Schmutziges Spiel - Angelika Friedeman - E-Book

Schmutziges Spiel E-Book

Angelika Friedeman

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Beschreibung

Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein. Albert Einstein Ich versuche, die Aufmerksamkeit der Leser zu fesseln, sie zu unterhalten und zu erfreuen, möglicherweise zu erregen oder tief zu bewegen.

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Impressum

Angelika Friedemann

Schmutziges Spiel

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Eike Klaasen verließ mit seinem Sohn das Haus. Torben trödelte heute Morgen besonders und er war schon spät dran. Vorn sah er gerade seinen Vater aussteigen.

„Opa, Opa“, rufend rannte Torben auf Andreas Klaasen zu. Der fing ihn auf, nahm ihn auf den Arm, gab ihm einen Kuss.

„Moin, was machst du denn um diese Uhrzeit hier?“

„Praxisvertretung. Einar ist seit Freitagabend in der Klinik. Er holte wohl ein Frühchen. Das betüttelt er nun selber, damit es durchkommt. Gestern war deswegen die Praxis schon geschlossen.“

„Na gut. Torben, komm, wir müssen uns beeilen. Tschüss.“

Er brachte seinen Lütten schnell zur Kita, kam verspätet ins Büro, wo einige seiner Kollegen Kaffee trinkend quatschten.

„Moin! Entschuldigt. Ab morgen ist Doreen zurück, dann bin ich wieder pünktlich. Ohne meinen Engel bin ich aufgeschmissen. Was gab es?“

„Nichts Besonderes. Liegt alles auf deinem Schreibtisch, das Wichtige bekam der Boss.“

„Torben nervt zurzeit mit seiner Trödelei. Wo ist Rolf?“

„Na ja, sonst scheint es dir ja gut zu gehen“, stellte Martin sarkastisch fest. „Olaf, fahren wir.“

„Rolf wurde von Axel weggeschickt“, erklärte Kerstin. „Tschüss.“

Eike blickte ihnen leicht irritiert, goss Kaffee in seinen Pott und begann die Anzeigen durchzuarbeiten.

Der Oberstaatsanwalt ließ sich auch seit Tagen nicht blicken, nahm den Kram mit. Er legte die Seite in eine neue Kladde, griff nach der nächsten Ordnungswidrigkeit, las.

Doktor Marcus Pauli betrat das Büro, grüßte.

Eike schaute den Staatsanwalt überrascht an, der wie aus dem Ei gepellt in dem hellgrauen Anzug an den Schreibtisch von Rolf trat. Das, obwohl heute fast 30 Grad angesagt waren.

„Moin. Seltener Besuch.“

„Doktor Stern ist immer noch bei seiner Schwester, wie Sie sich denken können. Nehme ich daher die Unterlagen mit. Alles soweit fertig?“

„Nika?“, fragte er verblüfft. „Wieso? Was hat sie?“, bemühte er sich, nicht zu neugierig zu klingen.

„Hörten Sie nichts von dem Verkehrsunfall Freitagnacht?“

Mit belegter Stimme, leise, fragte er. „Nika hatte einen Unfall? Nein! Da lag mir gestern nichts vor.“ Er sah Bilder von einem anderen Autounfall, atmete tief durch, spürte allerdings die Kälte in seinem Inneren. Rasch verdrängte er die Gesichter von Iris und Tobias. Der Staatsanwalt berichtete nämlich: „Frau Doktor Stern bitte. Am Freitagabend fuhr sie Richtung Flensburg. Sie hatte vermutlich gegen 22.30 Uhr einen Reifenschaden auf der A7, wollte den Reifen wechseln. Sie sicherte vorschriftsmäßig ihr Fahrzeug, stellte Schilder auf, schaltete die Warnblinkanlage an. Nun räumte sie das Ersatzrad heraus, löste die Muttern, nahm das kaputte Rad ab. Da kam ein Wagen, aus welchem Anlass wissen wir nicht, auf die Standspur, rammte ihr Auto und entfernte sich unerlaubterweise vom Unfallort. Sie blieb stark verletzt liegen. Erst um 23.50 Uhr hielt ein Däne. Er rief einen Krankenwagen, die Polizei.“

„Was hat Nika?“

„Frau Doktor Stern bitte, Herr Klaasen. Eine schwere Kopfverletzung, beide Beine, das Handgelenk gebrochen, dazu die Fehlgeburt. Sie mussten sie ins Koma legen, da ihr Gesundheitszustand generell sehr schlecht war. Sie wollte den Ex-Freund ein Kind unterjubeln, aber der schickte sie weg. So lauteten die ersten Aussagen. Musste sie wohl noch verarbeiten. Gut, das war ein Fehler der Dame, allerdings kein Grund, sie über Monate zu moppen, wie ich hörte. In der Klinik wurde sie dafür permanent dumm angeredet, ausgelacht, auf das Übelste schikaniert. Selbst daheim fand sie keine Ruhe, da man sie regelmäßig telefonisch belästigte. Eine eher unschöne Geschichte, die nun noch tragisch endete. Jetzt jedoch wird da ermittelt. So genug. Ich muss los, wollte nur die anstehenden Anzeigen mitnehmen. Sind alle fertig?“

„Ja. Wurde der Fahrer gefunden?“

„Bisher noch nicht. Sie wissen bereits, es war ein schwarzer Golf vier. Die Ermittlungen laufen indessen auf Hochtouren. Selbst ein Mordanschlag seitens des Ex kann nicht ausgeschlossen werden, wie der Oberstaatsanwalt vermutet.“

Eike reichte ihm die Hefter. Der Staatsanwalt schaute kurz hinein, schüttelte den Kopf. „Was soll das? Da liegen ja noch Unterlagen vom Donnerstag.“

„Doktor Stern war am Mittwochmittag das letzte Mal hier.“

„Wie bitte? Er sagte …“ Doktor Pauli verabschiedete sich.

Eike nahm kurze Zeit später seinen Autoschlüssel, sagte Renate Bescheid und fuhr zum Krankenhaus. Er sortierte das Gehörte noch alles. Wo wollte sie mitten in der Nacht hin? Warum fand sie niemand früher? Was sollte überhaupt heißen, ein Mordanschlag seitens des Ex wäre möglich? Sie dachten doch wohl nicht, dass er …

Er hielt an der Seite, stellte sein Polizeischild vorn rein, fragte sich durch und landete bei Doktor Hermsen auf der Station, was ihn ein wenig irritierte.

„Moin! Wo liegt Frau Doktor Stern?“

„Moin! Kannst du nicht hin.“

„Nils, mach keinen Stress. Ich möchte sie bitte kurz sehen.“

„Nein! Niemand, außer ihr Bruder bekommt Zutritt. Niemand! Einen anderen Tonfall bitte.“

„Ist Janne bei ihr?“

„Er war noch nie weg, seit sie eingeliefert wurde. Komm mit, gehen wir einen Kaffee trinken. Ich habe etwas Zeit“, spazierte er zu einer Sitzecke.

„Wie geht es ihr?“

„Wie geht es Patienten die im Koma liegen?“, warf er eine Münze hinein, betätigte den Kaffeeautomaten.

„Warum war das notwendig?“

Nils Hermsen stellte ihm einen Kaffee hin, setzte sich, trank. „Dusselige Frage. Ärztliche Schweigepflicht. Sie ist allerdings nicht meine Patientin. Nachdem du sie eher unschön, nett ausgedrückt, abserviert hast, überall dafür sorgtest, dass sie als Betrügerin dastand, hatte sie hier die Hölle auf Erden. Ich fand sie am Freitag heulend im Ärztezimmer. Sie war am Ende. Ich nahm sie mit, redete mit ihr, danach ging ich mit ihr zur Personalabteilung, damit sie beurlaubt wurde. Sie musste an ihren Sohn denken, durfte sich nicht weiter von solchen Menschen drangsalieren lassen. Sie zeigte nun endlich über dreißig Ärzte und Schwestern an. Teilweise wurden sie bereits beurlaubt. Das, was sie mit Frau Doktor Stern veranstalteten, ist kein Kavaliersdelikt. Wenn du Nachwuchs zeugst, den nicht willst, ist das deine Sache. Deswegen muss man eine Frau nicht dermaßen in aller Öffentlichkeit als schlecht, verlogen, gemein darstellen. Du bist Arzt, hättest immer selber verhüten können. So ein Vorgehen hätte ich dir nie zugetraut.“

„Ich sagte nie etwas gegen sie, sondern versucht, das alles zu bereinigen. Nils, ich möchte Nika zurück, mit ihr die nächsten hundert Jahre leben.“

„Crazy! Eike, belüge mich nicht, da ich allergisch darauf reagiere. Mir sagte Nika, wie du auf sie geschimpft hast, weil sie dir das Kind andrehen wollte. Genau an dem Tag, als sie Bescheid bekam, sie ist schwanger, hast du sie abends sehr unschön aus deinem Haus geschickt. Sie kam in einer Pension unter, da sie ihrem Bruder nicht zur Last fallen wollte. Da ging ihr Martyrium los. Ich bekam davon leider nichts mit, bis ich sie zufällig traf. Sie sah abgemagert, grau aus. Selbst ihr Bruder wusste nicht, welchen Schikanen sie jeden Tag ausgesetzt war. Sie schluckte alles runter. Am Freitag sagte sie mir, jetzt fängt mein neues Leben an, da ich das hier alles nicht mehr erleben muss. Sie freute sich auf ihr neues Leben mit Jari.“

„Wer ist Jari?“

„Ihr Sohn natürlich.“

„Nils, so war das alles nicht. Sie verstand da etwas falsch, zog freiwillig aus. Gut, ich drückte mich eventuell nicht sehr gewählt aus, da ich wegen Torben stinksauer war. Ich wollte nie, dass sie geht.“

„Ist ja nun egal. So, ich muss. Eike, nochmals, du hast Verbot sie aufzusuchen. Ich bin Arzt, will generell Menschen helfen.“

Eike verabschiedete sich, verließ die Abteilung, wartete, bis der Arzt hinter einer Tür verschwand. Er fragte eine Schwester, wo Frau Doktor Stern liege, und die führte ihn hin. Er durfte allerdings nicht hinein, nur durch die Scheibe schauen, wo man jedoch wenig sah. Janne saß mit dem Rücken zu ihm, las, hielt dabei Nikas Hand. Von ihr konnte er nichts erkennen, da sie einen dicken Verband um den Kopf trug.

„Ihre Werte sind bestens. Sie wird in wenigen Tagen bis auf die zwei Brüche genesen sein. Jetzt scheint sie wohl zu schlafen“, erklärte die ältere Frau ihm leise. „Eine weitere unschöne Geschichte mit ihr. Gut das sie endlich wegkommt. Dieser Zirkus mit ihr nervt alle. Gehen Sie jetzt bitte, Doktor Klaasen“, zeigte sie auf die Tür zum Gang. Diesmal verließ er das Krankenhaus.

Im Büro trank er Kaffee. Erst jetzt erfasste er das ganze Ausmaß wirklich. Wie würde Nika danach sein? Ob sie Schäden zurückbehielt? Wie würde sie reagieren, wenn sie erwachte, erfuhr, ihr Sohn ist tot? Nein Eike, er war auch dein Sohn. Die Erkenntnis, dass er wieder mal ein Kind verloren hatte, haute ihn um. In den letzten Monaten war Freude in ihm gewesen. Die Hoffnung, dass aus Nika und ihm wieder ein Paar würde, gab er nie auf. Sein noch ungeborener Sohn würde der i-Punkt auf der Beziehung werden. Ja, er freute sich auf den kleinen Knirps. Nun war sein Leben beendet, ehe es begann.

„Wo kommst du jetzt her?“, fragte er Rolf, als der kurz vor Mittag erschien.

„Frage Axel. Was liegt so Dringendes an? Du schaffst doch spielend alles allein, da momentan Ruhe herrscht, bis auf die dusseligen Fahrräder.“

„Welche Fahrräder? Wir hatten seit drei Wochen kein gestohlenes Fahrrad. Wusstest du von dem Unfall?“

„Welchen Unfall?“

„Nika!“

„Ja, und? Das weiß fast ganz Husum, ist seit Tagen daaass Gesprächsthema. Die Ex-Gespielin des netten, gut aussehenden, ach so lieben, höflichen Hauptkommissar Klaasen, die ihm ein Kind andrehen wollte, hatte einen Unfall. Der Fahrer flüchtig. Ach, der arme Herr Klaasen. Muss diese dusselige Frau sich auch anfahren lassen?“

„Rolf, sei nicht so zynisch. Du weißt genau, dass es nie so war.“

„Das ist das Gerede, was man seit Monaten hört, weil ja die Ärztin so gemein zu dem armen Eike Klaasen war, ihm ein Baby andrehen wollte, wo er doch Torben hat. Ist die Frau böse. Aber er warf sie gleich raus, weil er sie durchschaute.“

„Blödes Getratsche!“

„Eike, ist es das? Genau an dem Tag, als sie dir sagte, ich bin schwanger, zieht sie freiwillig aus, wie du behauptest. Warum hätte sie dir dann überhaupt sagen sollen, dass sie schwanger ist? Wegen Geld? Wegen eines Trauscheines? Nicht Frau Doktor Stern. Sie wäre am Nachmittag gegangen, als du noch nicht da warst. Ist ja dein Privatkram, geht mich nichts an. Du bist schließlich immer sooo lieb und korrekt.“

„Ich sagte dir seinerzeit alles dazu.“

„Deswegen hast du dich die letzten drei Tage so rührend um Frau Doktor Stern und deinen Sohn gekümmert? Nicht mal nachgefragt hast du, wie es ihnen geht. Du verarschst uns alle.“

„Ich hörte erst heute durch Doktor Pauli davon, bin gleich hingefahren.“

„Wie allerliebst. Wissen es die Husumer schon, wie liebevoll, besorgt, du immer sogar zu bösen Ex-Gespielinnen bist? Mir erzählte man es schon am Samstagmorgen, als ich mit Marc Brötchen holte. Als wir mittags Essen waren, nochmals. Marion war entsetzt, was da geschehen war. Ich bin danach in die Klinik gefahren. Doktor Stern und seine Frau klärten mich auf, was da wirklich passiert war. Das ist mehr als abscheulich. Wie ich sagte, es gibt in Husum nur eine Person, die das nicht weiß - du. Ist ja auch egal. Widmen wir uns der Arbeit. Wie ich sehe, Fahrraddiebstähle. Oh Mann, die Tussi lässt sich auch jedes Jahr das Rad klauen. Sonst war es immer im April. Dieses Mal wartete man bis … Ich dachte, die Zeit ist bald vorbei? Wie kann man nur so dusselig sein? Ich rufe mal deren Versicherung an, ob sie auch diesmal zahlen.“

„Der Diebstahl geschah bereits Anfang Juli. Seitdem gab es keinen Weiteren. Mach das“, erwiderte Eike geistesabwesend.

Axel Rothmann kam herein, reichte Rolf eine dicke Akte. „Du ermittelst mit. Allein, ohne Eike. Wenn etwas ist, soll Kerstin dir helfen. Befrage einige der hiesigen Klatschtanten dazu. Eike, wage es nicht, dich da einzumischen. Ich hänge dir ein Disziplinarverfahren an, genau so, wenn du Zeugen beeinflusst. Was in den letzten Monaten geschehen ist, ein Unding und du immer mitten drinnen. Eike, bei der Geschichte drücke ich nicht beide Augen zu. Bist du daran beteiligt, sage es gleich, wird es weniger schlimm.“

„Was habe ich mit dem Unfall zu tun? Spinnt ihr?“

„Ich rede nicht von dem Unfall und mäßige deine Ausdrucksweise, wenn du mit deinem Vorgesetzten sprichst. Ich rede von den Verleumdungen, dem Mobbing, den Lügen, den Beleidigungen zulasten von Frau Doktor Stern.“

„Davon weiß ich nichts. Axel, du denkst doch wohl nicht ernsthaft, das wäre meine Art?“

„Du bist allerdings der Auslöser. Du hast sie am späten Abend mit nichts aus dem Haus gejagt, weil sie schwanger wurde. Ein Kind war unterwegs, dass ihr beide geplant hattet, wohlgemerkt. Nu war sie schwanger und du beleidigst sie auf das Übelste. Doktor Hermsen sagte aus.“ Axel Rothmann blätterte in der Akte. „Hier. Ich nahm Torben nicht wegen des Todes meiner Familie zu mir, sondern weil da bereits eine Zuneigung vorhanden war. Warum weiß ich bis heute nicht, aber das ist generell irrelevant. Iris hätte das garantiert so befürwortet. Nur sie ist nicht mehr da, deswegen muss ich mich permanent in meinem Privatleben mit irgendwelchen dusseligen Frauen herumschlagen. Keine Ahnung - warum. Weil Frauen nicht mit einem fremden Kind klarkommen? Ist deren Problem, nicht meines. Stelle ich es ein letztes Mal klar. Torben ist mein Sohn, den ich liebe, den ich niemals in die zweite Reihe stellen werde, der mir extrem wichtig ist, vor den ich immer stehen, den ich beschützen werde, wenn es sein muss auch vor dir und dem Kind, welches du erwartest. Denke nicht, ich würde es nicht mitbekommen, wenn da etwas gegen Torben angezettelt wird. Damit ist das Thema abgehakt. So ähnlich sagte sie es zu mir.

Ich habe mich erkundigt. Die Dame verstand sich stets sehr gut mit Torben Klaasen. Er sah sie als seine Mama an. Da gab es nie Ärger. Im Gegenteil. Als sie weg war, war der Zwerg traurig, wollte Nika wieder haben. Sie opferte jede freie Minute dem Jungen, auch Doktor Eike Klaasen. Sie erledigte dort alles, egal ob sie 10 oder 16 Stunden Dienst vorher absolvierte. Da wurde nicht nur täglich gekocht, sondern geputzt, der komplette Haushalt erledigt, sogar Gartenarbeit machte sie, neben der Beschäftigung mit Torben. Sie brachte ihn zur Kita, holte ihn ab, je nachdem wie sie Dienst hatte. Danach hieß es einkaufen gehen. Bezahlte selbstverständlich alles sie. Tat sie alles gern, auch das sie sich um seine Großeltern kümmerte, denen hilfreich zur Seite stand, obwohl sie zuweilen müde, am Ende war. Sie nahm in der kurzen Zeit, die sie bei Doktor Klaasen wohnte, sieben Kilo ab. Da wirft ihr dieser Mann solche Worte an den Kopf, nur weil ein Kind kam, welches er eigentlich nie wollte? Ende seiner Aussage. Selbst dein Bruder sagte Ähnliches aus. Er verstand nie, warum du zu Nikas Kinderwunsch ja sagtest. Dein Leben wäre ganz auf Torben zugeschnitten.“ Axel blätterte erneut. „Schon für eine Frau war es schwer, sich da einzufügen, da Eike in Bezug auf seinen Sohn einen Spleen hat. Ein weiteres Kind hätte da nie Platz, wäre in dem Haushalt, bei Eike erfroren. Er sagte einmal: Denke ich an das Geschrei, die Windeln und all den Kram, ist Freude weit entfernt. Dass das alles dermaßen ausartete, erwartete Eike vermutlich so nicht. Ich dito nicht, bekam es nie wirklich mit, da ich nur stundenweise in der Klinik bin. Ich wäre sofort eingeschritten. Ja, mir ist aufgefallen, das Nika trotz Schwangerschaft dünner wurde, übermüdet aussah. Ich sprach sie darauf an, da antwortete sie: Tu nicht so scheinheilig. Soll ich mein Kind verlieren? Ja, das ist es, was ihr damit bezweckt. Sie ließ mich stehen, sprach nur selten mit mir, wenn ich kurz dort war. Ich verstand nicht, warum das ehemals sehr gute Verhältnis zerstört war, vermute, dass es wegen meines Bruders war. Sie litt natürlich unter der Trennung, die doch sehr überraschend nicht nur für sie kam. Das Eike derartig aggressiv auf die Schwangerschaft reagierte, erwartete seinerzeit wohl niemand, Nika am Allerwenigsten. Dass sie deswegen übelste in der Klinik schikaniert, beleidigt wurde, ahnte ich nicht. Da wäre ich sofort eingeschritten, da das mehr als abscheulich ist. Außerdem sind es noch Lügen, da die Dame nie meinem Bruder ein Kind anhängte, andrehen wollte. Das hat Frau Doktor Stern gewiss nicht nötig. Sie planten das Kind, zeugten es bewusst. Das können zig Menschen bestätigen.“

„Ich äußerte nie etwas anderes, sprach generell nur mit wenigen Leuten darüber. Ich drückte mich seinerzeit blöde aus, sagte eventuell etwas, was ich nicht so meinte, wollte nie, dass Nika auszieht, sich trennt.“

„Irrelevant und falsch. Gehst du auch so mit den Lütten im Krankenhaus um? Muss ich mal nachfragen, da das mehr als fahrlässig, unverantwortlich, gewiss nicht professionell wäre. Das sind eventuell Straftaten. Da kann dich dann auch Janne nicht vor Strafen bewahren. So ähnlich wurde sie seinerzeit von dir beschimpft. Du wurdest deswegen von der oberen Justizbehörde, ermahnt und verurteilt, da damals noch andere Dinge hinzukamen. Es geht darum, ob du die Leute angestiftet, aufgestachelt hast, Frau Doktor Stern so fertigzumachen, dass sie das Kind verliert oder wegzieht. Von deinem Bruder fordertest du selbst das. Es ist schließlich für deinen Sohn nachteilig, wenn sie hier wohnt, er sie sieht oder wenn ein weiteres Kind auf die Welt kommt. Nicht wahr?“

„Oh Mann, alles wird verdreht, aus dem Zusammenhang gerissen. Ich wollte immer mit Nika alt werden, selbst heute noch. Sie ist die zweite Frau in meinem Leben, die ich heiraten, für immer neben mir haben wollte.“

„Ich muss, da ich noch Termine habe, erklären muss, was hier für ein Hauptkommissar arbeitet. An hoher Stelle erwartet man eine Stellungnahme. Rolf, du gehst dem nach, ohne Verschleierung. Nur Doktor Stern und ich erfahren von den Ermittlungen, damit man da niemanden manipulieren kann. Die Akte wird zum Feierabend in mein Büro gelegt. Ich schließe sie dann ein.“ Er verließ den Raum.

Rolf klappte den Deckel auf und Eike sah Fotos. Er konnte nicht anders. „Nika? Sind da Bilder von ihr?“

„Oh Mann. Ja“, reichte er Eike die Aufnahmen, die mehr als scheußlich aussahen. „Die Fotos vom Unfallort nicht weniger gruselig. Das sie da niemand vorher sah?“

Eike schaute sich die Aufnahmen an. „Es war dunkel. Autos rasen daran vorbei, denken, ein Unfall. Sie müssen den Wagen nur noch abholen. Ist der Arztbericht dabei?“

„Eike, ich kriege Ärger.“

„Bitte!“

Rolf suchte. „Schädelbasisfraktur. Frontobasal und otobasal. Verletzt die knöcherne Strukturen der vorderen und mittleren Schädelgrube. Auf den Fotos vom Tatort sieht man, dass die Flüssigkeit aus dem Ohr trat. Hätte man sie noch später gefunden, wäre sie tot. Dazu Platzwunde, Vulnus lacero-contusum, hört sich bekloppt an, infolge eines stumpfen Anpralltraumas. Sie muss von der Wucht des Anpralls an die Leitplanke geschlagen sein. Da wurde ihr Blut festgestellt. Du siehst auf der Straße eine richtige Blutlache. Patellafraktur, also Bruch der Kniescheibe.“ Er blätterte, schaute die Aufnahmen an, las.

„Also durch den Aufprall wurde ihr Auto vom Wagenheber geschoben, knallte auf ihr rechtes Knie. Trümmerbruch, Sehnensätze der Quadrizepssehne gerissen. Sie wurde erst am Samstagnachmittag operiert. Sie haben ihr da Drähte verpflanzt. Osteosynthesematerial. Plattenosteosynthese wurde vorn auf die Patella operiert, nee aufgeschraubt oder so. Versteht alles kein Mensch“, blätterte er wieder. „Schienbeinfraktur rechts und links. Sie wurden mittels Metallplatten und Schrauben operiert. Oh Mann, seitenweise Erklärungen dazu.“ Rolf blätterte, sah sich immer wieder Bilder an, nahm von Eike die Aufnahmen zurück, legte sie vorn rein. „So dann weiter. Sag ich´s dir kurz. Bruch des linken Handgelenkes. Diverse Schürfwunden, eine große, tiefe Schnittwunde am linken Oberschenkel, Hämatome. Hast du ja eben auf den Bildern gesehen, wie sie aussah. Das Baby musste geholt werden. Schlechter Allgemeinzustand, Kreislauf instabil, viel zu dünn, trotz Schwangerschaft. Oh Mann!“, stöhnte er. Er hasste dieses Arzt-Kauderwelsch.

„Gib mir bitte den Bericht von der Klinik.“

„Nein! Schluss. Axel lyncht mich.“

„Ich sag´s keinem.“

„Nein!“

Eike stand auf, nahm ihm den weg. „Bekommst du gleich wieder. Rolf, es ist von Nika, meinem Lütten.“

Eike las, während Rolf die Aussage von Doktor Hermsen genau studierte. Bei dem Arzt hörte man immer noch, das er viele Jahre in Amerika studiert und praktiziert hatte, musste er schmunzeln, als er crazy las.

War es wirklich möglich, dass ein Einar Klaasen über Monate davon nie etwas mitbekam? Er musste nochmals mit Doktor Hermsen snaken, genauso wie mit den Krankenschwestern auf der Station, dem anderen Arzt, den sie noch nicht befragten. Er schrieb die Namen alle auf, studierte nun die Aussagen der Krankenschwestern.

„Was? Der Junge lebt“, äußerte Eike brüllend. „Warum hast du mir das nicht gesagt?“, sprang er auf, blickte Rolf böse an.

Rolf zuckte zusammen. „Spinnst du? Ich dachte, du wärst informiert? Gib mir sofort die Seiten. Ich melde das.“

„Ich bin weg“, verließ Eike den Raum, knallte die Tür zu. In ihm brodelte es.

Rolf nahm die Seiten von dessen Schreibtisch, ging zu seinem Chef, gestand seinen Fehler und das Eike zur Klinik fuhr. „Ich rufe da an. Rolf, ich sagte klipp und klar, er bekommt nichts“, brummte er dabei.

Eike hastete zur Säuglingsstation, wo ihn bereits Einar erwartete. „Raus! Sofort. Du hast Verbot, die Abteilung zu betreten.“

„Wo ist der Junge?“

„Irrelevant, da du ihn nicht sehen wirst. Der Junge, wie du ihn bezeichnest heißt Jari Stern, geht dich nichts an.“

„Einar, spinnst du? Er ist mein Sohn. Ich will ihn sehen.“

„Er ist der Sohn von Doktor Nika Stern. Vater unbekannt. Jetzt raus, sonst rufe ich deine Kollegen. Nochmals, ich erteile dir Verbot, die Säuglingsstation zu betreten.“

„Einar, bitte.“

„Nein, raus!“

„Wie geht es ihm? Kommt er durch?“

„Ärztliche Schweigepflicht. Tschüss! Übrigens zeigt dir keine Schwester, wo er liegt, so wie vorhin. Schleichst du dich rein, zeige ich dich an. Nils sagte es dir bereits, wir sind Ärzte, wollen Patienten retten, heilen. Noch mal hintergehst du auch ihn nicht. Er erteilte die ebenfalls Verbot für seine Station. Du machst dich strafbar. Spiel nicht ach so besorgten Mann, Vater. Du wolltest den Jungen nie, genau so wenig wie seine Mutter. Sie war lediglich eine kriminelle Person, eine dusselige Frau, die deinem Goldjungen, Torben, nur Schaden wollte. Selbst einen ungeborenen Embryo hast du als kriminell hingestellt.“

„Warum hast du mir am Freitag nichts gesagt?“

„Was sollte ich dir sagen? Eike, hast du Probleme mit dem Denken? Sollte ich dich beim Vögeln stören, sagen, deine Ex und dein Kind überleben eventuell. Dich geht weder Frau Doktor Stern etwas an, noch irgendwelche Kinder. Du bildest dir echt zu viel ein, hältst dich für das Nonplusultra. Tschüss!“

Eike ging. Einar wartete oben bis er seinen Bruder einsteigen, fortfahren sah, ging dann eine Etage tiefer, zur Station von Doktor Hermsen, wohin man den Brutkasten und alle Apparaturen gebracht hatte. Der kleine Jari lag genau im Zimmer neben seiner Mutter. Einar sah die Werte an, war zufrieden. Noch war der kleine Zwerg nicht außer Lebensgefahr, aber er würde alles dafür tun, dass er überlebte. Leise seufzte er. „Jari, deinen dusseligen Papa muss man erst noch erziehen. Er ist eigentlich ein feiner Kerl, nur zuweilen ein wenig breesig.“

Er verließ den Raum, betraf das Zimmer von Nika, schaute auch da auf die Apparate.

„Eike war eben da, Janne. Er weiß jetzt, dass Jari lebt“, äußerte er dabei leise.

„Das war zu erwarten. Mittags sind meine Eltern hier, da ist immer jemand bei Nika und meinem Neffen. Ich kann endlich ausschlafen, duschen.“

„Ich fahre auch gleich für ein paar Stunden nach Hause.“

„Ich würde die Zwei am liebsten nach Finnland ausfliegen lassen. Nika möchte generell dort neu anfangen.“

„Jari darf frühestens in einigen Monaten fliegen. Vergiss es. Das wäre sein Tod. Eike tut den beiden gewiss nichts.“

„Er nicht, aber andere.“

„Du denkst, sie wurde bewusst angefahren?“

„Nein! Nur jetzt, wo sie liegt, bekommen einige die Chance, das zu verwirklichen, was sie ihr androhten, wenn sie nicht verschwindet. Selbst Jari ist in Gefahr, da Eike kein weiteres Kind wollte, Angst hatte, dass er zahlen muss.“

„Nein, das ist falsch. Eike würde sich nie, niemals vor Zahlungen drücken. Im Gegenteil, er steht immer zu einem Kind. Du erlebst es bei Torben. Da ist es teilweise zu viel, wie er ihn betüttelt. Die Flensburger Beamten werden schnell all die Dösbaddel aus dem Verkehr ziehen.“

„Einar, die Klinik kann es sich nicht leisten, auf einen Schlag über dreißig Leute, Ärzte und Schwestern, zu entlassen. Ergo arbeiten sie hier weiter, haben Zugang zu Nika und Jari. Es kann nicht monatelang jemand an ihrem Bett sitzen, auf sie und Jari aufpassen.“

„Wir könnten sie in wenigen Wochen in ein anderes Krankenhaus verlegen, ohne dass es jemand erfährt.“

„Darüber sprach ich schon mit Nils. Bis sie nach Finnland kann, besonders ihr Sohn, vergehen noch Monate und solange will ich sie in Sicherheit wissen. Sobald beide transportfähig sind, werden sie nach Hamburg verlegt. Ich telefonierte da schon mit Freunden.“

„Wohin?“

„Irrelevant.“

„Und die Fahrer des Krankenwagens?“

„Nein, das erledigen Hamburger. Einar, so dusselig bin ich nicht, dass ich da Leute aus so einer Klinik nehme.“

„Na gut! Gehe ich zu Nils.“

„Einar, danke für alles.“

„Ist mein Job und mein Neffe.“

„Das wird Jari nur nie erfahren, vermute ich. Sie wird ihm später eine Geschichte erzählen, warum er seinen Erzeuger nicht kennt. Namen werden da nie fallen. Wir Skandinavier sehen das generell etwas anders, sind da lockerer. Erbrecht und so einen Quatsch interessiert da Jari ebenfalls nicht, da meine Schwester, ich, über ausreichend finanzielle Polster verfügen.“

„Janne, ich vermute, da täuschst du dich gewaltig. Eike wird seinen Sohn aufwachsen sehen wollen. Du kennst meinen Bruder und seine Sturheit nicht, zumal er Nika wirklich sehr gern hat. Er muss nur noch den Knoten bezüglich Torben aus seinem Kopf bekommen. Das ist sein Hauptproblem. In einem Jahr sitzen wir alle bei uns, gucken den Lütten zu, wie sie spielen, trinken dabei gemütlich ein Bier. Ich kenne Eike besser als er sich selber.“

„Warten wir ab“, seufzte Janne Stern.

Eike betrat das Präsidium. Sein Büro war leer, die Akte weg. Wo war Rolf? Axel Rothmann kam herein.

„Du erhältst den nächsten Akteneintrag. Was erlaubst du dir, meine Anordnungen zu übergehen, dem Kollegen Seiten zu entwenden? Nein Eike, nun ist Schluss. Du betrügst jeden, siehe Doktor Doktor Hermsen. Er verbietet dir, Patienten aufzusuchen. Interessiert dich nicht, da du ja etwas Besonderes bist. Wolltest du, dass sie stirbt? In deinen schmutzigen Straßenklamotten gehst du auf eine Intensivstation, willst zu einer Patientin. Du willst Arzt spielen? Es ist Schluss. Ich habe von diesen Eigenmächtigkeiten, deinen Frechheiten, deiner anmaßenden, überheblichen Art, die Nase voll, werde das nicht mehr tolerieren. Ich werde daher ein Disziplinarverfahren und deine anschließende Versetzung in ein anderes Bundesland beantragen“, tobte der sonst stets ruhige Mann.

Eike wurde davon förmlich überrannt.

„Axel, ich … ich wollte doch … nur wissen, wie es ihr geht“, stammelte er.

„Ob sie lebt? Sag die Wahrheit. Du hast die Dame auf schnöde, schmutzige Art, abserviert. Haben wir vorher schon in zig Fällen erlebt. Küsst dir jemand nicht die Füße, müssen sie, egal wie weg. Du stellst dich überall als der brave Mann hin. Sagst du den Leuten, wie du dich gegenüber Kollegen, deinem Vorgesetzten, deinen jeweiligen Freundinnen benimmst, wie du alle belügst? Sagst du allen Frauen, dass du Prostituierte in Ihnen siehst? Rede dich nicht heraus. Wolltest du den Sohn von Frau Doktor Stern töten? Du warst entsetzt, dass er lebt, brülltest deswegen Hauptkommissar Kristens an. Erpresst du jetzt Kollegen, sie sollen Spionage betreiben, Unterlagen stehlen, wanderst du ein. Dafür sorge ich. Ich lasse mir, der Justiz, nicht weiter von dir auf dem Kopf herumtanzen.“

„Axel, so war das nie. Ich habe …“