uns mit stahlblauem Blick. In unserer Bamberger Redaktion von Travel TV gilt sie als harter Hund. Und das ist sie wirklich, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

»Föhr ist doch diese Insel mit der berühmten Milchbar. Wo man die tollen Sonnenuntergänge gucken kann.« Laura, neu in der Redaktion, schaut Evangeline Lob heischend an.

Doch die rollt nur die Augen und klopft mit dem Montblanc-Füller auf die Tischplatte. »Die Milchbar befindet sich auf Norderney und steht hier überhaupt nicht zur Debatte. Irgendwelche intelligenteren Wortmeldungen?«, zischt sie, während ich darauf warte, Material für das Protokoll unseres Jour fixe, das tägliche Redaktionsmeeting, zu sammeln.

In diesem Punkt ist meine Chefin allerdings falsch informiert: Auch auf Föhr gibt’s eine Milchbar mit Kultstatus.

»Föhr ist eine ostfriesische Insel, in der man super Fahrrad fahren und sich erholen kann«, versucht als Nächstes Jan sein Glück. Unser Volontär hat zwar das Work-and-Travel-Jahr in Australien verbracht, kennt aber offenbar seine eigene Heimat nicht. Was will so jemand eigentlich in der Redaktion eines TV-Reisemagazins?

»Erstens heißt das auf einer Insel, und zweitens empfehle ich dir dringend, mal die Deutschlandkarte zu studieren oder Google Maps. Oder irgendeine App, die klüger ist, als du es jemals sein wirst.« Das Zischen kippt um in ein Blaffen.

»Meine Güte! Ist denn hier keiner, der weiß, wie es auf Föhr zugeht?« Evangelines Hand nähert sich mit dramatischer Geste der knitterfreien Stirn.

Tief Luft holen und einmal durch meine krause, rote Mähne fahren, bevor alle mich anschauen – denn dies ist mein Moment. Schließlich habe ich all meine Kindheitssommer dort verbracht. »Föhr ist eine nordfriesische Insel im Wattenmeer«, werfe ich mich beherzt ins Getümmel.

Ich muss die Situation unbedingt retten, sonst sitzen wir noch bis heute Abend hier. Doch das geht auf gar keinen Fall, denn ich habe nachher eine Verabredung mit Cordt.

Eine Aussprache nach seinem Heiratsantrag vor drei Wochen. »Auf Föhr wohnen über achttausend Menschen, verteilt auf das Hafenstädtchen Wyk und insgesamt elf Dörfer. Die Insel lebt von Tourismus, Ackerbau und Viehzucht.« An dieser Stelle verschleiert sich Evangelines Blick, wie immer, wenn sie sich langweilt, doch da muss sie jetzt durch. »Es wird Wein angebaut, in Oldsum haben viele Künstler ihre Ateliers. Die schönsten Sonnenuntergänge sieht man in Utersum, es ist ruhig, entspannt, bodenständig – aber leider droht Föhr allmählich zu versylten.«

»Sylt?!« Nun ist Evangeline wieder ganz Ohr. »Erzähl mir mehr davon.«

 

Ich bin zehn Minuten vor der Verabredung mit Cordt bei unserem Lieblingsitaliener, denn ich muss mich mental und emotional auf unser Gespräch vorbereiten. Wie sagt man jemandem, den man eigentlich sehr gern hat, dass man ihn nicht heiraten will?

Cordt ist fünfundvierzig Jahre alt, also zwölf Jahre älter als ich. Deshalb bin ich auch nicht gleich vor Begeisterung umgefallen, als er mich vor gut fünf Monaten in einem urigen Kellerrestaurant ansprach, wo ich einen lustigen Mädelsabend mit meiner Freundin Alva verbracht hatte. Doch Cordt war so charmant hartnäckig und sympathisch, dass ich ihm zu guter Letzt meine Handynummer gab. Kurze Zeit später wurden wir ein Paar, doch er hatte von Anfang an mehr Gefühle für mich als ich für ihn. Deshalb habe ich jetzt auch ein schlechtes Gewissen und ein bisschen Bammel vor dem, was ich ihm gleich sagen muss.

Aber kann man wirklich etwas dafür, wenn man den anderen nicht in dem Maße liebt, wie derjenige es sich wünscht? Liebe kommt doch nicht einfach auf Knopfdruck wie Kaffee aus dem Automaten. Und es ist ja auch nicht so, dass ich nicht ernsthaft versucht hätte, mich in Cordt zu verlieben. Nur hat es nicht wirklich ZOOM! gemacht, wie es sollte, um sich in ein großes Abenteuer namens Der Bund fürs Leben zu stürzen.

So ein Leben kann nämlich ganz schön lang sein.

»Hallo, mein Schatz.« Cordt beugt sich zu mir herab, gibt mir einen Kuss auf die Wange und setzt sich dann mir gegenüber. Ich brauche nicht auf mein Handy zu schauen, um zu wissen: Es ist Punkt achtzehn Uhr. Cordt ist einer der zuverlässigsten Männer, die ich kenne. Keiner, der denkt: »Ich will doch nur spielen«, sondern einer, der es ernst meint.

Mit ihm an meiner Seite habe ich mich sicher gefühlt und gut aufgehoben. Doch das reicht mir nicht, um zu heiraten. »Und? Was wollen wir essen?« Der unbeschwerte, leichte Tonfall seiner Stimme ist gespielt. Fünf Monate sind zwar keine ewig lange Zeit, aber lange genug, um sich einigermaßen zu kennen. Schade, denn ich mochte ihn sehr: sein Lachen, seine manchmal etwas schrägen Witze, seine Kochkünste, seine Beständigkeit. Oje, wir haben noch nicht einmal bestellt, und schon denke ich an ihn in der Vergangenheitsform, obwohl ich gar nicht möchte, dass wir uns trennen.

»Ich nehme die mit Spinat und Ricotta gefüllten Gnocchi von der Tageskarte. Und vorweg einen kleinen Salat.«

Cordt sieht mich erstaunt an. »Nicht die Bruschetta und die Linguine mit Scampi wie sonst?« Über sein Gesicht huscht ein Schatten. Ahnt er, was kommt?

Minerva Hübner, genannt Minnie, schert heute mal aus – und das nicht nur bei der Wahl des Essens.

»Nein, mir ist heute mehr nach Abwechslung.« Ich straffe meine Schultern und spanne die nicht vorhandenen Bauchmuskeln an. »Und was möchtest du?«

»Ein ›Ja‹ als Antwort auf meinen Antrag.«

Oha! Ich weiß schon, wieso ich diese Aussprache nicht beim Italiener führen wollte.

»Wollen wir nicht erst mal in Ruhe essen? Mit vollem Bauch …«

»Also willst du mich nicht heiraten?! Und für diese Entscheidung hast du ganze drei Wochen gebraucht?«

Cordt sieht aus, als wolle er mich gleich erdolchen.

Mein Gesicht ist kochend heiß wie Minestrone.

Ich will nicht, dass das hier eskaliert.

Und ich möchte ihn nicht verlieren.

Trotzdem muss ich ehrlich sein.

»Ich kann dich nicht heiraten, weil ich finde, dass es noch zu früh dafür ist«, versuche ich, meine Entscheidung zu verteidigen. »Wir haben es bisher nicht gerade langsam angehen lassen. Vielleicht sollten wir an diesem Punkt lieber mal etwas vom Gas gehen. Eine Eheschließung ist etwas Besonderes … etwas, wenn du so willst, Heiliges … dafür muss man sich doch ganz sicher sein.« Meine Gedanken fliegen kurz zu meinen Eltern, die zwar eine gute Ehe führen, aber keine, wie ich sie mir für mich wünsche. Zu wenig Herzlichkeit. Zu viel Abgeklärtheit.

»Aber ich bin mir sicher!« Cordt mustert mich mit einer Mischung aus Trauer und Trotz. »Worauf willst du denn warten, Minnie? Du bist dreiunddreißig, also im besten Alter, um eine Familie zu gründen. Ich bin fünfundvierzig und möchte meine Kinder nicht erst im Arm halten, wenn ich nicht mehr die Nerven dafür habe. Wir beide verstehen uns, haben ähnliche Interessen, können gemeinsam lachen. Ich höre mir geduldig dein Gejammer über deine nervige Chefin an … der du dann im Übrigen den Job vor die Füße werfen könntest. Wie du weißt, verdiene ich gut genug für uns beide.«

Himmel, hilf, bin ich eigentlich irre?

Gefühlt eine Million Frauen würden jetzt sofort weiche Knie bekommen, aber mich packt der Fluchtinstinkt. Denn in meinem Kopf läuft bereits der Film Minnie Hübner, ein Leben in wohlgeordneten Verhältnissen ab.

Ich mag aber keine Filme, deren Ende ich bereits beim Vorspann vorhersagen kann.

Für mich muss Liebe sein wie in dem Roman Gut gegen Nordwind.

Es muss knistern, es muss lodern, da müssen Magie und Musik drin sein!

Es braucht auch mal das Ungewisse, das Geheimnisvolle, das Fremde. Ein bisschen Bangen und Fiebern.

Kurz: ein leidenschaftliches Feuerwerk.

»Das ist sehr lieb von dir, aber nicht nötig«, beeile ich mich zu versichern, dass ich sehr wohl allein auf meinen kurzen, eher stämmigen Beinen stehen kann. »Auch wenn Evangeline manchmal die Pest ist, mag ich Travel TV und würde dort langfristig gern mehr machen als lediglich Assistenz.«

»Dann arbeitest du eben weiter. Ganz wie du möchtest, mein Liebling.« Cordts Miene wird milder, seine Stimme weicher. Die Kellnerin nähert sich unserem Tisch, doch ich schüttle den Kopf. Sie dreht wieder ab.

»Es geht hier doch gar nicht darum, ob ich arbeite oder nicht«, versuche ich den Faden wieder aufzunehmen. »Sondern schlicht um die Frage, ob wir als Paar auch ohne Trauschein glücklich sein können. Wir wohnen ja noch nicht mal zusammen, wer sagt uns denn, dass das klappt?«

»Warum sollte es denn nicht? Wir verbringen oft mehrere Tage am Stück miteinander, und wir waren drei Wochen gemeinsam im Urlaub. Oder sind das jetzt alles nur Ausflüchte, weil du mich im Grunde nicht wirklich liebst?« Cordts Augen verengen sich zu Schlitzen, der Zug um seinen Mund wird hart. »Wenn das der Fall sein sollte, Minerva, beenden wir an dieser Stelle das Gespräch. Und unseren Kontakt.«

Das Blut saust in meinen Ohren, und ich nippe an meinem Wasser. Was sage ich denn jetzt bloß?

Wenn ich ehrlich antworte, war’s das.

Cordt ist kein Mann für faule Kompromisse.

Cordt ist ganz oder gar nicht.

Aber da muss ich jetzt durch!

 

Um halb neun Uhr abends habe ich ein Notfalltreffen mit Alva. Sie ist diejenige meiner Freundinnen, die emotional verzwickte Situationen im Handumdrehen löst, nicht nur, weil sie ein paar Jahre älter ist als ich, sondern auch, weil sie erschreckend pragmatisch und ehrlich ist. Das tut zwar manchmal weh, ist aber unterm Strich hilfreich.

»Toll, dass du so spontan Zeit hast.« Dankbar falle ich ihr um den Hals. Dann drücke ich Alva zwei Flaschen Rotwein, die ich von daheim mitgebracht habe, in die Hand.

»War’s so schlimm mit Cordt?«, fragt sie und schiebt mich ins Wohnzimmer. Alva liebt es stylish und cool, doch ich würde hier auf Dauer meine Kuscheldecke und die vielen bunten Kissen vermissen, zu denen Jahr für Jahr neue hinzukommen.

Sollte ich mal bei Travel TV scheitern, könnte ich problemlos einen Kissenladen eröffnen.

»Ja und nein«, antworte ich und lasse mich stöhnend auf den neu bezogenen Thonet-Sessel fallen, den Alva gerade vom Bonus ihres letzten Deals gekauft hat. Gemütlich ist irgendwie anders, denke ich, dabei ist mein Popo ziemlich gut gepolstert. »Die schlechte Nachricht ist, dass Cordt und ich uns getrennt haben.«

»Also hast du ihm endlich gesagt, dass du ihn nicht heiraten willst?!«

Ich nicke. »Und nun leidet er ganz furchtbar …«

»… und du gleich mit«, ergänzt Alva, während sie die Weinflasche öffnet. »Wie oft habe ich dir schon gepredigt, dass du dir die Gefühle und Probleme anderer nicht immer so zu Herzen nehmen darfst, weil das gar nicht gut für dich ist. Du liebst ihn eben nicht genug, was wir beide von Anfang an wussten, und damit basta. Also, wie hat er reagiert?«

Blutrot glänzt der Wein in zwei schicken, geschliffenen Gläsern, die nur per Hand gespült werden dürfen, was allerdings Alvas Putzfrau erledigt.

»Er hat gesagt, dass er mich nicht mehr wiedersehen möchte, weil ihn meine Abfuhr so fertigmacht.«

»Oha«, sagt Alva. »Und nun?«

»Nun müssen wir das beide erst mal alles sacken lassen und vielleicht in ein paar Wochen schauen, ob wir eine Basis für so etwas wie Freundschaft finden.« Noch während ich so vor mich hin plappere, merke ich, dass das Unsinn ist.

Als Cordt aus dem Restaurant gestürmt war, hatte ich neben Wehmut und Traurigkeit vor allem eines empfunden: Erleichterung.

Alva schüttelt den Kopf. »Was für ein Quatsch, vorbei ist vorbei.«

»Ich habe aber auch eine gute Nachricht.« Trotz der Trauer darüber, nun wieder allein zu sein, macht sich kribbelnde Vorfreude in meinem ganzen Körper breit. Wie kurz vor Weihnachten, wenn man vor all den hübsch verpackten Geschenken steht, die unter dem Tannenbaum liegen. »Evangeline schickt mich zu Recherchen für einen Beitrag nach Föhr. Übermorgen geht’s los, ich bleibe insgesamt sieben Tage. Die ersten beiden sind privat beziehungsweise für Vorbereitungen, die fünf anderen für Travel TV. Da kann ich mir den Kopf freipusten lassen und versuchen, die Sache mit Cordt zu verarbeiten. Ist das nicht großartig?«

Alva lächelt breit. »Nach Föhr?! In unsere alte Heimat? Wie lange ist es her, dass du zum letzten Mal dort warst?«

»Dreizehn Jahre. Nach dem Tod von Oma Rieke habe ich es irgendwie nicht mehr geschafft hinzufahren.«

»Bamberg ist ja auch nicht gerade um die Ecke«, murmelt Alva, in Gedanken offensichtlich ebenfalls auf Föhr. Sie ist dort geboren, aber wegen ihres BWL-Studiums weggegangen und später nach Stationen als Unternehmensberaterin erst nach München, dann nach Frankfurt und vor sieben Jahren nach Bamberg gezogen. Ich kenne sie, weil sie kurze Zeit meine Nachbarin war, ehe sie sich diese Eigentumswohnung gekauft hat. Seit dem Tag, an dem sie sich mir vorgestellt und mich auf einen Cocktail in die Bar unten im Haus eingeladen hat, sind wir befreundet. Dass wir beide eine Verbindung zu Föhr haben, ist das Basilikum in unserem Gin Basil Smash.

»Hm, vielleicht sollte ich mitkommen?« Schon scrollt Alva durch den Terminkalender ihres Smartphones, und ich denke an Cordt. Wie er sich jetzt wohl fühlt? Er hat so traurig und verzweifelt ausgesehen wie ich vor neun Jahren, als meine Jugendliebe Andreas mich verlassen hatte, weil er Berlin spannender fand als mich und Bamberg.

Liebeskummer ist eines der grausamsten Gefühle überhaupt. Ich möchte nicht, dass Cordt leidet, und schon gar nicht meinetwegen. Oh, nein, ich muss diesen Gedanken ganz schnell von mir schieben, bevor ich aus Mitleid und schlechtem Gewissen zum Hörer greife und meine Entscheidung rückgängig mache.

Doch zum Glück lenkt Alva mich ab. »Ach, schade, das klappt leider doch nicht, ich muss zu einer Schulung nach Frankfurt«, sagt sie und zieht einen enttäuschten Flunsch. Wer jetzt denkt, Alva müsse geschult werden, liegt vollkommen falsch. Sie ist diejenige, die andere coacht, diejenige, die am Drücker sitzt – am Schalthebel der Macht, wenn man so will. Denn Alva ist ein Ass in ihrem Job, eine Business- und Karrierefrau wie aus dem Lehrbuch.

Und Single. Wie ich jetzt auch.

»Wo wirst du wohnen? Und wie kommt’s, dass du diesmal selbst an den Drehort fährst, anstatt wie sonst vom Schreibtisch aus zu arbeiten?« Typisch Alva, dass sie gern bei den sachlichen Themen andockt: Wo übernachtest du? Wie kommst du dorthin? Wie viel verdienst du?

»In der Pension Haus Ogge in Nieblum«, antworte ich in Gedanken an die schnuckelige Unterkunft, die ich natürlich sofort gegoogelt habe. »Die Vermieterin quartiert häufig Leute aus der Film- und TV-Branche bei sich ein. Und was deine zweite Frage betrifft: Evangeline träumt von einer Stelle als CEO und hat zurzeit vermutlich Wichtigeres zu tun, als sich mit so etwas Banalem wie Recherche auf einer Insel zu beschäftigen, die sie kein Stück interessiert.«

Alva grinst und kräuselt dabei die Nase, total putzig. Sie hat dann so kleine, zarte Rillen auf dem Nasenrücken, die bestimmt dableiben, wenn sie das öfter macht. Sie ist neununddreißig und seit mindestens zehn Jahren schwer beschäftigt mit Anti-Aging-Prävention, für die mir das Geld viel zu schade wäre, selbst wenn ich es hätte. Habe ich aber nicht, denn Travel TV muss sparen, wie Evangeline immer wieder gerne betont.

»Ogge, Ogge …« Das Nasenkräuseln hört gar nicht mehr auf, Alva überlegt fieberhaft. »Ha! Jetzt weiß ich’s wieder! Muss echt sehr charming sein da. Ich schicke meiner Freundin Leevke in Nieblum, von der ich dir schon erzählt habe, gleich eine WhatsApp, damit sie dir auf Föhr unter die Arme greifen kann, falls du dort Hilfe brauchst. Der Sender wünscht sich doch bestimmt etwas, das nicht in tausend anderen Reportagen schon abgenudelt wurde, oder?«, fragt sie, voll im Orga-Fieber, und ich nicke erfreut. Da ich gern ein bisschen mehr Verantwortung bei Travel TV übernehmen würde, kommt diese Chance wie gerufen. »Leevke kennt sehr viele Leute auf der Insel«, murmelt Alva und tippt weiter auf ihrem Handy herum. »Sie kann dir ganz bestimmt Kontakte zu dieser – wie nanntest du die gleich noch mal? – Fighters-for-Föhr-Initiative vermitteln. Und dann zeigst du denen bei Travel TV mal, wer für ’ne Beförderung fällig ist!«

Diese Fighters for Föhr heißen nicht wirklich so, das habe ich mir nur ausgedacht, als ich nach der Redaktionssitzung auf Artikel im Netz stieß, die darüber berichteten, dass einige auf Föhr sich mit allen Mitteln gegen die drohende »Versyltung« wehren, ohne dass man weiß, wer diese Leute sind. Sie agieren im Geheimen, und ihre Protestaktionen stoßen nicht nur auf Unmut beim Tourismusverband, sondern auch bei zahlreichen Insulanern.

Leevke ist genauso fix wie Alva, denn wenige Sekunden später kommt ein »Daumen hoch« aus Nieblum, und zack! – folgen auch schon ihre Kontaktdaten.

Als ich eine Stunde später leicht beduselt im Bett liege und überlege, was ich vor meiner Abreise noch alles erledigen muss, wird mir schmerzlich klar, dass Cordt ab sofort unwiderruflich keine Rolle mehr in meinem Leben spielen wird.

Das Fehlen der allabendlichen Nachricht »Schlaf gut, Süße, ich träume von dir« hinterlässt bei mir ein schales Gefühl von Einsamkeit und Leere. Ich schlucke die Tränen hinunter, die aus meinen Augen purzeln wollen, denn das wäre Cordt gegenüber nicht gerecht. Schließlich wollte ich ihn nicht heiraten.

Und mit einem Mal überkommt mich Katzenjammer: Werde ich, Minnie Hübner, gehandicapt durch eine geradezu manische Tinder-Phobie, jemals die wahre Liebe finden?

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2.

Bin ich müde.

Erst die ewig lange Fahrt mit dem Zug von Bamberg nach Hamburg, dann nach Niebüll und zuletzt Umsteigen in die neg Richtung Fähranleger Dagebüll.

Ganz schön anstrengend, vor allem mit so viel Gepäck.

Doch zum Glück kann man die Koffer jetzt über eine Gangway auf die Fähre rollen, das gab’s vor dreizehn Jahren noch nicht. Damals gab’s auch noch keine Scanner für die Fährtickets. Sie wurden vom Bordpersonal höchstpersönlich abgeknipst, und man wurde mit einem freundlichen »Moin« begrüßt.

Oje, klinge ich jetzt wie eine alte Dame, die über den schnellen technischen Fortschritt jammert, der ihr das Leben von Tag zu Tag ein kleines bisschen schwerer macht? Hoffentlich nicht.

Oma Rieke hätte die Gangway sicher auch toll gefunden, weil das eben einfach bequem ist. Allerdings hat sie Föhr schon lange bevor sie in ihrem Haus in Süderende eines Abends sanft für immer einschlief, nicht mehr verlassen, um in Richtung Festland zu fahren. Den Höhepunkt ihrer Mobilität im Alter bildete das Treffen mit einer guten Freundin auf Amrum, die sie zweimal im Jahr besuchte.

Rieke war eine treue Seele und auch ihrer Insel in unverbrüchlicher Liebe zugetan.

»Fahren Sie nach Föhr oder Amrum?«, fragt mich ein älterer Herr, der sich zu mir an einen der langen Tische am Fenster des Bordrestaurants setzt und sich gleich die Speisekarte schnappt.

»Nach Föhr«, erwidere ich, während der Name der Insel in mir nachklingt wie eine ganz besonders betörende Melodie: Feer, wie Föhr auf Friesisch heißt.

Vier winzige Buchstaben, ein großes Universum, das in den vergangenen Jahren für mich immer mehr in den Hintergrund gerückt ist, weil es ein bisschen wehtut, an diese Insel zu denken. Föhr, das ist von Oma Riekes Apfelmus naschen, nachdem wir die Äpfel von ihren Bäumen geerntet, gewaschen und geschnippelt haben. Gemeinsame Fahrten mit dem Rad zur Milchtankstelle des Alkersumer Hofladens, weil Oma keine andere Milch mochte. Die sonntäglichen Gottesdienste in der Dorfkirche St. Laurentii in Süderende, auf deren Friedhof sie neben Opa begraben ist. Lange Spaziergänge von Nieblum nach Wyk, malerische Sonnenuntergänge in Utersum, Dorffeste und Trachtentänze in Oevenum und Oldsum. Mit Oma durch die Marsch spazieren, den unendlich weiten Himmel über uns. Heimlich Strandfliederblüten in den Salzwiesen pflücken, selbst gesammelte Muscheln auf Bilder kleben.

»Föhr also.« Der alte Herr schüttelt den Kopf, als hätte ich gerade etwas besonders Dummes gesagt. »Vergessen Sie doch dieses öde Eiland, Amrum ist tausendmal schöner. Was wollen Sie denn auf Föhr? Da stinkt’s nach Kuhmist, es gibt keine schönen Strände und keinen Kniepsand.« Mein Gegenüber schaut mich mit blitzenden Augen an, und mir ist nicht ganz klar: Will er mich auf den Arm nehmen, oder meint er das ernst? »Wyk ist hässlich, da stehen viel zu viele hohe Häuser, außerdem drehen die Insulaner allmählich durch und halten sich für Sylter.« Okay, der meint tatsächlich, was er sagt.

Als der Kellner unsere Bestellung aufnehmen will, beschließe ich spontan einen Kurswechsel: Ich habe keine Lust zu reden, und schon gar nicht auf ein unsinniges Kräftemessen Team Amrum gegen Team Föhr. Was mich mit dieser Insel verbindet, geht nur mich etwas an. Also murmele ich: »Gute Fahrt«, und flüchte nach oben an Deck, wo sich um diese Jahreszeit die meisten Passagiere aufhalten. Denn jetzt ist es endlich warm genug, um von dort aus aufs Meer, die Seehundsbänke und die Halligen zu schauen, deren Warften wirken wie kleine Hügel, die auf dem grün schimmernden Wasser schwimmen.

Wieso habe ich das nicht gleich gemacht?, frage ich mich, als sie mir tief in die Nase, die Lungen und ins Herz dringt: die wunderbarste, tollste, würzigste und intensivste Luft überhaupt – die der Nordsee.

Kurz darauf folgt die Antwort. Möwen mit silbergrauen Schwingen begleiten unsere Fahrt, ziemlich dicht über unseren Köpfen. Viel zu dicht für meinen Geschmack. Als eine von ihnen auf mich zuschießt, ducke ich mich hinter einer Bank, als gälte es, einen feindlichen Luftangriff abzuwehren.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragt eine Stimme, die zu einem Mann gehören muss, wenn es nach den Boots geht, in denen die Füße stecken, die ich nun direkt vor meiner Nase habe. Und nach der Stimmfarbe natürlich. »Sind Sie seekrank?«

»Äh, nein, alles okay«, stammle ich und tauche widerwillig auf. »Ich … ich habe nur …« Dummerweise bin ich außerstande, den Satz zu beenden, denn über den derben Boots entdecke ich eine coole Jeans (lange Beine), einen offenbar durchtrainierten Körper und ein markantes Gesicht, das zugleich interessant und freundlich wirkt und mich sofort umhaut. »Meine Kontaktlinse ist rausgefallen, und …« Ich muss diesem unfassbar attraktiven Kerl ja nicht verraten, dass ich panische Angst vor Vögeln habe.

Auch nicht, dass ich gar keine Linsen trage.

»Aber Sie haben sie wiedergefunden, ja?« Der Mann, den ich auf der Stelle heiraten würde, wenn er mich fragen würde, sieht besorgt aus. Wie nett!

»Ja, na klar«, antworte ich und könnte mich ohrfeigen.

Warum verfalle ich immer in eine Art Schockstarre, wenn ich einem Mann begegne, der mir gefällt? Das kommt zwar nicht häufig vor, aber alle Jubeljahre geschieht so ein Wunder. »Alles wieder bestens, ich kann perfekt sehen.«

»Das freut mich«, sagt mein Gegenüber. »Dann wünsche ich Ihnen noch eine gute Fahrt.« Spricht’s und macht auf dem Absatz kehrt. Mist! Wieso bin ich keine Flirtkanone wie Alva? Die würde sich so einen sympathischen Typen auf gar keinen Fall durch die Lappen gehen lassen. Statt ihn zum Kaffee einzuladen, weil er so besorgt um mich war, schaue ich ihm hinterher und behalte gleichzeitig den Himmel im Blick.

Ja, es ist peinlich, und ja, es ist kindisch: Aber ich habe Angst vor Vögeln. Nicht von Anfang an, aber seit ich mit etwa acht Jahren heimlich mitgeschaut habe, als Oma Rieke sich den Hitchcock-Film Die Vögel angesehen hat. Nachdem ich zehn Minuten im kalten Flur gekauert hatte, war ich bereits so in Panik, dass ich wochenlang Albträume hatte. Natürlich habe ich nie jemandem den Grund für meine Schlafstörungen verraten, die Oma und meinen Eltern Anlass zu Besorgnis und für wilde Spekulationen gaben:

a) Wächst das Kind zu schnell?

b) Hat es Probleme in der Schule?

c) Womöglich Streit mit den Freundinnen?

d) Isst es zu wenig?

A) und d) gehörten in die Kategorie »vollkommen absurd«, denn ich war immer schon sehr klein. Und ich habe immer schon sehr gern gegessen.

In Kindheitserinnerungen versunken, hätte ich beinahe den schönsten Moment der Fahrt verpasst: die Ankunft. Der ältere Herr von vorhin hat schon ein bisschen recht – die Skyline von Wyk spiegelt nicht den Charme Föhrs wider. Doch die hohen Bauten der Hotels und der Nordseeklinik gehören genauso zur Insel wie die stillen Ecken an der Godel, die weite Marsch und die Salzwiesen des Oldsumer Vorlands.

Die Worte Willkommen auf Föhr prangen auf der Anzeigetafel des Wyker Fährterminals, und mein Herz beginnt so heftig zu pochen, als hätte ich gleich ein Rendezvous. In gewisser Weise stimmt das natürlich auch, das wird mir ganz deutlich bewusst, als ich meinen Koffer die Gangway hinunterrolle, den Blick fest auf den hellen Sandstrand gerichtet.

Ich habe eine Verabredung, wenn auch kein Blind Date.

Es ist eher so, als würde man eine Liebe wiedertreffen, die längst verflossen scheint. Die man im hintersten Winkel seines Herzens versteckt hat, weil die Erinnerung an sie bittersüß ist und damit auch ein wenig schmerzhaft.

Föhr, meine Familie und ich – das ist eine Geschichte, in deren Kapitel mir nicht vollständig Einblick gewährt wurde. Seit Evangeline mir diesen Auftrag erteilt hat, überlege ich: Wieso gerade jetzt?!

»Minnie Hübner?«

Warme, braune Augen sind auf mich gerichtet, in der Hand hält die Dame, zu der diese schönen Augen gehören, ein Pappschild mit der Aufschrift Pension Haus Ogge.

Ich nicke und erwidere den festen Händedruck von Dörte Nielsen, während der attraktive Typ vom Deck an mir vorbeigeht, mir und Dörte kurz zulächelt (Sie lächelt zurück, also kennt sie ihn vielleicht?!) und dann zwischen all den Menschen verschwindet, die ihre Lieben von der Fähre abholen oder dorthin bringen, weil sie Föhr wieder verlassen.

»Na, dann kommen Sie mal mit«, sagt Dörte Nielsen und lotst mich zu ihrem Minivan, der an der Hafenmauer parkt. »Hartelk welkimen auf Föhr! Sie kennen die Insel ja ziemlich gut, wie ich von Leevke weiß.«

»Sie kennen Leevke?«, frage ich verdutzt.

Ob ich die Pensionswirtin mal fragen sollte, ob sie auch weiß, wer der nette Herr vom Oberdeck ist?

Doch diese Überlegung erübrigt sich, da ebendieser Mann wieder in meinem Blickfeld auftaucht und von einer jungen, hübschen Blondine begrüßt wird, die ihm stürmisch um den Hals fällt.

»Natürlich weiß ich, wer Leevke ist«, erwidert Dörte Nielsen und steuert das Auto in Richtung Nieblum.

Schon bald liegt die Stadt, wie die Föhrer Wyk nennen, hinter uns, und wir fahren Richtung Föhr-Land. Pferde grasen friedlich auf den Weiden mit dem zartgrünen Frühlingsgras, durchsetzt von Löwenzahnblüten, die die Wiesen in einen gelb-grünen Farbteppich verwandeln. Links und rechts erheben sich immer wieder kleine Hügel, von denen es auf Föhr sehr viele gibt, wie zum Beispiel der Ringwall Lembecksburg nahe Borgsum, den Oma Rieke so sehr liebte.

Aus zehn Metern Höhe hat sie von dort früher gern auf die Nachbarinseln Amrum und Sylt geschaut und ab und zu dort auch gemalt. Zart und winzig saß sie vor ihrer Staffelei, eins mit sich, ihren Gedanken und ihrer unermesslich großen Liebe zu den nordfriesischen Inseln.

Im Moment ist es mir ganz recht, dass die Friesen keine Quasselstrippen sind, so kann ich ungestört die Landschaft bestaunen und meinen Erinnerungen nachhängen.

Mich behutsam einer Welt nähern, die schon so lange nicht mehr für mich ist als ein Duft, ein Gefühl, ein im Nebel verborgenes Etwas, das ich weder scharf sehen noch greifen kann.

Schneller als erwartet kommt das Ortsschild von Nieblum in Sicht, und keine zwei Minuten später parkt meine Vermieterin vor der Pension. Und schon bin ich verliebt: in den malerischen Garten und den kleinen Teich vor dem friesischen Haus, in dessen Wasser sich bunte Frühlingsblumen spiegeln. In das rustikale Wagenrad, das an der weiß getünchten Mauer lehnt, den Strandkorb mit hellgrau-weiß gestreiftem Innenfutter vor dem Eingang der Pension, die schnuckelige Stuuv – und das noch schnuckeligere Zimmer unter Reet, in dem ich sieben Tage wohnen werde. Mittlerweile ist es fast halb sieben Uhr abends, Zeit, meinen Eltern Bescheid zu geben, dass ich gut angekommen bin.

Meine Mutter ist so schnell am Apparat, als hätte sie auf den Anruf gelauert. »Wie geht’s dir, mein Schatz? War die Reise nicht viel zu anstrengend? Wie gefällt dir die Pension und dein Zimmer? Was hast du heute Abend noch vor? Wie ist das Wetter auf Föhr?«

»Nun lass Minnie doch mal zu Wort kommen, Greta«, ruft Papa aus dem Hintergrund, bestimmt schüttelt er gerade missbilligend den Kopf. Ich atme tief durch, weil ich den Grund für das Frage-Feuerwerk erahne: Mama vermisst Oma Rieke und Föhr, will das aber nicht zugeben, und übertüncht ihre Sehnsucht mit einem Redeschwall.

Meine Mutter hat seit ihrer Kur vor ungefähr zwanzig Jahren keinen Fuß mehr auf die Insel gesetzt und nur noch das Nötigste mit Oma Rieke gesprochen, bis zu deren Tod.

Ihr Haus ließ sie durch einen Makler verkaufen, obwohl ich geweint habe, weil wir – oder vielmehr ich – dieses Kleinod für immer verloren haben. Sie war weder bei Omas Beerdigung noch an ihrem Grab. Woran das liegt, wissen wahrscheinlich nur Mama und Rieke. Ich habe irgendwann aufgegeben, sie mit Fragen danach zu löchern.

Während des Telefonats öffne ich das Fenster, ich brauche dringend frische Luft. Doch oje! – Was ist das? Friedliche Stille liegt über Nieblum, aber ich höre etwas, das wie quiéwiehp klingt, und dann ein Flattern. »Kann ich dich gleich zurückrufen?«, frage ich und drücke den Aus-Knopf meines Handys, ohne die Antwort meiner Mutter abzuwarten.

Dann lehne ich mich aus dem Fenster und halte nach der Ursache für die Geräusche Ausschau. Und siehe da, in einer kleinen, flachen Ausbuchtung im Dach nisten Austernfischer. Seltsam, die sind eigentlich Bodenbrüter, soweit ich weiß. Diese Vögel scheinen nie zu schlafen und trillern auch nachts.

»Alles gut da oben?«, fragt Dörte Nielsen, die in diesem Moment zu mir nach oben blickt. Sie hat derbe Schuhe an den Füßen, eine große Gießkanne aus Zink in der rechten Hand, in der linken eine Harke.

Die hält mich glatt für verrückt, wenn ich jetzt sage, dass ich Angst vor Vögeln habe. Zu allem Überfluss entdecke ich auch noch eine dicke schwarze Spinne an der Wand. Igitt!

Genauso war es auch bei Oma Rieke. Diese Reetdächer ziehen dummerweise allerlei Getier an wie Motten das Licht.

Vielleicht sollte ich Dörte Nielsen um ein anderes Zimmer bitten. Dann fällt mir ein, dass die Pension ausgebucht ist.

»Ja, doch, alles gut«, erwidere ich und fixiere das Spinnentier.

Als Kind ist mir bei Oma Rieke im Halbschlaf eine Spinne übers Gesicht gelaufen. Ich schwöre, so laut hat noch nie jemand auf Föhr gebrüllt! Und was hat Oma getan? Das Tier des Grauens mit einem Marmeladenglas gefangen und ihm Mut zugesprochen. (Wohlgemerkt, der Spinne! Nicht mir!)

Danach habe ich wochenlang keine Marmelade mehr gegessen.

Und zwei Tage kein Wort mit Oma Rieke gesprochen.

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3.

Um sechs Uhr morgens am nächsten Tag fühle ich mich so gerädert, als hätte ich mit Alva eine Flasche Friesengeist auf ex geleert.

Doch der Grund für meine Katerstimmung ist nicht Alkohol, sondern Mangel an Sauerstoff. Aus Panik davor, einer der Austernfischer könne sich aus Versehen in mein Zimmer verirren, hatte ich das Fenster nicht geöffnet, obwohl ich nachts dringend Frischluft brauche.

Ich setze mich auf und schalte das Licht an. Was soll ich jetzt machen?

Es ist viel zu spät, um zu versuchen, weiterzuschlafen, aber noch zu früh, um nach unten zu gehen.

Frühstück gibt es nämlich erst um halb acht. Aber egal!

Energisch schleudere ich die Bettdecke von mir, meine Schleimhäute sind trocken, die Nase verstopft.

Ungeschminkt, ungeduscht und in Joggingsachen schleiche ich mich die Holztreppe hinunter, um die anderen Pensionsgäste nicht zu wecken.

»Moin, so früh schon auf?!« Ich zucke zusammen, als Dörte Nielsen aus der Küche kommt und mich erstaunt anschaut. »Haben Sie schlecht geschlafen?«

»Wenn ich ehrlich bin, ja«, antworte ich und entdecke blankes Entsetzen in ihrem Gesicht. Für die Pensionswirtin steht ihre Ehre auf dem Spiel.

Doch jetzt ist die Stunde der Wahrheit. Entweder gestehe ich den Grund für meine Schlaflosigkeit, oder ich habe weitere schlimme Nächte vor mir. Was auf gar keinen Fall passieren darf, schließlich habe ich bald sehr viel Arbeit auf Föhr zu erledigen, und das schaffe ich nur, wenn ich fit und ausgeruht bin.

»Um ehrlich zu sein, stören mich die Austernfischer in der Nähe meines Fensters … sie sind zwar hübsch, aber … nun ja, ich bin da vielleicht ein wenig speziell …« Verschämt halte ich inne, damit ich mich nicht um Kopf und Kragen rede.

Um Dörte Nielsens Mundwinkel zuckt es verdächtig. Kleine, zarte Längsfalten über der Oberlippe zeugen davon, dass sie ein bisschen älter sein muss, als sie aussieht.

Vielleicht Anfang, Mitte fünfzig?! »Das ist ja schade, denn die meisten Menschen lieben Austernfischer, und ich kann die brütenden Tiere auf gar keinen Fall umsiedeln. Es ist eh schon ein Zeichen dafür, dass die Natur ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten ist, dass sie hier auf dem Dach Unterschlupf gesucht haben. Haben Sie Ohrstöpsel?«

Ich stammle: »Nein, aber ich kann mir welche besorgen«, wohl wissend, dass es mit den Ohrstöpseln allein nicht getan ist.

»In Wyk gibt’s drei Apotheken«, erwidert die Pensionswirtin. »Kommen Sie da heute noch vorbei, oder soll ich Ihnen nachher welche mitbringen? Ich muss sowieso zum Sandwall.«

Es bleibt mir nichts anderes übrig, ich muss ihr nettes Angebot annehmen. Nachdem das geklärt ist, marschiere ich los, denn neben frischer Luft brauche ich auch dringend Bewegung und bin neugierig auf die Insel meiner Kindheit. Gestern Abend habe ich zwar zur Einstimmung eine kleine Runde durch Nieblum gedreht, doch da begann es bereits zu dämmern. Mein heutiger Weg führt mich zum Dorfteich de Meere, der um diese Uhrzeit wohltuend still und friedlich daliegt.

Die Strandkörbe mit dem bunt gestreiften Innenfutter sind noch leer, keiner füttert die zahllosen Enten, die bedächtig ihre Kreise auf dem grüngrauen Wasser ziehen.

Ich denke an Bamberg und daran, wie wuselig es dort immer ist, weil das malerische Städtchen viele Touristen anzieht. Man hat kaum die Möglichkeit, irgendwo allein zu flanieren, weil überall und andauernd fotografiert oder für Selfies posiert wird.

Es ist ein traumhaftes Gefühl, wenn ich mir vorstelle, dass Föhr in diesem Moment ganz allein mir gehört und dass die Uhren – zumindest kurzfristig – ein wenig langsamer ticken als in meinem hektischen Redaktionsalltag.

Wieso war ich eigentlich seit Oma Riekes Tod nicht mehr hier? Nur weil ich Angst hatte, dass Föhr ohne sie nicht mehr Föhr ist? Momentan weiß ich keine rechte Antwort und konzentriere mich daher lieber darauf, mit allen Sinnen den Ort zu genießen, an dem ich gerade bin. Neben dem kleinen Holzpavillon, in dem in den Sommermonaten Veranstaltungen stattfinden, wiegt sich eine Zierkirsche im sanften Frühlingswind, nach und nach fallen die zarten Blütenblätter zu Boden, kreiselnd, wie kleine Propeller.

Im Kirschbaum summt und brummt es, die Blüten ziehen Bienen und Schmetterlinge an, ein traumschönes Bild.

Wann hatte ich zuletzt die Muße, mir so ein Schauspiel in Ruhe anzusehen?

Nachdem ich weiter durchs Dorf spaziert bin, vorbei an den schönsten Friesenhäusern und Gärten der Insel, ist es Zeit fürs Frühstück und danach für das Treffen mit Leevke Hennings, das ich für heute vereinbart habe.

Alvas Freundin hat nur eine halbe Stunde Zeit, was hoffentlich genügt, um von ihr die Infos zu bekommen, die ich für die Reportage brauche.

Ihr Laden Träum weiter! liegt direkt an der Jens-Jacob-Eschel-Straße, neben dem Alten Friesischen Theehaus, wo Oma Rieke früher ihren Tee, aber auch Kaffee gekauft hat, wenn meine Eltern zu Besuch kamen. Eine Mitarbeiterin räumt gerade die Ständer mit all dem Schnickschnack auf den Bürgersteig, der den verwinkelten, ziemlich dunklen Laden zu einer wahren Fundgrube für seine Besucher macht: Stofftiere, Schmuck, Souvenirs, Dekoartikel und vieles mehr verlocken genauso zum Shoppen wie selbst gemachter Föhrer Manhattan, der dort in bauchigen Flaschen mit Zapfhahn angeboten wird. Hier muss ich unbedingt mal stöbern, wenn ich Zeit dafür habe.

Leevkes Laden verströmt durch die geöffnete Tür einen ganz besonderen Duft. Eine Mischung aus Aromaölen, Räucherstäbchen und frisch gebrühtem Kaffee weckt in mir sofort die Lust, das eine oder andere davon zu kaufen. Als ich eintrete, ertönt ein sanftes Bimmeln, das mich entfernt an die Glocke erinnert, die Oma immer geläutet hat, wenn es an Weihnachten Zeit für die Bescherung war.

»Moin, du bist bestimmt Minnie, nicht wahr?«, fragt eine wunderhübsche Blondine mit hüftlangen blonden Haaren. Sie sieht aus wie eine Fee oder Elfe aus dem Märchenbuch.

»Ja, die bin ich. Toll, dass du heute Zeit für mich hast«, antworte ich und gebe ihr die Hand. Auch unsere Hände könnten nicht unterschiedlicher sein. Leevkes sind zartgliedrig und federleicht, ihre Nägel schimmernde Ovale, ähnlich dem Perlmutt von Muscheln. Meine hingegen kurz geschnitten und eher breit. Nagellack benutze ich so gut wie nie. »Ich hoffe, ich störe dich nicht allzu sehr bei deiner Arbeit.«

»Ach was«, winkt Leevke ab und knotet ihre Haarpracht zusammen. Erst jetzt bemerke ich die hohen Wangenknochen und das warme Braun ihrer Augen. »So früh morgens ist hier noch nichts los. Die Urlauber decken sich mit Brötchen und der Zeitung ein und überlegen, wie sie ihren Tag gestalten wollen. Außerdem ist diese Verabredung wichtig, denn ihr wollt doch eine Reportage drehen, die dem Wohl der Insel dient, wenn ich Alva richtig verstanden habe. Magst du einen Kaffee oder lieber Tee?«

Ich antworte: »Gern Kaffee«, und sehe zu, wie Leevke im hinteren Teil des Ladens verschwindet. Er ist lediglich durch einen Vorhang aus Perlenschnüren abgetrennt, durch die eine Katze neugierig ihr Köpfchen steckt. Sie ist ebenso zartgliedrig wie Leevke, hat silbergraues Fell und eine weiße, herzförmige Stelle am Hals. Als sie sich mir schnurrend nähert, halte ich intuitiv die Luft an.

Katzen sind wunderhübsche, elegante und intelligente Tiere, keine Frage. Aber sie sind genau wie meine Chefin Evangeline: launisch und unberechenbar. Auf schmusiges Schnurren kann binnen Sekunden ein Angriff mit scharfen Krallen folgen, ohne dass man weiß, wieso.

»Ich hoffe, du bist nicht allergisch gegen Katzen. Sie heißt Patchouli«, sagt Leevke, als die Katze zum Sprung auf meinen Schoß ansetzt.

Weil ich Leevke nicht verstimmen will, schüttle ich den Kopf, halte still und lasse Patchouli gewähren. Ihr Schnurren klingt in meinen Ohren wie das Knattern eines Rasenmähers, aber trotzdem ganz gemütlich.

»Also, Leevke, was ich wirklich gern wissen würde, ist, wie ich an Informationen über die Leute komme, die zu dieser Gruppe – ich nenne sie jetzt mal Rettet-Föhr-Initiative – gehören. Im Netz finde ich nichts darüber, außer dass es immer mal wieder Fälle von Vandalismus oder andere Störfeuer gibt, um bestimmte touristische oder sonstige kommerzielle Vorhaben auf Föhr zu torpedieren. Weißt du irgendetwas darüber, das mir weiterhelfen könnte? Ich finde diesen Ansatz nämlich tausendmal spannender für eine Reportage, als einfach nur die üblichen tollen Stellen der Insel zu filmen. Schließlich zeigen diese Aktionen, dass es hier Menschen gibt, die genau diese Schönheit bewahren wollen.«

In Leevkes Augen schimmert und glänzt es, doch ich kann ihren Gesichtsausdruck nicht wirklich deuten.

»Liebst du Föhr, oder findest du die Insel nur schön?«

»Ich … ich …« Himmel, hilf, was sage ich denn jetzt? »Natürlich liebe ich Föhr, aber ich war das letzte Mal vor dreizehn Jahren hier. Die Insel, die ich kenne, ist das Föhr unbeschwerter Kindheitssommer und späterer Urlaube als Teenie bei meiner Oma in Süderende.«