Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes - Johann Peter Hebel - E-Book

Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes E-Book

Johann Peter Hebel

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Jedes Schulkind kennt Johann Peter Hebels Anekdote vom ›Unverhofften Wiedersehen‹, diese so herzzerreißende Geschichte von der Braut, deren Bräutigam kurz nach der Hochzeit im Bergwerk verschüttet und nach Jahrzehnten wiedergefunden wird. Vergänglichkeit und nie endende Hoffnung sind denn auch die zentralen Themen von Hebels berühmter Anekdoten-Sammlung, die sich bis heute als wunderbarer Alltagsbegleiter eignet.

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Johann Peter Hebel

Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Vorrede

Die Veranlassung zur Herausgabe dieses Büchleins muß seinen Titel rechtfertigen, und der Titel die Herausgabe. Der Verfasser hat nämlich seit vier Jahren die Lesestücke des Badischen Landkalenders, genannt der rheinländische Hausfreund, geliefert, und die Cottaische Buchhandlung in Tübingen hegte die gute Meinung, es wäre schade, wenn die besten Aufsätze darin, innerhalb des Marktkreises des Kalenders und mit dem nämlichen Jahr, wofür sie geschrieben sind, wieder untergehen sollten, und druckt sie daher für ein eigenes Büchlein, samt den mittelmäßigen ab, damit sich jene besser herausheben.

Der geneigte Leser wird sich gefällig erinnern, mehrere der eingebrachten Erzählungen und Anekdoten anderswo auch schon gehört oder gelesen zu haben, wäre es auch nur im Vademekum, von welcher Almende oder Gemeinwiese sie der Verfasser zum Teil selber gepflückt hat. Doch ließ ers nicht beim bloßen Abschreiben bewenden, sondern bemühte sich, diesen Kindern des Scherzes und der Laune auch ein nettes und lustiges Röcklein umzuhängen, und wenn sie darin dem Publikum wohlgefallen, so ist ihm ein schöner Wunsch gelungen, und er macht auf die Kinder selbst keine weiteren Ansprüche.

Übrigens, sagt die Verlagshandlung, findet sich das Beste nicht sogleich am Anfang, sondern in der Mitte, und wie an einem Ballen Tuch am Ende des Büchleins, von welchem auch das letzte Muster im Morgenblatt abgeschnitten ist. Sie rechnete auf viele Leser, die, wie die Bekenner des mosaischen Gesetzes, dort zu lesen anfangen, wo andere aufhören.

Allgemeine Betrachtung über das Weltgebäude

Dem geneigten Leser, wenn er zwischen seinen bekannten Bergen und Bäumen daheim sitzt bei den Seinigen, oder bei einem Schöpplein im Adler, so ist’s ihm wohl, und er denkt just nicht weiter. Wenn aber früh die Sonne in ihrer stillen Herrlichkeit aufgeht, so weiß er nicht, wo sie herkommt, und wenn sie abends untergeht, weiß er nicht, wo sie hinzieht, und wo sie die Nacht hindurch ihr Licht verbirgt, und auf welchem geheimen Fußpfad sie die Berge ihres Aufgangs wiederfindet. Oder wenn der Mond einmal bleich und mager, ein andermal rund und voll durch die Nacht spaziert, er weiß wieder nicht, wo das herrührt, und wenn er in den Himmel voll Sterne hinaufschaut, einer blinkt schöner und freudiger als der andere, so meint er, sie seien alle wegen seiner da, und weiß doch nicht recht, was sie wollen. Guter Freund, das ist nicht löblich, daß man so etwas alle Tage sieht, und fragt nie, was es bedeutet. Der Himmel ist ein großes Buch über die göttliche Allmacht und Güte, und stehen viel bewährte Mittel darin gegen den Aberglauben und gegen die Sünde, und die Sterne sind die goldenen Buchstaben in dem Buch. Aber es ist arabisch, man kann es nicht verstehen, wenn man keinen Dolmetscher hat. Wer aber einmal in diesem Buch lesen kann, in diesem Psalter, und liest darin, dem wird hernach die Zeit nimmer lang, wenn er schon bei Nacht allein auf der Straße ist, und wenn ihn die Finsternis verführen will, etwas Böses zu tun, er kann nimmer.

Also will jetzt der Hausfreund eine Predigt halten, zuerst über die Erde und über die Sonne, danach über den Mond, danach über die Sterne.

Die Erde und die Sonne

Nach dem Augenschein und nach dem allgemeinen Glauben wäre die Erde mit allen ihren Bergen und Tälern eine große runde Fläche gleich einer ungeheuer großen Scheibe. Am Rande derselben weiter hinaus kommt nichts mehr, dort ist gleichsam der Himmel an sie angefügt, der wie eine große hohle Halbkugel über ihr steht und sie bedeckt. Dort geht am Tag die Sonne auf und unter, bald früher, bald später, bald links an einem gewissen bekannten Berg oder Haus, bald rechts, und bringt Tag und Nacht, Sommer und Winter, und bei Nacht den Mond und die Sterne, und sie scheinen nicht gar entsetzlich hoch über unsern Häuptern zu stehen.

Das wäre nun alles gut, wenn’s niemand besser wüßte, aber wir Sternseher und Kalendermacher wissen’s besser. Denn erstlich, wenn einer daheim weggeht, und will reisen bis ans Ende der Erde, an den Rand, wo man einen aufgehenden Stern mit der Hand weghaschen und in die Tasche stecken kann, und er geht am 1. April von Hause aus, so hat er den rechten Tag gewählt. Denn er kann reisen, wenn er will durch Deutschland, durch Polen, durch Rußland, nach Asien hinein durch die Mohammedaner und Heiden, vom Land aufs Wasser und vom Wasser wieder aufs Land, und immer weiter. Aber endlich, wenn er ein Pfeiflein Tobak einfüllt, und will daran denken, wie lang er schon von den Seinigen weg ist, und wie weit er noch zu reisen hat ans Ende der Erde und wieder zurück, auf einmal wird’s ihm heimlich in seinem Gemüt, es wird nach und nach alles, wie es daheim war, er hört seine Landessprache wieder sprechen, zuletzt erblickt er von weitem einen Kirchturm, den er auch schon gesehen hat, und wenn er auf ihn hingeht, kommt er in ein wohlbekanntes Dorf, und hat nur noch zwei Stunden oder drei, so ist er wieder daheim, und hat das Ende der Erde nie gesehen. Nämlich er reist um die Erde, wie man einen Strich mit Kreide um eine Kugel herumzieht, und kommt zuletzt wieder auf den alten Fleck, von dem er ausging.

Es sind schon mehr als zwanzig solcher Reisen um die Erde nach verschiedenen Richtungen gemacht worden. In zwei bis vier Jahren, je nachdem, ist alles geschehen. Ist nicht der englische Seekapitän Cook, in einem Leben zweimal um die ganze Erde herumgereist, und von der andern Seite her wieder heimgekommen, aber das drittemal haben ihn die Wilden auf der Insel Owai ein wenig totgeschlagen, und gegessen.

Daraus und aus mehreren sicheren Anzeigen erkennen die Gelehrten folgendes: die Erde ist nicht bloß eine ausgebreitete, rund abgeschnittene Fläche, nein sie ist eine ungeheure große Kugel. Weiters: sie hängt und schwebt frei und ohne Unterstützung, wie seines Orts die Sonne und der Mond, in dem unermeßlichen Raum des Weltalls unten und oben zwischen lauter himmlischen Sternen. Weiters: sie ist rings um und um, wo sie Land hat, und wo die Hitze oder der bittere Frost es erlaubt, mit Pflanzen ohne Zahl besetzt, und von Tieren und vernünftigen Menschen belebt. Man muß nicht glauben, daß auf diese Art ein Teil der Geschöpfe mit dem Kopf abwärts hänge, und in Gefahr stehe, von der Erde weg, und in die Luft herabzufallen Dies ist lächerlich. Überall werden die Körper durch ihre Schwere an die Erde angezogen, und können ihr nicht entlaufen. Überall nennt man unten, was man unter den Füßen hat, und oben, was über dem Haupt hinaus ist. Niemand merkt oder kann sagen, daß er unten sei. Alle sind oben, solang sie die Erde unter den Füßen, und den Himmel voll Licht oder Sterne über dem Haupte haben.

Aber der geneigte Leser wird nicht wenig erstaunen, wenn er’s zum ersten Mal hören sollte, wie groß diese Kugel sei:

Denn der Durchmesser der Erde beträgt in gerader Linie von einem Punkt der Oberfläche durch das Zentrum hindurch zum andern Punkt, eintausendsiebenhundertundzwanzig deutsche Meilen. Der Umkreis der Kugel aber beträgt fünftausendvierhundert deutsche Meilen.

Ihre Oberfläche aber beträgt über neun Millionen Meilen ins Gevierte, und davon sind zwei Dritteil Wasser, und ein Dritteil Land.

Ihre ganze Masse aber beträgt mehr als zweitausendsechshundertundzweiundsechzig Millionen Meilen im Klaftermaß. Das haben die Gelehrten mit großer Genauigkeit ausgemessen und ausgerechnet, und sprechen davon, wie von einer gemeinen Sache. Aber niemand kann die göttliche Allmacht begreifen, die diese ungeheure große Kugel schwebend in der unsichtbaren Hand trägt, und jedem Pflänzlein darauf seinen Tau und sein Gedeihen gibt, und dem Kindlein, das geboren wird, einen lebendigen Odem in die Nase. Man rechnet, daß tausend Millionen Menschen zu gleicher Zeit auf der Erde leben, und bei dem lieben Gott in die Kost gehen, ohne das Getier. Aber es kommt noch besser.

Denn zweitens die Sonne, so nahe sie zu sein scheint, wenn sie früh hinter den Bergen in die frische Morgenluft hinaufschaut, so ist sie doch über zwanzig Millionen Meilen weit von der Erde entfernt. Weil aber eine solche Zahl sich geschwinder aussprechen, als erwägen und ausdenken läßt, so merke: Wenn auf der Sonne eine große scharf geladene Kanone stünde, und der Konstabler, der hinten steht und sie richtet, zielte auf keinen andern Menschen als auf dich, so dürftest du deswegen in dem nämlichen Augenblick, als sie losgebrannt wird, noch herzhaft anfangen ein neues Haus zu bauen, und könntest darin essen und trinken und schlafen, oder du könntest ohne Anstand noch geschwinde heiraten, und Kinder erzeugen und ein Handwerk lernen lassen, und sie wieder verheiraten und vielleicht noch Enkel erleben. Denn wenn auch die Kugel in schnurgerader Richtung und immer in gleicher Geschwindigkeit immer fort und fort flöge, so könnte sie doch erst nach Verfluß von 25 Jahren von der Sonne hinweg auf der Erde anlangen, so doch eine Kanonenkugel einen scharfen Flug hat, und zu einer Weite von 600 Fuß, nicht mehr als den sechzigsten Teil einer Minute bedarf.

Daß nun weiters die Sonne auch nicht bloß eine glänzende Fensterscheibe des Himmels, sondern wie unser Erdkörper eine schwebende Kugel sei, begreift man schon leichter. Aber wer vermag mit seinen Gedanken ihre Größe zu umfassen, nachdem sie aus einer so entsetzlichen Ferne solche Kraft des Lichts und der Wärme noch auf die Erde ausübt, und alles segnet, was ihr mildes Antlitz bescheint? Der Durchmesser der Sonne ist 114 mal größer als der Durchmesser der Erde. Aber im Körper-Maß beträgt ihre Masse anderthalb Millionen mal so viel als die Erde. Wenn sie hohl wäre inwendig, so hätte nicht nur unsere Erde in ihr Raum, auch der Mond, der doch 50 000 Meilen von uns absteht, könnte darin ohne Anstoß auf- und untergehn, wie so, ja er könnte noch einmal so weit von uns entfernt sein, als er ist, und doch ohne Anstoß um die Erde herum spazieren, wenn er wollte. So groß ist die Sonne, und geht aus der nämlichen allmächtigen Hand hervor, die auf der Erde das Magsamen- oder Mohnsamenkörnlein in seiner Schale bildet und zur Reife bringt, eins so unbegreiflich, wie das andere. Der Hausfreund wenigstens wüßte keine Wahl, wenn er eine Sonne, oder ein Magsamenkörnlein machen müßte mit einem fruchtbaren Keim darin.

Lange nun glaubten selbst die gelehrtesten Sternforscher, diese ganze unermeßliche Sonnenmasse sei nichts anders als eine glühende Feuerkugel durch und durch. Nur konnte keiner von ihnen begreifen, wo dieses Feuer seine ewige Nahrung faßt, daß es in tausend und aber tausend Jahren nicht abnimmt, und zuletzt, wie ein Lämplein verlöscht; denn die gelehrten Leute wissen auch nicht alles, und reiten manchmal auf einem fahlen Pferd. Wer alles wissen will, dem ist schlecht zu trauen, sondern er treibt’s mit seinen Antworten, wie der Matheis, der das Eis bricht: »Hat er keins, macht er eins« nach dem Sprichwort.

Deswegen will es nun heutzutag den Sternforschern und andern verständigen Leuten scheinen, die Sonne könne an sich wohl wie unsere Erde ein dunkler und temperierter, ja ein bewohnbarer Weltkörper sein. Aber wie die Erde ringsum mit erquickender Luft umgeben ist, so umgibt die Sonne ringsum das erfreuliche Licht, und es ist nicht notwendig, daß dasselbe auf dem Sonnenkörper selbst eine unausstehliche zerstörende Hitze verursachen müsse, sondern ihre Strahlen erzeugen die Wärme und Hitze erst, wenn sie sich mit der irdischen Luft vermischen, und ziehen dieselbe gleichsam aus den Körpern hervor. Denn daß die Erde eine große Masse von verborgener Wärme in sich selbst hat, und nur auf etwas warten muß, um sie von sich zu geben, das ist daran zu erkennen, daß zwei kalte Körper mitten im Winter durch anhaltendes Reiben zuerst in Wärme, hernach in Hitze, und endlich in Glut gebracht werden können. Und wie geht es zu, je weiter man an einem hohen Berg hinaufsteigt, und je näher man der Sonne kommt, daß man immer mehr in die Hände hauchen muß, und zuletzt vor Schnee und Eis nimmer weiterkommt, fragen die Naturkundigen, wenn die Sonne ein sprühendes Feuer sein soll?

Also wäre es wohl möglich, daß sie an sich ein fester, mit mildem Licht umflossener Weltkörper sei, und daß auf ihr jahraus, jahrein wunderschöne Pfingstblumen blühen und duften, und statt der Menschen fromme Engel dort wohnen, und ist dort, wie im neuen Jerusalem keine Nacht und kein Winter, sondern Tag, und zwar ein ewiger freudenvoller Sabbat und hoher Feiertag. Schon Doktor Luther hat einmal so etwas verlauten lassen, und der gelehrige Leser begreift’s ein wenig, aber doch nicht recht.

(Die Fortsetzung folgt.)

Denkwürdigkeiten aus dem Morgenlande

1.

In der Türkei, wo es bisweilen etwas ungerade hergehen soll, trieb ein reicher und vornehmer Mann einen Armen, der ihn um eine Wohltat anflehte, mit Scheltworten und Schlägen von sich ab, und als er ihn nicht mehr erreichen konnte, warf er ihn noch mit einem Stein. Die es sahen, verdroß es, aber niemand konnte erraten, warum der arme Mann den Stein aufhob, und, ohne ein Wort zu sagen, in die Tasche steckte, und niemand dachte daran, daß er ihn von nun an so bei sich tragen würde. Aber das tat er.

Nach Jahr und Tag hatte der reiche Mann ein Unglück, nämlich er verübte einen Spitzbubenstreich, und wurde deswegen nicht nur seines Vermögens verlustig, sondern er mußte auch nach dortiger Sitte zur Schau und Schande, rückwärts, auf einen Esel gesetzt, durch die Stadt reiten. An Spott und Schimpf fehlte es nicht, und der Mann mit dem rätselhaften Stein in der Tasche stand unter den Zuschauern eben auch da, und erkannte seinen Beleidiger. Jetzt fuhr er schnell mit der Hand in die Tasche; jetzt griff er nach dem Stein; jetzt hob er ihn schon in die Höhe, um ihn wieder nach seinem Beleidiger zu werfen, und wie von einem guten Geist gewarnt, ließ er ihn wieder fallen, und ging mit einem bewegten Gesicht davon.

Daraus kann man lernen: Erstens, man soll im Glück nicht übermütig, nicht unfreundlich und beleidigend gegen geringe und arme Menschen sein. Denn es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am frühen Morgen war, und »wer dir als Freund nichts nutzen kann, der kann vielleicht als Feind dir schaden«. Zweitens, man soll seinem Feind keinen Stein in der Tasche, und keine Rache im Herzen nachtragen. Denn als der arme Mann den seinen auf die Erde fallen ließ und davonging, sprach er zu sich selber so: »Rache an dem Feind auszuüben, solange er reich und glücklich war, das war töricht und gefährlich; jetzt, wo er unglücklich ist, wäre es unmenschlich und schändlich.«

2.

Ein anderer meinte, es sei schön, Gutes zu tun an seinen Freunden, und Böses an seinen Feinden. Aber noch ein anderer erwiderte, das sei schön, an den Freunden Gutes zu tun, und die Feinde zu Freunden zu machen.

3.

Es ist doch nicht alles so uneben, was die Morgenländer sagen und tun.

Einer, namens Lockmann, wurde gefragt, wo er seine feinen und wohlgefälligen Sitten gelernt habe. Er antwortete: »Bei lauter unhöflichen und groben Menschen. Ich habe immer das Gegenteil von demjenigen getan, was mir an ihnen nicht gefallen hat.«

4.

Ein anderer entdeckte seinem Freund das Geheimnis, durch dessen Kraft er mit den zanksüchtigen Leuten immer im guten Frieden ausgekommen sei. Er sagte so: »Ein verständiger Mann und ein törichter Mann können nicht einen Strohhalm miteinander zerreißen. Denn wenn der Tor zieht, so läßt der Verständige nach, und wenn jener nachläßt, so zieht dieser. Aber wenn zwei Unverständige zusammenkommen, so zerreißen sie eiserne Ketten.«

Erstes Rechnungsexempel

Man sollte nicht glauben, daß ein Mensch, der auf leichtfertigen Wegen sein Glück sucht, mit lauter Gewinnen immer verlieren, und zuletzt um Habe und Vermögen dabei kommen kann. Aber die Sache hat Grund. Man erzählt, daß ein Mensch, der sich lieber im Müßiggang durch schlechte Mittel, als durch Fleiß und Arbeit ernähren wollte, einen Bund mit dem bösen Geist gemacht habe. Der Mann wohnte an einem Wasser, und der Böse versprach ihm alles bare Geld, das er im Hause habe, zu verdoppeln, wenn er damit über die Brücke gehe, und verlange nichts dafür, als daß er ein 24-Kreuzer-Stück davon ins Wasser werfe, wenn er wieder über die Brücke zurückgehe, und das dürfe er wiederholen, seinetwegen so oft er wolle. Der Einfältige schlägt mit Freuden ein, sucht alles bare Geld im Hause zusammen, macht die erste Probe, und diesmal scheint der schwarze Feind ehrlich zu sein, denn er hält Wort, und der andere natürlicherweise auch.

Wie oft und lange mag nun der Glückliche seinen Gang über die Brücke hin und her wiederholen? Solange es gut tut, solange er etwas hinüberzutragen hat, dreimal in allem. Denn als er zum drittenmal mit seiner verdoppelten Barschaft zurückkehrte und das drittemal den ausbedungenen Brückenzoll ins Wasser warf, so hatte der böse Feind sein Geld alles rein und bar bis auf den letzten roten Heller, und der arme Betrogene ging leer nach Haus, und hatte nichts mehr in den Strom zu geben, wenn er über die Brücke ging, als Tränen um seine letzte verlorne Barschaft. – Wer rechnen kann, wird’s bald heraus haben, wie viel der Betrogene zum erstenmal Geld über den Strom zu tragen hatte, und daß alles natürlich zuging. Und mancher, den die Erfahrung auch schon klug gemacht hat, wird denken: Akkurat so geht’s! Die Auflösung wird bald nachfolgen.

Von den Prozessionsraupen

Oft fürchten wir, wo nichts zu fürchten ist, ein andermal sind wir leichtsinnig nahe bei der Gefahr. In unsern Eichwäldern hält sich eine Art von graufarbigen haarigen Raupen auf, die sich in sehr großer Anzahl zusammenhalten, und in ganzen großen Zügen dicht aneinander und aufeinander von einem Baum auf den andern wandern, deswegen nennt man sie Prozessionsraupen. Oft sieht man sie langsam auf der Erde fortkriechen, oder an den Eichenstämmen hinaufziehen; sie teilen sich bisweilen wie ein Strom in zwei und mehrere Arme, ziehn eine Strecke weit so fort, vereinigen sich dann wieder und schließen einen leeren Raum in der Mitte, wie eine Insel zwischen sich ein: Oft sieht man an der Länge eines ganzen Stammes hin eine unzählige Menge leere Bälge, welche sie bei der Häutung hängen ließen. Wer im Sommer oft in Eichwälder kommt, wird sich erinnern, dieses schon gesehen zu haben. Daß solche ganzen Züge von gefräßigen Raupen an den Blättern der Bäume, wo sie hinkommen, große Verwüstungen anrichten, und das Gedeihen und die Gesundheit der Bäume hindern können, ist leicht zu erachten; doch ist das nicht das Schlimmste, sondern sie können sogar dem menschlichen Körper gefährlich werden, wenn man ihnen zu nahe kommt, sie mutwillig beunruhigt, oder gar aus Unvorsichtigkeit mit einem entblößten Teil des Körpers berührt und drückt. Sie dulden es nicht ungestraft, wenn sie sich rächen können. Man hat schon einige traurige Beispiele an Leuten erlebt, denen solches widerfahren ist. Sie bekamen bald starke Geschwulst, heftige und schmerzhafte Entzündungen an der Stelle des Körpers, wo sie diese Raupen mit bloßer Haut berührten, und nach dem Zeugnis erfahrner Ärzte könnte daraus noch größeres Unheil entstehen, wenn man nicht mit zweckmäßigen Heilmitteln zuvorkäme. Aber wie das zugehen mag? Die Raupen lassen augenblicklich ihre kurzen, steifen, stechenden Haare gehen, und drücken und schießen sie gleichsam wie Pfeile ihrem Feind in die zarte Haut des Körpers. Dies ist das Mittel, welches die Natur auch diesen verachteten Tieren zu ihrer Verteidigung gegeben hat. Mehrere andere Arten von Haarraupen tun es auch. Aber bei den Prozessionsraupen ist die Menge gefährlich. Der Körper bekommt unzählig viele kleine, unsichtbare Wunden; in jeder bleibt der feine reizende Pfeil stecken, und viel kleine Ursachen zusammen tun eine große Wirkung, was man auch sonst im menschlichen Leben so oft erfährt, und doch so wenig bedenkt. Man soll also mit diesen Tieren keinen unnötigen Mutwillen treiben; wenn man Ursache hat, an einem Baum hinaufzuklettern, soll man aufschauen, was daran ist; man soll in der Nähe von Eichbäumen halbnackte Kinder nicht auf den Boden setzen, ohne ihn zuerst zu besichtigen, und sie warnen, daß sie es nicht selber tun. Es ist leichter, Schaden zu verhüten, als wieder gut zu machen.

Fortsetzung über die Erde und Sonne

Nachdem in der vorhergegangenen Predigt zuerst von der Erde und hernach von der Sonne, jede für sich geredet worden ist, so wollen wir nur noch mit wenigem hören, wie sie untereinander in guter Freundschaft leben, und wie aus ihrer Liebe zueinander Tag und Nacht, Märzveilchen, Erntekränze, Wein und gefrorne Fensterscheiben entstehen.

Da die unermeßlich große Sonne in einer so unermeßlich weiten Entfernung von uns weg ist, so hat es den Sternforschern schon lange nicht mehr einleuchten wollen, daß sie unaufhörlich und je in 24 Stunden um die kleine Erde herumspringen soll in einer unbegreiflichen Kraft und Geschwindigkeit, nur damit wir in diesem kurzen Zeitraum einmal Morgen und Mittag, Abend und Nacht bekämen, und wandelnde Sterne. Denn die Naturkündiger haben sich überzeugt, daß alles, was geschieht, auf eine viel einfachere und leichtere Art auch geschehen könnte. Allein ein rechtschaffener Sternseher, Kopernikus genannt, hat bewiesen, daß es nicht nur so geschehen könnte, wie die Naturforscher denken, sondern daß es wirklich so geschieht, und die göttliche Weisheit hat früher daran gedacht als die menschliche.

Der geneigte Leser wird jetzt erfahren, was Kopernikus behauptet und bewiesen hat, wird aber ersucht, zuerst alles zu lesen, ehe er den Kopf schüttelt, oder gar lacht.

Erstlich, sagt Kopernikus, die Sonne, ja selbst die Sterne haben gegen die Erde weiters keine Bewegung, sondern sie stehen für uns so gut als still.

Zweitens, die Erde dreht sich in 24 Stunden um sich selber um. Nämlich, man stelle sich vor, wie wenn von einem Punkt der Erdkugel durch ihr Zentrum bis zum entgegengesetzten Punkt eine lange Spindel oder Achse gezogen wäre. Diese zwei Punkte nennt man die Pole. Gleichsam um diese Achse herum dreht sich die Erde in 24 Stunden, nicht nach der Sonne, sondern gegen die Sonne, und wenn ein langer roter Faden ohne Ende, ich will sagen am 21. März von der Sonne herab auf die Erde reichte, und mittags um 12 Uhr, an einen Kirschbaum oder an einem Kruzifix auf dem Felde angeknüpft würde, so würde die Erdkugel diesen Faden in 24 Stunden einmal ganz um sich herum gezogen haben, und so jeden andern Tag.

Auf diese einfache Weise geschieht das nämliche, was geschehen würde, wenn die Sonne in der nämlichen Zeit, einen Kreisgang von 132 Millionen Meilen rings um die feststehende Erde herum wandeln müßte. Nämlich die eine Hälfte der Erdkugel ist gegen die Sonne gekehrt, und hat Tag, und eine Hälfte ist von der Sonne abgekehrt gegen die Sterne hinaus und hat Nacht, aber nie die nämliche, sondern wie die Erdkugel sich gleichsam an ihrer Achse gegen die Sonne dreht, löst sich immer an dem einen Rand der finstern Hälfte ein wenig von der Nacht in die Dämmerung auf, bis man dort die ersten Strahlen der Sonne erblicken kann, und meint, sie gehe auf, und an der andern Seite der erleuchteten Hälfte wird’s immer später und kühler, bis man die Sonne nicht mehr sieht, und meint, sie sei untergegangen, und den Morgen und Mittag und Abend, das heilige Osterfest und sein Glockengeläute wandeln in 24 Stunden um die Erde herum, und erscheinen nie an allen Orten zu gleicher Zeit, sondern in Wien zum Beispiel 24 Minuten früher als in Paris.

Drittens, sagt Kopernikus, während die Erde den Morgen und den Abend, und zu seiner Zeit das heilige Osterfest in 24 Stunden gleichsam um sich herumspinnt, bleibt sie nicht an dem nämlichen Ort, im unermeßlichen Weltraum stehen, sondern sie bewegt sich unaufhörlich, und mit unbegreiflicher Geschwindigkeit in einer großen Kreislinie, zwischen der Sonne und den Sternen fort, und kommt in 365 Tagen, und ungefähr 6 Stunden um die Sonne herum und wieder auf den alten Ort.

Deswegen und weil alsdann nach 365 Tagen, und ungefähr 6 Stunden alles wieder so wird, und alles wieder so steht, wie es vor ebensoviel Zeit auch gestanden ist, so rechnet man 365 Tage zu einem Jahr, und spart die 6 Stunden vier Jahre lang zusammen, bis sie auch 24 Stunden ausmachen, denn man darf nichts von der kostbaren Zeit verlorengehen lassen. Deswegen rechnet man je auf das vierte Jahr einen Tag mehr, und nennt es das Schaltjahr.

Die Sache fängt an, dem verständigen Leser einzuleuchten, und er wäre bald bekehrt, wenn er nur auch etwas von dem Drehen und Laufen der Erdkugel verspüren könnte! Deswegen und Viertens, sagt der Hausfreund, man kann die Bewegung eines Gefährtes, auf welchem man mitfährt, eigentlich nie an dem Gefährte selbst erkennen, sondern man erkennt sie an den Gegenständen rechts und links, an den Bäumen und Kirchtürmen, welche stehenbleiben, und an denen man nach und nach vorbeikommt. Wenn ihr auf einem sanft fahrenden Wagen, oder lieber in einem Schifflein auf dem Rhein fahrt, und ihr schließt die Augen zu, oder ihr schaut eurem Kameraden, der mit euch fährt, steif auf einen Rockknopf, so merkt ihr nichts davon, daß ihr weiterkommt. Wenn ihr aber umschaut nach den Gegenständen, welche nicht selber bei euch auf dem Gefährte sind, da kommt euch das Ferne immer näher, und das Nahe und Gegenwärtige verschwindet hinter eurem Rücken, und daran erkennt ihr erst, daß ihr vorwärts kommt, also auch die Erde. An der Erde selbst und allem was auf ihr ist, so weit man schauen kann, läßt sich ihre Bewegung nicht absehen; (denn die Erde ist selbst das große Gefährte, und alles was man auf ihr sieht, fährt selber mit:) sondern man muß nach etwas schauen, das stehenbleibt, und nicht mitfährt, und das sind eben nach Nro. 1 die Sonne und die Sterne, zum Beispiel der sogenannte Tierkreis. Denn 12 große Gestirne, welche man die 12 himmlischen Zeichen nennt, stehn am Himmel in einem hohen Kreis um die Erde herum. Sie heißen: der Widder, der Stier, die Zwillinge, der Krebs, der Löwe, die Jungfrau, die Waage, der Skorpion, der Schütz, der Steinbock, der Wassermann, die Fische.

Eins folgt auf das andere, und das letzte schließt an das erste wieder an, nämlich die Fische an den Widder. Dies ist der Tierkreis. Er steht aber noch viel höher am Firmament als die Sonne, und sie steht, von hier aus betrachtet, immer zwischen den zwei Linien, die seinen Rand bezeichnen, und in einem Zeichen derselben. Denn ob sie gleich noch weit herwärts desselben steht, so meint man doch wegen der sehr großen Entfernung, sie befinde sich in dem Zeichen selbst. Wenn sie aber heute in dem Zeichen des Steinbocks steht, so steht sie nach 30 Tagen nicht mehr im Zeichen des Steinbocks, sondern im nächsten, und je nach 30 Tagen immer in dem nächstfolgenden, und daran erkennt man, daß die Erde in ihrem Kreislauf unterdessen vorwärts gegangen sei. Es kann nicht fehlen. Zu dem allem sagt Fünftens und letztens der Kopernikus wieder, wenn gleichwohl die Achse der Erdkugel gegen die Sonne waagrecht läge, und die Erde drehte sich auch so, und sie bewegte sich waagrecht in einer vollkommen runden Zirkellinie um die Sonne, also daß die Sonne genau im Mittelpunkt des Zirkelkreises stünde, so müßte jahraus jahrein, und auf allen Orten der Erde Tag und Nacht gleich sein. Ja, es müßte mitten auf der Erde rechts und links um den roten Faden ein ewiger Sommer glühn, weiterhin zu beiden Seiten am Abhang der Kugel milderte und kühlte sich die Hitze ein wenig, je schiefer die Sonnenstrahlen herabfielen, und näher gegen die Pole hin herrschte ein Winter ohne Trost und ohne Ende. Aber es ist nicht so, sagt der Sternseher. Die Achse der Erde liegt nicht waagrecht und nicht senkrecht gegen die Sonne, sondern schief in einem Winkel von 67 Graden, wer’s versteht. In dieser Richtung gegen die Sonne dreht sich die Erde in 24 Stunden um, in dieser Richtung wandelt sie in einem Jahr um die Sonne ebenfalls nicht senkrecht, sondern schief.

Wenn am 21. März der geneigte Leser sich vor den roten Adler stellt, vor das Wirtshaus, und sich mit dem Gesicht gegen Sonnenaufgang kehrt, so ist der Kreis, den an selbigem Tag der rote Faden um die Erde zieht, noch 1470 Stunden Wegs, oder 735 Meilen rechts hinaus von ihm entfernt, sein Pol aber, dem er am nächsten ist, ist 1230 Stunden oder 615 Meilen von ihm entfernt links hinaus. In solchem Standpunkt steht der geneigte Leser am 21. März. Aber schon am 22. legt sich der Faden nicht mehr ganz an das bewußte Kruzifix, und an seinen Anfang an, sondern er läuft etwas herwärts gegen uns daran vorbei, und so windet er sich von 24 Stunden zu 24 Stunden in einer Schraubenlinie fort, und kommt immer näher gegen uns bis zum 21. Juni, und ist alsdann gleichwohl noch nicht bei uns, sondern ist uns nur ungefähr um 705 Stunden, oder 352½ Meilen näher gekommen. Aber vom 2I. Juni an kehrt der Faden in den nämlichen Windungen wieder zurück, immer weiter von uns weg, bis er ungefähr am 21. September in gleicher Entfernung von beiden Polen wieder satt an dem Kruzifix vorbeistreift. Von dieser Zeit an windet er sich jenseits gegen den andern Pol immer weiter und weiter von uns weg bis ungefähr zum 21. Dezember, wo er 1440 Stunden weit, rechts hinaus von uns entfernt ist, kehrt alsdann ebenso zurück, und trifft am 21. März wieder richtig bei dem Kruzifix ein. Aber bis zu uns kommt er nie, weil wir so weit von ihm weg wohnen, hinaus gegen den Pol.

Aus dieser figürlichen Vorstellung ist nun zu erkennen, was zwar der geneigte Leser schon weiß, daß er während des Kreislaufs der Erde nicht immer in der nämlichen Richtung gegen die Sonne bleiben könne, aber die Astronomen haben daraus berechnet, in welcher schiefen Linie die Erde binnen Jahresfrist die Sonne umlaufen muß, damit diese Veränderungen und die 4 Jahreszeiten zustande kommen.

Der Frühling beginnt um den 21. März, wann der rote Faden gerade auf das Kruzifix herabreicht. Die Sonne steht gleich weit von beiden Polen über der Erde. Tag und Nacht sind gleich. Die Sonne scheint immer näher zu kommen, und immer höher am Himmel aufzusteigen, je mehr sich der rote Faden nähert. Der Tag und die Wärme nehmen zu, die Nacht und die Kälte nehmen ab.

Der Sommer beginnt um den 21. Juni, wenn der Faden am weitesten von dem Kruzifix entfernt, und am nächsten bei uns ist. Alsdann steht die Sonne am höchsten über dem Haupt des geneigten Lesers, und dieser Tag ist der längste. So wie sich der Faden wieder hinauswindet, kommt die Sonne immer schiefer gegen uns zu stehen, und die Tage werden kürzer.

Der Herbst beginnt am 21. September. Tag und Nacht sind wieder gleich, weil die Sonne, besage des Fadens, wieder über dem Kruzifix steht. Aber je weiter er alsdann jenseits hinausläuft gegen den andern Pol, desto tiefer stellt sich gegen uns die Sonne. Die Tage und die Wärme nehmen immer mehr ab, die Nächte und die Kühle nehmen zu.

Der Winter beginnt, wenn am 20. Dezember der Faden am weitesten jenseits von uns entfernt ist. Der geneigte Leser verschläft alsdann die längste Nacht, und die Sonne steht so tief, daß sie ihm noch früh um 9 Uhr durch des Nachbarn Kaminhut in das Stüblein schauen kann, wenn die Fensterscheiben nicht gefroren sind.

Endlich wenn von diesem Tage an der Faden zurückkehrt, verlängern sich auch die Tage wieder. Am 22. Februar, auf Petri Stuhlfeier, kommt schon der Storch in seine alte Heimat zurück, und ungefähr am 20. März trifft der rote Faden wieder bei dem Kruzifix ein. Dies hat noch nie falliert.

Hieraus ist zu gleicher Zeit zu erkennen, daß nie auf der ganzen Erde die nämliche Jahreszeit herrscht. Denn zu gleicher Zeit, und in gleichem Maße, wie sich die Sonne von unserm Scheitelpunkt entfernt, oder wir von der Sonne, kommt sie höher über diejenigen zu stehen, welche jenseits des Kruzifixes gegen den andern Pol hinaus wohnen, und umgekehrt ebenso.

Wenn hier die letzten Blumen verwelken, und das Laub von den Bäumen fällt, fängt dort alles an zu grünen und zu blühen. Wenn wir in unserm Winter die längste Nacht verschlafen, schimmert dort der längste Sommertag, und der Hausfreund kann sich nicht genug über die göttliche Weisheit verwundern, die mit einer Sonne auf der ganzen Erde ausreicht, und in die winterlichsten Landschaften, noch einen lustigen Frühling, und eine fröhliche Ernte bringen kann.

So viel für diesmal von der Erde. Gleichwohl, wenn ein Mensch von derselben sich aufheben, und in grader Linie langsam oder geschwind zum Abendstern aufsteigen könnte, der unter allen Sternen der nächste ist, so würde er noch merkwürdige Dinge sehen. Der Stern würde vor seinen Augen immer größer werden, zuerst wie der Mond, bald darauf wie ein großes Rad, zuletzt wie eine unübersehbare Kugel oder Fläche. Sein Licht würde ihm immer milder erscheinen, weil es sich immer über eine größere Fläche verbreitete, ja er würde in einer gewissen Entfernung davon schon Berge und Täler entdecken, und allerlei, und zuletzt auf einer neuen Erde landen. Aber in der nämlichen Proportion müßte unter ihm die Erde immer kleiner werden, und glänzender ihr Licht, weil es sich auf einen kleinem Raum zusammendrängt. In einer gewissen Entfernung hätte sie für ihn noch den Umfang wie ein großes Rad, hernach wie eine Schützenscheibe, hernach wie der Mond, und endlich, wenn er gelandet wäre, würde er sie weit draußen am Himmel, als einen lieblichen Stern unter den andern erblicken, und mit ihnen auf- und untergehn sehen. »Sieh dort«, würde er zu seinem ersten Bekannten sagen, mit dem er bekannt wird, »sieh jenen lieblichen Stern, dort bin ich daheim, und mein Vater und meine Mutter leben auch noch dort. Die Mutter ist eine geborne so und so.« Es müßte ein wundersames Vergnügen sein, die Erde unter den Sternen des Himmels und ganz als ihresgleichen wandeln zu sehen, und der Hausfreund hat dem geneigten Leser diese Freude in dem Artikel von den Planeten zugedacht.

(Die Fortsetzung folgt.)

Zwei Gehilfen des Hausfreunds

Es wird in Zukunft bisweilen, von einem Adjunkt die Rede sein, was der geneigte Leser nicht verstehen könnte, wenn es ihm nicht erklärt würde. Als nämlich der Hausfreund den rheinländischen Kalender noch schrieb, er schreibt ihn noch, hat er den Bezirk seiner Hausfreundschaft diesseits Rheins, wie die Franzosen das Land jenseits Rheins, in zwei Provinzen geteilt, in die untere, und in die obere: und hat in die untere einen Statthalter gesetzt, einen Präfekt, der aber nicht will genannt sein, denn er ist kein Landskind. Auch nennt ihn der Hausfreund selber nicht leicht Statthalter, und niemand, sondern Adjunkt, denn selten ist jeder auf seinem Posten, sondern sitzen beieinander und schreiben neue hochdeutsche Reime, oder sinnreiche Rätsel. »Zum Exempel, Adjunkt«, sagt der Hausfreund: »Ratet hin, ratet her, was ist das?

Der arme Tropf

Hat keinen Kopf;

Das arme Weib

Hat keinen Leib,

Die arme Kleine

Hat keine Beine.

Sie ist ein langer Darm,

Doch schlingt sie einen Arm

Bedächtig in den andern ein.

Was mag das für ein Weiblein sein?«

»Hausfreund«, sagt der Adjunkt, »wenn Ihr mir einen Groschen leiht, so will ich Euch, für dieses Rätsel ein paar Brezeln kaufen. Den Wein, den wir dazu trinken, bezahlt Ihr. Ratet hin, ratet her, was ist aber das?

Holde, die ich meine,

Niedliche und kleine,

Ich liebe dich, und ohne dich

Wird mir der Abend weinerlich.

Auch gönnst du mir,

Nachrühm’ ich’s dir,

Wohl manchen lieblichen Genuß;

Doch bald bekommst du’s Überdruß,

Und laufst zu meiner tiefen Schmach

Ein feiles Mensch den Juden nach

Und dennoch, Falsche, aus und ein,

Hörst du nicht auf, mir lieb zu sein.«

»Ihr erratet’s nicht«, sagt der Statthalter, »wenn ich’s Euch nicht expliziere. Es ist eine Adjunktsbesoldung, zum Exempel meine eigene, die ich von Euch bekomme.«

Allein der Adjunkt hat selber wieder eine Adjunktin, nämlich seine Schwiegermutter, die Tochter hat er noch nicht, bekommt sie auch nicht, und der Hausfreund hat an ihm einen ganz andern Glückszug getan, als sein guter Freund, der Doktor, auf seiner Heimreise aus Spanien an der Madrider Barbiergilde. Denn als er aus der großen Stadt Madrid herausritt, seinem Tierlein wuchsen in dem warmen Land, und bei der üppigen Nahrung die Haare so kräftig, daß er nach Landesart zwei Barbiere mitnehmen mußte, die auch ritten, und wenn sie abends in die Herberge kamen, so rasierten sie sein Tierlein. Weil sie aber selber keine gemeinen Leute waren, und die ganze Nacht Arbeit genug hatten, bis das Tierlein eingeseift, und rasiert, und wieder mit Lavendelöl eingerieben war, so nahm jeder wieder für sein eigenes Tierlein zwei Barbiere mit, die ebenfalls ritten, und diese wieder. Als nun der Doktor oben auf dem pyrenäischen Berg zum erstenmal umschaute, und mit dem Perspektiv sehen wollte, wo er hergekommen war, als er mit Verwunderung und Schrecken den langen Zug seiner Begleiter gewahr wurde, und wie noch immer neue Barbiere zum Stadttor von Madrid herausritten, und inwendig wieder aufsaßen, sagte er bei sich selbst: »Was hab ich denn nötig, länger zu reiten, es geht nun jetzt bergunter«, und ging früh am Tag in aller Stille zu Fuß nach Montlouis.

Also hat der Hausfreund mit seinem Adjunkte auch die Adjunktin des Adjunkts gewonnen, ist aber nicht erschrocken und davongelaufen. Wer’s noch nie erlebt hat, wie sie allen Leuten Red und Antwort gab, und schöne Schweizerlieder vom Rigiberg singen, und wie sie sich verstellen kann, bald meint man, man sehe eine Heilige mitten aus dem gelobten Land heraus, bald die heidnische Zauberin Medea, und noch viel, wer’s nicht gesehen hat, stellt sich’s nicht vor.

Der freundlichen Schwiegermutter des Adjunkts soll dieses Büchlein zum Dank und zur Freundschaft gewidmet sein.

Des Adjunkts Standrede im Gemüsgarten seiner Schwiegermutter

Setzt ohne Anstand die Hüte auf, gute Nachbarn und Freunde. Ich will nun von der Fruchtbarkeit und schnellen Verbreitung der Pflanzen mit euch reden. »Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen, und etliches fiel auf ein gut Land.«

1.

Man kann sich nicht genug über die Menge und Mannigfaltigkeit der Pflanzen verwundern, mit welchen die Natur alle Jahre die Erde bekleidet. In dem kleinen Raum, den das Auge auf einmal überschauen kann, welch eine Vielfachheit der Gestalten, welch ein Spiel der Farben, welche Fülle in der Werkstätte der reichsten Kraft und der unerforschlichen Weisheit? Nicht weniger muß man sich wundern über die Geschwindigkeit, mit welcher die Natur jede leere Stelle auf öden Feldern, verlassenen Wegen, kahlen Felsen, Mauern und Dächern, wo nur eine Handvoll fruchtbarer Erde hingefallen ist, ansäet und mit Gras, Kräutern, Stauden, und Buschwerk besetzt. Das sieht man oft und achtet’s nicht, eben weil man es von Kindheit an so oft sieht; die größte Weisheit verratet sich in der einfachen und natürlichen Einrichtung der Dinge, und man erkennt sie nicht, eben weil alles so einfach und natürlich ist.

2.

Die meisten Pflanzen haben eine wunderbare Vermehrungskraft, wie jeder aufmerksame Landwirt wohl weiß. Tausend Samenkerne von einer einzigen Pflanze, so lange sie lebt, ist zwar schon viel gesagt, nicht jede trägt’s, aber es ist auch noch lange nicht das Höchste. Man hat schon an einer einzigen Tabakspflanze 40 000 Körnlein gezählt, die sie in einem Jahre zur Reife brachte. Man schätzt einer Eiche, daß sie 500 Jahre leben könne. Aber wenn wir uns nun vorstellen, daß sie in dieser langen Zeit nur 50mal Früchte trage, und jedesmal in ihren weit verbreiteten Ästen und Zweigen nur 500 Eicheln, so liefert sie doch 25 000, wovon jede die Anlage hat, wieder ein solcher Baum zu werden. Gesetzt, daß dieses geschehe, und es geschehe bei jeder von diesen wieder, so hätte sich die einzige Eiche in der zweiten Abstammung schon zu einem Walde von 625 Millionen Bäumen vermehrt. Wieviel aber eine Million oder 1000 mal 1000 sei, glaubt man zu wissen, und doch erkennt es nicht jeder. Denn wenn ihr ein ganzes Jahr lang vom 1. Jenner bis zum 31. Dezember alle Tage 1000 Striche an eine große Wand schreibet, so habt ihr am Ende des Jahrs noch keine Million, sondern erst 365 000 Striche, und das zweite Jahr noch keine Million, sondern erst 730 000 Striche, und erst am 26. September des dritten Jahrs würdet ihr zu Ende kommen. Aber unser Eichenwald hätte 625 solcher Millionen, und so wäre es bei jeder andern Art von Pflanzen nach Proportion in noch viel kürzerer Zeit, ohne an die zahlreiche Vermehrung durch Augen, Wurzelsprossen und Knollen zu gedenken. Wenn man sich also einmal über diese große Kraft in der Natur gewundert hat, so hat man sich über den großen Reichtum an Pflanzen aller Art nicht mehr zu verwundern. Obgleich viele 1000 Kerne und Körnlein alle Jahre von Menschen und Tieren verbraucht werden, viele Tausend im Boden ersticken, oder im Aufkeimen durch ungünstige Witterung und andere Zufälle wieder zugrunde gehen, so bleibt doch jahraus jahrein, ein freudiger und unzerstörbarer Überfluß vorhanden. Auf der ganzen weiten Erde fehlt es nirgends an Gesäme, überall nur an Platz und Raum.

3.

Aber wenn jeder reife Kern, der sich von seiner Mutterpflanze ablöset, unter ihr zur Erde fiele und liegen bliebe; alle lägen aufeinander, keiner könnte gedeihen, und wo vorher keine Pflanze war, käme doch keine hin. Das hat die Natur vor uns bedacht, und nicht auf unsern guten Rat gewartet. Denn einige Kerne, wenn sie reif sind, fliegen selbst durch eine verborgene Kraft weit auseinander, die meisten sind klein und leicht, und werden durch jede Bewegung der Luft davongetragen, manche sind noch mit kleinen Federlein besetzt, wie der Löwenzahn (Schlenke, Kettenblume), Kinder blasen sie zum Vergnügen auseinander, und tun damit der Natur auch einen kleinen Dienst, ohne es zu wissen, andere gehen in zarte breite Flügel aus, wie die Samenkerne von Nadelholzbäumen. Wenn die Sturmwinde wehen, wenn die Wirbelwinde, die im Sommer vor den Gewittern hergehen, alles von der Erde aufwühlen und in die Höhe führen, dann säet die Natur aus, und ist mit einer Wohltat beschäftigt, während wir uns fürchten, oder über sie klagen und zürnen; dann fliegen und schwimmen und wogen eine Menge von unsichtbaren Keimen in der bewegten Luft herum, und fallen nieder weit und breit, und der nachfolgende Staub bedeckt sie. Bald kommt der Regen und befeuchtet ihn, und so wird’s auf Flur und Feld, in Berg und Tal, auf First und Halden auch wahr, daß etliches auf dem Weg von den Vögeln des Himmels gefressen wird, etliches unter den Dornen zugrund geht, etliches auf trockenem Felsengrund in der Sonnenhitze erstirbt, etliches aber gut Land findet, und hundertfältige Frucht bringt. Weiter sind manche Kerne für den Wind zu groß und zu schwer, aber sie sind rund und glatt, rollen auf der Erde weiter, und werden durch jeden leichten Stoß von Menschen oder Tieren fortgeschoben. Andere sind mit umgebogenen Spitzen oder Häklein versehen, sie hängen sich an das Fell der Tiere, oder an die Kleider der Menschen an, werden fortgetragen, und an einem andern Orte wieder weggestreift, oder abgelesen und ausgesäet, und der es tut, weiß es nicht, oder denkt nicht daran. Viele Kerne gehen unverdaut und unzerstört durch den Magen und die Gedärme der Tiere, denen sie zur Nahrung dienen sollen, und werden an einem andern Ort wieder abgesetzt. So haben wir ohne Zweifel durch Strichvögel schon manche Pflanze aus fremden Gegenden bekommen, die jetzt bei uns daheim ist, und guten Nutzen bringt. So gehen auf hohen Gemäuren und Türmen Kirschbäume und andere auf, wo gewiß kein Mensch den Kern hingetragen hat. Noch andere fallen von den überhangenden Zweigen ins Wasser, oder sie werden durch den Wind und Überschwemmungen in die Ströme fortgerissen und weitergeführt, und an andern Orten durch neue Überschwemmungen wieder auf dem Lande abgesetzt. Ja, einige schwimmen auch wohl auf den Strömen bis ins Meer, erreichen das jenseitige Gestade, und heimen sich alsdann in einer landesfremden Erde ein. Es sind da und dort schon Pflanzen als Unkraut aufgegangen, von denen man wohl wissen kann, daß der Samen dazu auf diese Art über das Meer gekommen sei. Also müssen alle Kräfte und Elemente die wohltätigen Absichten des Schöpfers befördern, Schnee und Regen, Blitz und Hagel, Sturm und Winde, die seine Befehle ausrichten.

4.

Aber das ist ja eben die Plage des Landmannes! Daher kommt also das viele Unkraut im Gartengelände und auf den Ackerfurchen, das der schönen gereinigten Saat Raum und Nahrung stiehlt, so viel Mühe macht, und doch mit aller Geduld und Sorgfalt nicht vertilgt werden kann! Die Sache ist nicht so schlimm, wie sie scheint. Denn zum ersten, so ist der Mensch nicht allein auf der Erde da. Viele 1000 Tiere aller Art, von mancherlei Natur und Bedürfnissen, wollen auch genährt sein, und warten auf ihre Speise zu seiner Zeit. Manche davon sind uns unentbehrlich, und wir wissen’s wohl, manche schaffen uns großen Nutzen, und wir wissen’s nicht; und es muß doch wahr bleiben, woran wir uns selber so oft erinnern, daß sich eine milde Hand auftut, und sättiget alles, was da lebet, mit Wohlgefallen. Zum andern, so hat doch der Mensch auch schon von manchem Kräutlein Nutzen gezogen, das er nicht selber gesäet und gepflanzet, nicht im Frühlingsfrost gedeckt, und in der Sommerhitze begossen hat. Und eine einzige unscheinbare und verachtete Pflanze, deren Kraft dir oder deinen Kindern, oder auch nur deinem Vieh eine Wunde heilt, einen Schmerz vertreibt oder gar das Leben rettet, bezahlt die Mühe und den Schaden reichlich, den tausend andere verursachen. Aber wer stellt den Menschen zufrieden? Wenn die Natur nicht so wäre, wie sie ist, wenn wir Baldrian und Wohlgemut, Ehrenpreis und Augentrost, und alle Pflanzen in Feld und Wald, die uns in gesunden und kranken Tagen zu mancherlei Zwecken nützlich und nötig sind, selber ansäen, warten und pflegen müßten, wie würden wir alsdann erst klagen über des vielbedürftigen Lebens Mühe und Sorgen!

Von den Schlangen

1.