Schummeln für die Liebe - Dagmar Geisler - E-Book

Schummeln für die Liebe E-Book

Dagmar Geisler

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Beschreibung

Love, love, love Lene ist verliebt. In Flo. Doch das darf keiner wissen. Denn Flo ist nicht nur ihr alter Sandkastenfreund, nein, er ist auch noch der Schwarm ihrer allerbesten Freundin. Was also tun? In ihrer Not erfindet Lene ihre Urlaubsliebe Raoul – dunkle Haare, kohlschwarze Augen, temperamentvoll. Aber damit wird alles noch viel komplizierter …

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Seitenzahl: 189

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Dagmar Geisler

Schummeln für die Liebe

Deutscher Taschenbuch Verlag

Originalausgabe 2010© 2008Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, MünchenDas Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,KN digital– die digitale Verlagsauslieferung, StuttgarteBook ISBN 978-3-423-41214-8 (epub)ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-71384-9Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/​ebooks

Zauberfluch und Liebesgurke

Gummiboot und Lagerfeuer

Schweizer Liebeskäse

Schlafanzug und Schwyzerdütsch

Wer küsst schon einen Ochsenfrosch?

Schneewittchen als Piratenbraut

Grüezi, Raoul Winterstein

Salzige Tränen und Schokopudding

Axolotl und Apachen

Englisch in der Fußgängerzone

Casanova in Peppermint

Hoppala

Shoppen oder Schwimmen?

Ansichtskarten sind Ansichtssache

Kalligrafie und Katastrophe

A very very nice boy

Wie bringt man einen Schweizer um die Ecke?

Gibt’s keine Notbremse in der Achterbahn?

Lebkuchenhölle

Liebesschmerz und Luftschokolade

Treppensteigen für Anfänger

Wolke sieben wohnt im Keller

Wasserrattenjammer

Schmetterling und rosa Sahnetorte

Liebe ist verboten! Aus und basta!

Wie sagt man ›I love you‹ auf Englisch?

[Informationen zum Buch]

[Informationen zur Autorin]

Zauberfluch und Liebesgurke

Ich weiß, ich bin selber schuld. Schließlich habe ich bei diesem blöden Liebeszauber mitgemacht. Freiwillig!

Ich wollte mich halt endlich mal verlieben, und zwar richtig. Nicht bloß in irgendeinen Popstar oder Schauspieler. Aber wenn ich geahnt hätte, was dabei rauskommt…

Dabei glaube ich nicht mal an den ganzen Quatsch. War doch bloß Spaß. Echt!

Jetzt bin ich verknallt! Na toll! Und in wen? Ausgerechnet in meinen alten Sandkastenfreund Flo. Gerade mal drei Wochen war der im Urlaub, kommt zurück und– schwupp!

Schon als er bei uns zur Tür reingekommen ist, war es anders als sonst. Er stand da, brutzelbraun, die hellen Haare von Sonne und Salzwasser ausgebleicht, die Augen so blau wie noch nie und mit einem Lächeln, das ich so noch nicht kannte.

»Hey, Lene!«, hat er gesagt. Das sagt er immer, aber diesmal haben meine Knie schlagartig angefangen zu zittern.

»Hey, Flo, alte Gurke!«, habe ich gesagt. Auch so wie immer. Und ich hoffe mal schwer, dass er nicht gemerkt hat, wie komisch sich meine Stimme diesmal angehört hat.

Das darf alles nicht wahr sein. Ich kenne Flo doch schon eine halbe Ewigkeit. Seine und meine Eltern haben sich in einem Kurs für Schwangere kennengelernt, kurz bevor unsere kleinen Schwestern geboren wurden. Tina-Kristine und Antonia. Tiki und Tonki. So haben die beiden sich als Krabbelkinder selber genannt und das ist ihnen geblieben. Die reinsten Nervensägen! Das findet auch Flo.

Tiki ist seine Schwester und Tonki meine. Flo war sechs Jahre alt und ich gerade mal fünf, als die beiden geboren wurden. Im Abstand von einer Woche, deshalb haben wir hier immer Doppelkindergeburtstag und Flo und ich müssen dabei den Affen machen.

Unsere Eltern waren sich damals auf Anhieb so dermaßen sympathisch, dass sie zwei Häuser direkt nebeneinander gebaut haben.

Sogar in Urlaub sind unsere Familien gemeinsam gefahren. Und wie oft habe ich drüben bei Stadlers gewohnt, wenn meine Eltern mal wegmussten? Und wie oft war Flo bei uns?

Oh Mann! Ich habe mit Flo schon in der Badewanne gesessen. Ich weiß, wie er ohne Unterhose aussieht und dass seine Windpockennarben unterm rechten Schulterblatt und auf der linken Pobacke sitzen. In so was verknallt man sich doch nicht!!!

Ich stopfe eine Ladung T-Shirts in die Waschmaschine und knalle das Bullauge zu. Draußen im Garten höre ich Tiki und Tonki quietschen. Flo versucht, die beiden mit dem Gartenschlauch nass zu spritzen. Früher hätte ich da einfach mitgetobt. Jetzt mache ich hier drin einen auf Hausfrau. Aber die Waschmaschine macht ihre Arbeit alleine und eigentlich gibt es keinen Grund, nicht wieder nach draußen zu gehen. Ich will gerade durch die Terrassentür, als das Telefon klingelt.

»Lohmaier!«, sage ich.

»Ist er schon da?«, schreit mir eine aufgeregte Stimme ins Ohr.

Es ist meine beste Freundin Teresa. Und damit mein nächstes Problem. Denn Teresa liebt Flo! Schon seit Wochen! Inzwischen hat sie mir wohl jede Einzelheit über ihn aus der Nase gezogen. Selbst seine Ü-Ei-Figurensammlung und seine Vorliebe für Frühstücksmüsli mit getrockneten Erdbeeren findet sie »süüüß«.

»Ja!«, sage ich. »Draußen im Garten. Spielt mit den Minimonstern.«

»Bin gleich da!«, ruft Teresa und legt, noch bevor ich was anderes sagen kann, einfach auf.

Puuuh! Was mach ich denn jetzt? Soll ich sagen: ›Seit gestern bin ich selbst in Flo verliebt. Sieh zu, wo du deine Infos herbekommst?‹ Unmöglich! Und noch unmöglicher wäre es, wenn Flo was von meinen neuen Gefühlen mitbekommen würde.

Ich habe noch nie an den Fingernägeln gekaut, aber jetzt ist der linke Daumen dran. Wie ein Tiger im Käfig laufe ich durchs Haus. Tapp, tapp, tapp in die Küche, von der Küche ins Bad, vom Bad in den ersten Stock: Elternschlafzimmer, Tonkis Zimmer, Mas Arbeitszimmer. Von da ins Dachgeschoss. Tapp, tapp in den Speicher und dann in mein eigenes Zimmer. Hier wird mir endgültig schlecht. Da liegt das Herbarium, das Flo und ich im vorletzten Sommer gemeinsam angelegt haben. An der Wand hängt der Lenkdrachen, den wir im Herbst gebaut haben, und an der Pinnwand stecken jede Menge Fotos der Familien Stadler und Lohmaier. Lene und Flo in allen möglichen Situationen: beim Baden im See, beim Rauchen einer Friedenspfeife vor unserem selbst gebauten Tipi, beim Felsenklettern und bei einem Geburtstagsfest, das wir wie ein echtes Powwow gefeiert haben. Auf zwei Bildern ist auch Teresa mit drauf. Ich lasse mich in den Sitzsack fallen und schließe die Augen. Aber konzentrieren ist nicht. Ich sitze noch keine halbe Minute, da steht mein Schwesterlein im Zimmer.

»Lene, bist du taub?« Hatte ich auch so eine schrille Stimme, als ich acht war? Ich blinzle. Antonia hat die Fäuste in die Seiten gestemmt, von ihren Rattenschwänzen tropft Wasser auf meinen Kuschelteppich. Um ihre Füße bildet sich eine Pfütze.

»Tonki, du Ferkel!«, sage ich und räkle mich aus dem Sessel.

»Teresa Tesafilm ist da!«, kräht Tonki und fängt an, meine Steinsammlung zu betatschen.

»Pfoten weg!«, sage ich und schiebe die Kleine vor mir her zur Treppe. Ihre Haut ist warm von der Sonne. Wie ein Gummiball hüpft sie vor mir her.

Teresa ist also schon da. Donnerwetter! Sonst probiert sie doch erst mal zehn verschiedene Outfits, bevor sie sich in Flos Nähe wagt.

Unten angekommen witscht Tonki sofort zur Terrassentür hinaus. Tiki braucht scheinbar dringend Unterstützung im Kampf mit dem Gartenschlauch.

Ich bleibe einen Moment am Wohnzimmerfenster stehen. Flo hat soeben das Wasser abgedreht. Er sagt irgendwas zu Teresa, die mitten auf dem Rasen steht und strahlt.

In meinem Magen fängt irgendein fieses kleines Feuer an zu glimmen. War Teresa schon immer so hübsch? Klar war sie das! Ihre dunklen wuschligen Schneewittchenhaare hab ich ja von Anfang an bewundert. Dazu passt die helle Haut mit den Sommersprossen und die schwarzen Kulleraugen. Auch ihr Mund ist große Klasse. Den findet sie selbst ja immer zu breit, aber ich finde ihn genau richtig. Wahrscheinlich findet Flo das auch. Und wahrscheinlich merkt er auch, dass ihr kurzer Rock sitzt, als wäre sie hineingegossen worden, und dass ihr T-Shirt einen affengeilen Ausschnitt hat. Pfff! Ich drehe mich um und betrachte mich in diesem antiken Spiegel, den Ma und Pa kürzlich vom Flohmarkt mitgebracht haben.

»Magdalena Lohmaier!«, sage ich und beiße mir auf die Lippen. Das Mädchen im Spiegel hat lange dunkelblonde Haare mit ein paar hellen Strähnen. Ich probiere ein Lachen, um zu kontrollieren, ob die Grübchen in den Wangen noch da sind. Sind sie! Gott sei Dank! Das T-Shirt ist nicht schlecht. Es passt zu meinen grünen Augen. Aber kein Vergleich mit Teresas scharfem Oberteil.

Ich seufze. Wo kommen bloß diese dämlichen Gedanken her? Hatte ich doch bis jetzt noch nie. Ich drehe mich auf dem Absatz um.

Da draußen stehen meine beiden besten Freunde. Es kann doch einfach nicht sein, dass das alles wegen mir den Bach runtergeht. Was ist das überhaupt für eine bekloppte Idee: Lene verliebt sich in Flo. Wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein. So lange wie diesmal waren wir beide ja noch nie voneinander getrennt. Das ist die Wiedersehensfreude und sonst nichts. Basta! Ich straffe die Schultern und trete hinaus in die Sonne.

Gummiboot und Lagerfeuer

Teresa fällt mir um den Hals, als hätten wir uns eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Dabei war ich bloß eine Woche weg. Am Bodensee bei Oma, mit einem kleinen Abstecher in die Schweiz. Und seit wir wieder da sind, haben Teresa und ich schon dreimal telefoniert.

»Hallo, Zuckerschnute!«, schreit sie mir ins Ohr. Das sagt sie oft. Sonst muss ich drüber lachen. Aber heute ist es mir peinlich.

»Hallo, Essigmäulchen!«, sage ich und schiebe sie sanft von mir weg. Aus den Augenwinkeln beobachte ich Flo. Der kommt lässig über den Rasen geschlendert. Dicht neben mir bleibt er stehen. Wir berühren uns nicht, aber es ist, als würde ich jedes einzelne Härchen auf seinem Unterarm fühlen.

»Hey, Resi!«, sagt er und grinst.

Teresa lächelt ihn an und bohrt ihm ihren Zeigefinger in den Bauch.

»He!«, sagt sie. »Du weißt, dass ich diesen Namen hasse!«

»Eben!«, sagt Flo und grinst noch breiter. Er schnappt ihren Zeigefinger und hält ihn fest.

»Was machen wir mit dem angebrochenen Nachmittag?«, frage ich hastig und ein bisschen zu laut.

Wir entscheiden uns für Bootfahren auf dem Baggersee.

»Abends könnten wir Lagerfeuer machen!«, meint Flo und Teresa quietscht entzückt.

Während Flo ins Haus geht, um seinen Freund Johann anzurufen, zwickt Teresa mich in den Oberarm und hüpft voller Freude auf und ab. Ich sehe ihren Busen unterm T-Shirt wippen. Es kann doch nicht sein, dass der in der letzten Woche schon wieder größer geworden ist.

»Kannst du mir einen Bikini leihen?«, fragt Teresa.

Ich seufze und nicke. Na klar! Ich habe ja dieses neue Teil von Tante Lisette.

»Keine Sorge, den füllst du bald aus!«, hat sie gesagt, als sie mir den Bikini überreicht hat. Das ist gerade mal zwei Wochen her. Damals konnte ich wahrhaftig darüber lachen. Und jetzt?

Johann ist nicht zu erreichen und so sitzen wir wenig später zu dritt im Schlauchboot und schippern über den See. Teresa liegt halb über dem Rand und lässt das Wasser durch ihre Finger gleiten. Die Sonne brennt. Flo hat sein T-Shirt ausgezogen. Wasserperlen glitzern auf seinen braun gebrannten Schultern. Eine neue Badehose hat er auch. Blau und grau gestreift. Die alte hatte aufgedruckte Seepferdchen. Ich sitze so dicht bei ihm, dass ich den Duft seiner Haut einatmen kann. Er riecht nach Sonnenmilch, frischem Wasser und nach Junge. Mein Herz klopft bis zum Hals. Ich schiele zu ihm rüber und sehe die rotblonde, glänzende Haarlocke, die sich über der linken Augenbraue kringelt. Bei jedem Ruderschlag spannen sich seine Muskeln an.

»Gleich bist du wieder dran!«, keucht er und stupst mich mit der großen Zehe an.

Sofort kriege ich eine Gänsehaut, die quälend langsam meinen Rücken hochkriecht. Und rot werde ich auch. Nicht zum Aushalten! Scheiße! Scheiße! Von wegen Wiedersehensfreude. Das ist Verknalltsein pur.

»Puh, ist das heiß!«, sage ich und fächle mir mit der Hand Luft zu.

Teresa plappert und plappert. Irgendwas von ihrer Mum, die neuerdings einen Diät-Tick entwickelt hat, und von ihrem großen Bruder, der schon wieder eine neue Freundin hat.

»Es ist Sophie!«, prustet sie. »Du weißt schon. Sophie aus der 10 a. Die mit der Lispelstimme.« Gekonnt macht Teresa das affektierte Gerede von Sophie Mahlmann nach. Früher hätte ich mitgekichert und mitgelispelt. Im Nachahmen von affigen Stimmen bin ich doch eigentlich einsame Spitze. Jetzt sitze ich hier, als könnte ich nicht bis drei zählen.

Dafür kichert Flo. Noch vor den Ferien hat er immer bloß genervt gegrunzt, wenn es um das Liebesleben von Teresas Bruder ging. Ich versuche ein Grinsen. Aber das hängt irgendwie schief in meinem Gesicht. Wenn das so weitergeht, merken die beiden, was mit mir los ist. Bei dem Gedanken fühlt sich mein Magen an, als hätte ich ein Päckchen tiefgefrorene Fischstäbchen verschluckt.

Die dürfen einfach nichts mitkriegen. Auf gar keinen Fall!!!!

Deshalb versuche ich, so normal wie möglich zu sein, als wir drei ins Wasser hüpfen. Normal sein heißt: die anderen untertunken, selbst getunkt werden, quietschen, kreischen. Das ganze Programm. Ich mache das, aber es fühlt sich nicht normal an. Früher war ich einfach bloß kitzlig, wenn Flo mich um die Taille gepackt hat…

Zum Glück kann man im kalten Wasser nicht rot werden. Oder doch?

»Was ist eigentlich los mit dir?«, fragt Teresa, als wir wieder an Land sind und trockenes Holz fürs Lagerfeuer sammeln.

»Nix! Wieso?«, nuschle ich. Sie guckt mich mit Röntgenaugen an. »Es ist nichts!«, knurre ich ungeduldig. Teresa zieht die Augenbrauen hoch. Verdammt! Früher fand ich es toll, dass man ihr nichts vormachen kann. Ich lache und puffe ihr in die Seite. »Wahrscheinlich hab ich einen Sonnenstich oder Hunger oder beides!« Mit leerem Magen bin ich immer seltsam drauf, das weiß jeder. Teresa grinst. Erleichtert atme ich aus. Sie hat es geschluckt. Gott sei Dank!

Solange die Sonne noch vom Himmel brennt, werden unsere nassen Sachen trocken, und als es anfängt zu dämmern, ist auch unser Feuer so weit. Wir brutzeln unsere mitgebrachten Würstchen und trinken Cola, die wir vorher im See gekühlt haben. Hier und da flackern am Ufer noch andere Feuer auf. Der Baggersee ist im Sommer ein angesagter Treffpunkt. Jemand spielt leise Gitarre.

»Hach, ist das romantisch!«, seufzt Teresa und leckt sich das Würstchenfett von den Lippen. Dabei guckt sie Flo direkt in die Augen. Aber der scheint nichts zu merken.

Verstohlen beobachte ich sein Gesicht. Auch sein Mund glänzt von Fett. Die Oberlippe ist geschwungen, wie die Schwalbe auf einer Kinderzeichnung. Wie es wohl wäre, ihn zu küssen? Oh nein! Mir wird schon wieder ganz heiß. Aber im Feuerschein ist zum Glück jeder rot.

»Jetzt müsste man verliebt sein! Was, Lene?«, sagt Teresa und zwinkert mir verschwörerisch zu.

Flo stöhnt genervt auf. Anscheinend kann er mit dem Liebesthema doch immer noch genauso wenig anfangen wie vor den Ferien. Soll ich mich jetzt darüber freuen oder nicht? Ich seufze tief.

Und das war ein Fehler. Denn das bringt Teresa auf einen Gedanken. Sie richtet sich auf. Ihre Augen funkeln vor Vergnügen. »Mensch, Lene! Das hab ich ja ganz vergessen zu fragen: Hat eigentlich dieser Zauber gewirkt?«

Am liebsten würde ich mich jetzt einfach auf den Grund des Sees sinken lassen. Aber vielleicht hilft es auch, wenn ich gar nicht reagiere.

»Was für ein Zauber?«, fragt Flo.

Na toll! Ich mache Teresa Zeichen, dass sie die Klappe halten soll. Ich wette, sie hat mich genau verstanden. Aber sie grinst Flo an und sagt: »Wir haben vor den Ferien mit ein paar Mädchen aus unserem Verein einen Liebeszauber probiert. Mit einem Rauchopfer, Zaubertränken und Schamanengesängen!« Flo guckt mich angewidert an und Teresa kräht: »Und? Hat’s gewirkt? Hast du dich endlich verliebt?« Sie klatscht sich auf die Schenkel und ich könnte ihr an die Gurgel gehen.

Aber dann fällt mir etwas ein. Die Lösung meiner Probleme ist plötzlich zum Greifen nah und ich sage ganz cool: »Klar!«

Schweizer Liebeskäse

»Nein!«, schreit Teresa, springt begeistert auf, rennt auf mich zu und packt mich an den Schultern. »Wieso hast du nichts gesagt? Erzähl! Los! Wer ist es? Wo hast du ihn kennengelernt?« Sie rüttelt mich. Plumps, falle ich hintenüber von dem Baumstamm, auf dem ich gesessen habe. Ich rapple mich umständlich hoch. Flo stochert mit einem Ast im Feuer und tut so, als ob er gar nicht zuhört.

»In der Schweiz!«, sage ich. Flo spießt ein Würstchen auf den Stock. Verflixt noch mal. Wenigstens ein bisschen eifersüchtig könnte er schon sein.

Teresa quietscht. »Lass dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Wie heißt er?«

In der Eile fällt mir kein anderer Name ein als der von Frau Sittlers Spaniel. »Raoul!«, sage ich und könnte mir dafür sofort in den Hintern beißen. So ein blödsinniger Name. Raoul, so heißen Typen in dämlichen Fernsehserien.

»Cool!«, ruft Teresa. »Hast du das gehört, Flo? Lene hat sich in einen Schweizer verknallt. Raoul heißt der. Ist das nicht ein affengeiler Name?«

Flo verdreht die Augen und fängt an, seine Wurst zu verspeisen. So langsam nervt mich das. Er könnte wenigstens den Hauch einer Reaktion zeigen. Schließlich sind wir befreundet.

Teresa knufft mich in die Seite und drängelt sich neben mich auf den Baumstamm. »Und wie sieht er aus?«

Ich beobachte Flo aus den Augenwinkeln. »Einfach super!«, sage ich.

Flo fummelt an seinem Handy.

»Dunkle Haare, kohlschwarze Augen!«

Flo tippt eine SMS.

»Er ist ungefähr einen halben Kopf größer als ich und in den Wangen hat er so lustige Grübchen. Das sieht total süß aus, wenn er lacht.«

Teresa strahlt. »Dunkle Haare!«, ruft sie und klatscht in die Hände. »Hey, Flo, findest du dunkle Haare auch so toll?« Dabei schüttelt sie ihre Locken. Peinlicher geht’s wohl nicht. Aber Teresa kichert nur und fragt mich: »Hast du ein Foto von ihm?«

Ich schüttle den Kopf. »Nee, aber vielleicht schickt er mir demnächst eins. Wir wollen uns regelmäßig schreiben.«

Jetzt ist Teresa komplett aus dem Häuschen. »Du meinst, der liebt dich auch?«

»Klar!«, sage ich. »Was hast du denn gedacht?« Diesmal bin ich dran, meine Haare zu schütteln. Ich lehne mich zurück und lege die Füße übereinander. Eigentlich will ich jetzt nichts mehr sagen, aber weil Teresa nicht lockerlässt, erzähle ich nach und nach, dass wir uns auf der Fähre von Meersburg nach Konstanz kennengelernt hätten, dass es zwischen uns sofort gefunkt hätte und dass wir es nicht mehr erwarten könnten, bis wir uns endlich wiedersehen.

Irgendwann fällt mir echt nichts mehr ein und ich bin heilfroh, als Flo sagt: »Ich hab gerade ’ne SMS von Johann gekriegt. Er kommt gleich doch noch und Hunger hat er auch.« Er wühlt in seinem Rucksack. »Würstchen haben wir noch, aber das Feuer müssen wir noch mal anschüren. Kommst du mit, Holz sammeln, Teresa?«

Teresa guckt mich triumphierend an. Also echt! Früher hätte er mich gefragt. Die beiden verschwinden in der Dunkelheit und ich bleibe alleine hocken.

»Beeilt euch!«, rufe ich ihnen nach. Ist doch wahr! Wenn die nicht sofort wieder zurückkommen, ist von der Glut nichts mehr übrig. Ich stochere ein bisschen darin herum. Ein paar trockene Blätter lassen die Flammen ganz kurz wieder aufzüngeln.

Eigentlich ist doch jetzt alles in Butter. Mit diesem erfundenen Freund kommt garantiert keiner auf die Idee, was wirklich mit mir los ist.

Irgendwo da draußen in der Dunkelheit kichert Teresa. Was gibt es denn beim Holzsammeln zu kichern?

Als Johann angetrabt kommt, sind die beiden immer noch nicht zurück. Johann ist im letzten Jahr hierhergezogen und seitdem ist er mit Flo befreundet. Johann sieht immer aus, als käme er gerade aus dem Bett. Sein Kopf ist voller Wirbel, sodass die Haare auch dann nach allen Seiten abstehen, wenn sie frisch gekämmt sind. Mit dem breiten Mund, den Knopfaugen und den leicht abstehenden Ohren sieht er aus wie eine Figur aus der Augsburger Puppenkiste.

»Hey, Lene!«, sagt er, strahlt und lässt sich auf den Baumstamm mir gegenüber plumpsen. Er nestelt an seinem Rucksack und zieht zwei Flaschen Spezi hervor. »Eiskalt!«, sagt er. »Frisch aus dem Kühlschrank gemopst.« Dann guckt er sich um. »Wo sind die anderen?«

»Holz sammeln!«, sage ich. Das hat anscheinend ziemlich barsch geklungen. Jedenfalls guckt Johann mich mit erstaunt hochgezogenen Brauen an. Zum Glück kommen die zwei in dem Moment zurück. Noch mehr blöde Fragen könnte ich jetzt echt nicht verkraften.

Teresa zwinkert mir zu. Sie sieht zerzaust aus und strahlt, als hätte sie einen Erzengel gesehen. Oh Mann, das kann doch keiner aushalten. Sie legt vorsichtig dürre Äste auf die Glut und Flo pustet, damit das Feuer wieder in Gang kommt. Dann macht er einen Schritt rückwärts und lässt sich direkt neben mir nieder. Seine Schulter berührt meine Schulter und sein linkes Bein streift mein rechtes. Seit wann gibt es im Wald Stromanschluss? Dieser Elektroschock hatte garantiert hunderttausend Volt.

Gegenüber, neben Johann, sitzt Teresa und guckt Flo mit ganz plüschigen Augen an. Völlig übertrieben. Echt!

Johann brät sich ein Würstchen und erzählt atemlos vom Nachmittag, den er mit seinem Vater auf einem neuen Kletterfelsen zugebracht hat. Flo hört begeistert zu und fachsimpelt mit Johann über verschiedene Kletterübungen und Schwierigkeitsgrade. Ich strenge mich total an mitzureden, aber es will nicht klappen. Verflixt noch mal. Bei dem Thema kenne ich mich doch wirklich aus. Als wir die ersten paar Male mit unseren Eltern zum Klettern gefahren sind, war ich es doch, die sich als Erste in die Felsspalte getraut hat. Flo habe ich erst mühsam überreden müssen. Und jetzt? Außer einem blöden »Ääääh!« kriege ich nichts über die Lippen. Stattdessen sitze ich stocksteif und registriere jede kleine Berührung. Manchmal beugt Flo sich vor und dann kitzeln seine Locken an meinem Arm entlang. Manchmal dreht er sich ein bisschen, sodass seine Hüfte ganz dicht an meiner ist. Oder er stützt sich nach hinten mit den Armen ab. Seine und meine Hand liegen dann auf dem rauen Holz nebeneinander und unsere kleinen Finger berühren sich ganz leicht. Ein Kribbeln läuft meinen Unterarm hoch und macht sich dann im ganzen Körper breit. Kann es echt sein, dass Flo nichts, aber auch gar nichts davon mitkriegt?

Schlafanzug und Schwyzerdütsch

Mist! Ich weiß gar nicht mehr, wann wir ausgemacht haben, dass Teresa heute bei mir übernachtet. Ich würde jetzt lieber alleine in meinem Bett liegen und von Flo träumen. Träumen ist ja wohl erlaubt. Stattdessen hat sich Teresa neben mir eingekuschelt und hört überhaupt nicht mehr auf zu plappern.

»Das war so süüüß eben im Wald…«

Oh Mist! Wer hat gesagt, dass ich das hören will?

»…Ich bin gestolpert. Also echt gestolpert. Über so eine dicke Wurzel. Ich hab nicht bloß so getan. Und da hat er mich aufgefangen…«

»Wer? Der Waldschrat?«, frage ich.

Teresa kichert. »Nee, Flo natürlich. Er hat mich aufgefangen und am Arm festgehalten. Aber ich stand halt immer noch irgendwie wacklig und da hat er mich noch fester gehalten. So…« Teresa packt mich um die Hüfte. Am liebsten würde ich ihr auf die Finger hauen. Verflixt! Ich will mir das nicht vorstellen.

»Hat er dich geküsst?«, frage ich und hoffe sehr, dass man nicht hört, wie genervt ich bin.

Teresa quietscht auf. »Flo doch nicht! Du hast selbst gesagt, er hat mit dem ganzen Liebeskram nichts am Hut.«

»Klar!«, sage ich. Der Stein, der mir vom Herzen fällt, plumpst zum Glück lautlos. Es war ja auch nur ein ganz kleiner. Schließlich weiß keiner, außer Flo selber vielleicht, ob sich das nicht inzwischen geändert hat.

»Aber vielleicht hat sich das inzwischen geändert?«, fragt Teresa.

»Vielleicht!«, antworte ich und gähne ganz demonstrativ.