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Das alltägliche Leben hält unzählige kleine, kostbare Momente bereit. Viele davon regen zum Schmunzeln an. Diese Kurzgeschichten erzählen von Fröhlichkeit, Toleranz, Fairness und vor allem von dem Schmunzeln, das den kleinen Begebenheiten innewohnt.
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Seitenzahl: 267
Veröffentlichungsjahr: 2022
Miriam Hinders
Schmunzelstories 1
07/2020 - 06/2021
© 2022 Miriam Hinders
Covergrafik von Brigitte Ordowski
Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer
ISBN Softcover: 978-3-347-62060-5
ISBN Hardcover: 978-3-347-62061-2
ISBN E-Book: 978-3-347-62062-9
ISBN Großschrift: 978-3-347-62063-6
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Begegnungsstätte
Sofas
Sprachkenntnisse
Wunder in Natur und Technik
Diktieren im Mittelalter
Geburtstagsmenü
Fischkörbchen
Wasserbett
Kleiderfragen im Büro
Im Sommer ist schlecht
Quittengelee und Eierlikör
Spazier-Kraxeln
Alles hat eine Richtung
Schlecht hören kann ich gut
Variationen vom Maultäschle
Simplify your life
Konferenz der Dinge
Musterhaus Specht
Ravioli-Schlacht
Ravioli mit Kürbis-Mascarpone-Füllung
Perspektivwechsel
Sprichwörter
Gastro-Tag
Komfortzone
Schwarzes Loch
Mode
3D-Druck
Daumen hoch
Das kleine Funkeln
Wolkenbilder
Die Botin vom Boot
Meta-Kommunikation
Verschwörung
Phytomining
Krimiabend
Smart City
O Du fremdes Wort
Ich freue mich schon
Die Drossel und der Schnaps
Die leidige Anleitung
Schmandkuchen
Schmandkuchenrezept
Das Kissen quiekt
Service-Krise
Der Ball war drin
Orgosolo
Der Esel hilft da gerne
Wild und oder entschlossen
Von Hand und Schrift
Quanten runter
Die Wortkelle
Der Sieg des Schweinehunds
Soziallegastheniker
Warum oder wozu
Bist Du gedingst
Rundes ins Eckige
Der Schlag ist fertig
Danke
Für Gitti
Mein Blick richtet sich immer wieder auf die kleinen, kostbaren Momente des alltäglichen Lebens. Meist werde ich reich belohnt, denn nahezu jeder kleinen Begebenheit wohnt ein Schmunzeln inne. Dieses Schmunzeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, es zaubert ein Lächeln, es trägt mich. Immer wieder schwillt es zu einem Lachen an.
Im Sommer 2020 habe ich mir in den Kopf gesetzt, mein Schmunzeln zu teilen und damit solch ein Schmunzeln auch auf die Gesichter anderer Menschen zu zaubern. Ich begann, kleine Geschichten aufzuschreiben und eröffnete meinen Blog: https://schmunzelstories.de
Viele der Geschichten, die ich hier regelmäßig veröffentliche, sind genau so passiert, andere habe ich ganz oder teilweise frei erfunden.
Nach einiger Zeit bat mich jemand, sie auch offline und so richtig auf Papier zur Verfügung zu stellen, damit man sie besser verschenken kann. Ich war gerührt, traute mich aber zunächst nicht. Mittlerweile sind schon recht viele Geschichten zusammengekommen und die Bitte nach einer Papierversion hat mich wiederholt erreicht. Dieser Bitte komme ich nun gerne nach.
In diesem Band fasse ich alle Texte meines ersten Schmunzelstory-Jahres zusammen, also alles, was zwischen Juli 2020 und Juni 2021 den Weg nach „draußen“ gefunden hat.
Viel Vergnügen beim Lesen!
Miriam Hinders
Begegnungsstätte
Ich habe den ganzen Tag an einem Kopflappenumleger gearbeitet. Das Ding braucht man für Verpackungsmaschinen. Denke an Mehl- oder Zuckerpackungen. Stelle Dir vor, Du füllst das Päckchen und verschließt es dann. Vielleicht drückst Du die Stirnseiten mit den Fingern ein und faltest den nach oben überstehenden Teil nach unten. Genau so macht es der Kopflappenumleger auch, dieser hier etwa einhundertfünfzig Mal in der Minute.
Die Konstruktion war nicht so einfach, aber jetzt ist das Ding endlich komplett, alle Teile sind gezeichnet und bemaßt.
Ich kehre zu meiner Freundin Gitti zurück – ich bin hungrig und habe einen halben Laib Möhrenbrot im Auto. Die andere Hälfte hat die Fahrt mal wieder nicht überlebt, es hat so herrlich geduftet. Kaum zur Tür herein wird mir eröffnet: „Ich habe meinen Bausparvertrag gekündigt und außerdem habe ich es satt!“
Okay?!? Gitti nimmt zum Essen etwas weniger des guten Weines zu sich. Bald erkenne ich, dass wir das Haus noch mal verlassen werden. Sie fährt, ich kann eh nicht mehr, ich wollte den Rest der Flasche nicht verkommen lassen. Wir betreten ein Küchenstudio. Langsam beginne ich, zu begreifen: wir werden eine Küche kaufen! Heute allerdings nicht, es ist wohl noch nicht der richtige Laden – puh.
Am nächsten Morgen geht es weiter mit dem Thema. Es ist Samstag. Gegen neun Uhr entreißt Gitti mich dem Schlaf - präsenile Bettflucht. Ich wanke in die Küche, die es zu ersetzen gilt. Nach Kaffee und Brötchen krieche ich durch den Raum und ermittle Maße, wir zeichnen einen Grundriss. Es gibt auch noch bewegliche Dinge, die offensichtlich das Haus nicht so schnell verlassen sollen, dazu gehören ein runder Tisch, eine hohe Kühl-Gefrier-Kombination und vier Stühle. Die werden ebenfalls ausgemessen, wir fertigen Papierschnipsel, die wir dann über den Grundriss schieben können. Alles findet Platz in einer Plastik-Sichttasche, so eine, die man in Ordner heften kann.
Los geht es – mit einem Umweg über den Wertstoffhof, wo wir wieder Probleme mit den ortsansässigen Müllsheriffs bekommen, weil wir nicht in der Lage sind, unseren Müll so zu sortieren, wie es in dieser Woche wohl angebracht gewesen wäre – egal, das ist in etwa so aussichtslos, wie das Unterfangen, beim Aldi den Wettlauf gegen die Kassiererin gewinnen zu wollen (meinen höchsten Respekt zolle ich diesen Frauen!!).
Am späten Nachmittag landen wir völlig erschöpft in einem Laden, in dem wir Dachmaar, wie wir sie später liebevoll nennen werden, begegnen. Ich glaube, Dachmaar hatte bis dahin einen beschaulichen Samstag hinter sich und freute sich schon auf den nahenden Feierabend und ein Gläschen Sekt, mit dem sie denselben zu beschließen gedachte. Wir kippen unsere Schnipsel aus der Plastik-Sichttasche auf einen Tisch und formulieren unser Anliegen.
Dachmaar zeigt uns fast alles, was der Laden zu bieten hat und denkt sich ob unserer Kommentare und Überlegungen bezüglich der Zahl der Leute, die zur Not in der neuen Küche gemeinsam speisen können sollen, ob der Logistik, die die Zubereitung bestimmter Speisen erfordert und ob all der sonstigen Nebenbedingungen, die zu erfüllen sind, ihren Teil. Irgendwann muss sie dann doch fragen, was sich ihr aufdrängt: „Ist das eigentlich eine Begegnungsstätte?“ Wir antworten synchron, ich mit „Nein“, Gitti mit „Ja“. Dachmaar belässt es dabei. Sie berät uns weiter, bis wir unsere Schnipsel wieder einsammeln und einen Vertrag unterschreiben. Dann gibt es endlich Sekt, für Dachmaar, Gitti und mich – guter Tag!
Die neue Küche soll direkt nach Weihnachten in Gittis Haus geliefert werden und es sind viele Vorbereitungen zu treffen. Der Boden ist hässlich, wir wollen also Laminat verlegen. Es ist egal, dass wir keine Ahnung davon oder gar Erfahrung damit haben, und Gittis Schwägerin hat uns Hilfe angedroht, alles kein Problem, sie wird kommen. Wir sollen nur alles besorgen, was man dazu so braucht – wir trauen uns nicht, nach Details zu fragen. Die Wände wollen wir bei der Gelegenheit auch neu tapezieren. In einem der ortsansässigen Baumärkte erstehen wir ein größeres Gebinde Laminat, Tapete, Kleister, Werkzeug und was-weiß-ich-was, was man so brauchen könnte.
Die alten Küchenmöbel werden entsorgt und die Schwägerin mitsamt Kreissäge einbestellt. Draußen ist es kalt, was gut ist, weil dort ein Teil des Kühlschrankinhaltes lagern muss. Ein Verschieben des wichtigsten Schrankes im ganzen Haushalt ist uns erst möglich, nachdem der größte Teil seines Inhaltes des Hauses verwiesen ist. Die Laminat-Verlege-Aktion mit den beiden läuft gut, erst beim drittletzten Brett erleichtert sich der Schwägerin Gewissen: „Das ist ja einfach, das hätte ich gar nicht gedacht, das muss ich dringend zu Hause auch mal probieren!“ Ich hatte bis da geglaubt, sie hätte schon gefühlte tausend Quadratmeter mit dem Zeug ausgelegt.
Weihnachten verbringen Gitti und ich bei der Schwägerin, bei uns gibt es ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eine Küche! Sturm Lothar fegt übers Land und wir müssen trotzdem nach Hause, weil doch morgen der Küchenbauer kommt. Wir haben keine Ahnung davon, dass der ebenfalls stundenlang durch den Schwarzwald gurkt, weil er ja am nächsten Morgen eine Küche ausliefern muss. Ich vermute, wir sind uns auf der stundenlangen Irrfahrt mindestens zehn Mal begegnet, es gab ja wirklich überall nur umgefallene Bäume und skurrile Gegenden, in denen die Feuerwehr alle verfügbaren Kettensägen testen durfte. Wochen später ist der Raum wieder nutzbar, es hat halt etwas gedauert, bis alle Arbeitsplatten endlich so zugesägt waren, dass sie zu den schiefen Wänden passen.
Die Küche, die bei uns fortan nur noch Begegnungsstätte heißt, wird wieder in Betrieb genommen. Wir laden Freunde ein. Es gibt eines unserer gefürchteten Menüs „mit nix“, also mit allem, was aus dem wieder gefüllten Kühlschrank so herauszuoperieren ist. Ein herrlicher Abend mit viel Essen, viel Wein und viel Gelächter. Die Begegnung einer der Weinflaschen mit dem Laminat hat nur ein Plong-Ding-Ding zur Folge, die Diskussionen über Sinn und Unsinn von Laminat in Küchenräumen finden so ein jähes Ende. Es folgen weitere kulinarische Genüsse, begleitet von noch mehr Wein. Meine Auseinandersetzungen mit der wild gewordenen Personenwaage im oberen Stockwerk verliere ich im Laufe der nächsten Wochen, mein Gewicht nicht – macht nichts. Der Gürtel hat noch ein Reserveloch, ich muss noch keine neuen Hosen kaufen, Glück gehabt.
Sofas
Ein hektisches Jahr liegt hinter uns. Wir retten uns und unsere ramponierten Nerven in den Weihnachtsurlaub. Gitti und ich verbringen die Weihnachtsfeiertage mit unserer üblichen Familientour quer durch Deutschland, danach geht es für zehn Tage nach Mallorca.
Alles ist ruhig, die Saison ist vorbei, es sind nur wenige Touristen zu sehen. Wir widmen uns vornehmlich der Lektüre zahlreicher Bücher, die wir dieses Jahr gekauft, aber nicht gelesen haben. Daneben wollen wir die Insel erkunden und ein wenig Kultur genießen, also mieten wir ein Auto. Ja, ich weiß, „der“ Deutsche pflegt seine Kultur im Beutel mit sich zu führen… Gitti und ich gucken uns viel Gegend, ein Museum und ein paar alte Steine an, informieren uns über Land und Leute.
An Silvester ist neben dem Jahr auch das Wetter am Ende, es regnet. Mitten auf der Insel gibt es einige Möbelhäuser. Viele der dort feilgebotenen Stücke wirken wie Ladenhüter, die schon länger auf ihre Entdeckung warten. Egal, drinnen ist es warm und trocken. In einem der Häuser gibt es eine zweite Etage, was unseren Aufenthalt zu verlängern verspricht. Wir wimmeln den freundlichen Verkäufer ab, wir wollen uns nur umsehen, und ja, über ein wenig Licht im oberen Stockwerk würden wir uns freuen. Nach einer halben Stunde stehen wir auf seiner Vermisstenliste.
Er findet uns auf gelben Ledersofas, die uns bereitwillig in ihre Arme geschlossen haben. Sie sind außerordentlich bequem und zudem ein wahrer Augenschmaus. Richtig schön, zum Verlieben. Gitti bedeutet mir schlaftrunken, den Vasallen des Hausherrn zu vertreiben. Ich frage also nach dem Preis. Ja, ich meine das Zweierund das Dreiersofa. In gelb. So, wie es hier steht. Er geht, ich falle in einen leichten Schlaf.
Jäh reißt mich ein Preis aus meinen Träumen. Ich bin müde, es gilt, zu reagieren. Er kommt mir zuvor und erläutert die Klappfunktion der beiden äußeren Plätze des Dreisitzers. Nach einem Zug am Hebel, der sich formschön und dezent in die Seitenwand einfügt, neigt sich der ganze Sitz, ein Fußteil fährt aus, und ich möchte nicht länger gestört werden. Gitti erwacht, zieht an dem Hebel auf ihrer Seite und grunzt wohlig. Der Verkäufer ist immer noch da. Ich frage ihn, ob er auch nach Deutschland liefert. Er bleibt, wo er ist. Also frage ich, was das wohl kosten mag, wenn er je zwei dieser Sofas an unterschiedliche Adressen in Deutschland zu liefern hätte. Das vertreibt ihn für eine Weile, Gitti und ich schnarchen leise vor uns hin.
Der Vasall kehrt zurück. Er verkündet ein unglaublich gutes Angebot. Wir murmeln unser Einverständnis und er enteilt, den Vertrag aufzusetzen. Als er weitere Angaben von uns braucht, kommt er mit duftendem Café Solo zurück. Draußen scheint wieder die Sonne.
Mitte Februar tragen ein großer Belgier und ein kleiner Spanier die ersten beiden Sofas in meine Wohnung. Es ist bitterkalt. Die Männer sind halb erfroren, die Standheizung des LKW funktioniert nicht. Aus den großen, blonden Locken des Belgiers tropft kondensierter Schnee. Ich päpple sie mit Heißgetränken und Broten auf. Anschließend fahren die beiden gestärkt weiter, der nächste Kunde wartet in Leipzig auf sie.
Gittis Sofas werden zunächst von Italien aus nach Mallorca gefahren, dort umgeladen und dann zu ihr gebracht. Die Lieferung kommt im April. Gitti muss arbeiten, ich nehme die Sofas bei ihr in Empfang. Ein großer Belgier und ein kleiner Spanier haben ein Dejà-vue-Erlebnis. Welch ein Hallo, das gibt es doch gar nicht! Sie erzählen mir, dass die Heizung auch weiter ihren Dienst versagte. Der Kunde in Leipzig hat Ihnen ein Hotelzimmer spendiert, „damit nix schlafen in Auto“, sagt der kleine Spanier, und wedelt wild mit den Armen. Ein Dankeschön an den unbekannten Hotelzimmer-Spender, das hat auch mein Herz erwärmt!
Sprachkenntnisse
Gitti und ich fahren nach Frankreich. Auf uns wartet ein kleines Häuschen, das wir für zwei Wochen gemietet haben, irgendwo im Finistère, also am Ende der Welt. Im Gepäck befinden sich ein Stoß Landkarten und ein dickes Wörterbuch in zwei Bänden, Französisch-Deutsch und Deutsch-Französisch. Die Geschichte ist schon vor einigen Jahren passiert. Mobiltelefone oder gar ein Navigationsgerät gibt es zu dieser Zeit für uns noch nicht. Alles analog. Die wichtigsten Vokabeln kennt man, für den Rest gilt es, in den dicken Büchern nachzuschlagen.
Die Fahrt ist lang, wir machen einen Zwischenstopp in Le Mans. Der Hotelier, bei dem wir uns für die Nacht einmieten empfiehlt uns, vor dem Schlafen eine großartige Bar in der Nähe aufzusuchen, da können wir den Abend bestimmt schön ausklingen lassen. Er spricht schnell und nuschelt dabei, seine Wegbeschreibung untermalt er mit ausladenden Gesten. Wir brechen auf und sortieren, an was wir uns noch erinnern.
Tatsächlich gelingt es, die Bar zu finden. Wir treten ein, voll der frohen Erwartung, und wir merken bald, dass wir uns in einem chaotischen Karaoke-Laden befinden. Offensichtlich ist dies der örtliche Schwulentreff. Die Leute sind nett und mancher Paradiesvogel genießt die Bühne. Was der Hotelier wohl singen würde? Wir bekommen sogar noch eine Kleinigkeit zu essen und sprechen fröhlich dem guten Wein zu. Dann begeben wir uns auf den Rückweg zum Hotel.
Am nächsten Tag fahren wir weiter, am späten Nachmittag kommen wir im Finistère an. Die Dame des Ferienhäuschens beglückt uns mit einer kleinen Führung durch die Gemächer und überlässt uns die Schlüssel. Wir fahren in den örtlichen Supermarkt, um uns für die nächste Zeit mit Vorräten einzudecken.
Der Hypermarché scheint gut sortiert und ist riesengroß. Gitti bittet mich, mal nach Taschentüchern zu suchen, sie selbst enteilt in Richtung Fleisch- und Fischwaren. Ich irre ein wenig umher und finde dann einen Verkäufer. Na gut, dann frage ich halt mal. Ich nehme allen Mut zusammen. „Excusez-moi, Monsieur.“ Er lächelt mich an. Mir fällt eine elegante Formulierung ein, die ich mir zu Schulzeiten mal gemerkt haben muss: „Où se trouve“ beginne ich stolz meine Übersetzung von „wo befinden sich“, er lächelt mir aufmunternd zu. Ich schließe mit „les moustaches?“.
Er starrt mich an, bewahrt jedoch die Contenance. Was hat er denn? Die werden doch hier Taschentücher haben, oder? Bin ich blöd? Ich starre zurück. Das hilft bestimmt. Ich verleihe meinem Starren Nachdruck. Ein leiser Verdacht zieht derweil in mir auf. Ich zermartere mein Hirn auf der Suche nach dem Fehler. Moustaches – heißen die Dinger etwa nicht so?
Es dauert eine Weile, bis ich schnalle, was ich da gesagt habe. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Blitz. Mist, das sind doch Schnurrbärte. Was nun? Ich starre weiter zurück, denn mir fällt das richtige Wort nicht ein. Ich beginne, mit den Armen zu rudern, dann versuche ich es mit Pantomime.
Endlich fällt mir es mir ein. „Pardon, les mouchoirs!“ Seine Miene hellt sich auf, er zeigt in eine Richtung, ich bedanke und empfehle mich, so schnell es eben geht. Gitti finde ich in der hinteren Ecke des Ladens, über eine Truhe voller Schalentiere gebeugt, in die sie vor Lachen fast hereinfällt, als ich von meinem Erlebnis berichte.
Neben Taschentüchern und dem restlichen Grundeinkauf tragen wir allerlei Gemüse in das Häuschen, dazu noch zwei Seezungen-Filets. Kräuter dürfen wir im kleinen Garten hinter dem Haus ernten, so ist es mit der Inhaberin abgemacht. Der passende Wein kühlt im jetzt gut gefüllten Kühlschrank. „Was machen wir jetzt aus den schönen Zutaten?“ Gitti hat eine Idee: „Seezungenfilets mit Brunoise des Vacances!“
Es geht los. Für die farbenfrohe Brunoise schneide ich je eine rote und eine gelbe Paprika, Zucchini, Kartöffelchen, Möhren, Frühlingszwiebeln und Knoblauch in sehr kleine Würfelchen. Gitti erntet frischen Thymian und zerkleinert eine Chilischote, mit beidem mariniert sie die Seezungenfilets. Wir schneiden die Schalen einer Orange und einer Zitrone in kleine, kurze Streifen, geben sie in den kleinsten Topf, den wir finden können und bestreuen sie mit braunem Zucker. Dazu kommt ein kleiner Schluck Wasser, gerade so viel, dass die Streifen bedeckt sind.
Wir trinken ein Gläschen weißen Martini und freuen uns auf das Essen. Für die Brunoise rösten wir den Knoblauch und die Frühlingszwiebeln in Erdnussöl an. Als sie eine goldgelbe Farbe annehmen dürfen sie außerhalb der Pfanne auf ihre weitere Verwendung warten. Wir braten die Gemüsestückchen kurz an. Gewürzt wird mit Gemüsebrühe, Pfeffer, Salz und einer Prise Zucker. Ein herrlicher Duft macht sich im ganzen Haus breit. Die Brunoise darf jetzt noch ein wenig gar ziehen. Knoblauch und Frühlingszwiebeln gesellen sich wieder zu den Gemüsestückchen. Wir passen auf, dass nichts verkocht.
Die Orangen- und Zitronenschalen werden parallel erhitzt, der Zucker schmilzt und so kandieren die kleinen Streifen. Gitti brät den Fisch an, ich decke den Tisch und öffne den Wein. Die kandierten Schalen servieren wir in einer kleinen Espressotasse, so können wir sie am Tisch über die Brunoise geben. Der Fisch braucht noch ein wenig Salz und Pfeffer aus der Mühle.
Beim Essen amüsieren wir uns weiter über meinen großartigen Auftritt im Hypermarché. In den nächsten Tagen beglücke ich tapfer weitere Leute mit meinen Versuchen, mich der Landessprache zu bedienen - nur nicht aufgeben!
Wunder in Natur und Technik
Ich komme nach Hause, das Telefon klingelt. Ich wette auf Gittis Mutter, seufze und nehme ab. Volltreffer. „Wo ist Gitti?“, schreit es aus dem Hörer. „Dir auch einen schönen Tag. Ich komme gerade nach Hause.“ Jetzt kommt der übliche Ablauf. „Keiner fragt mich, wie es mir geht“, beschwert sich Gittis Mutter. „Wie geht es Dir?“ „Ach, frag nicht!“ „Ich guck mal, wo Gitti ist.“
Im Arbeitszimmer werde ich fündig. Sie hebt den Kopf. „Mama?“ „Ja.“ „Gib her!“ Ich übergebe den Hörer, hole mir ein Glas Wasser und suche in der Küche nach Hinweisen, was wir heute essen werden und ob ich zur Vorbereitung noch etwas beitragen kann.
Gitti schaltet die Freisprecheinrichtung ein und gesellt sich zu mir. Ich höre also zu, wir schnibbeln Gemüse. Die Frau Mama fragt bei jedem Satz nochmal nach. „Was?“ Gitti wird erst zunehmend lauter, dann zunehmend ungehaltener. Es gipfelt in einem: „Schalt endlich Dein Hörgerät ein, das ist ja nicht auszuhalten!“ Die Antwort kommt prompt. „Nein, das ist mir zu laut.“
Wir seufzen und schütteln unsere Köpfe, Gitti öffnet den Mund, aber da setzt ihre Mutter bereits wieder an. „Du, wart mal, ich habe da eine Idee, ich versuche mal das andere Ohr.“ Wir hören ein umständliches Gekruschtel, der Hörer am anderen Ende der Leitung wandert geräuschvoll von links nach rechts – oder andersherum, das können wir ja nicht sehen. Wir warten also. Es kehrt Stille ein. Und dann schreit Gittis Mutter: „Ist‘s jetzt besser?“ Unsere Unterkiefer klappen synchron nach unten. Gitti fängt sich und sagt nüchtern: „Das musst Du doch wissen, wer hört denn hier schlecht?“ Ich flüchte prustend aus der Küche, bringe mein Lachen unter Kontrolle und kehre zurück.
„Wie war Dein Tag?“, frage ich, als Gitti mit dem Telefonat fertig ist. Sie erzählt. „Du glaubst es nicht. Heute habe ich gefragt, wie viele Sekunden eine Stunde hat.“ „Lösbar, oder?“ Ich ahne schon, dass es das nicht war, zumindest nicht für alle. „Der erste, den ich gefragt habe, hat 60 angeboten. Der zweite 100, und der dritte hatte gar keine Idee.“ „Und dann?“ Ich bin gespannt. „Dann habe ich den drangenommen, der immer Bescheid weiß. 3600, auf den ist Verlass. Daraufhin ist der erste aufgesprungen, hat die Augen weit aufgerissen, und gerufen: ‚Immer?‘ Und dann habe ich spontan reagiert.“ „Auwei, was hast Du ihm gesagt?“ „Naja“, sie guckt mich an und legt eine Kunstpause ein, „Ich verspreche Dir, bis zur Prüfung bleibt das erstmal so.“
Na prima. Gitti setzt Kartoffeln auf. „Morgen frage ich mal, warum Vögel eigentlich abends auf der Oberleitung nicht leuchten.“ „Ui, da bin ich schon gespannt auf die Vorschläge.“ Gitti grinst. „Es sollte mich wundern, wenn es diesmal anders läuft als sonst.“ Ich frage nach: „Was ist Deine Prognose?“ „Die meisten vermuten isolierte Füße.“
Wir essen gemütlich draußen. Langsam wird es dunkel. „Guck mal,“ sage ich zu Gitti, und recke den Finger in den dunklen Himmel, „siehst Du die kleinen Omegas, die da oben so schön nebeneinander leuchten?“ Sie fällt nicht drauf rein: „Da ist noch nicht mal eine Oberleitung. Wie sollen da Vögel leuchten?“
Diktieren im Mittelalter
Die Welt dreht sich immer weiter, die technische Ausstattung entwickelt sich, und wir bleiben neugierig. Das Internet steckt noch in den Kinderschuhen. Für den Zugang benötigt man einen Haufen Hardware. Ein langes Kabel, quer durch die Räume verlegt, verbindet den Computer mit einem Modem, über weitere Hardware geht es dann irgendwann zur zentralen Telefonbuchse. Baut man eine Verbindung zur Außenwelt auf, begleitet das Modem den Vorgang mit ganz typischem Rauschen, knisternden und piependen Geräuschen, die unseren Respekt vor dem Wunderwerk der Technik fördern. Nicht ganz Steinzeit, aber auch noch nicht viel mehr als digitales Mittelalter.
Gitti findet bei Tchibo für kleines Geld eine Diktier-Software. Sie will wissen, wie sowas geht und ob es etwas taugt, also her damit! Sie zieht sich in ihr Arbeitszimmer zurück und installiert zuerst ein Mikrophon, das hat sie mal für eine Theateraufführung ihrer Schüler angeschafft. Dann schiebt sie die CD in den Rechner und installiert das Programm. Nach einer Weile dringen aus dem Arbeitszimmer konzentriert und monoton vorgetragene Worte. Gitti trainiert geduldig die Software, die so ihre Stimme und deren Eigenarten kennenlernen soll. Die Worte sind selbstverständlich vorgegeben, das Training dauert ewig an.
Ich will nicht stören, begebe mich nach einer Weile in die Küche und wasche ein paar Minutenschnitzel. Ich tupfe sie mit Küchenkrepp trocken, würze mit Salz und Pfeffer, danach wende ich sie zuerst in Ei, danach in Paniermehl. Ein paar Möhren werden geschält und grob gewürfelt, alsbald köcheln sie in Brühe mit einem Stich Butter und gehackter Petersilie leise vor sich hin. Ich beschließe, statt Kartoffeln einen frischen Dip und etwas Brot zu reichen. Ein Becher Schmand, eine klein geschnittene Frühlingszwiebel und ein guter Schuss Sahne werden verrührt, ein paar Limettenzesten und ein Spritzer Limettensaft geben den frischen Kick, dann fehlen nur noch etwas Paprikapulver, Salz, Pfeffer und eine kleine Prise Zucker. Ich garniere den Dip mit grob zerkleinerten Basilikumblättern.
Aus dem Arbeitszimmer dringen mittlerweile zusammenhängende Satzteile. Die Stimme hört sich immer noch sehr konzentriert an. Ich strecke den Kopf zur Tür herein und frage: „Möchtest Du nicht mal eine Pause machen?“ Gitti will, also brate ich die Minutenschnitzel und entkorke eine Flasche Wein. Wir essen.
Jetzt wird das Training gestärkt und etwas weinselig im Arbeitszimmer fortgesetzt. Endlich ist das Programm bereit. Gitti beginnt, einen eigenen Text zu diktieren. Sie guckt der Software zu, sieht das Ergebnis also sofort auf dem Bildschirm. Sie diktiert und korrigiert, das Programm schreibt tapfer mit. Ich bin neugierig, stelle mich hinter sie und lese, was auf dem Bildschirm steht: „Die Kinder sollen sich in der Brause, nein, nicht in der Braue, in der“, Gitti buchstabiert „P A U S E“, sieht das Ergebnis, und schreit: „Pause zusammengeschrieben, ein Wort! Sie sollen sich benehmen!! Quatsch, nein!!! Bewegen!!!!“
Ein Fenster ploppt auf, ein heller Ton erklingt, das Programm meldet: „Es wurde ein erhöhter Lautstärkepegel festgestellt. Wollen Sie diesen jetzt anpassen?“ Gitti tobt.
2020 schreibe ich diese Geschichte auf. Heutzutage ist das alles wohl kein Problem mehr, habe ich jedenfalls gehört. Fast jedes Programm nimmt Diktate entgegen, einfach und unspektakulär. Ist das doch irgendwie schade? Jetzt klicke ich auf Diktieren, ich will es versuchen, und spreche die Antwort: „Nein Ausrufezeichen“. Das Programm schreibt brav: Nein! „Die Kinder sollen sich in der Pause bewegen“ ist auch kein Problem – Test bestanden.
Geburtstagsmenü
Es ist November, Gitti hat morgen Geburtstag. Ich mache etwas früher Feierabend und treffe mich mit Ilka, um die letzten Details unserer Geburtstagsüberraschung zu besprechen. Wir wollen bei ihr kochen, und wir werden Gitti unter einem Vorwand dorthin locken. Gitti denkt, wir gehen abends Essen.
Die Gäste wissen Bescheid, manche werden am Nachmittag telefonisch gratulieren, damit Gitti keinen Verdacht schöpft. Die ersten Zutaten parke ich schon heute bei Ilka, morgen Mittag bringe ich den Rest mit, und dann bereiten wir alles vor. Ich werde zur üblichen Zeit nach Hause kommen, Ilka wird anrufen und gratulieren, und sie wird darauf bestehen, dass wir auf dem Weg zum Restaurant noch kurz bei ihr vorbeischauen.
Am Morgen gehe ich zur üblichen Zeit aus dem Haus. Ich fahre zu meiner Wohnung und versorge die Blumen. Dann endlich öffnen die Läden, ich kaufe Fisch, Weißkohl und weitere Zutaten. Im Asia-Shop erstehe ich eine Packung Bananenblätter, an der Kasse fragt die Inhaberin „Heute allein? Heute keinen Koliandel?“ Nein, heute brauche ich keinen frischen Koriander.
Ein paar Dinge muss ich noch aus Gittis Haus holen, ich fahre vor und sogleich schnell vorbei, denn ihr Auto steht vor der Tür. Wieso ist sie nicht in der Schule? Habe ich eine Freistunde übersehen? Ich krieg die Krise! Ilka kommt gerade nach Hause, als ich bei ihr strande. Sie macht einen Testanruf bei Gitti, die scheint wieder weg zu sein, puh. Ich fahre wieder rüber und hole die fehlenden Sachen. Jetzt kann es endlich losgehen.
Wir bereiten zuerst alles für die thailändischen Fischkörbchen vor. Den Weißkohl schneiden wir in feine Streifen, waschen und blanchieren ihn kurz in sprudelnd kochendem Wasser, dann darf er im Küchensieb in Ruhe abtropfen.
Vom Fischfilet legen wir 100g beiseite, den Rest schneiden wir in dünne Streifen. „Es gibt später noch weitere Streifen,“ eröffne ich Ilka, „die Aktion wird also quasi ein Streifzug durch die Zutaten.“ Sie steigt sofort ein: „Streifen, oho! Die machen einen schlanken Fuß.“
Wir witzeln herum, jeder zweite unserer Sätze hat irgendwas mit Streifen zu tun. Als nächstes pürieren wir die eben separierten 100g Fisch zusammen mit Knoblauch, Currypaste und Pfeffer. „Püree sind winzig kleine Streifen, oder?“
Fünf Esslöffel der Kokossahne, vor allem vom oberen, etwas dickflüssigeren Teil, stellen wir in einem kleinen Topf zur Seite, die restliche Kokossahne geben wir zum Fischpüree und verquirlen die Masse ein paar Minuten lang auf kleiner Stufe zu einer homogenen Creme. Danach rühren wir ein Ei und Fischsauce ein, zum Schluss heben wir vorsichtig die Fischfiletstreifen unter.
„Ilka, wir müssen jetzt basteln.“ Ihr Blick bohrt sich in meine Augen. „Biste verrückt? Basteln? Grundschule?“ „Ja, tut mir leid, geht nicht anders.“ Ich beschwichtige: „Basteln ohne Streifen, versprochen.“ Wir säubern die Bananenblätter, Ilka sucht nach Tellern oder Untertellern, die einen Durchmesser von etwa 15cm haben und sich als Schablone eignen. Sie murmelt vor sich hin, „Basteln, geht’s noch? Für den Quatsch bin ich…“ Der Rest bleibt unverständlich, ist vielleicht auch besser so.
Wir schneiden ein Dutzend Kreise aus. „Kreise, oho!“ Ilka ist versöhnt. Die Kreise schlitzen wir ein paar Mal ein, wir basteln kleine Körbchen, die mit Zahnstochern zusammengehalten werden. Ich überlege, ob das nicht auch mit dem Tacker geht, traue mich aber nicht so recht, im Übrigen sieht es mit Zahnstochern sowieso eleganter aus. Die Körbchen werden zunächst mit dem Weißkohl ausgelegt, die Fischcreme kommt auf das Weißkohlbett. Normalerweise kann das Ganze jetzt bei 180°C für 20 Minuten in den Backofen, heute natürlich erst später, also wenn wir die Vorspeise servieren.
Die Garnitur muss noch vorbereitet werden. Wir teilen uns auf. Ilka schnappt sich die Kaffir-Zitronenblätter und fragt kichernd „Streifen?“ „Ja, hauchdünne diesmal, bitte.“ Sie findet heraus, dass es am einfachsten geht, wenn man die Blätter aufeinanderlegt, zusammen der Länge nach aufrollt und dann quer dazu schneidet. „Und deine Paprika?“ „Dünne Streifen, diesmal lange, dünne.“
Jetzt geben wir in den Topf mit der vorhin separierten Kokossahne etwas Speisestärke und Wasser und verrühren alles, bis es keine Klümpchen mehr gibt. „Kurz vor dem Servieren werden wir das Gemisch nochmal kurz aufkochen. Wenn die Körbchen dann aus dem Ofen kommen, garnieren wir sie mit der Kokossahne, den Limetten- und den Paprika-, du weißt schon, -Streifen.“ „Für den ganz schlanken Fuß, oho!“
Bei der Vorspeise setzen wir auf Suppe, denn die kann fix und fertig auf dem Herd warten und macht später keine Arbeit mehr, wenn wir gemeinsam mit den Gästen feiern wollen. Im November bietet sich Kürbis an.
Ich habe einen kleinen Hokkaido erstanden, den wir jetzt schlachten. Heute soll der Kürbis von Möhren flankiert werden, etwa im Verhältnis 1:1. Wir schneiden eine Frühlingszwiebel und ein Stück Ingwer in kleine Stücke, geben sie in einen Topf und rösten sie kurz in Erdnussöl. Kürbis- und Möhrenstücke gesellen sich dazu und dünsten an. Wir gießen Gemüsebrühe an und lassen alles bei kleiner Hitze simmern, bis es gar ist. Dann wird püriert. „Ganz kleine Streifen, oho!“, bricht es aus Ilka heraus. Mit einem Schuss Sahne, Orangensaft und Orangenschale lässt sich die Suppe verfeinern, vor dem Servieren darf Muskat nicht fehlen.
Die Nachspeise steuert später einer der Gäste bei, es soll eine herrliche Schokoladenmousse gereicht werden, mit Orangenfilets garniert.
Für mich ist es jetzt Zeit, wieder bei Gitti aufzuschlagen. Ich hoffe, nicht allzu verdächtig nach Essen zu duften, schließlich hat sie eine feine Nase. Ich habe Glück, ein Zettel verrät mir, dass sie noch einen Termin in der Schule hat und etwas später kommt. Das ist meine Chance, mich nochmal frisch zu machen.
Als Gitti endlich zu Hause ist, kommt auch schon der verabredete Lockanruf von Ilka. Dem halben Gespräch entnehme ich, dass Gitti lieber erst morgen auf ein Schlückchen Sekt zu Ilka kommen möchte, aber nach einer Weile gibt sie auf und sagt unseren Abstecher vor dem vermeintlichen Restaurantbesuch dann doch zu. Sie findet es blöd, jetzt noch dahin zu fahren, anstatt das morgen mit mehr Zeit in Ruhe zu genießen und beschwert sich auf dem ganzen Weg wieder und wieder.
Kurz vor Ilkas Tür wittert sie dann doch, dass da was nicht stimmt. Sie fragt, ob ich irgendwas weiß, ich streite alles ab, stelle mich völlig ahnungslos und rette mich schnellen Schrittes zur Klingel. Das Geburtstagsständchen der versammelten Gäste rührt Gitti, ihr Ärger verfliegt, sie wirft sich in den Genuss, die Überraschung gelingt.
Die Feier weitet sich zu einem lustigen Gelage aus. Zwei Leute tragen gestreifte Oberteile, zwei sind kariert erschienen. „Kariert sind auch nur Kreuz-und-Quer-Streifen, oho!“
Fischkörbchen
Zutaten für 4 Portionen bzw. 12 Körbchen
200 g
Weißkohl
8
Kaffir-Zitronenblätter
1
rote Paprikaschote
500 g
Seelachsfilet
4
Knoblauchzehen
Pfeffer aus der Mühle
3 EL
rote Currypaste
400 ml
Kokossahne
1
Ei
4 EL
Fischsauce
3
große Bananenblätter
Zahnstocher
½ TL
Speisestärke
4 EL
Wasser
Wasserbett
Es ist Samstag, ich träume wirres Zeug und versuche, die Wortfetzen „Frühstück“, „Ich kann nicht mehr liegen“, „Hunger“ und „Wir müssen dringend los“ in meinen Traum einzubauen. Ich komme langsam zu mir. Mein Magen signalisiert, dass er die vorgetragenen Ideen richtig gut findet. Irgendwie schaffe ich es an den reich gedeckten Frühstückstisch.
Gitti wiederholt, dass sie nicht mehr liegen konnte – Rücken, ganz schwer Rücken. Sie will ein Wasserbett. Wir fahren also in die Stadt. Ich bin müde, aber immerhin darf ich mich in dem Laden wieder hinlegen. Wieder und wieder.
An Schlaf ist jedoch nicht zu denken, ich muss mich mit dem Grad der Beruhigung auseinandersetzen. Der ist, so erfahre ich, dafür zuständig, wie sehr man in einem solchen Bett schaukelt. Die Beruhigung besteht aus kleinen Wehren, die unter der Matratze positioniert werden und dort die mächtigen Wellen brechen, die wir beim Umdrehen oder mit sonstigen Bewegungen erzeugen. Durch die kleinen Wellenbrecher ist der drohenden Seekrankheit Einhalt geboten. Wir schaukeln also. Ich denke an Loriot, wünsche mir ein wenig Tee und Gebäck und werde nicht erhört.
Ich lerne viel über die Technik, die uns künftig einen geruhsamen Schlaf ermöglichen wird. Was ist, wenn die Matratze platzt? Ich stelle mir eine große Fontäne vor, imposanter als in jedem Schlossgarten. Gut, eine Fontäne ist definitiv übertrieben. Es gibt viele Jahre Garantie gegen Matratzenplatzen. Eine Teichfolie im Bettengrund verspricht, die Folgen einer Leckage abzufedern. Die riesige Wassermenge muss natürlich beheizt werden, sonst droht Unterkühlung.