Schrottmetall - Herbert Schulte - E-Book

Schrottmetall E-Book

Herbert Schulte

0,0

Beschreibung

SCHROTTMETALL oder: "Das perfekte Verbrechen". Ein Fass unfasslicher Geschichten um »Giacomettis im Kofferraum« (DER SPIEGEL), um einen Reichsgrafen, um die öffentliche Verbrennung von Skulpturen, um Echtes und Falsches in den Museen, und um den »größten Kunstraub seit Hermann Göring« (ein Anwalt N.N.) wird hier geöffnet wie die Büchse der Pandora. Es geht um Freiheitsberaubung, Diebstahl, Urkundenfälschung und andere Verbrechen in Deutsch-Südwest, es geht um das "Amt in Teufels Land".

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 593

Veröffentlichungsjahr: 2017

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Guido PS Brenq ist der Künstlername eines vielseitig interessierten Connaisseurs, der sich immer schon mit geheimnisumwitterten Fundstücken beschäftigt hatte. 1980 kämpfte er erfolgreich um »König Minos‘ Gold«, einen kleinen Schatz goldener archäologischer Artefakte. Kurz darauf erwarb er den Nachlass des zu Unrecht vergessenen Jugendstil-Illustrators Franz Stassen, ein insgesamt wahrhaft gewaltiges Werk, welches die Bildwelten von Richard Wagners Opern über Jahrzehnte prägte. 35 Jahre lang hatten er und seine Familie die historischen Kunstschätze gepflegt, gehütet, publiziert und im Laufe der Jahre viele Raritäten aufgespürt. Der Stuttgarter Block hat diese unschätzbaren kulturellen Werte ohne Notwendigkeit gnadenlos zerstört.

Aber nicht nur das. Warum die dafür Verantwortlichen das getan haben, das erläutert er in seinen Büchern SCHROTTMETALL und GOODBYE TSCHAKKO (2017).

Brenq gründete einen Verlag und eine Film-Firma mit dem bezeichnenden Namen B.A.U.-tv (Bildung Als Unterhaltung), und mit dem Aufkommen des Internets eine eCommerce KG und später weitere Ableger, die im Bereich IT und Kommunikation eine spezielle Software entwickelten. In Portugal produzierte er als Composer/Songwriter weiter unter dem Label »AMP« fast 50 Songs wie SLAVES TO THE MONEY. Wer weiß, was aus dem Musical WELCOME TO THE BRAVE NEW WORLD und anderen Projekten geworden wäre, hätte es nicht die zerstörerische Begegnung mit dem ethischen Kunsthandels-Säuberungs-Kommando in Stuttgart gegeben. Es folgten Jahre der absoluten Finsternis, weil er seine Integrität mit Immunität verwechselt hatte. Aber wer ist schon immun gegen falsche Verdächtigungen, üble Nachrede und die juristischen Vergewaltigungen der Gerechtigkeitsbürokratie.

GPS Brenq schreibt eine Rehabilitation, und es geht um die Definition des Wortes »Nest-Beschmutzer«: Das sind nur die, welche wie auch immer das Nest beschmutzen, niemand anderes.

INHALT

Geschrieben mit Genehmigung der Obrigkeit

Das perfekte Verbrechen

Die Stuttgarter Kreisel

Das Autodafé

ART/Stuttgarter Zeitungen

Der Reichsgraf

II.

Ockhams Rasiermesser

Dubiose Hintergründe

III.

IV.

Die Vierte Gewalt

Der GröFäZ, ein Epilog

Die Illuminierten

Ausblick auf

G

OODBYE

T

SCHAKKO

Unbekannter Künstler

Geschrieben mit Genehmigung der Obrigkeit1

Wenn der unfassbar Große Vorsitzende einer Großen Strafkammer eine Schmähschrift, oder ein Urteil, mit den Worten beginnt »der Angeschuldigte, der den Spitz-Vornamen Guido trägt«, indem er »Guido« gleichsam spitzfingerig wie in peinliche Anführungszeichen setzt – als umflorte den Namen etwas ätzend Ruchloses, das man nur mit Gummihandschuhen anfassen kann – will er mit einem Wort mehr sagen als mit tausend Bildern. Das sollte wohl eine bestechende Pointe sein. Eine Stichelei nach dem Geschmack des Hauses? Dann war es richtig – denn es war der Stachel eines Skorpions, der sticht, weil das seiner Natur entspricht.

Genauer betrachtet sind die Quasi-Gänsefüßchen die Quintessenz seiner Urteile: Verblasenes zwischen Windigem.

Allein seine Urteilsgründe sind nicht einmal seine eigene autochthone Leistung, sondern bloß bequeme Ablichtungen aus der stark einseitig gefärbten Ermittlungsakte und der Anklageschrift. In gemeinem Deutsch sind das Plagiate nach Gutsherrenart.

Plötzlich spürt man nicht nur den hinterlistigen Stich, sondern auch den knüppelharten Dreschflegel, der blindlings auf alles eingedroschen hatte. Die alle gleichermaßen treffende Blindheit der Göttin der Gerechtigkeit ist aber nur vorgetäuscht: Eine zu späte Erkenntnis. Denn diese listige Augenbinde eines vermeintlich unwissenden, wahllos Unglück austeilenden Knüppels aus dem Sack gibt es prinzipiell nicht. Im Gegenteil: Falschurteile werden ohne Ausnahme sehenden Auges mit einer gewissen Perfidie geschrieben, Irrtum ist ausgeschlossen.

Nach einem unfairen Kampf bescheinigen die gefühlten Gänsefüßchen den schmählichen Triumph eines selbstgerechten Philisters, der den besiegten Gegner verhöhnt, obwohl oder gerade weil dessen Harm- und Ahnungslosigkeit geradezu erschütternd waren.

Wer unter fadenscheinigen Umständen verhaftet und unversehens aus dem Leben gerissen wird, damit die Gerechtigkeitsbürokratie – weil es nichts konkret Verfolgbares gibt – 20 Monate lang zur Rechtfertigung der Verhaftung »ermitteln« kann, der hatte nie eine faire Chance. Und so soll es bis ans Ende der Tage bleiben. Der unfassbare große Vorsitzende läuft daher kaum Gefahr, die Walstatt nicht als grandioser Held zu verlassen. Nur wenn er ausgesprochenes Pech hätte, also wenn Kollegen gegen ihn ermitteln und Kollegen ihn aburteilen würden, was natürlich ziemlich fernliegend ist, könnte ihm passieren, als mutwilliger, unredlicher, unsachlicher, verlogener und falscher Fuffziger erkannt zu werden. Mehr nicht. Der kolossale Drache, den er erledigt haben will, war indes nur ein unbekümmertes Gänslein gewesen, das lustig auf seinen Gänsefüßchen daher gewatschelt kam, dem er aber theatralisch den Garaus gemacht hatte – Caligula lässt grüßen.

Ein entsetzlicher Schmäh haftet an uns seitdem wie Gülle und klebriger Seim. Diese giftige Ekelbrühe, die einem monströsen Prozess entstammt, der nach zehn Jahren und 80 Verhandlungstagen am 06. Juno 2011 die Aktendeckel schloss, ist das psychotische Ergebnis von acht sadistischen Destillaten: Urteilen jenseits von gut und von kafkaesk-hinterhältiger Boshaftigkeit. Jedes einzelne ein morbides Dokument vollkommen verdorbener Gedankenstrukturen, wie sie nur eine abgehobene Kaste für sich entwickeln kann. Wo hat es je Urteile gegeben, die in allen, aber auch wirklich in allen Punkten falsch waren?

Einige Urteile waren kurz und ohne poetische Eitelkeiten zurecht fabriziert – das meinige ist ein einziges Plagiat – andere sind von epischen Dimensionen mit über 200 Schreibmaschinen-Seiten, was sie leider auch nicht besser macht. Was sollten wir auch davon halten, wenn nach neun Jahren schon im ersten überflüssigen Prozess mit fünf Anklagen wegen versuchten Betruges vier Freisprüche und eine Not-Verurteilung zur (versuchten) Rettung des Ansehens der Gerechtigkeitsbürokratie herauskamen?

Eine Not-Verurteilung zu fast drei Jahren kann nichts anderes als eine klassische Rechtsbeugung sein, eine sehenden Auges bewusst gefällte hämische Falschverurteilung – und nur die beschädigt das Ansehen der Justiz. Was übrigens von dieser stets locker in Kauf genommen wurde. Willkür und Niedertracht sind demnach die letzten Hinderungsgründe, die Falschurteilen entgegenstehen könnten. Werden die in der Folgezeit auch noch für allerlei schmähliche Winkelzüge missbraucht, ist das eine doppelt humorlose Teufelei.

Es war daher pressemäßig nie die Rede von vier Freisprüchen, sondern immer nur von einer Verurteilung zu drei Jahren, um mich von vorneherein zum vorbestraften Kriminellen abstempeln zu können. Gegen die vielen Schliche und Hütchenspieler-Täuschungen des Gerechtigkeitspersonals könnte man sich theoretisch nur wehren, wenn es gelänge, irgendwelche ebenso redliche wie tatsächlich mutige Juristen zu finden. Während die einen für ihre schändlichen Aktivitäten monatlich alimentiert und großzügig mit Pensionen bedacht werden, mussten wir für jeden juristischen Mini-Text mehrere Monatslöhne auswerfen. So gibt es mangels Information zum Optimismus auch hier leider keine Alternative.

Realismus und Resignation sollten auch nicht unbedingt zu zwei Seiten einer einzigen Medaille werden.

Um die bisherigen Andeutungen von einer wichtigen Frage zu befreien:

Wir, die wegen Fälschens von Kunst, des Fälschens von Expertisen, des Fälschens von Urkunden bis zum Fälschen einer ISBN verleumdeten, wir Verurteilten, wir haben nichts gefälscht.

NICHTS HABEN WIR GEFÄLSCHT – GAR NICHTS!

Das ist wie eine klaffende Wunde, ein Punkt, der wird unverrückbar bestehen bleiben bis in alle Ewigkeit. Unsere Bemühungen, dem Verleumdungs-Sumpf, der uns immer tiefer hineinzog, zu entkommen, waren nutzlos wie der Schrei im Wind. Und je mehr wir zappelten und strampelten, desto tiefer sanken wir ein.

Alle im Jahr 2011 Abgeurteilten haben nichts gefälscht! Wir haben keine Tschakkos gegossen oder gießen lassen, wir haben keine Dokumente oder Zertifikate gefälscht oder fälschen lassen, und wir haben keine falschen Expertisen geschrieben – was übrigens nicht strafbar ist. Oder hat man je davon gehört, dass jemand verurteilt wurde, weil er sich hat täuschen lassen, oder geirrt, und daher falsche Echtheits-Bescheinigungen ausgestellt hatte wie etwa im Fall Beltracchi, bei Van Meegeren oder Kujau?

Wir, Les Misérables, haben – nur um auch das rein vorsorglich summarisch festzuhalten – auch keine Brustimplantate oder Arzneimittel gefälscht, oder Speiseöl gepanscht, oder gar Milchpulver vermischt und so Elend und Tod von Kindern billigend in Kauf genommen! Aber hartnäckig Leugnende steigern nur den Durst ihrer Hin-Richter nach Menschenblut. Es ist uns jedenfalls nicht bekannt, dass die Gerechtigkeitsbürokratie in gleicher Weise ihre Armeen in Marsch gesetzt hätte, um die Menschheit vor Verbrechern zu beschützen, die gegen den Willen und das Wissen der Betroffenen deren Leib und Leben zerstört haben: Wir haben niemand gezwungen, unwissentlich giftige Abgase einzuatmen, karzinogene Arzneimittel zu schlucken oder sich ätzende Plastiken einoperieren zu lassen, und gezielte Existenzvernichtung geht auch nicht auf unser Konto. Niemandem wurde eine Tschakko-Bronze mit gefälschten Zertifikaten untergeschoben, unwissentliche Kauf- oder Tauschaktionen 'rüber und 'nüber sind uns nicht bekannt. Auch gab es keinen falschen Grafen, der wie ein Teppichverkäufer von Tür zu Tür gezogen wäre, um seine »Hehlerware« (FAZ, MAZ, Zitat LKA Stuttgart) an den Mann zu bringen. Das führt uns unmittelbar zu einem Handelsgebaren, welches allerorten bekannt ist: Wenn ein Kenner sieht, dass der handgeknüpfte Teppich an der Untergrenze 800 Euro wert ist, aber das Stück nur 80 Euro kosten soll : Was muss der Käufer denken? Er denkt, entweder ist das Stück gestohlen, oder nicht echt. Zehn Prozent vom bekannten Marktwert, das hat Signalwirkung! Und was wäre mit einem Prozent, acht Euro? Oder einem Promille, achtzig Cent? Oder noch weniger? Wenn jemand einen nagelneuen Mercedes für 5.000 erwerben kann, dann liegt das Problem auf der Hand. Er muss damit rechnen, dass man ihm das Teil wegnimmt, denn niemand wird ihm glauben, dass er nicht gemerkt haben will, dass das nur Hehlerware sein konnte. Wir merken uns: Bei Angeboten á la zehn Prozent vom Wert sind Vorsicht und Zweifel geboten. Und wer ein Kunstwerk unter einem Prozent des Marktwertes kauft nimmt sowohl Diebstahl als auch eine Fälschung in Kauf. Weil das Thema uns sehr entlastet hätte, kommt es wie alles andere Entlastende in den Aktengebirgen geflissentlich erst gar nicht vor. Ein Justiz-Irrtum? Dieser Euphemismus ist eine Begriffs-Fälschung, denn es gibt bei Falsch-Urteilen keinen Irrtum, sondern ohne Ausnahme Vorsatz. In dubio pro reo ist praktisch lange schon abgeschafft. Aber nicht, weil die Richter keine Zweifel mehr hätten, sondern weil falsche Urteile grundsätzlich vorsätzlich geschrieben werden.

Es war gespenstisch, mit welcher Mimikry ebenso nonchalant wie konsequent über die Prozent- und Promille-Preise hinweg gelabert und die vermeintlichen Opfer mit dicken Krokodilstränen bedacht wurden, damit sie unisono die Überzeugung bezeugten, dass die von ihnen bezahlten Preise für sie dem Marktwert entsprochen hätten. Wer will schon auf der Zeugenbank direkt neben den Angeklagten sitzen und indirekt der Hehlerei verdächtigt werden, weil man tatsächlich weniger als ein Promille, nämlich 2.000 Euro für eine 54 cm hohe Tschakko bezahlt hatte, welche bei anerkannter Echtheit 2 ½ Millionen »wert« gewesen wäre. Oder, wer wollte schon als betrügerischer Giernickel dastehen, weil er den Grafen um ein paar Millionen bringen wollte, nur um seine horrenden Schulden loszuwerden! Für manchen war der gute Glaube in die Tschakkos der letzte Strohhalm vor dem unausweichlichen Bankrott. Als die Rede davon war, wir hätten einen Schaden von acht Millionen verursacht, rief der echte Graf in den Saal, ob denn da einer einen »halben Hund« gekauft hätte, ein ganzer würde nämlich »20 Millionen« kosten! Er schnaufte und raunte ergänzend, mit einem Blick, ätzend wie Rattengift, »überall falsche Hunde«! Ein reichsgräfliches Aperçu. Oder ein Déjàvu?

Beherzte, aber despektierliche Geistreicheleien und andere spontane Zuschreibungen, etwa Katalogisierungen wie »Schweinebande« hat man ihm freilich nie gnädig verzeihen können: Zwar erfüllen die falschen Pressemeldungen über uns – eine ausgesprochen infame Form bedenkenlos betriebener Geistesvergiftung – gewiss viel eher die Bedingungen des Verleumdungsparagrafen , als es seine lautstarken Würdigungen des Richtpersonals je sein konnten, aber sie erleichtern uns die Betrachtung des schwerkriminellen Milieus, an welches die Stuttgarter Kleptokraten uns allein mit ihrer erzwungenen Gesellschaft sozusagen gewaltsam angekettet hatten. Die reichsgräflichen Kraftausdrücke waren seine Art, sich gegen das Unerträgliche zu wehren, etwa wenn er an den Händen gefesselt in den Sitzungssaal geführt wurde. Er befleißigte sich dabei freilich stets konnotativ einer burschikos-lustigen Klangfarbe, um das als seine persönliche Note im Ausdruck deutlich zu machen, und damit es niemand als ‚rotzfrech vom Leder gezogen‘ interpretieren möge. Die schweren, bewusst breit angelegten öffentlichen Verleumdungen zu Sachverhalten wie etwa unserer erwähnten Urkunden-Fälscherei waren auch deshalb schwer erträglich, weil auf diese Weise dem Publikum weisgemacht wurde, die langen Haftstrafen wären wegen der Schäbigkeit unserer Verbrechen zurecht ergangen. Der Reichsgraf büßt noch heute, ohne eigentlich so recht eigentlich zu wissen, warum und für was, und wenn es nach den Stuttgarter Gerechtsamen geht, leidet er weiterhin schnöde bis ans Ende seines Erdenwallens.

So sitzt mein angeblicher Muschkote, immerhin ein selbstbezogener Graf und Nachfolger Wallensteins, immer noch dafür ein, dass er behauptet, nicht als mein Handlanger, sondern autonom gehandelt zu haben. Eine Eigenschaft, für die er bekannt bis berüchtigt war, da er seine Souveränität nur zu oft demonstrativ unter Beweis stellte. So auch auf der Anklagebank: Hätte er seine Knechtschaft unter mir nicht geleugnet – eigentlich eine Kleinigkeit – hätte man mich für elf Jahre weggesperrt und ihn aus lauter Dankbarkeit mit ein bisschen Bewährung davonlaufen lassen. Man hätte seine Glaubwürdigkeit himmelwärts gepriesen und ihn nicht schnöde als Herrn »Senke« angemacht, sondern ihn trotz seines dann zugestandenen dienstbaren Lakaien-Standes als »Durchlaucht von und zu« gefeiert.

Immer noch sitzt er für die Wahrheit ein, wo er doch nur ein bisschen hätte lügen müssen, um unsouverän, aber frei zu sein – wo er nämlich nicht Primus inter Pares sein kann, bleibt er lieber autonom und im Knast. In Unkenntnis seiner Psyche hatte man ihm diverse Angebote unterbreitet. Nichts zog, weil ›Ungekrönter König der Lügenbeutel‹ nicht im Angebot war. Recht und Gesetz? Witzig, wie ernst der Graf das nahm. Das ähnelt dem Kantischen Leichendilemma: Je mehr Reichtümer der Tote seinen Nachtrauernden hinterlassen hatte, desto schwieriger war es für diese, echte Trauer zu heucheln.

Die Verbreiter der Giacometti-Schmonzetten trugen natürlich wärmste Sorge, dass ihre hämischen Nachrufe und Übelreden in Mainz und Wiesbaden genauso fett breit getreten und gut verstanden wurden wie auch anderswo rund um den Globus. Plötzlich waren wir zum Spießrutenlaufen im Land der Guten angekommen. Denn wer je nach Yankee-Art mit einem Schild um den Hals behördlich verunglimpft wird, auf welchem »Fälscher & Betrüger« steht, dem wird das Gemeinwesen verleidet und die Heimstatt zu einem sehr ungemütlichen Ort.

Was für ein Plan! Wir sollten ausgeraubt und an den Bettelstab gebracht werden, abgezockt bis aufs Hemd, in Acht und Bann gehen, an Leib und Seele gebrochen – typische Merkmale und Resultate einer Feme-Gerichtsbarkeit. Der geheime Zirkel war sich sicher, wir würden auch von den obligatorischen Anwälten bis auf die Knochen abgenagt werden, und ausgesaugt bis auf die letzten paar Blutstropfen sollten wir bloß nie mehr auf den Gedanken kommen, noch einmal das Haupt gegen die Allmächtigen erheben zu wollen. Irgendwelche Rechtsmittel einzulegen, um einen sinnlosen Prozess nach dem anderen zu führen, sollte uns von vorneherein nicht mehr möglich sein. Ohne Schuss kein Jus, und die Rechtsbeugerei kostet extra: Hier kann der Teufel nicht einmal mit dem Beelzebub ausgetrieben werden. Das war die unmissverständliche Drohung, aber auch die Lehre, für die wir dumme Jus-Azubis ad infinitum Lehrgeld zahlen müssen, und die heißt: Schaut her, ihr Deppen, hier, das sind die wahren Wonnen schlitzohriger Kriminalität! Ihr traurigen Witzbolde hattet die Stirn, ausgerechnet uns zeigen zu wollen, wie das perfekte Berufs-Verbrechertum funktioniert? Wir sind die Bank – ihr seid bloß die dummen Deppen! So wird das gemacht, und wir zeigen es Euch!

Und sie zeigten es uns.

Es ist daher völlig ausgeschlossen, wir könnten mit unseren freimütigen Bekenntnissen des Guten zu viel tun, über das Ziel hinausschießen oder irgendeine sittliche Grenze überschreiten – das ist längst von der Gegenseite in toto doppelt und dreifach und vollends abgeleistet! Die Fürsorge unserer Peiniger ging sogar so weit, uns die Unterlagen vom Sozialamt zuschicken zu lassen in der Hoffnung, wir würden gierig die Zettel ausfüllen. Die Tinte auf den Anträgen wäre noch nicht trocken gewesen, da waren wir schon verhaftet worden wegen Sozialbetrug etc. etc.. Unser Martyrium begann mit unserer widerrechtlichen Verhaftung, das konnte man jederzeit wiederholen. Dann kamen die vorsätzlichen Falschverurteilungen und die überlangen, jedes legitime Maß überschreitenden Haftzeiten. Als wäre das nicht schon etwas reichlich zu viel des Schlechten hat man uns auch noch betrogen und ausgeraubt, dass es nur so eine Pracht war. Der Film hieß: Ali Baba und die vierzig Räuber im Paradies! Und das wiederum war der Grund des überzogenen Wegsperrwesens. Leider ist das nicht die ganze, sondern nur ein Teil der Geschichte. Es ist unser gutes Recht, auch für den Rest die entsprechenden Emotionen zutage treten zu lassen – Contenance sollte von uns daher nur in bescheidenem Rahmen abverlangt werden. Sublimieren – das hilft.

Ohne auch nur jemals den geringsten Gedanken an perfekte kriminelle Sportivitäten vergeudet zu haben, waren wir offensichtlich Leuten auf den Schlips getreten, die ihr schauriges Monopol durch artfremde Konkurrenz bedroht sahen. Nebst meiner strafbaren Bandendominanz über Ehefrau und Reichsgraf – einer mafiosen »Familienbande«, wie der Graf bemerkte – stand im Haftbefehl, meine schärfste kriminelle Attacke auf das bürgerliche Recht wäre mein Versuch der eigenen Strafvereitelung gewesen.

Bisher können wir dieses wunderliche Delikt und dessen Dialektik aber nur im Gebaren derer ausmachen, die sich unentwegt für die Verbrecher im Amt dienstbar erweisen, und das fortwährend und fortzeugend. Daher Monopol: Zwar wurden wir ohne triftige Gründe verhaftet, aber bis zum fälligen Falsch-Urteil hatte man 22 Monate Zeit, griffigere Straftatbestände zu erfinden und diese in unser Image vom per se üblen Zeitgenossen zu projizieren ... womit wir zu den Fälschungsmonopolisten zurückgekehrt sind.

Ab und an ›nahen sie sich uns wieder, die wankenden Gestalten, die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt‹. Albträume von vernichteten Existenzen, die mit dem Hut in der Hand an der Ecke stehen oder auf den Knien vor Kirchentüren herumrutschen, die um ein Dosenbier und Tabak zum Drehen betteln, und dann rätselt man, wie konnte es dazu wohl gekommen sein. Aber der uns zugedachte finale Fangschuss hat uns schließlich auch nur um Haaresbreite verfehlt. Dass er nicht gesessen hat war nur reinem Dusel zu verdanken, sonst nichts. Glück im Unglück zu haben, das ist Glück pur – Kismet.

Der Fangschuss muss schon viele tödlich getroffen haben, denn es gibt gegen meineidige Spitzbuben in schwarzen Talaren keine Mittel, was schon Friedrich Wilhelm I., immerhin ein Souverän und König von Preußen, monierte. Ein sonderbarer Ruf eilt der Kaste voraus, die Welt ist seit Jahrhunderten gewarnt. Der Monarch sah Handlungsbedarf:

» Wir ordnen an und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advokati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man diese Spitzbuben schon von weitem erkennen und sich vor ihnen hüten kann. «

Gerade weil die Justiz ein so gefährdetes, aber auch durch Missbrauch so gefährliches Macht-Instrument ist, muss sie unbedingt geschützt werden. Aber gewiss nicht vor denen, die sie mit »Kinderherzen & Künstler-Augen«2 affirmativ kritisieren. Offensichtlich muss auch hier nochmls an die Begriffs-Verwirrung erinnert werden: Nestbeschmutzer sind immer nur die, welche das Nest beschmutzen, und nicht jene, die es mutig wagen, darüber zu berichten! Bis zur Stunde haben wir leider immer nur von jenen Helden gelesen, die sich todesverachtend der brutalen Fälscherbande entgegen geworfen hätten. Wollte man der wahren Lesart den Vorzug geben, waren diese Heroen eine Horde gieriger Hyänen, die das tolpatschig »daher watschelnde Gänslein« zerfleischten.

Auch Friedrich II. hatte den Braten gerochen und schrieb:

» Denn ein Justiz-Collegium, das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer, wie eine Diebesbande, vor die kann man sich schützen, aber vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üblen Passiones auszuführen, vor die kann sich kein Mensch hüten. Die sind ärger, wie die größten Spitzbuben, die in der Welt sind… «

Interessant, wie hellsichtig der Alte Fritz Justiz-Kollegium mit Diebesbande assoziierte, und die »üblen Passiones« haben wir hautnah kennengelernt. Bei uns heißen die aber nicht nur Rechtsbeugung, sondern tatsächlich Diebstahl, Unterschlagung, Untreue, Betrug und Urkundenfälschung, nur um den ungefähren Rahmen etwas zu definieren.

Rechtsmissbrauch, Rechtsbeugung und - brechung, die ganze Rechtsverdreherei ist an und für sich zu eindimensional und insgesamt gesehen doch langweilig, kalter Kaffee: Das ist inzwischen im kleinbürgerlichen Mafiositum längst verinnerlicht, wird inzwischen volkssportartig gepflegt, weshalb diese Nummer inzwischen eher zu einer leidlichen Posse verkommen ist, einer Pressemeldung weniger wert als ein Verkehrsunfall ohne Blut und zertrümmerte Knochen. »Irrtümlich« Verurteilte vermögen einem anderweitig permanent beanspruchten Publikum gelegentlich zur Sauren-Gurkenzeit in einer still-verschämten Randglosse des Feuilletons vielleicht etwas Interesse zu entlocken. Aber es bleibt ein abgegriffenes Wunder-Tütchen, man erspürt was drin ist und das Wunder ist futsch.

Hier aber war ein irrwitziges, augenwischerisches Schauspiel jahrelang so gut wie ohne Publikum gegeben worden. Das war wie Stalin ohne Statisten und das Wort Schauprozess wäre ein Griff in die Mottenkiste des direkt Totalitären: Bei uns lief es etwas anders, viel subtiler. Auf eine raffiniert korrekte Art wurden die verfahrenstechnischen Förmlichkeiten zelebriert, wobei die Gesinnung des Richtpersonals von diffusen düsteren Nebeln umwabert war. Es gab sich sibyllinisch, obwohl die Verurteilungen längst auf ihren Stirnen abzulesen waren und alles, was diese gefährdete nur deren erkennbaren Blutdurst vergrößert hätte. Und nie, nie und niemals waren diejenigen, welche sich lang und breit in ihren Gazetten über uns und unsere flächendeckende Fälscherei ausgelassen haben, am Tatort, sprich: im feuchten Beton diesen wahrhaft öffentlichkeitsarmen Kammern.

Mit der Presse flutschte es wie mit den Gerichtsverfahren: Es war grundsätzlich vollkommen wurscht, was im Gerichtssaal verwurstet werden würde: Uns würde man auf jeden Fall verurteilen, nach 20 Monaten U-Haft wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr gibt es nichts anderes! Der Kriminalisierungs-Fantasie waren nirgendwo Grenzen auferlegt, im Gegenteil, je schräger der Roman, desto lieber wurde als glaubhaft gewertet, was sowieso zur Staatsdoktrin erhoben war. Einfach alles wurde gegen uns gedreht. Logik hin, Logik her, man kann alles passend machen, es ist auch ein gutes Stück Handwerk. Die STUTTGARTER NACHRICHTEN und verwandte Blätter schrieben noch 2015, als vier Jahre nach uns in einer weiteren bühnenreifen Farce gegen den einzigartig fälschenden Berufs-Fälscher R. Driessen »verhandelt« wurde – immerhin nach einem Jahr völlig überflüssiger U-Haft – tatsächlich immer noch unverdrossen von uns als der »Fälscherbande«. Sie offenbarten sich alles in allem als verdiente Hauspostillen der 11. Strafkammer, die zwar wusste, dass wir nur die dämlichen Zahlmeister des nach eigener Einschätzung Größten Fälschers aller Zeiten waren, aber die überdrehten Falsch-Urteile waren der Öffentlichkeit halt doch wesentlich einfacher mit einer eingeölten »Fälscher-Bande« zu verkaufen. Eine Bande war auch dringend nötig, um die Verjährung der meisten über fünf Jahre zurückliegenden »Un-Taten«aufzuheben.

Die Erfindung, oder das Auffinden eines dritten Bandenmitgliedes war daher oberstes Gebot – jedenfalls war es nicht das perfide Produkt einer überheizten Fantasie, sondern Grundvoraussetzung für die Verfahren überhaupt! So kam den Gerechtigkeitsmechanikern zupass, dass meine Frau zum Dritten Mann herbei konstruiert werden konnte, womit wir, bestehend aus zwei Mann und einer Dame, ein falsches Pendant zur echten Fälscher-Bande im Amt wurden. Was jeder Journalist simpel hätte wahrnehmen können, wäre er vor Ort gewesen, waren die hysterischen Falschfarben, mit denen wir rundum betupft wurden. Es war aber keiner da, und wenn doch, dann hatte er nicht den Mut gehabt, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. In »Fälscherkreisen«, so hieß es nach der Aburteilung des holländischen Fälschers, wäre längst ausgemacht, dass der Graf nach seiner Entlassung »auch nach Portugal flüchten« würde. Vielleicht sitzt er deswegen immer noch ein, weil zu viele Leute sich in Fälscher-Kreisen bewegen, Schreibtischtäter werden oder privilegierte Nutznießer eines zynischen Journaillen-Muschkotentums. Wenn das Pressewesen, das weder sachlich oder neutral orientiert noch informiert war, daher wenigstens nur Ignoranz repräsentiert hätte, wären wir ironischerweise schon froh und dankbar gewesen.

In diesem Schau-Prozesses war nämlich nichts Geringeres als die handfest etablierte Kriminalität einer gediegenen, biederen, insofern umso gefährlicher getarnten Bürokratie bei der Arbeit zu studieren gewesen. Als wäre Hoffnung für die Menschheit, wenn deren würdigste Vertreter sich an der zappelnden Hilflosigkeit ihrer Opfer aufgeilen und an deren Unglück herzhaft weiden, sobald die sich in den ausgelegten Fangnetzen und Fallstricken verheddert hatten. Wahrlich eine penetrante Lügen-Anarchie, die sich dort im Ländle, wir nannten es früh schon »Teufels Land«, zur hohnlachenden Verhunzung des Rechts eingefunden hat.

Dem mit Hängen und Würgen errichteten Rechtsstaat – dem empfindlichen Häutchen Zivilisation, das uns von der Barbarei trennt – der auf das Vertrauen in seine institutionellen Vertreter mehr denn je angewiesen ist, könnte dieses seit Jahrzehnten etablierte unheimliche dunkle Feme-Regime in seinem schier unaufhaltsamen Marschtritt auch den Todesstoß versetzen, wenn hier keine gründliche Remedur stattfindet. Aber eher wird genau das Gegenteil passieren: Man wird sich mit allen Mitteln gegen alles wenden, was die eigenen Machenschaften aufdecken kann. Entsprechende Dokumente dieser Aktivitäten füllen mittlerweile unsere Aktenordner. Ihre Immunität bezieht diese obskure Nomenklatura aus ihren Titeln, aber auch servilen Dienstgraden. Sie wuseln und wieseln herum und lassen ihre hartvergoldeten Epauletten glänzen wie die kaiserlich-königlicher Hofschranzen, die ehrliche Pflichterfüllung nur vorspiegeln. Nach außen hin Gold, und nach innen Messing! Diese Vignetten-Hierarchie ist ein unheimlicher Atavismus, zäh wie Fliegenkleister. Die seltsam törichte, quasi gleichgeschaltete Presse war in dieser Hackordnung nichts weiter als ein gehorsames Mittel zum Zweck. Sie stand allenthalben stramm, die Hände zackig an der Hosennaht, oder schwanzwedelnd wie Viecher, die ihrem Futtermeister unbedenklich und gierig aus der Hand fressen. Warum sie das war, und zwar ohne Not, bleibt eine interessante Frage. Wir trafen gänzlich unerwartet auf eine hörige, auf vorauseilenden Untertanengeist fixierte Lüge, ein Räderwerk, das anlief und wie selbstverständlich abrollte als wäre das der normale Lauf der Welt. Das heißt, dass die von der Allgemeinheit mehr denn je fatalistisch erduldete gewöhnliche Amtskriminalität heute niemand mehr hinter dem Ofen hervorlockt.

Schon Shakespeares Hamlet sagte:

Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,

Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,

Das zwingt uns stillzustehen. Das ist die Rücksicht,

Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.

Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,

Des Mächtigen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,

Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,

Den Übermut der Ämter und die Schmach,

Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,

Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte.

Des »Rechtes Aufschub« und der »Übermut der Ämter« scheint alternativlos tief verwurzelt zu sein und ekelt nur noch wenige, und die paar wenigen wenden den Blick ab wie Vegetarier vor grün-vergammeltem Hundefleisch. Das Internet, wo dem Unmut über das Unzumutbare ein Ventil geöffnet wird, hallt daher wider von Verwünschungen, Verfluchungen und höllischen Verdammnissen der sagenhaft verhassten »Schwarz-Kittel«. Die werden in diesen virtuellen Räumen einem brandigen Geschwür gleichgestellt, einer schwärenden Wunde ohne Aussicht auf Heilung. Diebische Beamte, Untreue, vorsätzlich gefällte Falsch-Urteile – banal Alltäglicheres scheint es kaum zu geben; demnach war die erste Frage, ob unsre Geschichte überhaupt ausreichend spektakulär ist, um eine ungeheure Arbeit wie diese rechtfertigen zu können? Es ist nebenbei die Frage, inwieweit wir glauben, ausgerechnet mit einem Buchblock gegen die humor-umflorten massenhaften Morde der TV-Serien bestehen zu können, ohne dass eine mühselig errungene kleine Aufmerksamkeit gleich wieder durch nörgelnden Vortrag von privaten Kümmernissen im Keim erstickt würde, oder sich im bürokratischen Nirwana verlöre. Obwohl es darin nur zwei Leichen und einen seltsamen Todesfall gibt, ist unsere Geschichte dennoch hart genug, eine brutale Reflexion dessen, was Sache ist in einem Land mit einem einzigartigen Amt, dem »Amt in Teufels Land«. Die Diener oder Herren dieses Amtes, eine »Schwarze Armee Fraktion« nunmehr im Besitz aller meiner Manuskripte, fanden diese Texte nicht amüsant. Einer schrieb empört an den Rand, »damit meint er wohl Fritz Teufel, unseren Ministerpräsidenten«!

Der Protagonist der nachfolgend zu beschreibenden Ereignisse ist daher nicht ein Vorsitzender, wie man vermuten könnte, sondern ein Edelmann, ein Reichsgraf von Waldstein. Oder alias Lothar Wilfried Senke Graf von Waldstein und Freiher von Dobromitz. Seit er in den achtziger Jahren im Rhein-Maingebiet auftauchte, hieß er nur »der Reichsgraf«. Das Gericht, also der Vorsitzende, pflegte ihn mit »Herr Senke« anzumachen, was dieser achselzuckend über sich ergehen ließ. Er hatte seine Adelei schon tausendmal erklärt, was soll's, rief er mir zu, was juckt es die deutsche Eiche, wenn Schweine sich dran reiben. Sorgsam verwahrten sein Richter und die lieben Kollegen alle seine heiteren Sprüche aus dem Schatzkästlein seiner knorrigen Ahnen in ihren waidwunden Herzen und servierten ihm diese aus der Seele gesprochenen Verbalinjurien bei erstbester Gelegenheit zurück, allerdings garniert mit lebensverkürzenden Jahren zwischen Beton und skorpionspitzem Stacheldraht, wie es nun einmal so ihre Art ist.

Durchlaucht hatte mir schon in den 1980er Jahren, während seiner dramaturgischen Tätigkeit bei »Schwarzwald-Film«, von einem dort laufenden populären Projekt berichtet. Eine Serie »Die Geschichte der Kriminalität« sei schon bis zur Folge 26 gediehen, doch hier und heute findet sie in ihrer Folge Nr. 27 einen ganz unromantischen Schluss: Der Graf sitzt nun geschichtsrelevant genug. Er brennt im siebten Jahr wie der Graf von Monte Christo fast schon weltliteraturverdächtig in einem ostdeutschen Chateau d‘If sein »empfindliches« Brett von »guten neun« Jahren weiterhin brav ab. Die meine Person betreffende höchst verurteilungsrelevante Unterstellung, der Graf wäre mein Hansel, quasi lediglich mein verlängerter Arm gewesen, ist alles in allem dadurch bereits auf fürchterlich groteske Weise widerlegt. Dass diese Welt dank seiner Käfighaltung nun eine auch nur einen Deut bessere, sicherere geworden sein soll, wagen wir gleichfalls zu bezweifeln. Auf jeden Fall ist sie weniger bunt. Einen ähnlich skurrilen Paradiesvogel wird man aber mancherorts schmerzlich vermissen. Eine Welt, die trotz wachsender Vielfalt mehr und mehr gleichgeschaltet wird, ist um einen originellen Zeitgenossen gebracht worden. Und er war wie ein Kind. Er sorgte sich nicht ein einziges Mal um den nächsten Tag, und am liebsten hätte er eingestandenermaßen zeitvergessend in jenen fernen Tagen gelebt, als Wünschen noch geholfen hat. In diesen unmöglich fernen Gefilden wäre er nicht allzu einsam gewesen.

Indes, um etwas nachsichtiges Verständnis wird gebeten:

Das Aktengebirge, welches sich vor uns auftürmt, umfasst leider keine 95 »Stehordner«, wie man dem OLG vorgaukelte, sondern bislang 173 Stück und einem besonderen Extra: Dieser prall volle Ordner heißt »Vorermittlungen im Zusammenhang mit …Alberto Giacommetti durch den deutschen Staatsanwaltschaft « und das älteste Blatt darin ist von 1992… Trau schau wem!

Wahrhaftig, hinter diesem gewaltigen Schutzwall aus Begen von Akten konnte der Gerechtigkeitsbürokrat sicher sein, dass ihm dermaleinst nicht seinerseits Gerechtigkeit zuteil würde. Es ist demnach gefühlte Angst und demzufolge Sicherheitsdenken, die solche Wälle errichtet. Wenn sogar Gewissenlose ein schlechtes Gewissen verspüren, handelt es sich vermutlich um etwas Monströses.

Woher wusste Goethe, dass der Teufel sagt, ich bin die Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft. Im Volksmund heißt das, es ist nichts so schlecht, dass es nicht woanders wieder für etwas gut ist. Und so kommt es – Treppenwitz – das dieser Aktenberg auch jenen ein gehöriges Problem werden könnte, die ihn im Übereifer erschaffen haben. Denn wer einen Eintopf aus halber Wahrheit und doppelter Irreführung zusammenrührt, dem können die Lügen irgendwann selbst zu kurzbeinig geraten. Man hat uns mit Rolex-Imitatoren, mit Produkt-Plagiatoren, mit Urkunden-Fälschern in diesen einen Topf geworfen, man hat uns als das mieseste Gesindel, als Abschaum der Menschheit dargestellt – desto wichtiger ist es für uns festzustellen, wer wirklich wohin und zu welcher Kategorie er gehört.

Ein erstes Tschakko-Verfahren von 2001 hatte 14 Ordner, ohne meine Akten mit Kommentaren gegen dessen Widersinnigkeit, ohne die Korrespondenzen und kistenweise Kritiken, die einen vorgezeichneten Weg gegangen sind. Sogar das 200-seitige Buch »Das Amt in Teufels Land« gab es schon, das war aber 2003 jener vorbezeichneten Maßnahme zum Opfer gefallen, welche sich noch elend lange wie ein Roter Faden durch das Labyrinth der Aktenordner ziehen wird, und die heißt: Beschlagnahmen & Sicherstellungen. Mit dieser Methode behandelte Gegenstände haben nämlich im Stuttgarter Gerichtsviertel die unangenehme Eigenschaft entwickelt, sich dem Eigentümer auf hinterhältige Weise zu entziehen. Und das in einem Ländle, von dem die Sage geht, dass der Verlust eines Radiergummis durchaus Wutausbrüche bis hin zu einem Volksaufstand auslösen könnte.

Die Vergangenheit ist wie ein Schwarzes Loch. Alles was darin versinkt, ist für ewig verloren. Der Ereignishorizont ist die greifbare Realität, die Schnittstelle zwischen der entmaterialisierten Vergangenheit und etwas rätselhaft zu Erahnenden, doch noch Unwirklichem, der Zukunft. Die Gegenwart ratscht dann wie die Klingen einer Schere mit Lichtgeschwindigkeit durch den leeren Raum von Mikro-und Makro-Kosmos. Genau dort ist die Zeit und der Ort der Entscheidung, das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Wir, die wir die Gegenwart kaum kennen, müssen aus den Zeitschnipsel-Resten, den kistenweise unredlich zusammengestoppelten Akten die Vergangenheit rekonstruieren, interpretieren; wer wollte hier ein Gelingen prognostizieren?

Keine Kammer hatte von 2003 bis 2008 recht Lust, sich eines zusammengedrechselten, überkandidelten und insofern vernachlässigbaren Falles anzunehmen. Sieben Jahre dümpelten dubiose oder keine Ermittlungen vor sich hin, doch die Herren des LKA, Sonderbehandlungsabteilung Kunst & Antiquitäten, die Herren Schönleber und Schöller, die wussten wie es sich entwickeln wird, sie kannten das Prozedere: »Sie werden auf jeden Fall verurteilt«, tönten beide unisono gelegentlich ihrer Hausdurchsuchungen schon 2003, als wir mit noch runden Augen ungläubig uns dem Schauspiel einer beispiellosen Selbstherrlichkeit widmen mussten.

Und richtig, als der Aktenberg anhob, das normalmenschliche Maß zu verlassen und er ins Maßlose abdriftete, ohne dass irgend etwas korrekt Einklagbares zur Hand gewesen wäre, fegte 2008 eine Strafkammer den Unsinn keineswegs vom Tisch, sondern erbarmte sich der händeringend um eine Aburteilung ersuchenden Staatsanwaltschaft, auf dass endlich Recht geschehe und ordentlich hingerichtet werde. Sie zog 2008 energisch das seit 2001 laufende Verfahren an sich. Daraus entstand mit den Jahren das Monster-Verfahren von 2008 bis 2011, mit weiteren 160 Leitz-Ordnern und einer Menge reißerisch tönender Urteile im Jahr 2011.

Doch das Schmierenstück war nicht zuende, obwohl die irren Falsch-Urteile eine Schutzfunktion ausüben, nach dem Motto: Diese Verbrecher haben es nicht anders verdient, als dass man sie gründlich ausgeraubt hat! Das machen Raub, Diebstahl, Betrug und Urkundenfälschung auch noch zu besonderen Heldentaten von Dieben, Räubern und Meineidigen, die vielleicht meinen, ihre Feme-Urteile hätten einen sittlichen Mehrwert. Man ahnt schon hier, welche Fallen und tückischen Stolpersteine uns in den Weg gelegt wurden.

Zufällig hatte diese Kammer die Karnevalsnummer 11 – Humor war freilich ihr Geschäft nicht, sie war eher eine besonders wilde Kammer, bis in die Haarwurzeln zur Aburteilung entschlossen, elitär besetzt mit agilen Spitzenkräften, notorisch verrufen bei Strafverteidigern als die mit Riesen-Abstand Verrufenste von allen. Dieser legendäre Ruf galt Liebhabern extremer Strafzumessungen als vorbildlich, und zur Freude derselben bestätigten die süffisanten Rechtsauslegungen nur ihre Neigungen und Präferenzen. Man hätte denken können, die Kammer hätte sich berufen gefühlt, die Bambergische Halsgerichtsordnung in Stuttgart wiederzubeleben, was aber leider unterblieben ist. Es hätte dann nämlich Aug um Auge, Zahn um Zahn geheißen, womit wir wesentlich besser bedient gewesen wären. Ihr reformatorischer Renaissanceversuch wird daher keine Weltgeltung erlangen, allein weil dank dieser Halsgerichtsordnung die Welt eine bessere geworden wäre als die praktizierende in Stuttgart.

Der Aktenberg, der sich in der Causa »Tschakkos Ja – Giacomettis Nein« auftürmte, war und ist in der Tat von unschlagbarer Gigantomanie und Verworrenheit! Aber der Wahnsinn ist greifbar und er hat natürlich Methode: Begriffe wie »Plagiat – Schrottmetall – Strafvereitelung – gefälschte statt falscher Expertise – Bronze gleich Messing – Kunst-Fälschung gleich Urkunden-Fälschung – Inverkehrbringen von Kunst daher gleich Urkunden-Fälschung – insofern Händler gleich Fälscher – rechtswirksames statt nichtiges Wortprotokoll – Urheberrecht und Vernichtungsanspruch – Surmoulages nach dem Droit Moral – Deal und Geständnis« werden durcheinandergewirbelt, böswillig ausgelegt, schräg benutzt, falsch zitiert, oder nicht korrekt zugeordnet. Als wären das nicht Schmieragen genug, war es dem Vorsitzenden dennoch ein Bedürfnis, mir reichlich maliziös zu versichern, ich könne schreiben was und so viel ich wolle, harharhar. Wohl mit dem Impetus, mir als von ihm »kräftig« verurteiltem und entsprechend öffentlich gebrandmarkten Verbrecher und Fälscherbanden-Mafiosi würde ehedem niemand glauben wollen. Die leise Angst, ich könne den Fall rein sachlich bewältigen und zweckdienlich und zielführend beschreiben, dürfte unterschwellig mitgeschwungen haben. Das klang für uns tatsächlich eher wie das Pfeifen im Walde: Mein Gott, wenn das rauskommt!

Vor uns liegen sie also, die Akten-Berge, Ergebnis heilloser Sammelwut oder akkurate Pflichterfüllung? Vorneweg wie Blendbrandhandgranaten die explosiven Urteile, voller eigentümlich-bizarrer, schrill-versponnener Straftatbestände, Gesamt- und Einzelstrafen, acht Urteile ohne und zwei Urteile mit acht gänzlich unvermeidbaren Freisprüchen, ungezählten Beschlüssen, Beschwerden, Kommentaren, Beschlagnahmen, Beweismittelordnern mit Zeugenaussagen von A bis Z, Verhören, Observierungen, Durchsuchungen, Finanzermittlungen, Aktenauswertungen, Haftprüfungen, sonstige diverse Sachordner, Bankauskünfte, Monats- und Halbjahresprüfungen, Ermittlungsordner, Konten und Belege, Gesamtlisten und Einzeluntersuchungen des INSTITUTS FRESENIUS, auch betreffs der sichergestellten 1000 Tschakko-Skulpturen, Zuordnungen der hunderte von Fällen und Komplexen, Auswertungen besonders der PC, Laptops, Speicher, Sammelordner, TKÜ-Protokolle, Übersetzungen, sonstiger Schriftverkehr, sogar Akten der Verdeckten Ermittler, Anträge und Beschlüsse, Gutachtenbände ohne Zahl, sonstige Gutachten des kriminal-technischen Instituts des LKA, also Material-Analysen, Daktyloskopie, unzählbar viele diverse sonstige Schriftstücke, Kontrollblätter, Sammelkomplexe, Selbstleseordner, schier endlose Fotoreihen, ein paar Übersichtsaufnahmen, dann die vielfache Menge an Detailaufnahmen, alles in allem alles bis auf die überflüssigsten Relikte einstigen Glanzes, vom Putzlappen bis zur Plastikdose, jedes Pinselhaar, jedes Kleinteilchen war sorgfältig und vollständig auf hunderten Seiten peinlich genau aufgezeichnet, gelistet und komplettiert,... und es gab eine spezielle Lichtbilder-mappe: Unsere Gemälde und sonstige Kunstgegenstände ..? ... was war mit denen? Hier die penible, penetrante Sorgfalt vom Gips-Krümel bis zum Uhu-Kleber auf der einen Seite, und dort, wo es um unsere Kunstsammlungen ging, was war da? Und plötzlich wird es wirklich unheimlich: Diese Aktenteile sind schludrig, unpingelig, fehlerhaft und peinlicherweise zu neunzig Prozent inkomplett!

Man muss sich das einmal vor Augen halten: Etwa 900 Kunstwerke, Gemälde, Grafiken, Skulpturen oder hunderte äußerst wertvolle Bücher sind dort, wo jeder Bindfaden und Dreckklumpen mit pingeliger Penibilität vermessen, gewogen und verzeichnet wurde, da sind unsere Kunstsammlungen nicht verzeichnet worden. Wie das? Ein schwer – andererseits aber auch wiederum leicht – erklärbarer Vorgang. Leicht schon deshalb, da man nach Adam Riese und dem Einmaleins schlicht unterstellen kann, dass unser Kunstschatz von vorneherein einer anderen Bestimmung als der Deckung der Verfahrenskosten oder ausgerechnet der Schadensregulierung zugeführt werden sollte. Baff waren wir auch, als wir erfahren mussten, dass es in Stuttgart den § 109 StPO gar nicht gibt. Jedenfalls mussten wir zu diesem Schluss kommen, weil dieser Paragraph, der die Protokollierung von Beschlagnahmen zwingend vorschreibt, weder vom LKA noch von der Staatsanwaltschaft, weder vom Leitenden Oberstaatsanwalt bis zum Ministerialrat als existent erachtet wurde. Uns wundert, dass der überhaupt noch in den Gesetzbüchern steht. Wer unsere Geschichte betrachtet, wird sich fragen, wie viele dieser lästigen Bücher es überhaupt noch gibt. Nur die Blume im Haar sahen wir immer öfter in diversen Dünndruck-Ausgaben blättern, wo sie mit dem Zeigefinger nach irgendwelchen Text-Stellent suchte, die sie für ihre Anklagen verwenden könnte. Viel Gutes ist aus unserer Sicht nicht gerade dabei herausgekommen.

Die Lösung lautet daher, was und warum überhaupt soll man etwas aufzeichnen, wenn man hellseherisch begabt ist und antizipatorisch vorwegnehmen kann, dass der delinquente Herr und seine Frau auf jeden Fall auf die Rückgabe dieser ihrer widerrechtlich beschlagnahmten & sichergestellten Habseligkeiten praktischerweise zur rechten Zeit verzichten werden. Für einen Schwaben ist das Verzichten für nichts und wieder nichts, das Herschenken von Sachen an seine erklärten Feinde und Übeltäter das selbstverständlichste Ding von der Welt. Niemand nahm Anstoß an unseren Schenkungen und sagte, wie pervers ist das denn? Gang und Gäbe scheint auch zu sein, dass die Beschenkten die Dokumente zu ihrer eigenen unlauteren Bereicherung auch gerne selbst produzieren. So kann es passieren, dass der sich selbst entreichert habende Dödel von seiner Selbstentreicherung gar nichts mitbekommen hat und hinterher anfängt zu meckern. Dann hält man dem Idioten, der auch noch viel Geld dafür erlegen musste, überhaupt die entsprechenden Informationen gnädigerweise zu erhalten, das vorfabrizierte Selbst-Enteignungs-Dokument unter die Nase und sagt: Da steht es doch, du Mainzer Schobbe-Klobber, kannst du nicht lesen?

Schade, da hatten wir doch glatt eine Gelegenheit verpasst, den Schaden komplett zu regulieren und der Abstrafgemeinde ein paar Monate Straf-Rabatt abzuhandeln. Die gestohlenen Sammlungen sind um ein vielfaches wertvoller als der so genannte Schaden, da wären sogar noch ein paar Euro für uns übrig geblieben! Mit den Sicherstellungen & Beschlagnahmen unserer Akten und PC hatten die Kameraden zielsicher und professionell vorgesorgt nach der Méthode Champenoise. Die bekamen wir schon gar nicht zurück! Nichts bekamen wir zurück – grundsätzlich gar nichts! Es erübrigen sich daher weitere Nachragen, ob wir etwa unsere Hausschlüssel zurückbekommen hätten, den Garagenöffner o.a. . Nein, auch nicht! Nun war klar: Das war des Pudels Kern. Es sollte uns den Nachweis der fortgeschleppten Bestände ver- oder behindern, und das hat es auch getan. Und es sollte uns da Leben schwer machen, so aller zivilisatorischer Dinge entkleidet, Firmen futsch, Konten abgeräumt, keine Telefone, keine Kommunikation, das blanke Nichts. Diese Erkenntnis half aber damals zunächst nicht viel, um die Übersicht über die verwirrende, eher irrsinnige Geschichte zu behalten. Es bedurfte keiner höheren Mathematik, um zu sehen, das hier etwas faul war im Staate Dänemark. Nicht so die dafür Berufenen. Für diese war es naheliegend, dass der Staatsanwalt erst einmal alles fortschafft. Alles andere hätte offensichtlich gegen die gewohnte Regel verstoßen.

Dann war es für diese Leute selbstverständlich selbstverständlich, dass ein Nicht-Schwabe in Stuttgart auf alles verzichtet, jedenfalls auf mehr als einen Radiergummi, und zwar gänzlich ohne Sinn und Zweck, also ohne irgendeinen klitzekleinen prozessualen Vorteil. Die passende Verzichts-Urkunde ist ein vom Vorsitzenden angefertigtes Protokoll – und natürlich eine Fälschung, was sonst? Ja, was? Wenn das nicht gefälscht ist, was ist es dann?

Zunächst half es, die Angeklagten, die Verurteilten und andere Nicht-Angeklagte nach ihrer jeweiligen Bandenzugehörigkeit aufzulisten, was schon erhellte, wie extrem falsch die jeweiligen Konstruktionen beschaffen waren. Kaum hat ein Kunsthändler über einen anderen Händler von einem Dritten etwas gekauft, schon ist das für die Stuttgarter eine Bande! Das geht dort glatt und unwidersprochen über die Bühne. Es ist wie im richtigen Leben: Das Offensichtliche findet kein Gehör, wird unter den Teppich gekehrt, es wird vorgeblich nicht geglaubt, aber das absolut Unwahrscheinliche, an den Haaren Herbeigezogene, etwas absolut Perverses wie eine sinn- und zwecklose Aufgabe einer gesicherten Rechtsposition, das passt und wird gerne geglaubt, jedenfalls tut man so, als täte man das und verwandelt so eine Heuchelei in eine verbrecherische Rechtsbeugung. Glauben ist nicht Wissen. Doch es wissen alle, dass ihr aufgesetzter falscher Glaube falsch ist. Einfach ausgedrückt – es ist wie im Mittelalter: Das Wort eines Gemeinen gilt für nichts. Man kann mit ihm machen was man will. Der Abstieg geschieht unmerklich: Erst Trottel, dann Leibeigener usw. Und dann hocken die fröhlichen Untertanen in ihren Kneipen und vertilgen einen Ratsherrenteller und Fürsteneintopf nach dem anderen, und merken nicht, dass sie längst nicht nur virtuell, sondern de jure und de facto zu rechtlosen Hörigen geworden sind.

Prozessorientiert heißt das: Es gab einen Griechen, dessen Geschäftspartner, zwei Wiesbadener Kunsthändler. Es gab meinen dienstbeflissenen Reichsgrafen, meine Frau als ›Dritten Mann‹ zur Bande und mich, nur um einen einigermaßen überschaubaren Anfang zu haben. Was heißt überschaubar? Die schon jetzt sich abzeichnenden tausend Fragen mit einer einzigen Antwort zu klären, wird niemals möglich sein. So viele Gänsefüßchen gibt es gar nicht! Eine schier unentwirrbare Gemengelage harrte der Aufdröselung, also der Erörterung und Erklärung. Hinein gewurschtelt werden muss in diesen Brei beispielsweise der nicht angeklagte Wiener Händler, der für 50% des erhobenen Millionen-Schadens zumindest von der Geldmenge her verantwortlich gewesen wäre. Eine komplexe Geschichte für sich! Und im Prinzip auch keine unwesentliche, unwichtige. Denn der Einzige, der eine Million für ein Stück seinem guten Kunden abgeknöpft hatte, obwohl er seit Jahr und Tag wusste, wie problematisch die Stücke waren, wurde nicht einmal angeklagt. Dafür durfte er als »Zeuge« wie sonst nur ein Angeklagter die Aussage verweigern, anderenfalls hätte er den Gerichtsort Stuttgart ruiniert. Zunächst gab es nur Fragen, inzwischen gibt es auch Antworten.

Es gab auch zehn Staatsanwälte und -innen in diesem Haufen hartleibiger Gerechtsamkeit, die kann man getrost weglassen, und das nicht nur weil ihr umtriebiger Aktivismus marginal, sondern absolut überflüssig, sinn- und ergebnislos war. Uns genügt vorerst quasi pars pro toto die vom Grafen alsbald als »Blume im Haar« bezeichnete Anfängerin in diesem Geschäft, eine von den Medien als unerschrockene Vertreterin der Staatsanwaltschaft gepriesene frische Doktorin der Jurisprudenz. Nach offiziellen Verlautbarungen hatte sie sich der Nöte des Sonderdezernats erbarmt und zur Säuberung der Kunsthandels das Halali geblasen. Es folgte kein bloßer Aktionismus, denn sie war schließlich einer gefährlichen Fälscherbande »mutig und entschlossen« entgegengetreten. Und wir begegnen dort ihrem aufreizend rührigen Nachfolger, einem Herrn namens Doktor Essig. Dem Namen sind Gänsefüßchen schließlich implizit.

Übernächtigte oder gelangweilte Schöffen saßen schon Mal mit geschlossenen Lidern herum, wohl träumend von Licht, Luft und Lebendigkeit, wie wir in unseren Verließen, dann kamen und gingen Gutachter ohne Zahl, Zeugen und »Geschädigte«. Es gab einen Superhit in New York, eine wahre Perle absolut überdrehter Ermittlungen der Mutigen, Unerschrockenen, denn 50 Millionen Dollar kann man als Anklägerin nicht so ohne weiteres am Straßenrand liegen lassen. Sie hatte es weiß-der-Himmel-warum mit dem Perfekten Verbrechen und siegelte wie Faust bei Mephisto ihren Schwur mit Blut. Sogar das schier unbegreiflich versumpfte Feld der Strafvereitelung beackerte sie wacker und unentwegt. Global angelegte Ermittlungen schafften immense Reise-Kosten, und die mussten zwangsläufig die schärfsten Strafen generieren.

Zu rätseln war auch über einen beisitzenden Richter, der sang- und klanglos verschwunden war? Der hatte sich in Luft aufgelöst, futsch, weg! Schade, wir hätten gerne gewusst warum. Will vielleicht doch nicht jeder bei etwas so Miesem wie diesem mitmachen, oder mitgemacht haben?

Last but not least kam der sagenhafte Knüller mit dem Verdeckten Ermittler, der den an sich harmlosen Fall erst ganz und gar nicht harmlos ins Rollen brachte: Agents Provocateurs wurden eingesetzt, nachdem die Spekuliererei mit Tschakkos ein Jahrzehnt lang offensichtlich nicht kriminell genug war, um ernsthafte Reaktionen von angeblichen Opfern zu provozieren. Im Gegenteil: Alle Angesprochenen legten Wert auf die Feststellung, nicht betrogen worden zu sein. Die Staatsanwaltschaft sah aber nach ihrem Legalitätsprinzip das alles ganz anders: Wer betrogen wurde bestimmte schließlich sie. Um die Andeutungen abzurunden, seien vorab schnell noch Hinweise sowohl auf die rundum falschen Pressemeldungen erlaubt, als auch auf die Vernichtung der metallischen Beweismittel sowie bei der Gelegenheit nochmals ein Ausblick auf die Diebstähle und Unterschlagungen, die Urkundenfälschungen, die Betrügerei und die Hehlereien des diensthabenden Gerechtigkeits-Personals. Womit endlich auch die allenthalben beklagte Arbeitsüberlastung der Staatsanwaltschaften und Gerichte erklärt wäre. Man hat halt mit sich selbst und der Aufteilung der Beute reichlich zu tun. Sie müssen wie ein Rudel ausgehungerter Hyänen über unsere Kunstschätze hergefallen sein. Was vom Aas übrig war, haben schlussendlich die Geier bis auf die blanken Knochen ausgepickt. Die Dimension der bösen Ahnung von der zu bewältigenden Aufgabe ist hiermit umrissen. Worte wie Paragrafen-Sumpf, Paragrafen-Dschungel sind beschönigende Ausdrücke für Weltgegenden, in welche wir uns leider ebenfalls hineinbegeben müssen, und vom Gummi-Paragrafen bis zur Gummi-Zelle trennt uns Menschlein in der besten aller Welten bekanntlich nur ein kleiner Schritt. Unsere Gegner sind ausgefuchste Doktoren, mit Spezialgebieten wie die der Todesstrafe und des Suizids, die einer Mollathisierung der Rechtspflege keinen Widerstand entgegenbringen würden. Übrigens wäre Gustl Mollath eine schönes Beispiel für den Euphemismus »Justiz-Irrtum“, denn ein Irrtum war dessen Fall gerade nicht.

Wie aber soll man als Laie und unglaubwürdiger gemeiner Mensch und obendrein auch noch Kunstverbrecher glaubhaft beschreiben, was Sache war und ist? Eher wird man von einem willfährigen Psychologopathen für verrückt erklärt.

Aber dieser Fluch des Verrückt-Werdens per ärztlichem Attest traf unversehens bisher nur den Giacometti-Experten Prof. Dr. emeritus Reinhold Hohl, der alles angestoßen hatte.

In des Reichsgrafen hoch aufgetürmter Zahl von über fünfzig angeblich in meinem Geheimauftrag abgewickelter Straftaten bekam er eine höchste Einzelstrafe. Das waren starke vier Jahre für den nicht versuchten Betrug in New York, der, nebenbei bemerkt, alles andere war als tatsächlich dieses oder jenes. Mein Versuch, den Reichsgrafen in dieser Sache damals etwas zu beruhigen und wenigstens von weiteren Kontakten abzubringen brachte mir ebenfalls die höchste Einzelstrafe von dreieinhalb Jahren ein. Man sieht, an Jahren war kein Mangel. Offensichtlich ist in den Gefängnissen auch immer genug Platz für weitere Einlieferungen. Wobei vorab kurz anzumerken ist, dass der New Yorker durch den Grafen erwiesenermaßen nicht einmal in die Nähe einer Vermögensgefährdung geraten war.

Überhaupt hatten die Beutezüge des Reichsgrafen etwas rührend Komödiantisches. Das waren Köpenickiaden, oder von mir aus auch dicke Münchhausiaden. Es mögen Momente augenzwinkernder Gottlosigkeit dabei gewesen sein – Verzeihliches. Aber Betrug? Das war es niemals, wenn man von möglichem gräflichem Selbstbetrug absehen will. Damit ist freilich nicht gemeint, dass er sich behufs des leichteren Beschwindelns einen Adelstitel zugelegt hätte, wie in jedem Artikel spöttisch breit getreten wurde, sondern es sind seine Pariser Reiseerzählungen um die Begegnung mit Diego Giacometti, die ihm besonders übel angerechnet wurden.

Der Gesetzgeber schreibt im Fall von vielen identischen Einzeltaten vor, die jeweiligen Strafen zu einer Gesamtstrafe zusammen zu ziehen, indem man die höchste Einzelstrafe angemessen erhöht. Diese unmerklich fein austarierte Erhöhung hieß beim Grafen dann aber leider nicht fünf oder sechs, sondern neun Jahre. Das ist Mathematik von achtbarer Qualität. In meinem Fall war das Urteils-Defizit noch wesentlich krasser, aber man hat das nicht einmal ansatzweise in der Yellow Press thematisiert, geschweige denn problematisiert. Meine höchste Einzelstrafe war analog zu der des Grafen bei dreieinhalb Jahren angesiedelt worden, daraus feilte die 11. Kammer mittels der üblicherweise fein austarierten Erhöhung statt höchstens fünf ihrer Lieblingszahl gemäß ganze 11 Jahre, welche allerdings aufgrund meines freimütigen Geständnisses, billigend »Fälschung« in Kauf genommen zu haben, verabredungsgemäß exakt um ein Drittel abgemildert wurde. Statt 132 Monate nur 88! Großer Rechenkünste bedarf es da nicht, um das zu prüfen. Wir erhielten demnach fachgerechte, jedenfalls nach Adam Riese korrekte Experten-Urteile von Experten des Straf- und Vollzugsrechts.

Der Vorsitzende war nicht nur ein Experte für Todesstrafen, sondern vor allem ein ausgefuchster Experte auch auf dem Gebiet des Verfahrensprotokolls. Seine Kompilation in der Justiz-Schwarte ANWALT KOMMENTAR, einem schnurrigen Wälzer zur Absicherung metaphysisch-unfasslich justizkundlichen Expertenwissens, haben wir studiert mit heißem Bemüh‘n. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass der Vorsitzende seine eigenen Einlassungen zum Thema »Anfertigung von Protokollen« offensichtlich selbst zu wenig verinnerlicht hat. Seine aus dergleichen speziell verinnerlichtem Experten-tum resultierende Protokollierungs-Praxis widerspricht jedenfalls bei unseren – besser: seinen – Verfahren komplett seinen Sprüchen im besagten ANWALT KOMMENTAR: Er könnte sich daher anhand seiner eigenen Texte bei Bedarf beizeiten locker selbst der Urkundenfälschung überführen.

Aber Recht und Gesetz sind nur Texte, leere Worte, wenn sie nicht mit Leben gefüllt werden. Also sind sie nicht alles … oder? Nichts oder! – Man meint, das erste, was ein neuer Staatsanwalt macht, ist den Schreibtisch säubern. Vor allem von solchen Justiz-Schwarten wie dem ANWALT KOMMENTAR. Wer das BGB in den Mülleimer wirft, dem mag dieses überflüssige Werk auch nicht als Staubfänger nur im Weg rumstehen.

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Mischung aus Taten, Untaten und Nicht-Taten von vermeintlich Schuldigen und Unschuldigen als den vernebelten Sumpf darzustellen, in welchem zu versinken kaum zu vermeiden ist. Man müsste es schaffen, vermeintlich Unschuldige als die tatsächlichen Täter zu beschreiben, die sie sind, weil sie Unschuldige zu Tätern gestempelt haben. Man merkt hier schon, es geht um Gut oder Böse, die reine Lehre von der Dichotomie der verkehrten Gegensätze. Wir wurden öffentlich zur Verworfenheit schlechthin erklärt. Wir wurden zum Abschuss frei gegeben, als minderwertiger Menschenersatz ausgeraubt und mit Bedacht mittellos gestellt, kriminalisiert, und als Urkundenfälscher und Betrüger an Alten, Kranken und geistig Behinderten zu verabscheuungswürdigem Gesindel stilisiert. Wir wurden, einfach gesagt, fertiggemacht; mit justizlichem Machtmissbrauch und der »prozessbegleitenden« Pressearbeit.

Durch diese Presse ereilte uns der »soziale Tod« lange bevor die ehedem fertigen sogenannten »Urteile« aus der Schublade gezogen wurden, um sie uns als Recht zu verkaufen.

1 Sie können schreiben so viel und was Sie wollen, sagte der Vorsitzende 2015; nicht weil er das ernst meinte, sondern um mir die vollkommene Aussichtslosigkeit meines Unterfangens zu verdeutlichen.

2 Ernst von Wolzogen über FRANZ STASSEN

Das perfekte Verbrechen, oder Der infinite Regress

Die Tinte auf den Amtsstempeln der Haftbefehle war noch nicht getrocknet, da wurden wir von erstaunlich zügig unterrichteten Medien bereits als verurteilte Verbrecher gehandelt: Haftbefehl – Verhaftung – Verurteilung. Wie wir Dummerchen bald erfahren mussten, ist das eine justizpraktische Einheit. Aufmerksame Beobachter konnten hier nicht nur insgeheim zwischen den Zeilen, sondern direkt den Vernichtungswillen spüren, ein Gieren nach Zerstörung, nach Rache – offene, offenliegende, ausgelebte, vorgeführte Feme pur. Wer Leute von der Straße weg einsperren lässt, weiß entweder nicht, was er da tut, oder er hatte eine supergute Idee. Vor allem können die so bös Überrumpelten ihre zivilen Angelegenheiten nicht mehr ordnen, bevor sie von der bürgerlichen Bühne verschwinden. Es ist den Gerichtsinhabern außerordentlich wichtig, dass alle Unternehmen, laufende Geschäfte, die gesamte Kommunikation, deren Aufbau Jahre gedauert hatte, dass all das in kurzer Zeit kaputt ist und nur noch Ärger oder Schlimmeres produziert. Es muss alles vor die Hunde gehen.

Ein Blick hinter die Kulissen der aufwendigen Ermittlungsarbeiten hätte etwas Merkwürdiges enthüllt: Wo anderswo der arbeitsüberlastete Kriminalist Täter sucht, etwa Mörder, unbekannte Erpresser, Entführer, Diebe, Hehler, um sie der Tat zu überführen, war es eine der bemerkenswertesten Leistungen der Stuttgarter Gerechtigkeitsbehörde, zwar Täter zu haben, deren Missetaten zwar wohl umrissen waren, nämlich Betrug mit Tschakkos, die aber dennoch erst gesucht und dann gefunden werden mussten. Knappe zwei Jahre Untersuchungshaft wurden jedenfalls tüchtig für die dafür benötigte heiße Recherche gebraucht. Eiskalt wurde uns der Stiefel in den Nacken gedrückt, und während uns die Zeit lang wurde und mit jedem weiteren eingedosten Tag unsere Angelegenheiten den Bach runter gingen, bastelten die tapferen Helden der Kriminellen-Front an ihren Karrieren, oder was sie dafür hielten. Dass mir in diesen Tagen nicht eine Sekunde Gelegenheit gegeben wurde, etwas zur Sache auszusagen, weil mich niemand befragte, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Eine Befragung allerdings, die beim Haftrichter Blankenbach, die muss später unbedingt noch erzählt werden3. Kontrast-Programm zu diesem Vorgang war der Kronzeuge, den man drei Tage lang opulent »verhört« hatte, wovon zwei pralle Ordner ein eher kabarettistisches als beredtes Zeugnis ablegen.

Die Kommissare Schimanski bis »Guido« Brunetti, der Bulle von Tölz oder Kommissar Geiger bei Pfarrer »Guido« Braun, sowie derselbe höchstselbst, alle wären mit der Aufgabe, uns nieder zu machen, jedenfalls beruflich völlig überfordert gewesen. Allein – es hätte den TV-Märchenfiguren auch des dafür notwendigen passenden Charakters ermangelt. Oder hat man je gesehen, dass einer dieser Herren bei ihren meist ohne Durchsuchungserlaubnis nonchalant getätigten telegenen Hausbesuchen einfach Wertsachen in die Hosentasche gesteckt hätten – um sie sich anzueignen? Noch ist das TV-Volk nicht soweit umerzogen, Kommissare, Staatsanwälte oder Richter als Serienhelden zu akzeptieren, die ihre Delinquenten wegsperren und öffentlich hinrichten lassen, nur um die von Amts wegen wehrlos Gemachten nach Art des Hauses gepflegt bestehlen zu können. Wo in amerikanischen Gefängnis-Filmen ein brutales Personal die Gefangenen quält und bestiehlt, hatte in Stuttgart eine gewisse europäische Dekadenz die übergeordneten Chargen zu subtileren Formen des Quälens und Ausraubens greifen lassen. Der barocke Aufwand, vom Aktenberg bis zu 50 Mann des MEK und des LKA, der nötig war, uns wegzuschaffen, war in diesem Licht besehen allerdings kaum noch irgendwo erstaunlich. Und wenn man zur Habgier noch Rache und Großmannssucht dazu zählt, sind die niedrigen und die läppischen Motive ausreichend skizziert. Rache aus einer tief sitzenden Wut über einen, dem man es einmal richtig und gründlich zeigen will. Es war unverzeihlich: Wie konnte ich mich auch nur erdreisten, Strafvereitelung in eigener Sache zu betreiben, indem ich einen Schutzschild vor dem Verdacht der Irreführung produziert hatte, und zwar nicht für mich, sondern ausschließlich für den Reichsgrafen! Instinktiv hatte ich die Gefahr erahnt, die von seinem exzellenten Gedächtnis und daher exzessiv vorgetragenen Diego-Geschichten ausgehen konnten. Obzwar ich seine Erinnerungen nicht widerlegen konnte, weil ich sie teilweise bestätigen musste, sollten doch eventuelle Reflektanten auf alle Fälle ausreichende informiert sein, wie es um die Stücke insgesamt bestellt ist.

Mein Part in dieser Angelegenheit waren teilweise Texte zu DIEGOS RACHE, besser zu DER STILLE MAGIER: DIEGO GIACOMETTI, 350 Seiten Prophylaxe, eigene Mutmaßungen, auch sicheres Dafürhalten, aber vor allem Aufklärung darüber, dass es nichts Sicheres gibt, alles in der Schwebe ist, spekulativ. Dass meine Bemühungen von der Blume im Haar zu ›Strafvereitelung‹ umgewidmet wurde, ist hinlänglich belegt und nun ausreichend erläutert. Aber die Aufdeckung unredlicher Machenschaften sowohl in Paris und Zürich als auch der Museums-Fäkes in Stuttgart und Zürich wurde zu einem gefährlichen Sakrileg, das Geister herbeirief, die weniger nach unserer Verelendung trachteten als die versammelte Stuttgarter Diebesgesellschaft, desto mehr nach unserem Verschwinden. Bei ihrem dienstbaren Geist Prof. Hohl hatte es schon entsprechend eingeschlagen. Der Granateinschlag für uns rückte stetig näher, das war nicht zu überhören.

Die Praxis der Gerechtigkeitsmechaniker erwies sich von Anfang an als ein wildes Herumfuchteln mit Interpretationen, oder besser: missbräuchliches Ausnutzen des Gesetzes, siehe »Strafvereitelung«, das so fehlerhaft war, dass ein Schock Doktoranden zu deren Korrektur erforderlich gewesen wären. Es ging nie um Tatsachen, immer nur um deren Interpretationen, die als Tatsachen gewertet wurden. Dass wir nach und nach unseren jeweiligen Wissensstand über die tausend Tschakkos publik gemacht hatten, wurde als betrügerisch ausgelegt. Oder, dass wir unsere Lagerhalle nicht publik gemacht hatten, galt als konspirativ – schon wieder ein Betrug. Oder mein »Ghostwriting«, also das war ja der Gipfel des Betrügerischen! Es läpperte sich.

Grundsätzlich, und hier gibt es keine Ausnahme, passten die verfolgten Taten ganz und gar nicht zu den tatsächlichen Sachverhalten. Die karge Sachlichkeit, welche als ein Hohes Gut des Deutschen Justiz-Gebarens gilt, eignet sich so recht eigentlich nicht zur Beschreibung der komplexen, in 173 Ordnern quer und schräg verwursteten Zusammenhänge. Dieses schier unüberwindlich verquollene Bollwerk muss dennoch genommen werden. Eine gelinde Ahnung von dessen Fallhöhe könnte einen schon anspringen, wenn man die Urteile einmal säuberlich unter die Lupe nimmt. Erstaunt wird man feststellen, dass das traditionelle deutsche Märchen in den hiesigen Amtsstuben weiterhin gehegt und gepflegt wird, aber leider wenig liebevoll und ganz und gar unromantisch. Vielleicht ist das aber ein unzutreffendes Gleichnis, außerdem ist das als Metapher schon ziemlich abgedroschen. Zu oft obsiegt im Märchen am Ende die blind vertrauende Naivität, die reine Unschuld des Herzens. Denn obwohl die Protagonisten dortselbst gutmütig sind, in Gutem Glauben vertrauen und kein übelwollender Gedanke sie umtreiben kann, gewinnen sie, wie Hans im Glück, gegen alle Tücke der realen, also boshaften Welt manchmal am Ende doch. Unser Märchen war aber nie eines, deshalb ist es ja auch noch nicht zu Ende. Und wenn der Reichsgraf noch nicht gestorben ist, lebt er noch heute; aber nicht wie im Märchen.

Schade um die naiven Gläubigen, die es wohl nur selten gibt, die bisher zuversichtlich in ihre heile Welt oder gar der Zukunft wie mit Kinderaugen entgegen geblickt hatten. Was gibt es Schlimmeres, als die Ärmsten so bitter enttäuschen zu müssen, ihr befreiender Optimismus war in der Tat auch nur Mangel an Information.

Denn die wahre Natur jenes dichten Kokons aus Rechtschaffenheit ist nur eine überdrehte Schimäre des Schwäbischen, ein Schleier, hinter dem sich ein düster strahlendes Black Hole befindet, nämlich die manchmal sehr traurige Stuttgarter Realität. Das Militär bereitet seine Rekruten mit der Kopfsprung-Methode auf kommende Härten vor: Nur so können unangenehme Wahrheiten langfristig ertragen werden.

Gesetzeswidrig gab es bei uns kein Pardon. Nichts mit »mutmaßlich« Umschriebenes, also keine korrekt unterstellte Unschuldsvermutung. Es gab kein bisschen Konjunktiv in den Zeitungen, der nach der Theorie vom offenen Ausgang eines Verfahrens vorgeschrieben ist. Konjunktive gab es nur bezüglich unserer Straftaten, als Täter standen wir fest, und das Verfahren hatte die Aufgabe, den Konjunktiv der Taten in wasserdichte Urteile umzuwidmen. Unser Verfahren war von vorneherein in jeder Hinsicht total versaut, verpfuscht, verlogen, gefälscht und als solches durch und durch kriminell. Kriminell ist natürlich eine Beschönigung, denn der deutsche Wortschatz hat für diese Verbrechen gar keine passenden Begriffe zur Verfügung, weil die Verbrecher unvorstellbar ehrvergessene Personen sind. Anderswo, etwa in Köln, wo man reelle Straftaten zu richten hatte, mag es Sachlichkeit, etwas Verständnis, gar Humor oder Nonchalance gegeben haben, was dem Thema »Kunst oder nicht – oder Nicht-Kunst« durchaus angemessen erscheint. Wir jedenfalls wurden in den Medien verleumdet und gnadenlos mit Hass und Häme, mit Hohn und Spott