Scher Dich zum Teufel, mein Engel - Marie Cordonnier - E-Book

Scher Dich zum Teufel, mein Engel E-Book

Marie Cordonnier

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Beschreibung

Hilary ist glücklich mit Colin, bis sie erfährt, dass auch er nicht anders ist, als alle anderen. 'Das Durcheinander in einem Theaterstück, und jeder Regisseur hätte den Autor für geisteskrank erklärt!' stellt ihre Schwester Olivia trocken fest, als sich endlich alles zum Guten wendet.

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Marie Cordonnier

ISBN 978-3-86466-235-5
This ebook was created with BackTypo (  http://backtypo.com) by Simplicissimus Book Farm © 2014 by BestSelectBook_Digital Publishers Digitalised by DokuFactory Groß-Umstadt

Table of contents

Scher Dich zum Teufel, mein Engel

Scher Dich zum Teufel, mein Engel

Hilary Farlane stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus und schob die Druckfahnen zusammen. In ihrer Freude über das fertig gestellte Manuskript hatte sie nicht auf das Geräusch des Schlüssels in der Wohnungstür geachtet, so dass sie wie ertappt zusammenfuhr, als ihre Schwester plötzlich vor ihr stand.  »Livy!« »Höchstselbst. Wen hast du erwartet, Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger?« Hilary unterdrückte ein Grinsen. »Meine Güte, Livy! Du bist nochmal schuld daran, wenn ich eines Tages vor Schreck entseelt vom Stuhl sinke!« »Entseelt!« Olivia Farlane verdrehte die Augen. »Wie das klingt! Ich dachte, du schreibst Kochbücher und keine Kitschromane, Kleines!« Sie wich geschickt dem Klebestift aus, den Hilary nach ihr warf, und ließ sich lachend in einen der weißen Ledersessel sinken, die rund um einen cremefarbenen Marmortisch standen, der den Mittelpunkt ihrer extravagant eingerichteten Wohnung bildete. »Wie herrlich es ist, wieder in den eigenen vier Wänden zu sein, nach all den englischen Hotelzimmern«, bemerkte sie. »Ich hatte übrigens sensationellen Erfolg in London, weißt du das? Sie haben mir die Hauptrolle in einer englischen Fernsehserie angeboten!« »Du hast in den letzten fünf Jahren nur sensationelle Erfolge gehabt«, stellte ihre jüngere Schwester trocken fest. »Was bringt dich denn nun so aus dem Häuschen?« »Grässliches Frauenzimmer«, stöhnte Olivia Farlane. Sie nahm die schwarze Baskenmütze ab, die sie zu einem kurzen, knallroten Kostüm trug. Dann ging sie zur Hausbar, wo sie sich nach kurzem Überlegen einen Sherry eingoss. »Du auch?«, erkundigte sie sich bei Hilary. »Nein, danke«, lehnte ihre Schwester ab. »Du weißt doch, keinen Alkohol bei der Arbeit. Herzlich willkommen daheim. Wie war dein Flug?« Olivia schlüpfte aus der engen Kostümjacke und legte sie achtlos zur Mütze, die sie auf die Couch geworfen hatte. »Sehr unterhaltsam«, sagte sie kurz und nahm einen großen Schluck Sherry. Sie sah verträumt zum Fenster hinaus. Beunruhigt runzelte Hilary die Stirn. Sie kannte ihre Schwester gut genug, um zu wissen, dass sie vermutlich nicht an der Aussicht interessiert war, die man von hier aus auf die Bäume des Central Parks von New York hatte. Wenn Olivia geistesabwesend war, hatte das - seit ihrem zwölften Lebensjahr - ausschließlich mit dem männlichen Geschlecht zu tun. Heute, mit 35 Jahren, war sie eine der erfolgreichsten Theaterschauspielerinnen des Broadway und eine Frau, die sich trotz des gnadenlosen Konkurrenzkampfes in ihrer Branche die unschuldig zerbrechliche Ausstrahlung eines entzückenden kleinen Mädchens bewahrt hatte. Es gab kaum einen Mann, der dieser Kombination aus tiefschwarzen Haaren, blauen Augen und verführerisch gewölbten Lippen widerstehen konnte. Olivia hingegen genoss es, ihnen die Köpfe zu verdrehen, während sie selbst bisher ihren Kopf noch nie verloren hatte. Hilary wünschte, sie hätte dasselbe auch von sich behaupten können. Aber so unterschiedlich sie im Aussehen und in der Veranlagung waren, lagen auch in der Liebe Welten zwischen ihnen. Wenn sie auf einen Typ hereinfiel, ging das nie ohne Kummer und Ärger ab. Aber wohin zum Kuckuck verirrten sich ihre Gedanken eigentlich? Sie erhob sich vom Stuhl. Die schulterlangen rotbraunen Haare hatte sie zu einem lieblosen Pferdeschwanz in den Nacken gezerrt, damit sie ihr beim Korrigieren nicht ständig in die Augen fielen. Ihr Gesicht war im Gegensatz zum makellosen Oval Olivias eher dreieckig und von grünen, leicht schräg stehenden Augen beherrscht. »Unterhaltsam«, ahmte sie ihre Schwester nach und grinste vergnügt. »Komm schon, Große, erzähl! Welches Opfer peilst du gerade an? Und behaupte bloß nicht, dass du todmüde bist, dir die Zeitverschiebung in den Knochen steckt und ich mir alles einbilde.« Olivia lächelte spitzbübisch. »Was für ein Glück, dass du die Einzige bist, die mich so beklagenswert genau durchschaut. Aber ich platze fast vor Neuigkeiten. Ich würde es gar nicht aushalten zu schweigen. Weißt du was? Du kochst uns eines von deinen Super-Rezepten, und wir machen uns einen gemütlichen Abend. Buddy glaubt, dass ich erst morgen zurückkomme, er hat keine Ahnung, dass ich einen früheren Flug genommen habe!« Buddy Herberts war Olivias Agent. Hilary hatte vor einer guten Stunde mit ihm telefoniert und ihm bestätigt, dass auch sie ihre Schwester erst für den nächsten Tag erwartete. Es sah so aus, als sei ihnen tatsächlich der erste gemeinsame Abend seit vielen Monaten gegönnt. Obwohl sie in regelmäßigen Abständen nach New York kam, wenn es ihre Arbeit als freie Autorin erforderte, und sie jedes Mal bei Olivia wohnte, sahen sie sich meist nur zwischen Tür und Angel. Wenn Livy tatsächlich einmal nicht zu Proben, Foto-Terminen, Aufführungen oder privaten Partys unterwegs war, dann war es mit Sicherheit Hilary, die gerade an diesem Tag eine Verabredung hatte. Seit sie ihre feste Anstellung als Redakteurin bei einer großen Frauenzeitschrift aufgegeben hatte, lebte sie wieder in Hacketsville. In dem alten Haus, das seit dem Tod ihrer Eltern vor einigen Jahren leer gestanden hatte. Sie mochte die ländliche Ruhe, die es ihr ermöglichte, jene ungewöhnlichen und doch praxisnahen Kochbücher zu schreiben, deren steigende Verkaufszahlen ihren Verleger entzückten. Aber sie verbrachte auch gerne immer wieder ein paar Wochen in New York, wo sie sich mit alten Kollegen traf oder wie dieses Mal die Korrekturfahnen eines neuen Buches überarbeitete, ehe ihre neuen Ideen besprochen wurden. Trotz aller Verschiedenheit und einem Altersunterschied von sechs Jahren hingen die beiden Schwestern sehr aneinander und bedauerten es, dass sie so selten füreinander Zeit hatten. Heute schien einer dieser seltenen Abende zu sein. »Okay, einverstanden«, stimmte sie jetzt Livys Vorschlag zu. »Aber gib mir wenigstens einen Anhaltspunkt, was auf mich zukommt. Wer ist der Wundermann? Ein Schauspieler? Ein Regisseur? Ein Filmproduzent? Ein Theaterkritiker?« »Ein Börsenmakler!« Hilary war sprachlos. Olivia lächelte strahlend und fügte ein paar weitere Informationen hinzu, die ihre Verblüffung nur noch steigerten. »Ein englischer Börsenmakler, Schätzchen! Ein adeliger noch dazu. Ein echter Gentleman! Sir Cyril Carruthers! Was sagst du jetzt?« »Hallo, Cyril! Hier bin ich!« Colin Coster musste seinen Cousin am Arm festhalten, damit dieser nicht völlig geistesabwesend an ihm vorbeilief. »Menschenskind, du siehst aus, als hätte dir Lady Di soeben eröffnet, dass sie sich für dich scheiden lassen will!«, neckte er ihn. »Und du, mein lieber Colin, hast immer noch die gleiche niederträchtige Art, mir alte, längst vergessene Jugendsünden unter die Nase zu reiben. Es ist mehr als ein Jahrzehnt her, dass die Carruthers zur Hochzeit von Lady Diana eingeladen wurden!« Trotzdem ließ sich Sir Cyril Carruthers von seinem amerikanischen Cousin in eine freundschaftliche Umarmung ziehen, ehe sich beide neugierig musterten. »Schön, dass du mal wieder über den Teich gefunden hast«, meinte Colin Coster. »Ist das alles, was du an Gepäck dabeihast?« Er deutete auf die Aktenmappe, die sein Besucher in der Hand trug. »Ah... ja... ach...« Total konsterniert strich sich Sir Cyril nervös über die Haare. »Jetzt habe ich doch tatsächlich meine beiden Koffer vergessen! Warte bitte einen Moment ...« Ziemlich verblüfft sah Colin ihm nach, als er jetzt durch die Zollschranke zurückging und dem Beamten klar machte, dass er vergessen hatte, sein Reisegepäck vom Förderband zu nehmen. So zerstreut kannte er ihn gar nicht. Was hatte ihn nur derart durcheinander gebracht? »Sie heißt Olivia Farlane und war auf dem Heimflug«, erzählte ihm Cyril eine halbe Stunde später bei einem Drink in der Flughafenbar. »Was für eine Frau, Colin! Ein Wunder! Ein Geschöpf von einem anderen Planeten, ein makelloser Diamant...« »Na, dich hat es ja böse erwischt«, bemerkte Colin ironisch. »Stammt nicht von dir der Spruch, dass Amerikanerinnen zwar hübsch anzusehen, aber nicht dein Fall sind? Angeblich, soweit ich mich erinnere, weil sie keine Ahnung davon haben, wie sich eine richtige Dame benimmt?« Sir Cyril Carruthers wehrte lässig ab. »Sie ist Schauspielerin. Theater-Schauspielerin«, betonte er. »Sie spricht Shakespeare im Original und ist einfach bezaubernd. Ich muss sie wiedersehen. Ich habe schon in London ein paar Interviews mit ihr gelesen. Kennst du sie?« Colin hob die breiten Schultern. »Der Name kommt mir bekannt vor, aber ich muss gestehen, dass mir Dad im Moment wenig Zeit zum Ausgehen lässt. Über die New Yorker Hits bin ich gegenwärtig schlecht informiert...« »Sie hat mir erlaubt, dass ich sie aufsuche«, erzählte Sir Cyril weiter. »Am liebsten würde ich es auf der Stelle tun, aber das wäre natürlich zu aufdringlich. Ich werde ihr Blumen schicken. Ja, das ist das Richtige. Was hältst du davon, Colin?« Colin mochte seinen Cousin eigentlich sehr gerne, aber im Moment begann ihm der liebeskranke Cousin etwas auf die Nerven zu gehen. »Seit wann fragst du mich in solchen Sachen um Rat? Meinetwegen schick ihr den Central Park unter Zellophan«, knurrte er ungehalten. »Aber wie wäre es, wenn wir diese heiligen Hallen endlich verließen? Ich bin wirklich ein wenig in Eile. Hast du dich entschieden, ob du bei mir wohnst? Das Gästezimmer steht frei, es kann dir lediglich passieren, dass du die Betten selber beziehen musst. Ich bin noch mitten im Einrichten...« Sir Cyril wandte seine Gedanken widerwillig für eine Weile von Olivia Farlane ab. »Danke, Alter, das ist nett von dir. Aber ich habe eine Menge Termine vereinbart und will dich zu Hause damit nicht stören. Unser Büro hat mir ein Apartment mit Telefon und Telefax gemietet. Warte, ich habe dir irgendwo die Adresse notiert. Ruf mich an, wenn du Zeit hast, damit wir uns mal verabreden können...« Nach längerem nervösem Kramen in verschiedenen Anzugtaschen brachte sein Cousin ein zusammengefaltetes Blatt zum Vorschein, das er in die oberste Reverstasche von Colins Lederjacke schob. »Hier, verlier den Zettel nicht. Für heute genügt es, wenn du mich jetzt mit in die Stadt nimmst und mich am St. Pierre absetzt. Ich habe dort um 19 Uhr ein Meeting!« »Wahnsinniger!« Jetzt war es für Colin endgültig klar, dass Cyril den Verstand verloren hatte. »Weißt du, wie lange wir um diese Zeit zum St. Pierre Hotel brauchen? Und du hängst hier seelenruhig an der Bar herum und schwärmst mir die Ohren von deiner Traumfrau voll! Schon mal was von Rushhour in einer Großstadt gehört?« »Du schaffst das schon!« Colin verzog zweifelnd das Gesicht. »Sieht eher so aus, als würdest du mich diesmal schaffen! Lass uns endlich gehen...« Sir Cyril blieb gelassen. »Ruhig Blut, Colin. Anscheinend hast DU noch nie wegen einer Frau die Fassung verloren?«, stellte er fragend fest. »Da sei auch Manitu davor!«, stöhnte Colin und griff nach den Koffern, die Sir Cyrils Habe enthielten. »In den bisherigen 34 Jahren meines Lebens habe ich nur meiner Mutter erlaubt, über mich zu bestimmen, und dabei bleibt es, darauf kannst du wetten!« »Ich wäre versucht, auf diese Wette einzugehen, wenn mir der passende Einsatz dafür einfällt!«, erwiderte Sir Cyril schmunzelnd. Dieses Mal verzichtete Colin auf die Antwort. »Mhm, das war phantastisch!« Olivia Farlane schob den Teller, auf dem sich bis vor kurzem noch eisgefüllte, schokoladenüberzogene Profiteroles befunden hatten, seufzend von sich. »Ich werde morgen ein Kilo mehr auf der Waage haben, aber diese Mini-Windbeutelchen von dir sind glatt eine Sünde wert!« Auch Hilary war gesättigt. Sie kochte schon von Berufs wegen leidenschaftlich gerne, aber zu zweit schmeckte es einfach besser. Sie drehte das Glas mit dem Rotwein traumverloren gegen das Kerzenlicht und kam noch einmal auf das zurück, was ihr Olivia in aller Ausführlichkeit bisher über ihre Bekanntschaft mit Sir Cyril Carruthers erzählt hatte. »Du verliebst dich mit schöner Regelmäßigkeit in deine Bühnen- und Filmpartner. Wer sagt dir, dass es ausgerechnet bei diesem englischen Lord etwas Ernstes sein wird?« »Mein Gefühl«, stellte Olivia knapp fest. »Er ist so anders, Hilary, begreif das doch. So elegant, zuvorkommend, ein Mann mit guter Erziehung. Man merkt ihm einfach an, dass er aus einer alten Familie kommt. Immerhin habe ich mich einen ganzen Flug lang von London bis New York mit ihm über alles Mögliche unterhalten.« Hilary blinzelte verblüfft. »Seit wann legst du auf solche Dinge Wert? Hast du zu viele historische Liebesromane gelesen?« »Quatsch!«, antwortete Olivia fröhlich. »Ich meine damit nur, dass Cyril ein Mann ist, zu dem diese besondere Art passt. Ein bisschen altmodisch, sehr europäisch und ritterlich, einfach zum Verlieben.« »Uff.« Hilary blieb unverbesserlich kritisch. »Wie sieht das Wundertier eigentlich aus? Hatte er seine Ritterrüstung wenigstens ordentlich poliert?« »Ich rede kein Wort mehr mit dir, wenn du in diesem ekligen Ton weiterstichelst...« »Okay, okay!« Hilary machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Ich sage nichts mehr gegen deinen Traummann, versprochen!« »Ich habe ihm übrigens meine Telefonnummer und die Adresse aufgeschrieben«, gestand Olivia jetzt. »Wenn er sich nicht meldet, weiß ich nicht, was ich tun soll! Ich kann es schon jetzt kaum erwarten, ihn wiederzusehen!« »Wenn er wirklich der Gentleman ist, für den du ihn hältst, dann schickt er dir vermutlich morgen eine LKW-Ladung rote Rosen«, beruhigte sie Hilary nüchtern. »Für heute sollten wir besser zu Bett gehen, damit wir unseren Schönheitsschlaf bekommen. Du für deinen europäischen Ritter und ich für meinen kritischen Verleger...« Olivia stimmte dem Vorschlag eher widerstrebend zu, aber dann war es doch Hilary, die in ihrem Bett lag und nicht einschlafen konnte. Irgendetwas an Livys neuer Liebesgeschichte machte ihr Sorgen. Sie hatte plötzlich Angst, dass es dieses Mal Livy sein könnte, die verletzt werden würde - und nicht wie sonst üblich ihre Partner. Sie wusste aus eigener Erfahrung zu gut, wie weh Liebeskummer tun konnte. Immerhin hatte sie vor ein paar Jahren nicht ganz freiwillig den Entschluss gefasst, in Hacketsville einen neuen Anfang zu wagen. Ganze drei Jahre lang hatte sie gehofft, dass dieses Scheusal Clark Sherman endlich seine Versprechen in die Tat umsetzte. Dass sich der attraktive Anzeigenchef der Zeitschrift, bei der sie tätig war, tatsächlich irgendwann von seiner angeblich ungeliebten Frau scheiden lassen würde und dass es dann mehr in ihrem Leben geben würde, als nur gestohlene Wochenenden und seltene Abende zu zweit. Erst als sie durch einen unsinnigen Zufall beim Squash eine höchst attraktive, fröhliche Blondine kennen lernte und erfahren musste, dass es sich um Suzy Sherman handelte, hatte sie durchschaut, dass sie nie mehr als Clark Shermans Geliebte sein würde. Dass es nie die Familie und die Kinder geben würde, von denen sie träumte. Clark hatte überhaupt nicht begreifen können, warum sie von einem Tag auf den anderen mit ihm Schluss gemacht hatte. Warum sie in geradezu panischer Eile ihre Wohnung auflöste, ihren guten Job aufgab und nach Hacketsville in die tiefste Provinz zog. Dass es ihre letzte Möglichkeit gewesen war, ihre Selbstachtung zu wahren, hatte damals eigentlich nur Livy durchschaut. In den folgenden Jahren hatte sie das Tief überwunden, wobei ihr nicht zuletzt der ungewöhnliche berufliche Erfolg geholfen hatte. Geblieben war nur eine ausgeprägte Vorsicht im Umgang mit Männern. Eine Vorsicht, die sie nicht daran hinderte, sich ganz heimlich und allen Erfahrungen zum Trotz doch endlich einmal einen Mann zu wünschen, den sie ohne Vorbehalte lieben konnte und den sie mit keiner anderen teilen musste. Eine noble Gegend. Colin Coster sah anerkennend an dem gepflegten Apartmenthaus hoch. Cyrils Maklerbüro brachte offensichtlich eine Menge ein, wenn er sich diese Unterkunft in New York für einen kurzen Aufenthalt leisten konnte. Unter einem braun-weiß gestreiften, halbrunden Baldachin stand ein Portier, der ihn an einen Operetten-General erinnerte. Immerhin nickte der Befrackte gnädig, als ihm der junge Mann den Zettel mit der Adresse vor die Nase hielt. Apartment 34 stand da nur neben der Telefonnummer und der Straße. Es schien dem Uniformierten zu genügen, denn er deutete hoheitsvoll auf den Lift, der Colin anschließend in den fünfzehnten Stock hinaufbrachte. Dass sich Cyril bei ihm nicht gemeldet hatte, war ungewöhnlich. Er legte doch sonst so viel Wert auf die Familie und ihre regelmäßigen Treffen. Wo steckte der Junge? Beschäftigte ihn seine Love-Story mit dieser sensationellen Olivia Farlane derart intensiv oder benötigte er einen Freund, der ihn aus der Arbeit riss? Höchste Zeit, dass er einmal nach ihm sah. Tür Nummer 34 hatte kein Namensschild, aber die übliche Reihe Sicherheitsschlösser, eine Glocke und einen Spion. Er klingelte Sturm. Hilary war nach einem anstrengenden Tag in ihrem Verlag gerade dabei, die zahllosen Notizen für ihr neues Buch in eine halbwegs lesbare Form zu bringen, als das ungeduldige Klingeln sie in der Konzentration störte. Olivia? Nein, sie war erst vor einer halben Stunde zu ihrer Verabredung mit Buddy Herberts aufgebrochen. Zuvor hatte sie ihre Schwester mindestens zehnmal ermahnt, ans Telefon zu gehen. Es konnte ja sein, dass sich Sir Cyril endlich meldete.