Schuhe auf dem Kopf - Osho - E-Book

Schuhe auf dem Kopf E-Book

OSHO

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Beschreibung

Bedeutende Zen-Geschichten über Schüler berühmter Zen-Meister sind der Aufhänger für eine Reflexion über Meditation und das Leben an sich; mit all seiner Heiterkeit, die es auch für uns bereit hält. Für den Begriff Zen gibt es nichts Vergleichbares in der Sprache des Westens. Am ehesten trifft es die Umschreibung meditative Versenkung. Anders als oft angenommen ist diese meditative Versenkung kein Nichtstun, ganz im Gegenteil. Meditation ist ein leer werden vom Gedankensturm, ein Handeln aus der Stille, aus der Gesamtheit des Seins heraus. Meditation führt nicht ins Schweigen, sie schafft die Situation, in der sich Stille ereignen kann. Sobald wir Stille erfahren, kann Freude, kann Lachen ins Leben kommen. Und wenn das Lachen aus dem Schweigen kommt, dann ist es nicht von dieser Welt, dann ist es göttlich.

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Seitenzahl: 452

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Die Vorlage zu diesem Buch ist das gesprochene Wort Oshos. Seine „Talks“ – aus dem Stegreif vor einer großen Zuhörerschaft gehalten – wurden vom Tonband übersetzt. Die Redaktion der deutschen Übersetzung folgt der englischen Buchausgabe und gibt, wie diese, so genau wie möglich den spontanen Redefluss Oshos wieder. Alle Osho Diskurse sind als Originale publiziert worden und als Original-Audios erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der Onlinebibliothek „Osho Library“ bei www.osho.com

Titel der englischen Originalausgabe: Roots and Wings

Titel der ersten deutschen Ausgabe 1975 in zwei Bänden:

Mit Wurzeln und Flügeln & Schuhe auf dem Kopf

Überarbeitete Neuauflage 2022

Umschlaggestaltung: Kerstin Fiebig, ad-departement

Übersetzung: Nirvano Spohr

Copyright © 1974, 1998 Osho International Foundation, Schweiz

www.osho.com/copyrights

Copyright © 2022 Innenwelt Verlag GmbH, Köln

www.innenwelt-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

OSHO®ist eine registrierte Handelsmarke der Osho International Foundation, Schweiz, lizensiert durch diese. www.osho.com/trademarks

eISBN 978-3-947508-94-5

OSHO

Innen Schweigen Außen Lachen

Inhalt

1.Mach die Schale leer

2.Werdet unwissend, werdet zu Kindern

3.Von Wurzeln und Flügeln

4.Gott ist unerklärbar – so einfach ist er

5.Die Wirklichkeit ist nichts Festgefahrenes

6.Wir suchen alle das Außergewöhnliche

7.Den Schlag willkommen heißen

8.Klebe nicht an Worten – mache eigene Erfahrungen

9.Nur das, was tot ist, kann zerstört werden

10.Wahrheit kann nicht vermittelt werden

11.Zen – innen Schweigen, außen Lachen

Über Osho

1.

Der japanische Meister Nan-in empfingeinen Professor der Philosophie.Nan-in schenkte seinem Besucher Tee ein;doch als die Schale voll war, goss er weiter.Der Professor sah zu, wie die Schale überfloss,bis er sich nicht mehr zurückhalten konnte:„Halt! Die Schale ist übervoll, mehr geht nicht hinein.“Nan-in sagte: „Wie die Schale Tee bist du voll deinereigenen Ansichten und Grübeleien. Wie kann ich dichZen lehren, ehe du nicht deine Schale geleert hast?“

Mach die Schale leer

Ihr seid an einen weit gefährlicheren Mann geraten, als es Nan-in war. Denn mit einer leeren Schale ist es nicht getan. Die Schale muss ganz und gar zerbrochen werden. Selbst leer, wenn du da bist, bist du voll. Selbst Leere füllt dich. Bei dem Gefühl, leer zu sein, bist du alles andere als leer, du bist da. Nur der Name hat sich geändert. Jetzt nennst du dich Leere. Mit der leeren Schale ist es nicht getan. Sie muss restlos zerbrochen werden. Allein wenn du nicht bist, kann der Tee in dich eingeschenkt werden. Wenn du nicht bist, ist es nicht einmal nötig, Tee in dich einzuschenken. Wenn du nicht bist, ergießt sich die ganze Schöpfung. Die ganze Schöpfung strömt auf dich nieder aus allen Bereichen, aus allen Richtungen. Du bist nicht, und das Göttliche ist.

Die Geschichte ist wunderschön. Mit einem Philosophieprofessor musste es so kommen. Es heißt: „Ein Professor der Philosophie kam zu Nan-in.“ Er muss aus falschen Beweggründen gekommen sein, denn ein Philosophieprofessor liegt an und für sich schon falsch. Philosophie, das ist Intellekt, Vernünfteln, Grübelei, Spitzfindigkeit. Und damit liegst du schief, denn du kannst die Schöpfung nicht lieben, wenn du vernünftelst. Mit Argumenten hältst du Abstand. Mit Argumenten verschließt du dich. Die ganze Schöpfung verschließt sich dir. Weder bist du dann offen, noch ist die Schöpfung für dich offen. Wer argumentiert, behauptet sich. Behauptung ist Gewalt, ist Angriff, und ein gewaltsamer Geist kann die Wahrheit nicht erkennen. Wahrheit kann nicht mit Gewalt aufgedeckt werden. Du kannst die Wahrheit nur erkennen, wenn du liebst. Aber Liebe streitet nicht. Liebe kennt kein Argumentieren, weil sie keine Aggression kennt.

Vergiss nicht: Nicht nur dieser Mann ist ein Professor der Philosophie; jeder von euch ist einer. Jeder Mensch hat seine eigene Philosophie, und jeder ist auf seine Weise Professor. Denn ihr seid Profis in Vorstellungen. Ihr glaubt an sie. Ihr habt eure Ansichten und Begriffe. Und aufgrund von Ansichten und Begriffen sind eure Augen trübe, sie können nicht sehen; euer Kopf ist stumpf, er kann nicht erkennen.

Begriffe führen zu Stumpfsinn, denn je mehr Begriffe du im Kopf hast, umso mehr wird er belastet. Und wie kann ein solch belasteter Kopf erkennen? Je mehr er sich mit Vorstellungen füllt, umso mehr Staub sammelt sich: wie Staub auf dem Spiegel. Wie kann der Spiegel da spiegeln? Wie kann der Spiegel widerspiegeln? Eure Intelligenz ist verschüttet unter dem Staub eurer Eigensinnigkeit und jeder, der eigensinnig ist, ist notgedrungen stumpf und dumm.

Darum sind Professoren der Philosophie fast ausnahmslos beschränkt. Sie wissen zu viel, um überhaupt zu wissen. Sie sind zu belastet. Sie können nicht zum Himmel fliegen: Sie haben keine Flügel. Und sie sind so im Kopf, dass sie wurzellos sind. Sie wurzeln nicht in der Erde und sie sind nicht frei, in den Himmel zu fliegen.

Vergesst nicht: Ihr seid genauso. Es mag Unterschiede der Quantität geben, aber in der Qualität sind alle Köpfe gleich; denn der Kopf denkt, er sinniert, rafft und speichert Wissen und wird dumm.

Nur Kinder sind intelligent. Und wer sich seine Kindheit erhält, wer unbeirrt seine Kindheit verteidigt, wird unschuldig bleiben und intelligent. Wer Staub ansammelt, verliert seine Kindheit, verliert seine Unschuld, und sein Kopf wird stumpf und dumm. Nun kannst du deine Philosophien entwickeln. Je mehr Philosophie, umso weiter weg bist du von Gott.

Ein religiöser Geist ist ein nicht-philosophischer Geist. Ein religiöser Geist ist ein unschuldiger, intelligenter Geist: ein klarer Spiegel; ohne Staub. Und jeden Tag wird er neu gereinigt.

Das ist es, was ich Meditation nenne.

Dieser Philosophieprofessor kam also zu Nan-in. Offenbar aus falschen Gründen. Offenbar wollte er bestimmte Antworten. Diese Leute, die voller Fragen sind, suchen immer Antworten. Und Nan-in konnte keine Antworten geben. Es ist töricht, sich mit Fragen und Antworten abzugeben. Nan-in kann dir einen neuen Kopf aufsetzen. Nan-in kann dir ein neues Sein geben. Nan-in kann dir ein neues Dasein geben, eins, in der es keine Fragen mehr gibt, aber Nan-in ist nicht versessen darauf, irgendwelche Fragen zu beantworten. Antworten zu geben, war nicht seine Sache. Meine auch nicht.

Ihr seid sicher mit vielen Fragen zu mir gekommen. Das ist unvermeidlich, weil der Kopf nichts als Fragen ausheckt: Er ist eine Fragenfabrik. Füttere ihn mit irgendetwas, heraus kommt eine Frage; und weitere Fragen folgen. Beantworte eine, und sofort werden neue Fragen daraus. Ihr kommt voller Fragen her. Eure Schale ist bereits voll. Nan-in braucht nicht erst einzuschenken, ihr fließt bereits über. Ich kann euch ein neues Dasein geben, deswegen habe ich euch hierhin eingeladen. Antworten gebe ich keine. Alle Fragen, alle Antworten sind zwecklos, Energieverlust. Aber ich kann euch transformieren – das ist die einzige Antwort. Und diese eine Antwort löst alle Fragen. Philosophie hat viele Fragen, viele Antworten – unzählige. Religion hat nur eine Antwort. Was auch immer die Frage sein mag, die Antwort bleibt die gleiche. Buddha hat oft gesagt: Koste das Wasser des Meeres, es schmeckt überall gleich: überall salzig.

Was ihr auch fragen mögt, es ist wirklich gleich: Ich werde das Gleiche antworten, denn ich habe nur eine Antwort. Aber diese eine Antwort ist wie ein Dietrich: Sie öffnet alle Türschlösser. Sie passt in kein bestimmtes Schloss – irgendein Schloss, und dieser Schlüssel öffnet es. Religion hat nur eine Antwort, und diese Antwort heißt: Meditation. Meditation zeigt dir, wie du dich leermachen kannst.

Der Professor muss müde gewesen sein, lange unterwegs, als er zu Nan-ins Hütte kam. Und Nan-in sagte: „Warte ein Weilchen.“ Er muss es wohl eilig gehabt haben. Der Kopf hat es immer eilig, der Kopf ist immer auf schnelle Aha-Erlebnisse aus. Zu warten ist für den Kopf sehr schwierig, fast unmöglich.

Nan-in sagte: „Ich will dir einen Tee machen, du siehst müde aus. Warte ein bisschen, ruh ein bisschen aus, trink erst eine Schale Tee. Und dann können wir sprechen.“

Und Nan-in kochte Wasser und fing an, den Tee zu bereiten. Dabei hat er bestimmt den Professor im Auge behalten. Nicht nur das Wasser kochte, auch der Professor kochte innerlich. Nicht nur der Teekessel brummte, der Professor brummelte – fortwährend mit sich selbst redend, vor sich hin. Der Professor bereitete sich offenbar innerlich vor – was sollte er fragen, wie sollte er fragen, wo beginnen? Er muss in einem tiefgründigen Selbstgespräch gewesen sein. Nan-in muss ihn beobachtet und gelächelt haben: Dieser Mann ist zu voll, so voll, dass nichts zu ihm durchdringen kann. Die Antwort kann ihm nicht gegeben werden. Da ist niemand, um sie in Empfang zu nehmen.

Der Gast kann nicht hinein, es ist kein Platz im Haus. Nan-in muss gewünscht haben, in diesem Professor Gast zu sein. Aus Mitgefühl möchte ein Buddha immer Gast in euch sein. Er klopft von allen Seiten an, aber da ist keine Tür. Und selbst wenn er eine Tür einschlägt, was sehr schwierig ist, ist da kein Platz. Ihr seid so voll von euch selbst. Bei all dem Gerümpel und wertlosen Krempel, den ihr seit vielen, vielen Leben in euch angesammelt habt, findet ihr nicht einmal Zugang zu euch selber. Es ist kein Platz da, kein Raum. Ihr lebt draußen vor der Tür, auf der Treppe. Ihr könnt nicht in euch hinein. Alles ist versperrt.

Und dann schenkte Nan-in den Tee ein. Dem Professor wurde es unbehaglich, denn Nan-in hörte nicht auf zu gießen. Der Tee floss über, gleich würde er zu Boden fließen.

Da rief der Professor: „Halt! Die Schale ist übervoll, mehr geht nicht hinein.“

Und Nan-in sagte: „Genau so sieht es in dir aus. Wenn du so genau aufpassen kannst und merkst, dass die Schale voll ist und nichts mehr hineingeht, warum bist du nicht genauso aufmerksam mit dir selbst? Du fließt über vor Ansichten und Philosophien, Lehrsätzen und Zitaten. Du weißt schon viel zu viel. Ich kann dir unmöglich noch mehr geben. Du hast die Reise umsonst gemacht. Bevor du zu mir kamst, hättest du deine Schale leermachen sollen. Dann könnte ich dir etwas einschenken.“

Aber lasst euch sagen: Ihr seid zu einem noch Gefährlicheren gekommen. Nein, eine leere Schale erlaube ich nicht, denn solange die Schale bleibt, füllt ihr sie. Ihr seid so süchtig, und ihr seid so daran gewöhnt, volle Schalen zu haben, dass ihr sie leer nicht einen Augenblick ertragen könnt. Sobald ihr irgendwo etwas Leeres entdeckt, stopft ihr es augenblicklich voll. So groß ist eure Angst vor der Leere. Ihr habt solche Angst. Leere erscheint wie Tod. Ihr füllt sie mit irgendwas aus, ganz gleich, aber ihr füllt. Nein, ich habe euch hierher eingeladen, um diese Schalen endgültig zu zerbrechen. Damit ihr sie nie wieder füllen könnt, selbst wenn ihr wolltet.

Leere heißt, es bleibt keine Schale zurück. Die Wandung ist verschwunden, der Boden ist herausgefallen. Du wirst zum Abgrund, jetzt kann ich mich in dich einschenken. Viel ist möglich, wenn ihr das zulasst. Aber es zuzulassen, ist mühsam. Um es zuzulassen, müsst ihr euch ausliefern. Leere heißt Auslieferung. Nan-in wollte dem Professor sagen: Verbeuge dich, liefere dich aus, entleere deinen Kopf. Ich bin bereit einzuschenken.

Dieser Professor hat noch nicht einmal die Frage gestellt, da hat ihm Nan-in schon geantwortet; denn wirklich, man braucht die Frage nicht erst zu stellen. Die Antwort ist sowieso die gleiche. Ob ihr mich fragt oder nicht, ich kenne die Frage. Ihr könnt noch so viele sein, ich kenne die Frage. Denn tief drinnen ist die Frage ein und dieselbe: die Angst, die Qual, die Sinnlosigkeit, die Nichtigkeit dieses ganzen Lebens, nicht wissend, wer ihr seid. Aber ihr seid randvoll. Erlaubt mir, diese Schale zu zerbrechen.

Wenn ihr bereit seid zu sterben, könnt ihr ein neues Leben erlangen, könnt ihr wiedergeboren werden. Jede Zerstörung kann zu einer Neuerschaffung führen. Ich bin nur als Hebamme hier. Das hat Sokrates oft von sich gesagt: dass ein Meister nur eine Hebamme ist. Ich kann helfen, ich kann fördern, kann lenken, aber das ist alles. Das Eigentliche, die Transformation, findet in euch statt. Ohne Leiden geht es nicht, keine Geburt geht ohne Wehen ab. Viele Qualen werden hochkommen; sie haben sich in euch angesammelt, und sie müssen ausgemistet werden. Ein tiefer Reinigungsprozess, eine Katharsis ist notwendig.

Geburt ist wie Tod, aber das Leiden lohnt sich. Aus der Dunkelheit des Leidens steigt ein neuer Morgen auf, geht eine neue Sonne auf. Und die Morgendämmerung ist nah, wenn die Nacht am schwärzesten ist. Wenn die Qual unerträglich ist, ist die Seligkeit nah. Versucht also nicht, dem Leiden auszuweichen. Das ist genau die Stelle, wo ihr es verpasst. Versucht nicht auszuweichen, geht durch. Versucht nicht, einen Weg drumherum zu finden. Nein, damit ist es nicht getan: Du musst durch.

Die Qual wird dich verbrennen, zerstören; aber in Wirklichkeit kannst du gar nicht zerstört werden. Das, was zerstört werden kann, ist nur der Unrat, der sich angesammelt hat. Alles, was zerstört werden kann ist etwas, das du nicht bist. Wenn das alles vernichtet ist, dann erfährst du, dass du unzerstörbar, todlos bist. Wer durch den Tod geht, bewusst durch den Tod geht, weiß um das ewige Leben.

Aber der erste Schritt ist: nicht zu vergessen, dass ihr leiden müsst. Oft lasse ich euch absichtlich leiden. Oft stelle ich eine Situation her, in der alles Unterdrückte in dir hochkommen kann. Weiße es nicht wieder von dir, verdränge es nicht. Lass es zu, lass es los. Wenn du dein Leiden loslassen kannst, dein unterdrücktes Leiden, dann wirst du frei davon. Und zum Zustand der Seligkeit gelangst du nur, wenn du durch all deine Leiden hindurchgegangen bist, wenn du sie endgültig hinausgeworfen, fallengelassen hast.

Und ich kann durch dich hindurchsehen – die Flamme der Seligkeit schimmert schon durch. Sobald du diesen Schimmer selbst siehst, gehört diese Flamme dir. Ich stoße dich so gut ich kann mit der Nase darauf. Wenn du sie verfehlst, bist du verantwortlich, niemand sonst. Der Fluss fließt, aber wenn du dich nicht niederbeugen kannst, wenn du nicht aus deiner egoistischen Geistesverfassung herabsteigen kannst, kann es sein, dass du durstig ausgehst. Schiebe die Schuld nicht auf den Fluss. Der Fluss war da, aber dein Ego hat dich gelähmt.

„Mach die Schale leer“, so sagt es Nan-in. Es bedeutet, mach deinen Geist leer. Er ist voll von Ego, fließt über vor Ego.* Und solange er vor Ego überquillt, kann nichts geschehen. Die ganze Schöpfung lebt um dich her, aber nichts kann geschehen. Das Göttliche kann von nirgendwoher in dich eindringen. Deine Festung ist unbezwingbar. Mach die Schale leer. Oder besser, zerbrich sie völlig. Wenn ich sage, zerbrich sie völlig, meine ich damit: Werde so leer, dass nicht einmal das Gefühl bleibt: „Ich bin leer.“

Einmal geschah es, dass ein Schüler zu Bodhidharma kam und sagte: „Meister, du hast mir aufgetragen, leer zu werden. Jetzt bin ich leer. Nun, was hast du mir noch zu sagen?“ Bodhidharma versetzte ihm einen kräftigen Schlag mit seinem Stock auf den Kopf und sagte: „Geh und wirf diese Leere weg.“

Solange du sagen kannst, „Ich bin leer“, ist das „Ich bin“ noch da. Und das „Ich“ kann nicht leer sein und diese Leere für sich beanspruchen. Niemand kann sagen: „Ich bin leer“, genauso wenig wie: „Ich bin demütig“. Sobald du sagst, „Ich bin demütig“, bist du es nicht. Wer brüstet sich denn da mit Demut? Mit Demut kann man sich nicht brüsten. Wenn du demütig bist, bist du demütig, aber du kannst das nicht von dir behaupten. Nicht nur nicht sagen, nicht einmal fühlen kannst du es dann, dass du demütig bist, denn schon das Gefühl bringt das alte Ego wieder auf den Plan. Sei leer, aber ohne zu denken, dass du leer bist, sonst führst du dich selbst an der Nase herum.

Ihr habt viele Philosophien in eurem Gepäck. Werft sie weg. Sie haben euch kein bisschen geholfen; sie haben euch nichts genutzt. Ihr habt genug Zeit damit verschwendet. Es ist höchste Zeit, sie alle auf einmal vom Tisch zu fegen. Nicht in Teilen, nicht stückweise.

Bleibt ohne Gedanken. Ich weiß, wie schwer das ist; trotzdem sage ich, es ist möglich. Sobald ihr den Bogen heraushabt, lacht ihr über die ganze Albernheit des Kopfes, den ihr so lange schon mitschleppt.

Ich hab von einem Mann gehört, einem vom Land, der zum ersten Mal Zug fuhr. Er trug sein Gepäck auf dem Kopf und dachte: Wenn ich es absetze, ist das zu schwer für den Zug. Und ich habe nur eine Fahrkarte für mich, aber nicht fürs Gepäck. Also trug er sein Gepäck auf dem Kopf. Der Zug trug ihn und sein Gepäck, ob er es auf dem Kopf trug oder absetzte, war dem Zug gleichgültig.

Dein Kopf ist unnötiges Gepäck. Dem Sein, das dich trägt, ist er gleichgültig. Du belastest dich unnötigerweise. Wirf ihn ab. Bäume existieren ohne Kopf, und sind schöner als jedes Menschenwesen; Vögel leben ohne Kopf, und ekstatischer als jedes Menschenwesen. Seht euch die Kinder an, die noch nicht zurechtgestutzt, die noch ungezähmt sind: Sie kommen ohne Kopf aus. Und sogar ein Jesus oder ein Buddha ist auf ihre Unschuld neidisch. Ihr braucht diesen Kopf nicht. Die ganze Welt geht ohne ihn weiter. Warum schleppt ihr ihn? Glaubt ihr etwa auch, dass er zu schwer wäre für Gott, für die Schöpfung?

Wenn du ihn nur für eine einzige Minute absetzen könntest, würde sich dein ganzes Dasein ändern. Du würdest ein neues Reich betreten, das Reich der Schwerelosigkeit. Und das ist es, was ich euch geben will: Flügel in die Lüfte, Flügel in den Himmel – Schwerelosigkeit verleiht diese Flügel, und Wurzeln in die Erde – Festigkeit, Erdung. Hier die Erde und dort den Himmel. Beide bilden das Ganze. In diesem Leben, eurem sogenannten gewöhnlichen Leben, braucht ihr Wurzeln. Und in eurem inneren Raum, dem spirituellen Leben, müsst ihr schwerelos sein, fliegend und fließend, treibend. Wurzeln und Flügel kann ich euch geben, wenn ihr mich lasst. Denn ich bin nur Hebamme, ich kann euch das Kind nicht aus dem Leib zwingen. Ein Kind aus Gewalt ist ein hässliches Kind. Und ein Kind aus Gewalt kann sterben. Lasst mich nur, das Kind ist da, ihr seid schon schwanger. Jeder ist schwanger mit Gott. Das Kind ist da, und ihr tragt es schon viel zu lange. Die neun Monate sind längst vorbei. Das mag die eigentliche Ursache eurer Qual sein, dass ihr etwas im Leib tragt, was zur Geburt drängt, was herauskommen will, was geboren werden muss. Stellt euch eine Frau, eine Mutter vor, die ein Kind länger als neun Monate trägt. Stellt euch die Last vor. Und wenn es nicht zur Geburt kommt, muss die Mutter sterben, denn es wird nicht mehr zu ertragen sein. Das mag der Grund sein, warum ihr so sehr in Angst lebt, in Qual und Spannungen. Etwas will aus euch geboren werden; etwas will aus eurem Schoß entstehen.

Ich kann helfen. Es ist lediglich eine Hilfe für euch, um das, was ihr bisher als Samen in euch getragen habt, aus eurem Boden hervorzulocken, damit es lebendig wird, eine lebendige Pflanze. Aber das Wichtigste wird sein: dass ihr, wenn ihr mit mir sein wollt, nicht euren Kopf mitbringen dürft. Beides zugleich geht nicht. Wann immer du in deinem Kopf bist, bist du nicht bei mir. Wann immer der Kopf nicht dazwischen ist, bist du bei mir. Und ich kann nur an dir arbeiten, wenn du bei mir bist. Leere die Schale. Wirf sie endgültig weg. Zerstöre sie.*

Noch etwas?

Das Letzte, von dem, was du eben zu uns gesagt hast, ist sehr schön und beglückend, aber das eine macht mir Angst: die Schale zerschlagen, leiden … Sofort mischt sich der Kopf wieder ein, und wir machen Taschenspielertricks mit dem Körper. Wir sagen: Ich habe hier ein Wehwehchen, und dort eine Blase am Zeh. Kannst du uns irgendeinen Hinweis geben, wie wir über die Sperren kommen, die wir selber aufbauen, wenn wir es mit der Angst zu tun bekommen?

Jeder Konflikt vergrößert nur den Widerstand. Wenn Angst aufkommt, und du etwas machen willst, wenn du gegen die Angst etwas tun willst, entsteht daraus eine neue Angst: die Angst vor der Angst. Noch verzwickter. Es gibt also nur eins: Wenn die Angst kommt, nimm sie an. Stell nichts mit ihr an, denn was du auch tust, hilft nicht. Alles, was du aus Angst tust, erzeugt noch mehr Angst; alles, was du aus Verwirrung tust, macht die Verwirrung größer. Tu nichts. Wenn du Angst hast, stelle fest, dass du Angst hast, und nimm es an. Was kannst du tun? Nichts kannst du tun. Du hast Angst. Und dann, wenn du es einfach zur Kenntnis nimmst, dass du Angst hast, wo ist dann die Angst? Kaum hast du sie angenommen: Weg ist sie. Annehmen löst auf. Nur Annehmen, sonst nichts.

Wenn du dagegen angehst, erzeugst du einen neuen Störenfried, und das kann endlos weitergehen. Da ist kein Ende abzusehen. Es kommen Leute zu mir und sagen: Wir haben solche Angst. Was sollen wir tun? Würde ich ihnen etwas zu tun geben, würden sie es aus ihrer Angst heraus tun, es würde also ein Handeln aus Angst sein, und ein Handeln aus Angst kann nichts anderes sein als Angst.

Ich habe gehört, dass Adolf Hitler unter starken Depressionen litt, unter Schwermut. Und die Psychologen sagten, er hätte einen versteckten Minderwertigkeitskomplex. Der Rat aller arischen Psychologen wurde eingeholt. Ihre Analyse ergab nichts. Sie taten ihr Bestes, konnten aber nicht helfen. Sie empfahlen einen jüdischen Kollegen. Hitler war anfangs sehr dagegen, aber da er keinen anderen Ausweg sah, musste er sich fügen. Ein bekannter jüdischer Psychoanalytiker wurde gerufen. Er analysierte, er durchforschte Hitlers Seele bis in die hintersten Traumwinkel und kam zu dem Schluss: „Eigentlich kein großes Problem. Wiederholen Sie einfach immer: ‚Ich bin wichtig, ich bin bedeutend, ich bin unentbehrlich.‘ Wie ein Mantra. Tag und Nacht, wann immer sie können, wiederholen Sie: ‚Ich bin wichtig, ich bin bedeutend, ich bin unentbehrlich.‘“

Hitler sagte: „Aufhören! Das ist ein schlechter Rat.“

Der Psychoanalytiker verstand das nicht: „Wieso? Wieso soll das ein schlechter Rat sein?“

Hitler sagte: „Ich bin ein solcher Lügner, dass ich mir kein Wort abnehme. Ich lüge so, dass ich kein Wort von dem, was ich sage, glaube. Und jetzt sagen Sie, ich soll nur wiederholen: ‚Ich bin unentbehrlich.‘ Ich weiß, dass das gelogen ist. Schließlich sage ich es ja. Und ich bin ein Lügner.“

Alles, was aus einer Lüge entsteht, wird zur Lüge. Was du aus Angst tust, wird wieder Angst. Wenn du aufgrund von Hass zu lieben versuchst, wird diese Liebe versteckter Hass sein. Sie kann nichts anderes sein. Du steckst voller Hass. Geh zu den Moralpredigern, und sie werden sagen: Gib dir Mühe zu lieben. Sie reden Unsinn, denn wie kann jemand, der voller Hass ist, lieben? Wenn er versucht zu lieben, ist seine Liebe eine Frucht des Hasses. Sie ist von vornherein vergiftet, an der Wurzel vergiftet. Das ist das Elend aller Moralprediger.

Gandhi predigte gewalttätigen Leuten: Versucht, gewaltlos zu sein. Also kommt ihre Gewaltlosigkeit aus der Gewalt. Jetzt ist ihre Gewaltlosigkeit reine Fassade, nur ein Gesicht zum Vorzeigen. Innerlich brodelt die Gewalt. Wenn eure Brahmacharya, eure Enthaltsamkeit, aus einem Zuviel an Sexualität stammt, ist sie pervertierter Sex, sonst nichts. Stell dich also nicht quer. Wenn du ein Problem hast, mach kein neues daraus, bleib bei dem einen. Bekämpfe es nicht, sonst schaffst du ein zusätzliches. Es ist einfacher, ein Problem zu lösen, als das zusätzliche. Denn das erste ist der Quelle näher, das zweite ist weggerückt. Je entfernter, umso schwerer ist es lösbar.

Wenn du Angst hast, hast du Angst. Warum ein Problem daraus machen? Dann weißt du, du hast Angst; genauso wie du zwei Hände hast. Warum ein Problem daraus machen, dass du nur eine Nase hast, statt zwei? Warum ein Problem daraus machen? Die Angst ist da. Nimm sie an, nimm sie zur Kenntnis. Nimm sie an, sei nicht besorgt. Und was geschieht? Plötzlich spürst du, sie ist verschwunden. Und das ist die innere Alchemie: Ein Problem verschwindet, sobald du es annimmst. Und ein Problem wächst und wird immer undurchschaubarer, wenn du gegen es ankämpfst. Ja, Schmerz ist da, und plötzlich taucht Angst auf. Nimm sie an. Sie ist da, und daran ist nichts zu ändern. Und wenn ich sage, daran ist nichts zu ändern, dann denkt nicht, ich predige euch Pessimismus. Wenn ich sage, nichts ist daran zu ändern, gebe ich euch den Schlüssel zur Lösung. Der Schmerz ist da. Er gehört zum Leben, zum Wachstum. Daran ist nichts schlimm. Schmerz wird erst dann schlimm, wenn er zerstörerisch wird, statt schöpferisch zu sein. Leiden wird erst dann schlimm, wenn du leidest, und nichts dadurch gewinnst.

Aber was ich euch sage, ist: Das Göttliche kann gewonnen werden durch Leiden. So wird es schöpferisch. Dunkelheit ist schön, wenn bald aus ihr der Morgen dämmert. Dunkelheit ist gefährlich, wenn sie endlos ist, wenn sie zu keinem Morgen führt, einfach weitergeht, und du dich im Kreise bewegst, im Teufelskreis.

Das ist mit euch geschehen. Nur um dem einen Schmerz zu entkommen, schafft ihr einen anderen; dann rennt ihr aus dem einen Schmerz in den andern, und das geht so weiter, und alle Schmerzen, die ihr noch nicht erlitten habt, erwarten euch. Ihr lauft davon, aber ihr lauft einem neuen Leid in die Arme. Denn der Kopf, der das alte Leid erzeugte, wird für ein neues sorgen. Ihr könnt also von einem zum anderen rennen, aber es wird beim Leiden bleiben, denn euer Kopf ist die treibende Kraft.

Nehmt den Schmerz an und geht hindurch. Lauft nicht davon. Dies ist eine vollkommen neue Dimension, in der ihr arbeiten könnt. Das Leiden ist da. Seht ihm ins Auge. Geht hindurch. Die Angst wird kommen. Nimm sie an. Du wirst zittern; so zittere. Warum so tun, als ob du nicht zitterst, als ob du keine Angst hättest? Wenn du ein Feigling bist, nimm‘s hin.

Jeder ist ein Feigling. Die Leute, die ihr tapfer nennt, sind Pappkameraden. Tief drinnen sind sie so feige wie jeder andere, sogar noch feiger, denn nur um die Feigheit zu verstecken, spielen sie die Tapferen und tun manchmal Dinge, nur um aller Welt zu beweisen, dass sie keine Feiglinge sind. Ihr Mut ist nur ein Deckmantel.

Wie kann der Mensch tapfer sein angesichts des Todes? Wie kann der Mensch tapfer sein, wenn er nur ein Blatt im Wind ist? Wie kann das Blatt nicht zittern? Wenn der Wind bläst, zittert das Blatt. Aber es fällt euch nicht ein, dem Blatt zu sagen: Du bist ein Feigling. Ihr nennt es lebendig. Wenn ihr also zittert und die Angst euch packt, seid wie ein Blatt im Wind. Wunderbar. Warum einen Umstand daraus machen? Aber die Gesellschaft macht aus allem ein Problem. Wenn ein Kind im Dunkeln ängstlich ist, sagen wir: Hab keine Angst, sei tapfer. Warum? Das Kind ist unschuldig. Natürlich fühlt es sich ängstlich im Dunkeln. Ihr fordert: Sei tapfer! Also zwingt es sich. Und verkrampft sich. Jetzt stapft es tapfer aber verkrampft durch die Dunkelheit. Sein ganzes Wesen will zittern, aber es unterdrückt sich. Dieses unterdrückte Zittern wird ihm sein ganzes Leben lang folgen. Es war recht, im Dunkeln zu zittern. Nichts war falsch daran. Es war gut, zu weinen und zu rennen. Nichts war falsch daran. Das Kind wäre aus der Dunkelheit herausgekommen: erfahrener, wissender. Und wenn es zitternd und weinend und schluchzend durch die Dunkelheit gerannt wäre, hätte es erkannt: Es gab keinen Grund zur Angst.

Alles, was du unterdrückst, erfährst du nie in seiner Ganzheit, niemals lernst du daraus. Zur Weisheit kommst du durch Leiden. Zur Weisheit kommst du durch Annehmen: Was immer ist, nimm es gelassen hin. Und achte nicht auf die Gesellschaft und ihr Urteilen. Keiner darf dich je verurteilen, und keiner darf sich zum Richter aufwerfen. Richte andere nicht, und lass dich nicht vom Urteil anderer verwirren und stören.

Du bist allein, und du bist einzigartig. Nie zuvor gab es dich; nie wieder wird es dich geben. Du bist schön. Nimm es an. Und was immer geschieht, lass es geschehen, und gehe hindurch. Dann wird aus Leiden bald Lernen. Dann ist es schöpferisch geworden. Die Angst wird dir die Angstlosigkeit geben. Aus Zorn kommt Mitgefühl. Aus dem Verstehen des Hasses wird dir die Liebe geboren. Aber das geschieht nicht durch Kampf, das geschieht im Hindurchgehen mit wacher Bewusstheit. Nimm es an und geh hindurch.

Und wenn du es dir zur Übung machst, vor keiner Erfahrung zurückzuscheuen, dann stößt du schließlich auf den Tod, die eindringlichste aller Erfahrungen. Das Leben ist nichts verglichen damit, weil das Leben nicht so eindringlich sein kann wie der Tod. Das Leben erstreckt sich über eine lange Zeit: siebzig Jahre, hundert Jahre. Der Tod ist so eindringlich, weil er keine Ausdehnung hat – er geschieht in einem einzigen Augenblick. Das Leben kann sich auf hundert oder siebzig Jahre verteilen. Es kann nicht so eindringlich sein. Der Tod kommt in einem einzigen Augenblick. Er kommt als Ganzes, nicht bruchstückhaft. Er wird so eindringlich sein, du kannst dir nichts eindringlicher vorstellen. Aber wenn du ängstlich bist, wenn du davonläufst, ehe der Tod kommt, wenn du vor Angst unbewusst geworden bist, dann hast du eine goldene Gelegenheit verpasst, das goldene Tor. Hast du aber dein Leben lang alles angenommen, und der Tod kommt, dann nimmst du ihn geduldig, widerstandslos hin, dann gehst du ohne Fluchtversuch hinein. Wenn du widerstandslos und still in den Tod gehst, ganz mühelos, dann verschwindet der Tod. Krishna und Christus, Buddha und Mahavir nennen euch todlos; sie predigen kein Dogma, sie sprechen aus eigener Erfahrung.

Noch etwas?

Wenn du davon sprichst, leiden zu müssen, sagst du gleichzeitig: genießt. Es scheint schwierig, beides zu vereinbaren.

Wenn ich sage: „Leidet und genießt“, klingt das widersprüchlich. Und der Verstand fragt sofort, wie sich beides vereinbaren lässt, denn für euch sind das Gegensätze. Sie sind es nicht. Das scheint nur so. Du kannst fröhlich leiden.

Was ist das Geheimnis? Wie soll man leidend fröhlich sein? Das erste ist: Wenn du nicht davonläufst, wenn du das Leiden zulässt, wenn du bereit bist, ihm ins Auge zu sehen, wenn du nicht versuchst, es irgendwie zu verdrängen, dann bist du schon anders. Das Leiden ist da, aber nur um dich herum. Nicht in deiner Mitte, sondern nur im Äußeren. Im Innersten kann es unmöglich Leiden geben. Das liegt nicht in der Natur der Dinge. Schmerz gibt es immer nur an der Peripherie, du dagegen bist im Mittelpunkt. Wenn du es also zulässt, wenn du nicht davonläufst, nicht fliehst, wenn du nicht verschreckt wirst, stellst du plötzlich fest: Aller Schmerz ist dort draußen, am Rand, als ob er einem anderen geschieht, nicht dir, und du kannst zusehen. Ein außergewöhnliches Vergnügen breitet sich in dir aus, denn du hast eine Grundwahrheit des Lebens erkannt: dass du Seligkeit bist, nicht Leid.

Wenn ich also sage: „Genieß es“, meine ich nicht, werde ein Masochist. Ich meine nicht, erfinde deinen Schmerz, um ihn zu genießen. Ich meine nicht, spring von einer Klippe, brich dir die Knochen und dann genieße es. Nein. Es gibt Leute von diesem Schlag, man findet sie unter den Asketen, den Tapasvis; sie quälen sich um ihrer selbst willen. Das sind Masochisten. Sie sind krank. Das sind sehr gefährliche Leute. Sie würden lieber andere quälen, aber dazu fehlt ihnen der Mut. Sie würden lieber andere töten, andern Gewalt antun, andere verkrüppeln, aber so mutig sind sie nicht. So hat sich ihre ganze Gewaltsamkeit nach innen gekehrt. Nun verkrüppeln sie sich selbst, quälen sich selbst, und genießen es.

Ich sage nicht, sei ein Masochist. Ich sage nur, das Leiden ist schon da, ihr braucht es nicht zu suchen. Es ist mehr Leid als genug da; ihr braucht nicht danach zu suchen. Das Leben bringt von Natur aus Leid hervor. Es gibt Krankheit, es gibt Tod, es gibt den Körper. Das alles bringt von Natur aus Leid mit sich. Seht das. Seht es an mit ganz unbeteiligten Augen. Seht es euch an, was es ist. Was geschieht? Lauft nicht weg. Sofort meldet sich der Verstand: Bloß weg von hier. Bloß nicht hinsehen. Aber wer wegläuft, wird niemals glücklich.

Wenn du das nächste Mal krank wirst, und der Arzt empfiehlt im Bett zu bleiben, nimm es als Segen an. Schließe die Augen und bleib still im Bett, und schau dir einfach die Krankheit an. Beobachte, was sie ist. Versuch nicht zu analysieren, lass alle Theorien, beobachte nur, was es ist. Der ganze Körper ist erschöpft, fiebert: Beobachte es. Mit einmal fühlst du dich vom Fieber umgeben, aber mitten in dir ist ein ganz kühler Punkt, das Fieber kann ihn nicht berühren, nicht anstecken. Der ganze Körper mag brennen, aber jener kühle Punkt bleibt unberührt.

Ich habe von einer Zen-Nonne gehört.

Sie starb, aber bevor sie starb, fragte sie ihre Schüler: „Was schlagt ihr vor? Wie soll ich sterben?“

Das ist eine alte Zentradition, dass Meister so fragen. Sie können bewusst sterben, also können sie so fragen. Und sie sind so spielerisch, selbst mit dem Tod, so voller Humor, Witze reißend, lachend. Es macht ihnen Spaß, sich verrückte Sterbemethoden auszudenken. So mögen Schüler vorschlagen: „Meister, es wäre gut, wenn du auf deinem Kopf stündest.“ Oder einer schlägt vor: „Im Gehen, weil wir noch nie jemanden gehend sterben sahen.“

Also fragte die Nonne: „Was schlagt ihr vor?“

Sie sagten: „Am besten machen wir ein Feuerchen, und du setzt dich rein und stirbst meditierend.“

Sie sagte: „Wunderbar, das war noch nie da.“

Also bereiteten sie einen Scheiterhaufen. Die Nonne machte es sich darauf bequem, setzte sich im Lotussitz hin, und dann entfachten sie das Feuer.

Einer aus der Menge fragte: „Wie fühlst du dich dort? Es ist so heiß, ich kann nicht näherkommen, um dich zu fragen. Deshalb muss ich schreien: Wie ist dir zumute dort?“

Die Nonne lachte und sagte: „Nur ein Narr kann so fragen, wie ist dir dort zumute? Dort fühlt es sich kühl an, ganz und gar kühl.“

Sie spricht von ihrem inneren Kern, ihrem Innersten. Dort ist es immer kühl, und nur ein Narr kann so fragen. Warum sagt sie, nur ein Narr kann so fragen? Es ist klar. Wenn jemand bereit ist, meditierend auf einem Scheiterhaufen zu sitzen, und der Scheiterhaufen brennt, und er sitzt still, so zeigt das offensichtlich: Dieser Mensch ist am innersten Punkt der Kühle angelangt, der von keinem Feuer gestört werden kann. Anders ist es gar nicht möglich.

Wenn du also im Bett liegst, fiebernd, der ganze Körper in Feuer, brennend, dann beobachte es. Das Beobachten führt dich zurück bis an die Quelle. Aufmerksamkeit, sonst nichts. Was kannst du tun? Das Fieber ist da. Du musst durch. Es ist unnötig, damit zu kämpfen. Du ruhst, und wenn du gegen das Fieber ankämpfst, wirst du noch mehr fiebern, sonst nichts. Beobachte also. Indem du das Fieber beobachtest, wirst du kühl. Je mehr du beobachtest, umso kühler wirst du. Durch reines Beobachten gelangst du auf einen Gipfel, einen so kühlen Gipfel, selbst der Himalaya ist neidisch. Selbst seine Gipfel sind nicht so kühl. Das ist der Gourishankar, der innere Everest.

Und wenn du spürst, dass das Fieber weg ist … in Wirklichkeit war es nie da. Es war nur im Körper, weit, weit weg. Unendlich viel Raum ist zwischen dir und deinem Körper, unendlich viel Raum, sage ich. Ein unüberbrückbarer Abstand trennt dich von deinem Körper. Und alles Leiden ist draußen. Hindus sagen, es ist ein Traum, weil die Entfernung so riesig, so unüberbrückbar ist. Wie ein Traum, der irgendwo abläuft. Mit dir hat er nichts zu tun – in einer anderen Welt, auf einem anderen Planeten.

Wenn du zusiehst, wie du leidest, bist du plötzlich nicht mehr der Leidende, und du wirst fröhlich. Das Leiden macht dir den Gegenpol bewusst: dein seliges inneres Sein. Wenn ich also sage, genießt es, sage ich: Schaut zu. Geht zur Quelle zurück. Findet den Kern. Dann, plötzlich, ist keine Qual mehr da. Es gibt nur Verzückung. Die an der Peripherie leben, sind in Qual. Für die gibt es keine Ekstase. Für die, die zu ihrer Mitte vorgedrungen sind, gibt es keine Qual. Für sie gibt es nur Ekstase. Und wenn ich sage, zerbrecht die Schale, ist es das Zerbrechen der Peripherie. Und wenn ich sage, seid ganz leer, dann ist das die Rückkehr zur ursprünglichen Quelle, denn aus der Leere sind wir geboren, und zur Leere kehren wir zurück. Leere ist wirklich das Wort, das wir statt Gott gebrauchen sollten. Denn unter Gott stellen wir uns gern eine Person vor. Darum spricht Buddha nie von Gott. Er spricht immer von Shunyata: der Leere, dem Nichts. Im Innersten bist du ein Nicht-Sein, ein Nichts, nichts als unermesslicher Raum, ewig kühl, still, selig.

Wenn ich also sage, genießt, meine ich: Schaut zu, und ihr werdet es genießen. Wenn ich sage, genießt, meine ich: Lauft nicht weg.

*Osho benutzt Ego nicht im Sinn der abendländischen Psychoanalyse oder Tiefenpsychologie oder deren weiterführenden Richtungen. Es gibt für ihn kein äußeres, minderes Ich im Gegensatz zu einem höheren, wertvollen Ich, etwa im Sinne des Selbst. Er schließt in das Wörtchen Ego alle Möglichkeiten des Ich ein, jedwede Definition im Personalen wie Transpersonalen.

*Hier folgen nun ausführliche Anweisungen Oshos zu seinen dynamischen Meditationen. Sie gehen auf die unmittelbare Situation des Meditations-Camps ein, anlässlich dessen diese Diskurse entstanden. Die Anweisungen waren für diejenigen gedacht, die damals vor ihm saßen, sind also für den Leser kaum nachvollziehbar. Darum sind sie hier weggelassen. Leser, die sich für Oshos Meditations-Techniken interessieren, empfehlen wir „Das Orangene Buch“, ISBN 978-3-936360-70-7.

2.

Der Schüler Doko kam zum Meister und sagte:„Wie muss mein Verstand beschaffen sein,um die Wahrheit zu suchen?“

Der Meister antwortete: „Es gibt keinen Verstand,also kannst du ihn nicht in irgendeinen Zustand bringen.Und es gibt keine Wahrheit, die du suchen könntest.“

Doko sagte: „Wenn es weder Verstand noch Wahrheit gibt,warum versammeln sich dann täglich all diese Schüler um dich,um zu lernen?“

Der Meister sah sich um und sagte: „Ich seh niemanden.“

Der Frager bohrte weiter: „Was lehrst du sie dann?“

„Ich habe keine Zunge, wie kann ich lehren?“, antworteteder Meister.

Da sagte Doko traurig: „Ich kann dir nicht folgen;ich verstehe nicht.“

Der Meister sagte: „Ich verstehe selbst nicht.“

Werdet unwissend, werdet zu Kindern

Das Leben ist solch ein Mysterium, niemand kann es verstehen; und jemand, der behauptet, es zu verstehen, ist einfach unwissend. Er weiß nicht, was er sagt, welchen Unsinn er da redet.

Wenn du weise bist, ist das die erste Erkenntnis: dass das Leben nicht zu verstehen ist. Verstehen ist unmöglich. Nur so viel kann verstanden werden: dass Verstehen unmöglich ist. Das ist es, was diese schöne Zen-Anekdote sagt.

Der Meister sagt: „Ich verstehe selbst nicht.“ Geht und fragt die Erleuchteten, das wird ihre Antwort sein. Aber geht und fragt die Unerleuchteten, sie geben euch viele Antworten. Sie setzen euch alle möglichen Weltanschauungen vor, sie versuchen, das Geheimnis zu lösen, das nicht gelöst werden kann. Es ist kein Rätsel; ein Rätsel kann gelöst werden. Ein Mysterium ist von Natur aus unlösbar. Es gibt keine Möglichkeit, es zu lösen.

Sokrates sagte: „Als ich jung war, dachte ich, viel zu wissen. Als ich älter wurde, reifer an Weisheit, begriff ich, dass ich nichts wusste.“

Von einem Meister der Sufis, Junnaid, wird berichtet, dass er mit einem neuen Schüler zu arbeiten begann. Der junge Mann hatte keine Ahnung von Junnaids innerer Weisheit, und Junnaid führte ein so gewöhnliches Leben, dass es sehr scharfe Augen brauchte zu erkennen, einen Buddha vor sich zu haben. Junnaid arbeitete wie ein einfacher Arbeiter, und nur wer Augen hatte, erkannte ihn.

Buddha zu erkennen, war sehr leicht; er saß unter einem Bodhibaum. Junnaid zu erkennen, war sehr schwierig, er arbeitete wie ein Arbeiter und saß unter keinem Bodhibaum. Er war in jeder Hinsicht ganz gewöhnlich.

Dieser junge Mann arbeitete also mit ihm, und er zeigte dauernd, was er wusste. Junnaid konnte tun, was er wollte, der andere sagte: Das ist falsch, das wird so gemacht, nur so ist es richtig. Über alles wusste er Bescheid, bis Junnaid schließlich lachte und sagte: „Junger Mann, ich bin nicht mehr so jung, um so viel zu wissen.“

Das ist wirklich gut. Er sagte: „Ich bin nicht mehr so jung, um so viel zu wissen.“ Nur ein junger Mensch kann so töricht sein, so unerfahren. Recht hatte Sokrates, wenn er sagte: „Als ich jung war, wusste ich zu viel. Indem ich heranreifte, erfahrener wurde, wurde mir klar, dass ich vollkommen unwissend war. Das Leben ist ein Mysterium. Das heißt, es kann nicht gelöst werden.“

Und wenn alle Anstrengung, es zu lösen, fehlschlägt, dämmert dir das Mysterium. Dann öffnen sich die Türen; dann wirst du hereingebeten. Als ein Alleswisser betritt niemand das Göttliche; als ein Kind, unwissend, nichtswissend, umfängt dich das Mysterium. Mit einem wissenden Kopf bist du gerissen, nicht unschuldig. Unschuld ist das Tor. Recht hatte dieser Zenmeister, wenn er sagte: „Ich verstehe es selbst nicht.“ Das war sehr tief, wirklich tief, die tiefgründigste Antwort, die es gibt. Aber das ist der letzte Teil der Anekdote, fangen wir vorne an.

Der Schüler kam zum Meister und sagte: „Wie muss mein Verstand beschaffen sein, wenn ich die Wahrheit suche?“

Der Meister antwortete: „Es gibt keinen Verstand*, also kannst du ihn in keinerlei Zustand bringen.“

Der Verstand ist die Illusion, das, was nicht ist, aber so scheint, und so sehr zu sein scheint, dass du dich für deinen Verstand hältst. Verstand ist Maya, Verstand ist bloßer Traum, Verstand ist bloße Vorspiegelung, eine Seifenblase, die auf dem Fluss treibt. Die Sonne geht eben auf, die Strahlen durchdringen die Blase, ein Regenbogen entsteht, und sonst ist nichts weiter dran.

Wenn du sie berührst, platzt sie, und alles verschwindet: der Regenbogen, die ganze Pracht. Nichts bleibt. Nur Leere, die eins wird mit der unendlichen Leere. Dazwischen war nur eine Haut, eine ganz dünne Haut. Dein Verstand ist nur so eine Blasenhaut, innen deine Leere; außen meine Leere. Er ist nur eine Blase. Stich sie, und der Verstand verschwindet.

Der Meister sagte: „Es gibt keinen Verstand, nach welchem Zustand fragst du also?“ Das ist schwer zu verstehen. Leute kommen zu mir und sagen: „Wir hätten gern einen Zustand, in dem der Verstand schweigt.“ Sie denken, dass der Verstand still sein kann. Der Verstand kann niemals still sein. Verstand ist ja gerade das Durcheinander, die Krankheit, das Übel. Verstand meint Verspannung, Enge.

Der Verstand kann nicht schweigen. Wo Schweigen ist, dort ist kein Verstand. Wenn Stille eintritt, schwindet der Verstand; sobald der Verstand auftritt, schwindet das Schweigen. Es gibt also keinen stillen Verstand, genauso wenig wie eine gesunde Krankheit. Ist es möglich, eine gesunde Krankheit zu haben? Wenn Gesundheit da ist, verschwindet Krankheit. Schweigen ist die innere Gesundheit; Verstand ist die innere Krankheit, die innere Störung.

Es kann also keinen schweigenden Verstand geben, und dieser Schüler fragt: „Um welche Art, um welchen Zustand des Verstandes soll ich mich bemühen?“ Und der Meister sagt unverblümt: „Es gibt keinen Verstand, also bemüh dich nicht um irgendeinen Zustand.“

Lass diese Täuschung, bemüh dich nicht um eine Einbildung. Das ist so, als wolltet ihr auf dem Regenbogen reiten, und ihr fragt mich: „Was sollen wir unternehmen, um auf dem Regenbogen zu reiten?“ Ich sage: „Es gibt keinen Regenbogen.“ Der Regenbogen ist nur ein schöner Schein, es kann nichts unternommen werden. Ein Regenbogen erscheint einfach. Er ist nicht da; er ist keine Wirklichkeit. Er ist ein Trugbild der Wirklichkeit. Der Verstand ist nicht deine Wirklichkeit. Er ist eine falsche Auslegung. Du bist nicht der Verstand, du warst nie ein Verstand, du kannst nie der Verstand sein. Das ist deine Schwierigkeit. Du hast dich mit etwas gleichgesetzt, das es nicht gibt. Du bist wie ein Bettler, der glaubt, ein Königreich zu besitzen. Er macht sich große Sorgen um sein Reich: wie es verwalten, wie es führen, wie die Gesetzlosigkeit vermeiden?

Da ist kein Reich, aber er sorgt sich.

Tschuangtse träumte einmal, er sei ein Schmetterling geworden. Am Morgen war er sehr bedrückt. Seine Freunde fragten: „Was ist geschehen? Wir haben dich niemals so bedrückt gesehn.“

Tschuangtse sagte: „Ich bin verwirrt, ich kenn mich nicht mehr aus. Ich versteh nicht. Letzte Nacht, während ich schlief, träumte mir, ich sei ein Schmetterling.“

Da lachten die Freunde: „Niemand lässt sich durch Träume aus der Fassung bringen. Wenn du aufwachst, ist der Traum fort. Was verstört dich also?“

Tschuangtse sagte: „Das ist es nicht. Ich bin verwirrt: Wenn Tschuangtse im Traum ein Schmetterling wird, ist es möglich, dass nun der Schmetterling schläft und träumt, er ist Tschuangtse. Wenn Tschuangtse im Traum ein Schmetterling wird, warum nicht umgekehrt? Der Schmetterling kann träumen und Tschuangtse werden. Was also ist wirklich: Ob Tschuangtse träumte, er war ein Schmetterling, oder der Schmetterling träumt, er wäre Tschuangtse?“

Was ist wirklich? Regenbögen sind da. Du kannst im Traum ein Schmetterling werden. Und du bist zu deinem Verstand geworden, in diesem größeren Traum, den ihr das Leben nennt. Wenn du aufwachst, gelangst du nicht etwa in einen erwachten Verstand, sondern in den Nicht-Zustand des Verstandes, in den Nicht-Verstand.

Was bedeutet Nicht-Verstand?

Es ist schwierig zu folgen, aber manchmal, unwissend, seid ihr ihm schon begegnet. Auch wenn ihr es nicht erkannt habt. Manchmal, wenn du ganz gewöhnlich dasitzt, nichts weiter tust, ist kein Gedanke da. Wenn kein Gedanke da ist, wo ist dann der Verstand? Wenn es keinen Gedanken gibt, gibt es keinen Verstand, denn der Verstand ist nichts als der Denkprozess. Er hat kein Wesen, er ist nur Ablauf. Ihr seid hier; ich kann auch sagen, eine Menge ist hier. Aber gibt es wirklich so etwas wie eine Menge? Ist eine Menge wesentlich? Oder sind hier nur Einzelne? Nach und nach werden die Einzelnen weggehen. Bleibt dann eine Menge zurück? Sind die Einzelnen fort, gibt es keine Menge mehr.

Der Verstand ist genau wie die Menge; die Gedanken sind die Einzelnen. Und weil die Gedanken ununterbrochen kommen, haltet ihr diesen Gedankenstrom für wesentlich. Lasst jeden einzelnen Gedanken fallen, dann bleibt letztlich nichts übrig. Es gibt keinen Verstand als solchen, nur Gedanken. Aber die Gedanken bewegen sich so schnell, dass ihr den Raum zwischen den Gedanken nicht wahrnehmt. Trotzdem ist dieser Zwischenraum jedesmal da. Dieser Zwischenraum bist du. In diesem Zwischenraum gibt es weder Tschuangtse noch den Schmetterling. Der Schmetterling ist ein Gedanke und Tschuangtse ist ebenfalls ein Gedanke. Schmetterling ist eine bestimmte gedankliche Verbindung, Tschuangtse eine andere. Aber beide sind sie Gedachtes, gedankliche Konstrukte.

Wenn der Verstand nicht da ist, wer bist du: Tschuangtse oder ein Schmetterling? Weder noch. Was ist das für ein Zustand? Bist du in einem erleuchteten Zustand?

Wenn du denkst, im Zustand der Erleuchtung zu sein, dann ist das wiederum ein Gedanke, und solange Denken da ist, bist du nicht. Selbst wenn du empfindest, ein Buddha zu sein, ist das ein Gedanke. Der Verstand hat sich eingemischt, der Prozess ist wieder in Gang, der Himmel ist bewölkt, das Blau verschwunden. Du kannst das unendliche Blau nicht mehr sehen.

Zwischen zwei Gedanken, versuche wachsam zu sein. Schau in die Lücke, den Raum dazwischen. Da wirst du keinen Verstand entdecken. Das ist deine wahre Natur. Denn Gedanken kommen und gehen, sie sind unwesentlich, aber jener innere Raum bleibt. Wolken bilden sich und ziehen weiter. Sie sind unwesentlich, aber der Himmel bleibt. Du bist der Himmel.

Es geschah einmal, dass ein Sucher zu Bayazid kam, einem Sufi-Mystiker, und fragte: „Meister, ich bin ein jähzorniger Mensch; die Wut überwältigt mich, ich spiele verrückt und weiß nicht, was ich tu. Später kann ich dann immer nicht glauben, dass ich so etwas tun konnte. Ich bin nicht bei Verstand. Wie kann ich diese Wut überwinden, wie mit ihr fertig werden, wie beherrschen?“

Bayazid nahm den Kopf dieses Schülers zwischen seine Hände und schaute ihm in die Augen. Der Schüler wurde etwas unruhig; Bayazid fragte: „Wo ist diese Wut? Ich möchte sie mir genauer ansehen.“

Der Schüler lachte unsicher und sagte: „Im Augenblick bin ich nicht wütend. Es geschieht nur manchmal.“

Da sagte Bayazid: „Das, was nur manchmal geschieht, kann nicht deine wahre Natur sein. Es ist Zufall, es kommt und geht. Es ist wie die Wolken. Warum sich um Wolken sorgen? Denk an den Himmel, der immer da ist.“

Das ist die Erklärung des Atma: der Himmel, der immer da ist. Alles was kommt und geht ist unwichtig. Kümmert euch nicht drum, es ist wie Rauch. Der Himmel, der ewig bleibt, ändert sich nie, wird nie anders. Zwischen zwei Gedanken lass dich in ihn fallen. Zwischen zwei Gedanken – da ist er. Schau hinein, und plötzlich wirst du erkennen, dass du im Nichtdenken bist.

Der Meister hatte recht, als er sagte: „Es gibt keinen Verstand, also kann er nicht irgendwie beschaffen sein. Welchen Unsinn redest du?“ Aber der Unsinn hat seine eigene Logik. Da du denkst, dass du einen Verstand hast, fängst du an, verstandesmäßig zu unterscheiden: einen unwissenden Zustand, einen erleuchteten Zustand …

Wenn du vom Verstand, einer Einbildung, ausgehst, bist du gezwungen, Unterscheidungen zu treffen. Sobald du annimmst, dass es den Verstand gibt, fängst du an, irgendetwas zu suchen.

Der Verstand kann nur sein, wenn du ständig nach etwas suchst. Warum? Weil Suchen Wünschen ist. Suchen heißt, in die Zukunft gehen. Suchen erzeugt Träume. Der eine sucht Macht und politischen Einfluss, der andere Schätze und Königreiche, der dritte sucht die Wahrheit. Das Suchen ist allen gemeinsam, und Suchen ist das Verhängnis. Nicht, was du suchst. Das Ziel ist nie die Schwierigkeit. Jedes Ziel ist recht. Die Gedanken können sich an jedes Ziel klammern. Jeder Vorwand genügt, um da zu sein.

Der Meister sagte: „Es gibt keine Beschaffenheit des Verstandes, weil es keinen Verstand gibt. Und es gibt keine Wahrheit. Wovon redest du also?“

Da kann‘s kein Suchen geben. Dies ist eine der größten Botschaften, die uns je gegeben wurden. Sie ist nicht zu verstehen. Er kann sich nicht vorstellen, dass es keine Wahrheit gibt. Was meint dieser Meister, wenn er sagt, es gibt keine Wahrheit? Will er sagen, es gibt die Wahrheit nicht?

Nein, er will sagen: „Für dich, der du sie suchst, kann es keine Wahrheit geben.“

Suchen führt stets zur Unwahrheit. Nur einer, der nicht sucht, erkennt, was ist. Sobald du suchst, gehst du an dem vorbei, was ist. Alles Suchen ist auf die Zukunft gerichtet. Kein Suchen kann im Hier und Jetzt sein. Wie kannst du hier und jetzt suchen? Du kannst nur sein. Suchen ist Wünschen, Zeit kommt ins Spiel, Zukünftiges und dieser Augenblick, das Hier und Jetzt, wird verpasst. Wahrheit ist hier, jetzt.

Wenn du zu einem Buddha gehst und ihn fragst: „Gibt es Gott?“, wird er es abstreiten ohne zu zögern. Es gibt keinen Gott. Denn gibt er es zu, macht er dich zum Sucher. Wenn er sagt, Gott ist, fängst du an, ihn zu suchen. Wie kannst du ruhig bleiben, wenn es einen Gott zu suchen gibt? Wohin willst du rennen? Du bist wieder einer Täuschung erlegen.

Also hat Buddha gesagt: „Es gibt keinen Gott.“ Niemand verstand ihn; die Leute hielten ihn für einen Atheisten. Er leugnete Gott nicht, er leugnete nur den Sucher. Denn hätte er gesagt, Gott ist, hätte er den Sucher geschaffen. Suchen ist die Welt des Maya. Millionen von Leben warst du ein Sucher, warst hinter diesem oder jenem her, dieses Ziel, jenes Ziel, diese Welt, jene Welt; aber ein Sucher. Jetzt bist du ein Sucher nach Wahrheit, und der Meister sagt: „Es gibt keine Wahrheit.“ Er zieht dir den Teppich unter den Füßen weg. Er nimmt dir den Boden weg, auf dem du stehst, auf dem dein Verstand steht. Er stößt dich einfach in den Abgrund.

Der Frager sagte: „Aber warum dann all diese Sucher zu deinen Füßen? Wenn es nichts zu suchen und keine Wahrheit gibt, warum dann diese Ansammlung von Leuten?“

Das müsst ihr gewesen sein, die da um den Meister herumsaßen. Jemand kommt zu mir und ich sage: „Es gibt kein Suchen, nichts gibt es zu suchen, weil es nichts zu suchen gibt.“ Er muss notgedrungen fragen: „Aber warum dann diese Leute hier? Warum diese Sannyasins hier? Was machen die hier?“

Aber der Fragende verstand immer noch nicht. Der Meister sah sich um und sagte: „Ich kann niemanden sehen. Hier ist niemand.“ Der Fragende verstand immer noch nicht, denn der Verstand geht fortwährend weiter. Er hätte hinsehen können. Es war tatsächlich so. Es war niemand da.

Du kannst auf zwei Arten da sein; aber nur auf eine Art, wenn du suchst. Wenn du nicht suchst, bist du nicht, denn Suchen kommt vom Ego. Wenn ihr just in diesem Augenblick niemanden und nichts sucht, dann seid ihr nicht hier, dann gibt es hier keine Menge.

Wenn ich nichts lehre, weil es nichts zu lehren gibt, keine Wahrheit zu lehren gibt; wenn ich nichts lehre, und wenn ihr nichts lernt, wer ist dann hier?

Individuen verschwinden und tauchen ein ins ozeanische Bewusstsein. Individuen gibt es nur aufgrund des individuellen Verstandes; du wünschst etwas Besonderes zu sein. Das unterscheidet dich von deinem Nachbarn. Wünsche schaffen Unterschiede. Ich suche etwas, du suchst etwas anderes. Mein Weg unterscheidet sich von deinem. Dadurch unterscheide ich mich von dir. Wenn ich nicht suche und du nicht suchst, verschwinden die Ziele, es gibt keine Wege mehr. Wie kann dann das Ego noch da sein? Die Schale ist entzwei. Mein Tee fließt in dich, und dein Tee fließt in mich. Das Dasein wird ozeanisch.

Der Meister sah sich um und sagte: „Ich sehe niemanden.“

Da ist niemand. Der Verstand übersieht das aber, und so sagte der Frager: „Wen lehrst du dann? Wenn es niemanden gibt, wen lehrst du dann?“ Und der Meister sagte: „Ich habe keine Zunge, wie kann ich also lehren?“

Er gibt laufend Hinweise, beweglich zu werden, zu sehen, aber der Frager ist verstrickt in seinen Verstand. Der Meister schlägt, hämmert auf seinen Kopf. Er redet Unsinn, nur um ihn da herauszuholen. Wenn ihr dabeigewesen wärt, hättet ihr zum Frager gehalten, nicht zum Meister. Der Fragende hätte euch aus dem Herzen gesprochen. Dieser Meister war offenbar verrückt, abwegig. Er redete, und behauptete dennoch: „Es ist keine Zunge da, wie kann ich also reden?“ Mit anderen Worten: „Sieh mich an, ich bin ohne Form. Sieh mich an, ich bin nicht verkörpert. Der Körper erscheint dir zwar, aber ich bin das nicht, wie also kann ich reden?“

Der Verstand wird es nie begreifen. Das ist das Elend des Verstandes. Du schubst ihn, er sammelt sich wieder; du schlägst ihn, und einen Augenblick lang sinkt er in sich zusammen, taumelt, und dann steht wieder auf.

Es gibt eine japanische Puppe, kennt ihr sie? Sie heißt Daruma. Du wirfst sie wie du willst, kopfüber, seitwärts. Aber was du auch tust, die Puppe landet im Lotussitz. Das Unterteil ist so schwer, du kannst nichts machen. Wirf sie wie du willst, die Puppe sitzt im Lotussitz. Der Name Daruma kommt von Bodhidharma; in Japan wird Bodhidharma Daruma genannt. Daruma