Schwarze Bio-Schafe - Wolfgang Klar - E-Book

Schwarze Bio-Schafe E-Book

Wolfgang Klar

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Beschreibung

Paul Jonas und Stijepo Bistric gemeinsamer Freund Murat Demir will in Fürth ein Bio-Restaurant eröffnen. Die Geschäftsleitung soll Pauls Lebensgefährtin Nicoletta Bottini übernehmen. Murats Frau Ada ist skeptisch gegenüber Bio-Produkten. Ist, wo Bio drauf steht, auch tatsächlich Bio drin? Paul und Stijepo holen Informationen über die Bio-Branche ein. Nach einer Demo gegen Greenwashing sprechen sie mit der Organisatorin der Veranstaltung und erhalten von ihr den Auftrag, auf einem Bio-Hof undercover zu ermitteln. In das Ermittler¬team sind auch ihre Frauen, Danijela und Nicoletta, eingebunden. Auf den ersten Blick erscheint der Hof mustergültig, aber dann treten doch die ersten Ungereimtheiten auf.

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Seitenzahl: 239

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Buch

Paul Jonas‘ und Stijepo Bistrić‘ gemeinsamer Freund Murat Demir will in Fürth ein Bio-Restaurant eröffnen. Die Geschäftsleitung soll Pauls Lebensgefährtin Nicoletta Bottini übernehmen. Murats Frau Ada ist skeptisch gegenüber Bio-Produkten. Ist, wo Bio drauf steht, auch tatsächlich Bio drin? Paul und Stijepo holen Informationen über die Bio-Branche ein. Nach einer Demo gegen Greenwashing sprechen sie mit der Organisatorin der Veranstaltung und erhalten von ihr den Auftrag, auf einem Bio-Hof undercover zu ermitteln. In das Ermittlerteam sind auch ihre Frauen, Danijela und Nicoletta, eingebunden. Auf den ersten Blick erscheint der Hof mustergültig, aber dann treten doch die ersten Ungereimtheiten auf.

Der Autor

Wolfgang Klar, Jahrgang 1957, wohnhaft im Landkreis Fürth. Neben seinem Interesse an Fotografie hat er ein besonderes Faible für kroatische Geschichte und Kultur.

1987 wurde er Mitglied der Fürther Freimaurerloge „Zur Wahrheit und Freundschaft“.

Schwarze Bio-Schafe ist sein sechster Band, in dem das Duo Jonas/Bistrić ermittelt.

Inhalt

Prolog

1 Jonas und die neuen Perspektiven

2 Bistrić im Südmarkt

3 Jonas, der Metzger und der Schäfer

4 Bistrić demonstriert

5 Jonas‘ Auftrag

6 Planungen bei Familie Bistrić

7 Jonas bewirbt sich

8 Betriebsprüfer Bistrić

9 Jonas auf Besichtigungstour

10 Bistrić inspiziert

11 Schreiner Jonas

12 Überraschung für Bistrić

13 Jonas kocht

14 Bistrić‘ zweite Inspektion

15 Jonas‘ Idee

16 Bistrić und die Aufzeichnung der Wanze

17 Jonas als Metzgergehilfe

18 Bistrić fotografiert

19 Jonas‘ Metzgerprüfung

20 Bistrić und die Lieferanten

21 Jonas outet sich

22 Bistrić auf Beweissuche

23 Jonas und die Zarenkrone

24 Bistrić und Pauls Plan

25 Jonas‘ Elektroschocker

26 Bistrić‘ bange Stunden

27 Jonas und seine Legende

28 Bistrić und der Kriminaloberrat

29 Jonas und der Bio-Kaiser

Epilog

Fiktion und Realität

Danke!

Personenverzeichnis

Bis auf weiters

Das Messer blitzt, die Schweine schrein,

Man muß sie halt benutzen,

Denn jeder denkt: „Wozu das Schwein,

Wenn wir es nicht verputzen?“

Und jeder schmunzelt, jeder nagt

Nach Art der Kannibalen,

Bis man dereinst „Pfui Teufel!“ sagt

Zum Schinken aus Westfalen.

Der Dichter und Zeichner Wilhelm Busch (1832-1908) war ein großer Tierfreund und überzeugter Vegetarier. Bekannt ist seine Aussage: „Wahre menschliche Kultur gibt es erst, wenn nicht nur die Menschenfresserei, sondern jeder Fleischgenuss als Kannibalismus gilt.“ Er bezeichnete das Essen von Schinken als „indirektes Schweineschlachten“.

Prolog

Polen, Stare Jaroszowice, sechs Monate zuvor

Ihre Augen waren angstvoll weit aufgerissen.

Klatsch, klatsch, klatsch…!

Hart und brennend waren die Ohrfeigen, die der große, kräftige Mann mit dem brutalen Gesichtsausdruck der 28-jährigen verabreichte. Ihr Kopf flog abwechselnd von links nach rechts, was ihre langen schwarzen Haare hin und her warf. Sie schloss die Augen und wimmerte leise.

Ein Faustschlag auf den Mund ließ ihre vollen roten Lippen aufplatzen. Blut bahnte sich seinen Weg von der Lippe zum Kinn und tropfte von dort auf ihren linken Oberschenkel.

Sie stöhnte vor Schmerz und Verzweiflung.

Bewegen konnte sie sich kaum, denn Oberkörper, Arme und Unterschenkel waren mit rauen Stricken fest an den einfachen Holzstuhl gefesselt, auf dem sie – jeglicher Kleidung beraubt – saß.

„Was soll das? Womit habe ich das verdient?“ fragte sie klagend.

„Das weißt du ganz genau: Du hast bei den Bullen gesungen!“

Diese Antwort kam von einem älteren schmächtigen Mann in edlem Zwirn, der seitlich von der Frau und dem Schläger stand. Seine Augen waren kälter als Eis. Er ballte seine Rechte zur Faust und fuhr sich mit dem ausgestreckten Daumen über die Stirn.

Der Brutalo nickte dem Eiskalten zu, holte ein Messer hervor, hielt den Kopf seines Opfers an den Haaren fest und schnitt genüsslich langsam mehrmals quer über die Stirn der jungen, vor Kurzem noch bildhübschen, Frau.

Ihr langgezogener Schrei gellte durch den feuchten, kahlen Kellerraum, der nur spärlich beleuchtet war.

Der Eiskalte führte seinen Daumen über seine beiden Wangen.

Tief schnitt das Messer in die bleichen Wangen. Weitere Schreie ertönten, die schließlich in leiseres Stöhnen übergingen.

Der Daumen wanderte an die Ohren.

Zwei Schnitte schlitzten ihre Ohren auf.

Die Schmerzensschreie schienen nunmehr kein Ende nehmen zu wollen.

„Zar, habe Erbarmen, hör auf, mich zu foltern! Es tut mir leid, was ich getan habe, unendlich leid! Gnade!“

Der Eiskalte nickte und fuhr sich mit dem Daumen über die Kehle.

„Nein, nein, nein!“, schrie die Gepeinigte in höchster Todesangst und zerrte panisch an ihren Fesseln.

Dann war es fast still – nur ein leises Röcheln und Gurgeln war noch zu hören.

Aus ihrer Kehle strömte ein fingerdicker Strahl Blut. Sie wand sich wie wahnsinnig, so dass die Stricke tief in ihr Fleisch schnitten.

„Schade, war chibsches Ding. Hast es ihr ja auch gleich zweimal dieses Jahr auf daitschen Bauernhof richtig besorgt, Chef“, gab der Brutale lakonisch von sich, als sich ihr Körper nicht mehr bewegte und ihr Kopf vornüber hing. Ihre langen Haare verdeckten die grausigen Verletzungen wie ein Vorhang.

1 Jonas und die neuen Perspektiven

„Der Grund, warum ich euch zu uns eingeladen habe, ist, weil ich eine schlechte Nachricht zu überbringen habe. Ich glaube, dass man etwas Unangenehmes nach einem guten Essen besser hinnehmen kann.“

Murat Demir grinste etwas säuerlich und verlegen. Er war Inhaber des türkischen Restaurants Kemal Atatürk, in dem meine Lebensgefährtin Nicoletta als Bedienung arbeitete. Es war Montagabend, die Gaststätte hatte Ruhetag, und wir saßen in Murats Wohnung wohl gesättigt um den großen Esszimmertisch herum.

„In unserer Familie haben sich einige Veränderungen ergeben“, baute Murat den Spannungsbogen weiter auf.

Dass ihm das gelungen war, war deutlich an den erstaunten Gesichtern von Stijepo und Danijela Bistrić und an Nicolettas entsetztem Blick zu erkennen.

Murat hatte die das Ehepaar Bistriċ auch eingeladen, da beide zu seinem Freundeskreis gehörten. Zudem war Stijepo Murats Logenbruder, den ich vor zehn Jahren bei unserem ersten gemeinsamen Fall, dem Logenhausmord, kennengelernt hatte. Murat hatte uns damals wesentliche Hinweise gegeben, die schließlich zur Aufklärung des Mordes geführt hatten. Drei Jahre später hatte ich Murat bei einer Schutzgelderpressung geholfen und dabei Nicoletta kennen gelernt.

Murats Frau Ada war eine hübsche Enddreißigerin von mittlerer Größe, etwas rundlicher Figur und frech geschnittenem kurzem schwarzen Haar. Sie lächelte, aber ihre achtjährige Tochter Mara lachte lauthals heraus – vermutlich wegen unserer etwas blöden Gesichter. Die Kleine war zwar gut erzogen, aber auch ein richtiger Wirbelwind.

„Nachdem in unserem Haus die Wohnung über uns frei geworden ist, sind Adas Eltern dort eingezogen“, druckste Murat umständlich herum. „Das war ein echter Glücksfall, denn die Mieten in unseren WBG-Wohnungen sind deutlich günstiger als die auf dem freien Wohnungsmarkt.“

Ich nickte. Auch Nicoletta und ich lebten in einer dieser begehrten Wohnungen in der Kaiserstraße, die ich vor einigen Jahren nur durch die Vermittlung eines dankbaren Klienten bekommen hatte. Murats Vierzimmerwohnung lag in der Kalbssiedlung in der Fürther Südstadt, wo früher die Amis gewohnt hatten. Die Wohnung war modern, aber dennoch gemütlich eingerichtet.

„Da Adas Eltern nun in unserem Haus wohnen, können sie auch auf Mara aufpassen und Ada kann wieder im Restaurant mitarbeiten.“

Ich konnte mir vorstellen, was nun kommen würde und auch Nicoletta senkte traurig ihren Kopf. Vor Murats scheibchenweiser Schlechte-Nachrichten-Lieferung hatten wir Gemüsesuppe, Lammbraten mit Cacik, Rosmarinkartoffeln und Ofengemüse sowie als Nachtisch Joghurt mit Honig genossen. Das vorzügliche Mahl klumpte sich nun in meinem Magen zusammen. Ada und Mara strahlten dagegen über das ganze Gesicht.

„Ich bin heilfroh darüber! Mir ging das Hausfrauendasein schon lange auf den Geist“, freute sich Murats bessere Hälfte.

„Und ich auch!“, steuerte Mara begeistert bei. „Oma und Opa sind nicht so streng wie Mama und Papa.“

Murat seufzte schwer.

„So leid es mir tut: Ich muss dir deshalb leider kündigen, Nicoletta.“

Jetzt war es heraus. Der Klumpen in meinem Magen verdickte sich. Wovon sollten wir nun leben? Nicolettas Einkommen reichte gerade für das Nötigste aus, und die unregelmäßigen Einkünfte aus meiner Ein-Mann-Detektei Chamäleon waren gelinde ausgedrückt bescheiden.

„Ich denke, ihr könnt auf diesen Schock einen Raki zur Verdauung vertragen“, bot Murat an, was sowohl bei Nicoletta und mir, als auch bei Stijepo und Danijela zu einem heftigen Kopfnicken führte.

„Kopf hoch, Nicoletta!“, tröstete Danijela, während unser Gastgeber die Schnapsflasche und Gläser holte. „Bedienungen werden immer gesucht. Du findest sicher bald wieder einen neuen Job.“

„Ja, sicher!“, entgegnete Murats künftige Ex-Angestellte mit düsterer Miene. „Aber was für einen? In den meisten Gaststätten herrscht kein gutes Betriebsklima. Das war bei dir ganz anders, Murat. Ich wäre bis zu meiner Rente bei dir geblieben.“

„Du hast recht, Nicoletta!“, bestätigte Murat, während er den Raki eingoss. „Gute und vor allem motivierte Mitarbeiter zu finden, ist schwer. Aber trinken wir erst einmal – Prost!“

Der Schnaps löste meinen Magenklumpen etwas.

„Ihr wohnt doch in der Kaiserstraße. Kennt ihr die Gaststätte Zum Deutschen Kaiser bei der Heinrichskirche – die mit dem schönen kleinen Biergarten?“

„Soviel ich weiß, ist die seit einigen Wochen geschlossen“, entgegnete ich.

„Ja, aber sie öffnet bald wieder. Ich weiß, dass der neue Besitzer dringend einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin mit Erfahrung in der Gastronomie sucht.“

„Klingt gut!“ Aus Nicolettas Gesicht waren die größten Schatten verschwunden. „Aber was für ein Typ ist der Boss? Vermutlich ein typischer Ausbeuter. Wenig zahlen und viel fordern.“

„Ich weiß, dass das ein ganz Netter ist“, erklärte Ada grinsend. „Schließlich bin ich seit zehn Jahren mit ihm verheiratet. Und seiner Geschäftsführerin würde er sicher deutlich mehr als Mindestlohn bezahlen.“

Nicoletta strahlte, als hätte sie einen Diamantring geschenkt bekommen.

Murat grinste wie ein Smiley.

„Na, darf ich mit dir rechnen?“

Nicoletta antwortete nicht, sondern sprang auf und umarmte ihn.

„Hey, Papa ist mit Mama verheiratet. Das darfst du nicht!“, protestierte Mara.

„Ich denke, in diesem Fall kann man das schon mal tolerieren“, lächelte Ada.

Auch ich wäre Murat beinahe um den Hals gefallen. Nicoletta als Geschäftsführerin – das dürfte uns vollkommen neue finanzielle Perspektiven eröffnen!

Danijela und Stijepo applaudierten herzlich.

„Das war aber ganz schön gemein von dir, Murat!“, schalt Stijepo. „Musstest du vor deinem Angebot unbedingt Nicoletta in tiefste Verzweiflung stürzen?“

„Das sagt gerade der Richtige. Wahrscheinlich hat er das von Murat gelernt“, entgegnete die Geschäftsführerin in spe und hatte damit recht: Auch Stijepo liebte solche hinterhältigen Spielchen.

Murat und Ada gingen in die Küche und kamen mit einer Flasche Champagner und Sektgläsern zurück.

„Darauf sollten wir anstoßen!“, schlug Murat vor und köpfte die Pulle.

Ich beschloss, Murat zur Strafe etwas zu ärgern.

„Ich dachte, Moslems dürfen keinen Alkohol trinken? Erst der Schnaps – jetzt der Schampus – ts, ts, ts. Was da wohl Allah dazu sagt?“

„Das kommt auf die Auslegung an. Ich bin ein sehr moderater Moslem. Im Koran steht, dass alles, was betrunken macht, verboten ist. Aber machen uns ein Glas Raki und ein Glas Champagner betrunken?“

Murats „Auslegung des Korans“ hatte schallendes Gelächter zur Folge.

Murat erhob sein Glas.

„Trinken wir also auf das Wohl von Geschäftsführerin Nicoletta Bottini!“

Wir ließen die Gläser klingen.

Ada brachte nun Mara zu Bett, und Murat gab bekannt, welche Aufgaben er seiner Geschäftsführerin zugedacht hatte.

„Wir haben jetzt Anfang April. Am 1. Mai soll das Restaurant öffnen. Bis dahin bedienst du weiter im Kemal Atatürk zusammen mit Ada. Für die Vorbereitung auf deinen neuen Job wirst du natürlich freigestellt. Du hast freie Hand, Nicoletta, und führst das Restaurant so, als ob es dir gehören würde. Einzige Vorgabe: schwarze Zahlen. Größere Ausgaben, wie zum Beispiel für Reparaturen oder Investitionen, sprichst du jedoch mit mir vorher ab. Auch die Einstellung des Personals ist deine Sache. Sprich mal mit dem bisherigen Küchenteam der Gaststätte. Die wären froh, wenn sie zusammenbleiben könnten. Als Schankkellner könnte ich dir Paul empfehlen. Der hat sich bei seinem Einsatz während der Schutzgelderpressung hinter dem Tresen gar nicht so schlecht gemacht.“

„Aber mehr als Mindestlohn bekommt er dafür nicht. Das Lokal soll schließlich Gewinn abwerfen“, feixte meine neue Chefin.

Ich war zuerst ziemlich perplex über Murats Idee, konnte mich aber relativ schnell damit anfreunden. Der Schankkellnerjob würde uns zusätzliches Geld einspielen, das wir auf die hohe Kante legen konnten. Außerdem wurden meine Einsätze als Privatdetektiv kaum noch angefordert. Ich hoffte nur, dass Nicoletta im Laufe der Zeit keine Chefinnen-Allüren entwickeln würde, was unser harmonisches Zusammenleben trüben könnte. Mit Vorgesetzten hatte ich immer schon Probleme. Deswegen hatte ich vor vielen Jahren auch meinen sicheren Polizistenjob hingeschmissen und mich als Privatdetektiv selbstständig gemacht. Obwohl ich auf viele erfolgreiche Ermittlungen zurückblicken konnte, nagte ich wegen des Auftragsmangels meist am Hungertuch. Erst seitdem ich mit Nicoletta zusammenlebte, hatte sich meine persönliche Situation etwas gebessert. Doch es kränkte schon mein Ego, dass ich nur so wenig zu unserem Lebensunterhalt beisteuern konnte. Um Kochen, Putzen, Waschen, Bügeln kümmerte ich mich zwar – und das sogar zu Nicolettas Zufriedenheit – doch plagte mich häufig auch die Langweile, wenn ich nicht ermitteln konnte. Ich stimmte deshalb Murats Vorschlag zu, stellte jedoch die Bedingung, dass ich bei interessanten Aufträgen „Urlaub ohne Bezüge“ von meinem Job nehmen dürfte.

Murat und Geschäftsführerin Nicoletta waren damit einverstanden.

„Glaubst du, ein weiteres türkisches Restaurant rentiert sich in Fürth?“, warf Danijela ein.

„Kaum, deshalb sollen in meinem zweiten Lokal deutsche und internationale Gerichte angeboten werden – allerdings in Bio-Qualität. Die Speisekarte muss auch vegetarische und vegane Gerichte enthalten. Das liegt voll im Trend“, entgegnete Murat.

Ada kam aus dem Kinderzimmer zurück.

„Was heißt denn schon Bio?“, mischte sie sich ein. „Das ist ein Modewort und suggeriert, dass es gesund ist. Die Leute glauben, dass sie sich mit Biokost besser ernähren, aber wissenschaftliche Beweise gibt es dafür nicht. Es ist eine reine Glaubensfrage – fast wie bei einer Religion. Gut, ich kaufe auch meist Bio-Produkte, weil ich eine ökologische Landwirtschaft für wesentlich umweltverträglicher halte und die Tiere artgerecht gehalten werden. Aber stimmt das auch, was das Etikett verspricht?“

Murat holte sein Tablet, wischte und tippte etwas darauf herum und las schließlich vor:

„Der Begriff Bio-Lebensmittel ist in der EU gesetzlich definiert. Diese Produkte müssen aus ökologisch kontrolliertem Anbau stammen, dürfen nicht gentechnisch verändert sein und werden ohne Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, Kunstdünger oder Klärschlamm angebaut. Tierische Produkte stammen von Tieren, die artgerecht gemäß EG-Öko-Verordnung von 2007 gehalten werden und in der Regel nicht mit Antibiotika und Wachstumshormonen behandelt wurden. Die Produkte sind nicht ionisierend bestrahlt und enthalten weniger Lebensmittelzusatzstoffe als konventionelle Lebensmittel, dürfen aber bis zu 5 % nicht ökologisch erzeugte Zutaten enthalten.

So steht es zumindest in Wikipedia. Nur wenn diese Kriterien erfüllt sind, erhält das Lebensmittel das deutsche Bio-Siegel oder das Bio-Logo nach der EG-Öko-Verordnung. Weiter steht hier geschrieben, dass es in Deutschland eine Reihe von ökologischen Anbauverbänden gibt, deren Richtlinien zum Teil deutlich strenger sind als die der EG-Öko-Verordnung. Die Liste dieser Anbauverbände findet man in einem Link.

Du siehst, Ada, dass deine Bedenken nicht gerechtfertigt sind. Wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin. Und genau solche Lebensmittel sollen in meinem neuen Restaurant verwendet werden. Darauf musst du bei den Einkäufen achten, Nicoletta.“

Murat schien voll auf den Öko-Trip abzufahren, wenn er bereit war, eine uni-reife Vorlesung zu halten. Ich wollte ihn wieder auf den Boden der Realität zurückholen.

„Hast du auch bedacht, dass Bio-Lebensmittel wesentlich teurer sind als konventionell angebaute? Glaubst du, deine Gäste sind bereit, Mondpreise zu bezahlen?“

„Ja, es gibt viele Menschen, die das machen. Nahezu jeder größere Discounter bietet mittlerweile Bio-Lebensmittel an. Tendenz steigend. Und bei Fleisch wurden auch Kennzeichen für die Haltungsform der Tiere eingeführt, damit sich die Kunden besser orientieren können.“

„Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass es in der Bio-Branche auch schwarze Schafe gibt. Man hört doch immer wieder von Lebensmittel- oder Tierhaltungsskandalen“, warf Danijela ein.

„Wie wäre es, wenn Paul sich mal etwas in der Branche umhört? Er ist schließlich Detektiv“, schlug Ada vor.

Ich war begeistert: Endlich mal wieder etwas Beschäftigung, bei der ich zumindest ansatzweise meine Fähigkeiten einsetzen konnte. Doch als ich meinen üblichen Tagessatz nannte, machte Murat ein Gesicht, als hätte er eine akute Magen-Darm-Kolik.

„Paul, ich glaube, du kannst dir meine aktuelle Situation nicht vorstellen. Für die Renovierung des Restaurants in der Kaiserstraße habe ich einen hohen Kredit aufnehmen müssen. Außerdem hätte ich gedacht, du machst es als Freundschaftsdienst. Schließlich habe ich Nicoletta eine gut bezahlte Stelle verschafft, und auch du hast nun die Chance auf ein regelmäßiges Einkommen. Bei der Schutzgelderpressung hast du dich schließlich auch mit einer täglichen Mahlzeit im Kemal Atatürk zufriedengegeben. Das halte ich auch diesmal für angemessen.“

Murat hatte meinen wunden Punkt erwischt. Wenn ein Auftrag interessant und der Auftraggeber finanziell klamm war, ließ ich mich – wie bei der Schutzgelderpressung – auf weniger als Minimaltarif herunterhandeln. Das war ein weiterer Grund, warum meine Detektei kaum etwas einbrachte: Meine Ermittlungssucht war größer als mein Gewinnstreben. Gut, besonders interessant war der Fall „Schwarze Bio-Schafe“ zwar nicht, aber auf Grund unserer künftigen finanziellen Perspektiven gab ich mich geschlagen.

Murats Magen-Darm-Kolik schien verschwunden zu sein, denn er strahlte nun honigkuchenpferdmäßig.

„Und Stijepo könnte dich mal wieder als Co-Detektiv unterstützen“, schlug Danijela vor. „Wir haben in unserem Übersetzungsbüro zurzeit Auftragsflaute.“

Stijepo warf seiner Frau einen bösen Blick zu.

„Ja, und deshalb will ich mir auch keine weitere Arbeit aufhalsen, für den Fall, dass ich wieder einen neuen Auftrag bekomme. Wenn die Flaute länger anhält, kann auch ich bei Nicoletta als Kellner anheuern, und du darfst dich als Küchenhilfe bewerben.“

„Sieh nicht immer so schwarz, Stijepo. Wir haben erst letzte Woche den Riesenauftrag des kroatischen Ministeriums für Tourismus abgeschlossen. Die Übersetzung der Bücher für die Region Dubrovnik ins Deutsche hat so viel eingebracht, dass wir leicht drei Monate davon leben können. Außerdem wurden bereits weitere Aufträge für Bücher über andere Touristenregionen avisiert. Du ermittelst doch sonst immer so gerne.“

„Die Lust aufs Ermitteln ist mir seit dem Prä-Astronautiker-Fall im letzten Jahr vergangen. Die Toten liegen mir noch heute im Magen.“

„Tote wird es bei Pauls Auftrag wohl nicht geben. Also Stijepo, gib dir einen Ruck!“

Mein Freund verdrehte seine Augen nach oben.

„Okay, wenn’s unbedingt sein muss und Paul mich als Co-Detektiv überhaupt will.“

Natürlich wollte ich ihn, keine Frage! Wir hatten schließlich schon in fünf Fällen erfolgreich zusammengearbeitet. Doch jetzt musste ich überlegen, wo ich mit meinen Ermittlungen beginnen sollte.

„Woher beziehst du deine Lebensmittel für das Kemal Atatürk, Murat?“

„Das meiste kaufe ich in Großmärkten ein. Das Fleisch bekomme ich jedoch aus der Metzgerei Böck in der Hirschenstraße. Der Metzger lässt am Schlachthof schlachten und achtet darauf, dass es Tiere aus der Region sind. Die Lämmer kauft er bei Schäfer Lämpel, der seine Schafe am Hainberg weidet.“

„Dann werde ich mal den Metzger und den Schäfer befragen“, gab ich bekannt.

„Und ich rede mal mit dem Leiter des Südmarkts“, ergänzte mein Co-Detektiv.

Bei einem türkischen Kaffee und etwas Baklava stellte Nicoletta eine wichtige Frage:

„Wie soll das neue Restaurant heißen, Murat?“

„Hab’ noch keine Ahnung! Was meinst du?“, antwortete er.

„Wie wäre es mit Bio-Kaiser? Die Gaststätte liegt schließlich in der Kaiserstraße und der Name sagt auch etwas über ihre gastronomische Ausrichtung aus“, schlug Nicoletta vor.

Murat klatschte begeistert in die Hände.

„Ausgezeichnete Idee! Ich habe eine wirklich kreative Geschäftsführerin eingestellt.“

Wir tranken den Kaffee aus und verabschiedeten uns von Ada und Murat.

2 Bistrić im Südmarkt

Auf der Heimfahrt machte ich anscheinend auf Danijela einen missmutigen Eindruck.

„Schau’ nicht so sauer, Stijepo! Bei Nahrungsmitteln und Tierhaltung ist in unserem Land sicher einiges nicht in Ordnung. Da gibt es genug Möglichkeiten zum Betrug. Das ist Unrecht, und als Freimaurer musst du dich gegen das Unrecht wehren. Außerdem ist Murat dein Logenbruder.“

Das war Danijelas Spezialität: die ständige Erinnerung an meine Freimaurerpflichten. Auf diese Weise hatte sie mich schon mehrmals genötigt, zu ermitteln. Neben der Tatsache, dass mir das Detektivspielen jedes Mal Spaß gemacht hatte, hatten die Ermittlungen Paul und mich aber auch schon in lebensgefährliche Situationen und ins Krankenhaus gebracht. Sogar unser Sohn Marko war in Kroatien einmal von Faschisten entführt worden, weil sie uns an unseren Nachforschungen hindern wollten. In zwei Fällen unserer Detektivarbeit hatten sogar Menschen, die ich mochte, ihr Leben lassen müssen, was mich psychisch schwer belastet hatte. Aber Danijela hatte mit ihrem Argument schon recht und es war wirklich sinnvoll nachzuforschen, ob es in der Branche wirklich schwarze Bio-Schafe gab.

Am nächsten Tag stand der Besuch des Südmarkts an, zu dessen Leiter, Hannes Hartung, ich einen guten Draht hatte. Mein Nachbar, Computerfreak Thorsten Grübel, und ich holten jeden zweiten Donnerstag bei ihm Lebensmittel für die Fürther Tafel ab. Vor vier Jahren stand sein Supermarkt, der zu einer bundesweiten Kette gehörte, im Focus unserer Ermittlungen. Eine seiner Mitarbeiterinnen war Reichsbürgerin gewesen und hatte Lebensmittel, die für die Tafel bestimmt waren, vergiftet. Unser Sohn Marko hatte damals im Südmarkt gejobbt und von der Attentäterin auch eine Giftspritze verpasst bekommen, was ihm zwei Tage Krankenhausaufenthalt eingebracht, aber auch zur Aufklärung des Falls geführt hatte.

Hartung bat mich in sein Büro und servierte mir einen Kaffee.

„Wie geht es Ihrem Sohn Marko, Herr Bistrić?“, eröffnete er das Gespräch.

„Hervorragend! Er ist in seinem zweiten Ausbildungsjahr für die Kommissarlaufbahn und studiert am Campus in Sulzbach-Rosenberg, wo er auch wohnt. Auch am Wochenende bleibt er meist dort und lernt fleißig.“

„Und was führt Sie heute zu mir?“

„Wir hatten vor einigen Tagen mit ein paar Freunden eine Diskussion, ob man Bio-Produkten auch wirklich trauen kann. Wie ist sichergestellt, dass nicht schwarze Schafe unter den Produzenten Lebensmittel aus konventionellem Anbau darunter schmuggeln? Und wie sicher ist die Tierwohlkennzeichnung auf Fleischprodukten?“

„Wir Discounter müssen mit der Zeit gehen und uns an Kundenwünschen orientieren. Deshalb nehmen wir immer mehr Bio-Lebensmittel in unser Sortiment auf. In letzter Zeit kamen auch noch Lebensmittel aus der Region und Fair-Trade-Produkte dazu. Kunden, die den etwas höheren Preis nicht scheuen, gibt es genug, und die Zahl dieser Kunden steigt.“

„Ich weiß, meine Frau Danijela kauft bei Ihnen regelmäßig ein und ist auch bereit, für gute Qualität mehr zu bezahlen. Doch wie werden diese Lebensmittel kontrolliert? Und erhält bei Fair-Trade-Produkten der Produzent tatsächlich mehr Geld oder läuft das alles unter dem Begriff Greenwashing?“

„Das ist Aufgabe der Qualitätskontrolle unsers Konzerns, damit habe ich persönlich nichts zu tun. Über die Bezahlung bei Fair-Trade-Produkten weiß ich überhaupt nicht Bescheid. Aber ich weiß, dass unsere Bio-Lieferanten über das Bio-Siegel verfügen und demnach auch von Vater Staat überwacht werden. Sollten sich Verstöße gegen die strengen Verordnungen herausstellen, würden wir den Betrieb natürlich sofort aus unserem Lieferantenkreis streichen und ihn auch anzeigen.“

„Wer wählt die regionalen Lieferanten aus?“

„Unsere Regionalleitung, die auch hierfür die Qualitätskontrolle übernimmt. Ich bin stolz, dass unser Regionalmanager meinem Vorschlag gefolgt ist, Bio-Produkte von Franken Biokost in Kleingigerlashof zu beziehen. Der ökologisch arbeitende Betrieb ist schon mehrmals ausgezeichnet worden, was auch die Presse entsprechend gewürdigt hat.“

„Wie werden die Kontrollen durchgeführt? Ohne oder mit vorheriger Anmeldung?“

„Ich gehe davon aus, dass meist mit Anmeldung kontrolliert wird. Die Betriebe müssen ja vor allem schriftliche Unterlagen vorlegen, was einige Zeit benötigt. Unangemeldete Stichproben könnte ich mir nur bei Begehungen des Betriebs vorstellen, wo die Haltung der Tiere sowie die Futter- und Düngemittel kontrolliert werden.“

Ich lachte.

„Angemeldete Kontrollen – da haben die Betriebe doch genügend Zeit, ihre Unterlagen entsprechend zu schönen! Wie oft finden die Kontrollen überhaupt statt?"

Der Marktleiter zuckte ratlos mit den Schultern.

„Ich kann mich ja mal bei unserer Qualitätskontrolle erkundigen und gebe ihnen dann Bescheid. Sie haben zu Beginn unseres Gesprächs doch auch das Tierwohllabel angesprochen, auf das sich die größten Discounter geeinigt haben. Darüber kann ich Ihnen schon etwas genauer Auskunft geben. Haltungsform 1 bezeichnet die Stallhaltung mit Flächen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen. Haltungsform 2 nennt man StallhaltungPlus, die etwas mehr Platz vorsieht. Die dritte Stufe heißt Außenklima und die Haltungsform 4 Premium toppt alles. Ich drucke Ihnen mal die PDF-Datei von haltungsform.deaus. Da finden Sie auch die Fristen zur Prüfung der Betriebe.“

Hannes Hartung setzte sich an seinen Computer und kurz darauf hatte ich sieben Seiten in der Hand. Darauf waren die Kriterien der vier Haltungsformen für Masthähnchen, Putenmast, Schweine, Milchvieh, Mastrinder, Kaninchen und sogar Pekingenten aufgelistet.

Ich bedankte mich beim Marktleiter, steckte die Ausdrucke ein und verabschiedete mich.

Zuhause studierten Danijela und ich die Haltungsformen.

„So richtig überzeugt mich das alles nicht. Haltungsform 1 und 2 würde ich bei Fleisch oder Wurst nie kaufen. Die armen Schweine! Da vertraue ich doch lieber den Bio-Märkten, in deren Metzgereien ich meist einkaufe. Und was die Kontrollen angeht, bin ich auch skeptisch“, äußerte meine Holde.

„Stimmt! Ich habe den Eindruck, dass bei Kontrollen vor allem Papiere geprüft werden“, ergänzte ich.

Mir kam noch die Idee, den Wirt unseres Stammlokals Zu den sieben Schwaben anzurufen, um mich über seine Lieferanten zu erkundigen. Wie Murat kaufte er vor allem in Großmärkten ein und Fleisch – ebenfalls von regionalem Vieh – lieferte ihm seit Jahren sein Metzger aus Burgfarrnbach.

3 Jonas, der Metzger und der Schäfer

Wie telefonisch vereinbart, schlug ich kurz vor 13 Uhr bei Metzgermeister Balduin Böck in der Hirschenstraße auf.

Von der Optik her bediente er zum Teil das Klischeebild seines Berufs: groß, kräftig, kurzer Bürstenschnitt, Hände wie Schaufeln. Im krassen Gegensatz zum Bild eines Fleischers standen jedoch sein eher sanfter Händedruck, seine hellen freundlichen Augen und sein einnehmendes Lächeln.

Die Verkäuferinnen verabschiedeten sich in die Mittagspause, Böck schloss die Ladentür und bat mich in sein kleines Büro, in dem sich neben Schreibtisch, Chefsessel und Aktenschrank auch ein kleiner Tisch und zwei Stühle befanden.

„Darf ich Sie zum Mittagessen einladen? Wir haben heute Gulasch mit Nudeln auf der Tageskarte.“

Der Knabe wurde mir immer sympathischer. Sein Angebot nahm ich dankend an.

„Sie sind also ein Freund meines Stammkunden Murat Demir“, begann er die Unterhaltung, nachdem wir uns gesättigt hatten. Diese Tatsache hatte ich ihm bei der Terminvereinbarung bereits mitgeteilt.

„Richtig!“, bestätigte ich. „Und wenn Sie mal einen Privatdetektiv benötigen, sind Sie bei mir auch an der richtigen Adresse. Murat hat mich gebeten, mich mal umzuhören, wie es bei uns im Land in Sachen Bio-Lebensmittel und Tierwohl steht. Kann man den Angaben vertrauen?“

„Ich denke schon, zumindest in den meisten Fällen. Die gesetzlichen Auflagen sind streng, und wahrscheinlich möchte kein Betrieb sein Bio-Siegel riskieren.“

„Bieten Sie in Ihrer Metzgerei auch Bio-Produkte an?“

„Nein, denn Kunden, die Bio-Fleisch wollen, kaufen meist in den entsprechenden Märkten ein. Aber ich achte darauf, dass ich Tiere aus der Region schlachte. Meine Lieferanten, die ich auch persönlich kenne, kommen alle aus dem Landkreis Fürth, denn ich will diese Tierquälerei mit tagelangen Transporten durch halb Europa nicht unterstützen.“

„Wie ist sichergestellt, dass Sie auch wirklich die Tiere aus den von Ihnen ausgewählten Betrieben bekommen? Ich könnte mir schon vorstellen, dass es beim Schlachthof drunter und drüber geht, und womöglich erhalten Sie dann auch Vieh aus Südosteuropa.“

„Das ist mittels der Ohrmarken der Tiere leicht festzustellen. Geburtsort und Aufzuchtsort des Tieres sind dokumentiert.“

„Und auch für ihre Würste werden diese Viecher verwendet?“

„Zumindest für die, die ich selbst herstelle, und das ist eine ganze Menge. Gut, bei Ungarischer Salami und Schwarzwälder Schinken kann ich die Herkunft der Tiere nicht nachweisen.“

„Discounter führen mittlerweile das Tierwohllabel. Wie stehen Sie dazu?“

„Grundsätzlich positiv, denn es dient der besseren Information der Kunden. Wenn Sie eine Umfrage machen würden, bin ich sicher, dass 80 % der Befragten erklären, dass sie bereit wären, für Tierwohl-Produkte der Stufe 3 oder 4 mehr zu bezahlen. Aber was legt der Kunde dann in seinen Einkaufswagen? Wegen des Preises wählen die meisten Stufe 1 oder 2.“

„Welche Haltungsform haben Ihre Lieferanten?“

„Die sind mindestens in Stufe 3 einzuordnen. Tiere aus reiner Stallhaltung kaufe ich nicht.“

„Man hört auch immer wieder von Quälereien bei der Schlachtung.“

„Das dürfte auch eher zu den Ausnahmen gehören. Der Fürther Schlachthof hat auf jeden Fall einen guten Ruf. Die Gesellschafter der Schlachthof Betriebs GmbH sind regionale Metzger. Die Gesetzgebung zur Schlachtung ist streng. In der EU dürfen nur vorher betäubte Tiere geschlachtet werden. Die Betäubung findet mittels Bolzenschussgerät oder Stromzange statt. In sehr großen Schlachthöfen kommt auch Betäubung in mit CO2 gefüllten Kammern zur Anwendung. Auf jeden Fall ist die Betäubung für das Tier nahezu schmerzfrei. Der Stromstoß der Stromzange verursacht im Gehirn innerhalb von etwa zwei Zehntelsekunden einen Zustand, der dem eines epileptischen Anfalls beim Menschen ähnelt, bei dem Empfindungslosigkeit herrscht. Beim Bolzenschussgerät dringt der Bolzen direkt in das Gehirn des Tieres ein – Kopfschuss quasi. Und in der CO2-Kammer fallen die Tiere nach wenigen Atemzügen bewusstlos um. Übrigens wird die gesamte Schlachtung, vom Stall bis zur Zerlegung des Tieres in zwei Hälften, von Kameras überwacht und aufgezeichnet. Die Video-Überwachung des Stalls findet sogar rund um die Uhr statt. Auch die Hygienevorschriften sind streng: EU-Schlachthöfe dürfen nur mit reinweißer Kleidung – also Kittel, Hose, Stiefel – und Kopfbedeckung betreten werden.“

Ich schluckte und versuchte die Gedanken zu verscheuchen, die mir bei der Vorstellung der Betäubungsmethoden gekommen waren. Sollte ich doch besser Vegetarier werden? Aber Schnitzel, Schäufele, Leberkäs und Stadtwurst gehörten nun mal zu meinen Leibspeisen.

„Und die Lämmer für Herrn Demirs Restaurant werden vermutlich auch am Fürther Schlachthof geschlachtet?“