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Schattenmann E-Book

Paul Grossman

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Beschreibung

Fluchtpunkt Paris.

Juni 1933. Kraus, der hochdekorierte jüdische Kommissar aus Berlin, muss nach Paris fliehen. Hier hat er den Status eines unerwünschten Flüchtlings. Auch die Pariser Polizei ist an seinen Diensten nicht interessiert. Nur ein Detektiv bittet ihn um Mithilfe. Kraus soll einen jungen Studenten beobachten. Eine harmlose Aufgabe. Bis der Student auf offener Straße erstochen wird und Kraus an dessen zwielichtige Freundin Vivi gerät, die ihn sogleich fasziniert. Doch damit nicht genug – bald geschieht ein zweiter Mord, und Kraus begreift, dass er mitten in eine geheimnisvolle Verschwörung geraten ist, die ganz Paris in Atem hält ...

Ein ungewöhnlicher Held in einer ungewöhnlichen, gefährlichen Stadt.

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Seitenzahl: 569

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Paul Grossman

Schattenmann

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Thon

Inhaltsübersicht

Buch Eins

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Buch Zwei

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

Buch Drei

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

Buch Vier

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

Informationen zum Buch

Über Paul Grossman

Impressum

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BUCH EINS

TROMPE L’ŒIL Optische Täuschung

1. KAPITEL

Juni 1933

Der Regen prasselte gegen die Scheiben, als das Taxi vor dem Maxim’s hielt. Der Türsteher sieht aus wie ein Schläger, dachte Kraus. Vielleicht lag es aber auch nur an den Schatten. Vielleicht deutete aber auch das schiefe Lächeln, mit dem der Mann ihnen aus dem Wagen half, gar nicht auf einen erbarmungslosen Halsabschneider hin. Im richtigen Licht betrachtet, schien ja fast jeder zweite Einwohner dieser Stadt bereit zu sein, einem die Kehle durchzuschneiden. Unter der heftig klatschenden Markise legte er seinen beiden Söhnen die Hände auf die Schultern, weil er sie in seiner Nähe haben wollte. Als der Türsteher mit den weißen Handschuhen sie hineinwinkte, stieg Kraus der Duft von Parfüm in die Nase. Er roch Moschus, so stark, wie er es noch nie in Paris gerochen hatte. Der Geruch überwältigte ihn beinahe.

In dem Art-Nouveau-Tempel sog Bettie Gottmann die Luft ein, als hätte sie das Nirwana betreten. »Man hat nichts geändert.« Ihr Blick streifte durch dieses geschmackvoll beleuchtete Paradies aus buntem Glas. »Als käme ich nach Hause.«

Ihr Ehemann Max zog seinen Trenchcoat aus. Ihm entging die Ironie ihrer Worte nicht. »In gewisser Weise stimmt das wohl. Ich bin jedenfalls einfach nur froh, dass wir es geschafft haben.«

Nach allem, was sie von den in Deutschland Gebliebenen wussten, hatte er natürlich recht. Sie waren zwar Flüchtlinge, aber sie hatten Glück gehabt. Trotzdem, Kraus konnte einfach das Gefühl nicht abschütteln, dass er nur so eben noch davongekommen wäre.

Er war vor sechs Wochen aus Berlin geflüchtet und hatte mit Mühe sein nacktes Leben über die Grenze retten können. Aber die Euphorie über die Freiheit und das Wiedersehen mit der Familie war schon bald düsterer Unsicherheit gewichen. Das Trauma seiner brutalen Entwurzelung wollte einfach nicht weichen. Er hatte versucht, es zu verbergen, vor allem vor seinen Söhnen, aber er spürte, dass seinem Wesen etwas Lebenswichtiges und Unersetzliches abhandengekommen war.

Die anderen waren bereits seit sechs Monaten in Paris und hatten Zeit gehabt, sich einzugewöhnen, wie Ava angemerkt hatte. »Du wirst schon wieder«, hatte sie ihm versichert. Kraus war sich dessen nicht so sicher. Er hatte das Gefühl, als wäre ihm einfach zu viel genommen worden, seine Vergangenheit, all das, wofür er so hart gearbeitet hatte, all seine Zukunftsträume. Obwohl er froh war, an diesem Abend wenigstens einen Hauch von der Alten Welt wieder einfangen zu können, war es nicht mehr als ein schöner Schein, das war ihm klar. Hier an diesem Tisch im Maxim’s hockten staatenlose Exilanten, ohne Aussicht, nach Hause zurückkehren zu können.

Ihm gegenüber saß Max Gottmann, der Patriarch der Familie. Der normalerweise so ausgeglichene Mann wurde zunehmend gereizter angesichts seiner Unfähigkeit, zwischen Sole Albert und Timbale de soles Joinville unterscheiden zu können. Seine Frau Bettie war davon überzeugt, dass Timbale eine Art von Schimmelpilz bezeichnete, und wollte verhindern, dass er wieder erkrankte. Sie bestand darauf, dass ihr Mann auf diese Speise verzichtete, obwohl der Kellner ihnen versicherte, dass Timbale kein Organismus sei, sondern eine Auflaufform. Kraus konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass seine Schwiegereltern zwar mit dem größten Teil ihres Vermögens den Nazis entkommen waren, aber dass sie sich nur so gerade mit den Fingerspitzen ans Leben krallten. Sollten sie sich in Frankreich um eine Einbürgerung bemühen oder ihr Glück in Amsterdam versuchen? Sollte Max die Firma Gottmann Lingerie noch einmal aufbauen? Er war fünfundfünfzig Jahre alt. Er hatte zwar gehört, dass sich in Südafrika viele Möglichkeiten boten, aber wen kannten sie da schon? Trotz ihres ganzen Geldes fühlten sie sich unsicher und isoliert.

»Ich erinnere mich noch an die Nacht, als Leopold II. mit dem Maharadscha von Kapurthala hier diniert hat.« Betties ältere Schwester Hedda hob ihr Opernglas an die Augen und sah sich um. Sie hatte einen Franzosen geheiratet und war schon vor Ausbruch des Krieges nach Paris gezogen. Sie fungierte jetzt als eine Art Gastgeberin, als wäre der deutsche Zweig ihrer Familie für einen verlängerten Urlaub zu Besuch. »Oder war es der Aga Khan? Jedenfalls war es damals viel eleganter. Mittlerweile wirkt es ziemlich kitschig, das muss ich schon sagen.«

Kraus starrte auf die Speisekarte und hatte das Gefühl, die in Kalligraphie geschriebenen Buchstaben würden in seinen Schoß tropfen. Seit die Nazis in Deutschland die Macht übernommen hatten, war es für ihn, als würde er sich in einem Albtraum befinden, aus dem er nicht aufwachen konnte. Und jetzt schien er, besitzlos, verloren und orientierungslos, in einem dieser bizarren, surrealistischen Gemälde aufgetaucht zu sein, die zurzeit in Paris so beliebt waren: Alles in seiner vertrauten Welt wirkte irgendwie deplatziert oder schien in Auflösung begriffen zu sein.

Er hatte sich in so vielem geirrt. In der Republik. In den Deutschen. In seinem Glauben an den Sieg der Gerechtigkeit. Bis seine Familienfotos zusammen mit dem Rest seiner Habseligkeiten zerschmettert auf dem Bürgersteig lagen, dank der Braunhemden, hätte er niemals geglaubt, dass die Willkür einer Bande Krimineller irgendwann an die Stelle des Gesetzes treten könnte. Und dass er, der berühmteste Kriminalbeamte seines Landes, wie ein Dieb in der Nacht flüchten müsste. In Deutschland hatte er nur seinen Ausweis zu zücken brauchen, damit man ihm Respekt zollte. Jetzt hatte er nichts mehr. Nicht einmal einen Führerschein.

Er war zwar gerade noch einmal der Todesliste entkommen, aber er war alles andere als frei. Vielmehr trug er die Bürde all dessen, was er aus Berlin mitgebracht hatte. Gram, Verzweiflung, Furcht und Wut. Bilder, die nicht aufhören wollten, ihn zu verfolgen. Drei Jahre an der Westfront waren nicht annähernd so schlimm gewesen wie drei Monate unter Hitler. Und doch, er vermisste die funkelnden Lichter des Ku’damms. Das Rattern der S-Bahn. Das verrückte Gewühl auf dem Potsdamer Platz. Sein Herz sehnte sich danach, nach Hause zurückzukehren, aber sein Kopf wusste, dass es kein Zuhause mehr gab.

»Ich nehme Cœur de filet de Charolais Renaissance.« Er hörte sich sprechen, hörte den Versuch, lebendig zu klingen. »Und für die Jungs Crêpes veuve joyeuse, bitte.«

Er war ohne Dokumente, Ausweis und Geld hier angekommen. Wenigstens war sein Französisch einigermaßen akzeptabel, obwohl sein Akzent unüberhörbar war. Und noch besser war es, dass er einen wohlhabenden Exschwiegervater hatte. Max hatte ihn beiseitegenommen, nachdem er in ihrer Wohnung im eleganten 16ème Arrondissement aufgetaucht war und seine Söhne, seine Schwägerin Ava und ihre Mutter Bettie ihn geherzt und abgeküsst hatten. »Wärst du nicht gewesen, würden wir jetzt am Bettelstab gehen, Willi. Also scheue dich nicht, uns zu sagen, was du brauchst. Und bleib bei uns, so lange du willst. Wir haben mehr als genug Platz.«

Die ersten zehn Tage blieb ihm auch nichts anderes übrig. Der Schock saß zu tief, als dass er irgendwelche Entscheidungen hätte treffen können. Er verbrachte den halben Tag im Bett. Die Jungs waren entzückt, dass er bei ihnen war. Manchmal krabbelte Stefan zu ihm unter die Decke. Aber die Anstrengung, ständig ein Lächeln zeigen zu müssen, war einfach zu groß. Er war vollkommen verzweifelt und ein zu schlechter Schauspieler, um den anderen etwas vorzuspielen. Sosehr er es auch hasste, seine Söhne wieder aufzugeben, er musste seinen eigenen Platz finden, das war ihm klar, jedenfalls fürs Erste. Denn sie hatten bei seinen Schwiegereltern ein weitaus besseres Leben, als er es ihnen jemals würde bieten können.

»Ich verstehe dich, Willi.« Max nickte. »Du bist ein stolzer Mann. Meine Frau und meine Tochter halten dich manchmal für etwas zu stolz. Aber ich bewundere dich.«

Seine Söhne empfanden das ganz anders. »Warum können wir nicht mit dir zusammenleben?« Stefan, der Jüngere der beiden, weinte hemmungslos. Erich, der Ältere, konnte ihn nicht ansehen.

Kraus erklärte es ihnen, so gut er es vermochte. Bevor er sich um sie kümmern konnte, musste er sich um sich selbst kümmern. Er brauchte neue Papiere. Musste Geld verdienen. Er verschwieg ihnen, dass er auch sein Vertrauen in die Menschheit und das Gefühl, dass sie etwas wert wäre, wiedererlangen musste. Sie hätten seit dem Tod ihrer Mutter in Berlin doch auch getrennt gelebt, also müssten sie einfach nur noch etwas länger durchhalten, sagte er. Es war doch gemütlich bei Großvater, oder etwa nicht? Tante Ava war wie eine Mutter zu ihnen und manchmal sogar noch netter, war das nicht so? In der Schule kamen sie gut mit. Sie schlossen sogar Freundschaften.

»Aber das Einzige, was ich will, ist«, er legte Erich den Finger unter das Kinn und hob es hoch, damit der ihn ansah, »dass wir wieder eine Familie sind.«

Nur dieser Wunsch scheuchte ihn jeden Morgen aus dem Bett; sein Leben wieder neu aufzubauen erschien ihm ansonsten unmöglich, ja, er wollte es nicht einmal versuchen. Aber er hatte Angst, dass seine Kinder noch zu jung wären, um zu verstehen, wie stark es ihn verletzt hatte, als man ihn aus seinem Heimatland hinausgeworfen hatte. Und er fürchtete, dass es immer schwieriger werden würde, sie wieder zu vereinen, je länger sie getrennt lebten. Also nahm er seine ganze Kraft zusammen und machte den ersten Schritt.

Kleidung. Als er hier in Paris angekommen war, hatte er nur das gehabt, was er am Leibe trug, dazu eine nutzlose Dienstmarke der Kriminalpolizei von Berlin. Ava bestand darauf, dass er in Paris gut aussehen müsse, wie ein Franzose, nicht wie ein Deutscher. Also schleppte sie ihn in die besten Geschäfte und geriet mit ihm in Streit, weil sie ihn drängte, mehr zu kaufen. Dann half sie ihm, ein möbliertes Zimmer zu finden. Ihm genügte das erste, das sie sich ansahen. Es lag in der Nähe der Porte St. Denis.

»In der fünften Etage?« Sie runzelte unglücklich die Stirn. »Und es ist so klein. Willi, du musst nicht so bescheiden sein. Du hast doch gehört, was Vater gesagt hat.«

Aber genauso fühlte Kraus sich, bescheiden und klein, und das düstere Appartement, von dem aus man einen Blick auf eines der uralten Tore von Paris hatte, war ein ausgezeichneter Ort, um sich zu verkriechen. Er akzeptierte nur so viel Geld von Max, dass er die Miete für den ersten Monat bezahlen konnte, und zog mit seinen zwei vollen Koffern dort ein. Dann ließ er sich auf die Matratze fallen und versuchte herauszufinden, was zum Teufel er als Nächstes tun wollte.

Ein Fremder in einem fremden Land.

Wie alle Flüchtlinge musste er sich bei der Polizei registrieren lassen. Er füllte endlose Formulare aus, die seine Finanzen, seine Arbeitsnachweise und seine politischen Aktivitäten betrafen. Wenn alles in Ordnung wäre, sagte man ihm, würde er in zehn bis fünfzehn Wochen eine befristete Arbeitserlaubnis erhalten, womit er dann eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen konnte. Anders als in Deutschland hing bei den Franzosen eine Einbürgerung vom Wohnsitz ab, nicht von der Rasse. Das Land von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hatte Platz für alle, diekommen wollten, jedenfalls solange Arbeitskräftemangel herrschte. Um sich über Wasser zu halten, bis er legal arbeiten konnte, schlugen ihm die Beamten vor, er solle sich bei der HEAL melden, der Hebräischen Liga für Auswandererhilfe.

Diese Liga war von seinen Pariser Glaubensgenossen gegründet worden, die von dem plötzlichen Zustrom der einst am stärksten assimilierten Juden von Europa alarmiert waren. Sie boten den Flüchtlingen aus Nazideutschland nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch die so dringend benötigten Arbeitszuteilungen. Bei dem Gedanken, dass er auf derartige Wohltaten angewiesen war, wäre Kraus am liebsten in die Seine gesprungen, aber er konnte nicht einfach untätig herumsitzen und auf die offizielle Aufenthaltserlaubnis warten.

»Moment, ich sehe nach, ob es irgendetwas in Ihrem Berufsfeld gibt.« Ein rothaariger Bursche mit teilnahmsvoll dreinblickenden braunen Augen führte das Bewerbungsgespräch. Levy. »Unglücklicherweise würden Sie niemals von der Pariser Polizei engagiert werden, es sei denn, Sie wären ein Bürger Frankreichs. Mir ist klar, wie tragisch das ist, angesichts Ihrer Referenzen. Aber wenn Sie unbedingt sofort etwas benötigen…« Levy senkte die Stimme, um klarzumachen, dass das inoffiziell war, als er Kraus eine Adresse zuschob.

Diese Adresse stellte sich als ein baufälliges Gebäude im Immigrantenviertel Belleville heraus. Es war eine jüdische Firma, die sich auf die Herstellung von pelzgesäumten Gewändern für Damen spezialisiert hatte. Sie engagierten Kraus als Hilfskraft und stellten keine Fragen. Was er zu tun hatte, brachten sie ihm in einer Viertelstunde bei: Er musste Glasaugen auf die Schnauzen von Fuchskrägen nähen. Den ganzen Tag starrten diese leeren Augen ihn an. Doch im Vergleich zu den Blicken, die ihm jeden Morgen im Spiegel begegneten, waren sie gar nicht so schrecklich. Am Ende der ersten Woche hatte er das Gefühl, er wäre mit Nadel und Faden in den Fingern geboren worden. Am Ende der dritten Woche mutmaßte er, dass er auch mit ihnen sterben würde. Er war daran gewöhnt, unterwegs zu sein, neue Menschen zu treffen, jeden Tag etwas anderes zu tun. In einer stickigen, düsteren Werkstatt zu arbeiten, in der es von deprimierten Flüchtlingen nur so wimmelte, kam ihm schlimmer vor als der Tod, so als wäre er lebendig begraben.

Dann kam die Wiederauferstehung, jedenfalls erschien es ihm so. Ein Anruf von Levy aus der HEAL. Ein Privatdetektiv mit einem Büro in der Nähe des Place de la République konnte eine Hilfe gebrauchen, sagte der junge Angestellte. Sein Ton deutete an, was für ein ungeheurer Massel das wäre. Kraus sollte den Mann am Freitag um zehn treffen.

Auf die Minute pünktlich klopfte er am fraglichen Morgen an die Tür in der vierten Etage eines Gebäudes auf dem Boulevard Voltaire. Henri Gripois sah aus wie ein Walross auf Diät. Hose, Gesicht, Schnauzbart, alles hing herunter. Sein winziges Büro stank nach Senf. An der Wand hing ein gerahmtes Dokument, seine Lizenz, daneben standen ein ramponierter Aktenschrank und ein alter hölzerner Schreibtisch. Darauf lag ein kleiner Stapel von Dokumenten neben einem gerahmten Foto seiner Frau, die überraschend elegant aussah. Henri verkündete, wie schrecklich glücklich er sei, Kraus zu sehen, weil er mehr Arbeit angenommen habe, als er bewältigen könne. Natürlich sei er sich bewusst, dass Kraus für die Arbeit überqualifiziert sei. Monsieur sei schließlich ein berühmter Detektiv. Trotzdem, wenn er bereit sei, sich ein wenig zu bescheiden…

Kraus war sich zwar nicht sicher, ob er überhaupt noch als Detektiv arbeiten wollte. Ganz gewiss jedoch wollte er nicht für den Rest seines Lebens in einer Fabrik begraben sein, wo er Glasperlen auf Fuchsköpfe nähen musste. Aber die Überzeugung, die ihn jeden Tag so stark angetrieben hatte, nämlich dass jeder Mensch Gerechtigkeit verdiente, lag in Schutt und Asche.

Der Auftrag sei nicht sonderlich ruhmreich, erklärte Gripois und zuckte mit seinen hängenden Schultern. Genau genommen war es einfache Laufarbeit, im Vergleich zu dem, was Monsieur in Deutschland geleistet hatte. Er sollte einfach nur einem jungen Mann folgen, der am Polytechnischen Institut immatrikuliert war. Gripois zog ein Foto von Philippe Junot aus der Tasche, einem jungen Mann, seinem Äußeren nach ein typischer Student, wenn auch ein bisschen pummelig. Er trug eine runde Schildpattbrille, hatte strähniges Haar und rosafarbene, herzförmig geformte Lippen. Seine Eltern wollten sichergehen, dass er tat, was er tun sollte, und nicht etwa irgendwelchen Ablenkungen erlag, Politik und dergleichen, wie es ja zurzeit bei so vielen französischen Studenten der Fall war. Alles andere als ein Mantel-und-Degen-Auftrag, bemerkte der Privatdetektiv mit einem bedauernden Glucksen.

Vor allem verdammt deprimierend, dachte Kraus. In Berlin war er zu einem der Besten seines Berufes aufgestiegen, mit einem ganzen Stab von Kriminalbeamten unter sich. Er hatte einige der grausamsten Fälle gelöst. Jetzt bot man ihm die Aufgabe eines Anfängers an, der einem Schuljungen folgen sollte. Andererseits hatte Gripois durchblicken lassen, dass die Familie des Studenten sehr wohlhabend war und Freunde in hohen Positionen hatte. Die konnten sich als nützlich erweisen, den Immigrationsprozess zu beschleunigen, und zwar nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie. Kraus nahm den Auftrag an. Was auch immer erforderlich war, damit sie bleiben konnten, würde er tun.

Jetzt jedoch, weit weg von dem nach Senf stinkenden Büro, umringt von seiner Familie und der Pracht des Restaurants Maxim’s, kam er sich allmählich dumm vor. Was waren das für Eltern, die ihren Sohn beschatten ließen? Und was war das eigentlich für ein Detektivbüro, das dieser Gripois führte?

»Kann es sein, dass das der ist, für den ich ihn halte?« Tante Hedda setzte ihr Opernglas an wie ein erfahrener Ornithologe. »Was für ein Anblick!«

Kraus blickte über den Gang und sah die beiden herausgeputzten Gäste an einem Tisch in der Nähe. Dort plauderte ein gutaussehender Mann mit einer breiten, apricotfarbenen Krawatte mit einer langbeinigen Frau in einem rückenfreien Cocktailkleid. Die breite, bunte Krawatte hätte eigentlich lächerlich aussehen sollen, fand Kraus. In Berlin hätte sie das auch getan. Aber dieser Mann hier trug sie mit echtem savoir faire.

»Adrienne und André Duval.« Triumphierend ließ Hedda ihr Glas sinken. »Sie sehen noch besser aus als auf den Fotos in der Paris-Soir.« Sie schien nicht abgeneigt zu sein, einen weiteren Blick zu riskieren.

Nach einer kleinen Pause, mit der sie ihre Aufregung kaschierte, erkundigte sich Bettie Gottmann, wer die beiden seien.

»Sie haben irgendetwas mit Kommunalobligationen zu tun«, zirpte Hedda, den Mund voller Kaviar. »Jeder, der in der Lage ist, ein paar Sous zusammenzukratzen, setzt auf Duval.« Sie leckte ihre Fingerspitzen ab. »Es ist wirklich die reinste Manie!« Ihre Augen funkelten vor reinem Entzücken.

Max machte klar, dass er alles über diesen Mann wusste. »Er ist schon seit Jahren ein echtes Phänomen«, erklärte er. »Ein Jude.«

»Sehr gut aussehend«, setzte Bettie hinzu. »Nicht wahr?«

Kraus konzentrierte sich auf einen vergoldeten Spiegel zu seiner Linken, in dem er den Mann im Profil betrachten konnte. Die funkelnden Kronleuchter schienen einen Heiligenschein um seinen Kopf zu legen. Angefangen von den Schuhen aus Krokodilleder, bis hin zum Smaragdring am kleinen Finger, entsprach er vollkommen dem Bild des Bonvivants. Dichtes, kupferfarbenes, locker gewelltes Haar und darunter eine große Nase und freundlich blickende graue Augen. Seine übertriebenen Gesten, das breite Lächeln und die exaltierten Kopfbewegungen wären in Deutschland als geschmacklos empfunden worden, als Versuch, zu beeindrucken. Aber dieser Duval schien sich in seiner Haut sehr wohl zu fühlen. Kraus beneidete ihn unwillkürlich. Wie selbstsicher er war. Und wie liebevoll er seine Frau behandelte. Er ließ ihre Hand kaum lange genug los, dass sie essen konnte. Wirklich rührend, dachte Kraus. Bis er im Spiegel Ava sah. Ihre funkelnden Augen wirkten dunkel vor Missbilligung. Wie diese Franzosen ihr Gefieder spreizen, schien sie zu denken. Und sie übertreiben alles bis zum Exzess.

Ein Anflug von Verwirrung überkam ihn. Die Kluft zwischen ihnen schien noch größer zu werden, und er wusste immer noch nicht genau, warum. In der schrecklichen Zeit nach Vickis Tod war ihre jüngere Schwester die Einzige gewesen, die der Warmherzigkeit seiner geliebten Frau auch nur nahegekommen war. Als sie die Verantwortung für Erich und Stefan übernommen hatte, waren sie sich alle sehr nahegekommen. Kraus hatte sich eingeredet, dass sie sich irgendwann ineinander verlieben und eine neue kleine Familie gründen würden.

Aber seitdem die Nazis die Macht ergriffen hatten, war er nicht mehr derselbe Mann. Der Glaube an sich selbst, an seine Wahrnehmungen und Entscheidungen, ja sogar an seine eigenen Gefühle war zerstört worden. Er wusste nicht mehr, ob das, was er in jenen letzten Monaten in Berlin empfunden hatte, real gewesen war oder nur der Versuch, an einer Welt festzuhalten, die ihm entrissen worden war. Er wusste nicht mehr, ob er noch für sich selbst sorgen konnte, ganz zu schweigen für jemand anderen. Er hatte kein Selbstvertrauen mehr. Also hatte er sich zurückgezogen. Und jeder Versuch von Ava, die Kluft zu überbrücken, hatte ihn nur weiter weggestoßen.

Manchmal spielte er mit dem Gedanken, einen sauberen Schlussstrich zu ziehen. Er wollte 1933 zum Jahr null erklären. Von jetzt an sollte alles neu sein. Aber dann überlegte er, was aus den Jungs werden sollte. Was wäre das Beste für sie? Und dann verschwamm wieder alles.

Er warf einen Blick über den Tisch. Stefan, der fast neun Jahre alt war, hatte sich die Serviette in den Kragen gestopft und erzählte seinem Großvater irgendeine langatmige Geschichte über seinen Schultag. Der elfjährige Erich blätterte die Weinkarte durch. Einen Moment sah er hoch, aber als er bemerkte, dass Kraus ihn beobachtete, blickte er wieder in die Karte. Kraus wusste, dass sein Ältester sehr launisch sein konnte, vor allem wenn das Thema Berlin aufkam. Als sie weggegangen waren, hatte er sich Sorgen gemacht, dass er seine Heimat nie wiedersehen würde. Kraus hatte ihn gescholten und ihm gesagt, sie seien nur für eine kurze Zeit weg. Jetzt schien der Junge wirklich böse auf ihn zu sein. Aber weshalb? Weil er ihm nicht die Wahrheit über die Nazis erzählt hatte? Oder weil er nicht zu ihnen und ihren Großeltern gezogen war, als er in Paris angekommen war, sondern sich eine eigene Wohnung genommen hatte? Vielleicht trauerte er ja auch noch um seine Mutter. Drei Jahre waren keine sehr lange Zeit. Und über so etwas kam man nie so leicht hinweg, richtig? Andererseits, dachte Kraus dann, war Erich vielleicht gar nicht wütend. Vielleicht projizierte er nur sein eigenes Gefühl von Verlust und Verzweiflung auf seinen Sohn.

»Ich glaube, es wird Zeit für einen Toast.« Ava war es, die schließlich den Grund für ihre Anwesenheit hier zur Sprache brachte, und sie strich sich dabei eine Strähne ihres kastanienbraunen Haares zurück. Kraus bemerkte, wie entzückend sie heute Abend aussah. Sie hatte sehr vornehme Gesichtszüge, und ihre Augen schimmerten im Licht der Kristallleuchter. Sie wirkte intelligent, majestätisch, mit einem klaren Blick für die Welt. Wenn er sie nur so hätte lieben können, wie er ihre Schwester geliebt hatte. Das würde das Leben so viel einfacher machen. Das ganze Paket wäre so schön ordentlich geschnürt. Und die Kinder würden hervorragend hineinpassen.

»Auf meine wundervollen Eltern, Max und Bettie Gottmann.« Alle hoben ihre Gläser mit Champagner. »Auf ihren dreiunddreißigsten Hochzeitstag.« Avas Stimme brach, als plötzlich Gefühle in ihr die Oberhand gewannen. Sie sah alle der Reihe nach an, ihre Mutter, ihren Vater, Tante Hedda, und allen traten die Tränen in die Augen, und die Gläser in ihren Händen zitterten. Als ihr Blick schließlich den von Kraus traf, durchzuckte ihn ein kleiner Schock. Es war ein fast körperlich spürbarer Blick des Verstehens von der anderen Seite des Tisches aus.

»Worte können nicht beschreiben, wie sehr ich euch alle liebe. Mutter, Vater, mögen eure weiteren gemeinsamen Jahre euch das Glück bringen, das ihr verdient habt.«

Die Gläser klangen, als sie anstießen.

»… das wir alle verdient haben!«, erklärte Max und trank einen Schluck. »Komm, gib mir einen Kuss.« Er beugte sich zu Bettie.

Jetzt liefen bei allen die Tränen, selbst bei Kraus. Es war wunderschön anzusehen, wie Max und Bettie sich küssten; und außerdem vermissten sie alle Vicki so sehr.

Und Berlin.

»Eigentlich sollten wir doch fröhlich sein«, bemerkte Stefan. »Warum weinen dann alle?«

»Schon gut, mein Schatz.« Seine Großmutter umarmte ihn. »Erwachsene sind manchmal wie große Kinder.«

Kraus bemerkte, wie sich der Maître d’ hôtel auf der anderen Seite des Gangs vorbeugte und dem Mann mit der apricotfarbenen Krawatte etwas zuflüsterte. Der hob die Brauen, und als sein freundlicher Blick dem von Kraus begegnete, schien darin aufrichtiges Glück zu flackern.

Kraus suchte noch kurz die Toilette auf, bevor sie gingen. Zu seiner Überraschung sprach ihn der Mann mit der apricotfarbenen Krawatte am Urinal an. »Bitte verzeihen Sie. Sie sind also Willi Kraus, der berühmte Berliner Kriminalbeamte?«

»Ja.« Kraus fragte sich, ob der Mann erwartete, dass er ihm die Hand schüttelte, während er pinkelte. Was für ein sonderliches Benehmen, merkwürdig wie so vieles hier. Andererseits fühlte es sich nicht schlecht an, erkannt zu werden. In Berlin war ihm das ständig passiert, aber in Frankreich war es das erste Mal. Orsini ausgenommen. Aber der zählte eigentlich nicht.

Zwei Tage nachdem er Asyl beantragt hatte, war er in den Justizpalast bestellt worden, Raum602. Er hatte in der Nacht davor Blut und Wasser geschwitzt, weil er wusste, dass sich in diesem Gebäude auch das Hauptquartier der Pariser Polizei befand. War die Vorladung ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Als er am nächsten Tag dort auftauchte, stellte er zu seiner Verblüffung fest, dass in Raum602 der Polizeichef residierte.

Victoir Orsini war einer der mächtigsten Männer von Paris. Sein Büro glich einer königlichen Suite und gewährte einen Blick auf Notre-Dame. Orsini saß hinter einem schweren Louis-XIV-Schreibtisch, umgeben von mittelalterlichen Wandteppichen, die Szenen aus dem Alten Testament darstellten. Einschließlich, wie Kraus bemerkte, der großartigen jüdischen Königin Esther, wie sie bei ihrer Krönung strahlend lächelte. Eine Porzellanuhr auf dem Schreibtisch bimmelte, als Kraus sich setzte. Die bemalten Figürchen darauf tanzten einen Walzer.

Der Polizeichef war ein kleiner, gedrungener Mann mit gewölbter Brust und Hakennase und berühmt dafür, dass er fünf Zentimeter hohe Absätze unter seinen Schuhen trug. »Herr Kriminalinspektor!« Kraus fühlte sich durch die Verwendung seines früheren Titels irgendwie gerührt, obwohl er nicht genau wusste, ob Orsini diese Anrede herablassend gemeint hatte. »Glauben Sie nicht, dass wir Sie nicht im Blick behalten hätten. Wir alle machen uns schreckliche Sorgen, was die Ereignisse jenseits der Grenze angeht. Jeden Tag treffen mehr Exilanten ein. Natürlich ist unsere Wirtschaft nicht gegen die weltweite Krise gefeit, so dass es nicht allen möglich sein wird, zu bleiben. Aber Sie sind genau die Art Flüchtling, die wir mögen! Ein Mann, dessen Talente für uns sehr nützlich sein könnten.«

Er lächelte auf eine Art und Weise, dass Kraus das Gefühl hatte, ihm würde gleich irgendeine traumhafte Stellung bei La Crim angetragen, der französischen Kriminalpolizei. Stattdessen tauchte ein Mann mit einer Kamera auf einem Dreibein auf, und in einer Wolke aus Phosphorschwaden wurden die beiden zusammen fotografiert. Das Foto erschien in etlichen Spätausgaben der Zeitungen mit Unterschriften wie: Orsini heißt hervorragenden deutschen Kriminalbeamten auf der Flucht vor den Nazis willkommen. Wurde er willkommen geheißen oder einfach nur ausgenutzt? Kraus war wütend, als er das Foto sah. Er hatte versucht, unauffällig zu bleiben, und wegen dieses Egomanen wusste nun jeder in Paris, dass er hier war, auch die Gestapo.

»Sie sind ein viel zu guter Mann, als dass wir Sie nicht einsetzen könnten.« Der Polizeichef hatte ihm aufmunternd auf den Rücken geklopft, während er ihn zur Tür führte. »Machen Sie sich keine Sorgen; Sie werden schon sehr bald von uns hören.«

Das war vor Wochen gewesen, und Kraus hatte zunehmend den Verdacht, dass diese Unterredung nur ein Werbegag gewesen war. Nichts regte ihn mehr auf, als wenn man ihn ausnutzte, und in seinen finsteren Momenten dachte er, dass er genau damit hätte rechnen müssen. Als Schuljunge hatte man ihm alle möglichen Arten rassistischer Vorurteile gegen seine Nachbarn von der anderen Rheinseite eingeimpft, hatte ihm erzählt, die Franzosen seien Lügner, Aufschneider und Heuchler. Natürlich hatte er als gebildeter Erwachsener solche kulturellen Stereotype durchschaut. Jetzt jedoch, wo er hier lebte und auf ihre Gnade angewiesen war, war er sich plötzlich nicht mehr so sicher.

»Ich bin ein großer Verehrer von Ihnen.« Der Mann mit der apricotfarbenen Krawatte blieb neben ihm am Urinal stehen. »Ich habe alles über Sie in der französischen Presse gelesen. Ich bin hoffnungslos süchtig nach Kriminalmagazinen. Was meine Frau in den Wahnsinn treibt. Jeder weiß, dass die Berliner Kripo die beste in Europa ist, mit Ausnahme vielleicht von Scotland Yard. Hier verhält sich das anders; unsere Polizei ist nicht gerade auf dem neuesten Stand.« Er zog den Reißverschluss seiner Hose zu und leistete Kraus dann am Waschbecken Gesellschaft. »Darf ich Sie vielleicht irgendwann auf einen Schluck einladen?« Sein Gesicht strahlte fast vor jungenhafter Vorfreude. »Sie haben keine Ahnung, wie sehr es mich freuen würde, von Ihren Taten zu hören.«

Kraus war nicht der Typ, der es genoss, wenn man ihm schmeichelte, aber sein angeknackstes Ego reagierte doch auf diese gewaltige Dosis Komplimente. Außerdem, dachte er, während er sich von dem Aufwärter ein Handtuch reichen ließ, kann es nicht schaden, so viel wie möglich über die französische Polizei zu erfahren. Und auch wenn er nicht genau wusste, woran das lag, empfand er ein merkwürdiges, brüderliches Gefühl für diesen Mann.

»Warum nicht? Nehmen wir einen Drink zusammen.«

»Très bon!« Der Finanzier streckte die Hand aus. »Mein Name ist André Duval.«

2. KAPITEL

Die École Polytechnique, gegründet unter dem Regime von Bonaparte, war das elitärste der großen Institute. Sie war der traditionsreiche Ausbildungsort von Frankreichs zukünftigen Führungspersönlichkeiten. Von den jährlich 10 000Bewerbern wurden weniger als vierhundert angenommen. Laut des lückenhaften Berichtes, den Gripois ihm gegeben hatte, war einer davon der einundzwanzigjährige Phillipe Junot. Kraus lehnte sich an einen Baum, als der junge Student über die Straße schlurfte und durch das Tor der Universität verschwand. Trotzdem, es war besser, als jeden Tag Fuchsgesichter anzusehen. Aber der Auftrag war, gelinde gesagt, dennoch merkwürdig.

Abgesehen von der Demütigung, einen Studenten beschatten zu müssen, erschien ihm der ganze Fall bereits nach ein paar Tagen vollkommen absurd. Drei Morgen hintereinander war Junot aus dem Gebäude, in dem er wohnte, getreten, war das Stück über die Straße zu seinen Kursen gegangen und dort den ganzen Tag geblieben. Von der anderen Straßenseite aus hatte Kraus die verkniffene, leicht angespannte Miene auf seinem ansonsten so friedfertigen Gesicht bemerkt. Die École Polytechnique war eine der Akademien mit dem größten Konkurrenzdruck in ganz Europa. Jede Nacht, wenn der junge Mann wieder durch das Haupttor herauskam, ging er alleine zu einem kleinen Bistro am Ende der Straße, wo er ein leichtes Abendessen zu sich nahm und die ganze Zeit in seinen Büchern las. Danach begab er sich nach Hause, ebenfalls alleine. In seinem Schlafzimmer brannte bis zwei Uhr morgens Licht. Soweit Kraus das beurteilen konnte, hatte er keinerlei Freunde und pflegte keinen gesellschaftlichen Umgang. Also, worüber zum Teufel machten seine Eltern sich so große Sorgen?

Gripois hatte behauptet, die Familie sei wohlhabend, aber nichts, was Kraus sah, schien dazu zu passen. Das Mietshaus, in dem der Student lebte, war heruntergekommen. Er trug billige Kleidung, und seine Haltung war lausig. Je länger Kraus ihn beobachtete, desto weniger glaubte er daran, dass der junge Mann aus elitären Verhältnissen stammte oder etwa ein zügelloses Leben führte. Er wusste zwar, dass die meisten Studenten der Oberschicht angehörten, aber zumindest eine Handvoll musste doch auch aufgrund eines Stipendiums hier sein, oder nicht? Vielleicht war Junot einer von ihnen. Warum jedoch sollte Gripois etwas anderes behaupten? Und wer bezahlte überhaupt Kraus’ Honorar?

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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