Schwerkraftzeit - Carolyn J. Cherryh - E-Book

Schwerkraftzeit E-Book

Carolyn J. Cherryh

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Auf der Suche nach dem Glück

Im 24. Jahrhundert nach Christus ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat das Sonnensystem besiedelt. Vor allem der Asteroidengürtel lockt die großen Firmen der Erde mit seinen Rohstoffen. Für private Prospektoren, sogenannte Sheperds wie Bird und Ben, die das große Glück suchen, sind die schier übermächtigen Konzerne kaum bezwingbare Gegner. Die beiden lernen schnell, dass sie für ihre Freiheit kämpfen müssen – aber haben sie angesichts solcher Feinde überhaupt eine Chance?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 646

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



C. J. CHERRYH

 

 

 

SCHWERKRAFTZEIT

 

Roman

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Titel der Originalausgabe
HEAVY TIME
Aus dem Amerikanischen von Rosemarie Hundertmarck
Überarbeitete Neuausgabe Copyright © 1991 by C. J. Cherryh Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH Neumarkter Str. 28, 81673 München Covergestaltung: Das Illustrat Satz: Thomas Menne
ISBN 978-3-641-19942-5V002
www.penguinrandomhouse.de

Das Buch

Im 24. Jahrhundert nach Christus ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat das Sonnensystem besiedelt. Vor allem der Asteroidengürtel lockt die großen Firmen der Erde mit seinen Rohstoffen. Für private Prospektoren, sogenannte Sheperds wie Bird und Ben, die das große Glück suchen, sind die schier übermächtigen Konzerne kaum bezwingbare Gegner. Die beiden lernen schnell, dass sie für ihre Freiheit kämpfen müssen – aber haben sie angesichts solcher Feinde überhaupt eine Chance?

 

 

 

 

Der Autor

Caroline Janice Cherryh, geboren am 1, September 1942 in St. Louis, Missouri, wuchs in Oklahoma auf und begann im Alter von zehn Jahren mit dem Schreiben von Science-Fiction-Geschichten, als ihr die Handlung ihrer Lieblingsserie »Flash Gordon« nicht mehr gefiel. Sie machte ihren Universitätsabschluss in Archäologie, Mythologie und Ingenieursgeschichte. Mitte der Sechzigerjahre unterrichtete sie Latein und Altgriechisch an der John Marshall High School in Oklahoma. In den Ferien schrieb sie Romane, die auf der antiken Mythologie und Geschichte beruhten. 1976 wurden ihre ersten beiden Romane veröffentlicht und legten den Grundstein für ihre erfolgreiche Karriere als Schriftstellerin, in der sie mehrfach mit dem Hugo-Award ausgezeichnet wurde. Sie lebt mit ihrer Frau im Bundesstaat Washington in den USA.

 

 

 

 

 

www.diezukunft.de

1. Kapitel

 

Es war ein einsamer Ort, diese ferne Tiefe des Gürtels, ein Ort, wo die Dinge, wenn sie schiefgingen, schlimm schiefgingen. Und das einsamste Geräusch von allen war dieser dünne, langsame Piepton, der ein Schiff in Raumnot bedeutete.

Manchmal zeigte er sich, manchmal blieb er weg. »Das Schiff rollt«, hatte Ben gemeint, als er ihn zum ersten Mal hörte, aber Morrie Bird dachte: Es taumelt, und als Ben die wahrscheinliche Konfiguration des Objektes eingab und den Computer fragte, sagte er das auch. Er sagte es in Zahlen. Bird sah es vor seinem geistigen Auge. Wenn man dreißig Jahre damit verbracht hat, Felsbrocken zu markieren und auf die dünnen, numerischen Stimmen von Markierungen und Leitstrahlsendern und schwachen, fernen Schiffen zu lauschen, weiß man so etwas. Man kann sich das Muster so ungefähr vorstellen, bevor der Computer es zeichnet.

»Muss tot sein«, sagte Ben Pollard. Bens Gesicht hatte diesen scharfen, versessenen Ausdruck, den es bekam, wenn Ben etwas berechnete, das er sich besonders wünschte.

Ein nervöser Mann, dieser Ben Pollard. Vierundzwanzig und ehrgeizig, gebürtiger Gürtelbewohner. Das ASTEX-Institut hatte er erst zwei Jahre hinter sich gehabt, als er mit einem Scheck über zwanzig Tausender in der Hand zu Bird gekommen war – keine Kleinigkeit, auch wenn sein Unterhalt und sein Studium von der Versicherung seiner Mutter bezahlt worden waren. Ben hatte sich auf der Trinidad eingekauft und war Birds Computermann geworden. Und zu einer Zeit, als viele Anfänger ganz schlimm unter Einbildung litten und etwas für nichts erwarteten, erschöpfte Ben doch tatsächlich die Geduld eines alten Mannes mit seinem »Noch einen Versuch« und »Bird, ich habe da einen weiteren Gesichtspunkt« …

Bei diesem Notsignal war es überhaupt nicht schwer, Bens private Berechnungen zu erraten. Ben stellte sich die gleichen Fragen, die sich ein alter Mann auf dem Grunde seiner verpfändeten Seele stellte: Wie weit ist es? Wer ist da draußen in Schwierigkeiten? Sind sie am Leben? Und … Was sagt das Bergungsrecht?

Also riefen sie Basis und berichteten Mama, sie hätten einen Mayday. Habe sie das Signal gehört?

Basis hatte es nicht gehört. Das war einigermaßen merkwürdig. Die Geosynchronisierer über dem Schwerkraftschacht hatten es nicht gehört, und das ECSAA-Insystem hatte es nicht aus all den Pieptönen und Echos der Markierungen und Schiffe im Gürtel herausgefiltert. Basis nahm sich etwas Zeit zum Nachdenken, genehmigte einen Kurs und gab ihnen neue Sektor-Pläne, mit denen Mama außerordentlich knauserig war. Mama sagte: »Funkverkehr genehmigt« und »Gehen Sie mit Vorsicht vor. Viel Glück, Zwei Zwanzig-neun Tango.«

Unheimlich, dass Basis dieses Signal nicht gehört hatte – dass sie behauptete, es sei ein leerer Sektor. Also war jemand sehr weit von seinem Kurs abgekommen. Bird lag oft wach und dachte an all die Namen, die er kannte, an Menschen, die in diesem Augenblick hier draußen sein konnten – gute Freunde darunter. Und er fragte sich, was passiert sein konnte und wann. Felsbrocken werfen zuweilen ein Signal als Echo zurück. Verlorengegangene Schiffe können sehr verlorengehen. Dieser Sender musste der Standard-Typ mit fünf Watt sein, aber ein sterbender Sender ist unter Umständen irreführend – und gewinnt kurz vor dem Erlöschen eine wahrhaft furchterregende Signalstärke, worüber man sich auch seine Gedanken machen konnte, man hatte so vieles zu bedenken.

In der Regel war es so, dass Basis die Bahnen von allem, was sich hier draußen bewegte, verfolgte. Wenn das Funkgerät eines Raumfahrers versagte, gab er ›Mayday‹ mit dem Notsender und wartete, bis Mama ihm klare Anweisungen gab, wie sie ihn herausholen werde – er erwartete nicht, dass ihm jemand nachkam. Heutzutage tanzte niemand mehr aus dem ihm zugewiesenen Sektor hinaus, ohne dass Mama den Kurs bestätigte, und niemand benutzte ein Funkgerät für ein Ferngespräch mit Freunden. Verlauft ihr euch im Dunkeln, kleine Raumfahrer, haltet ihr euch genau an die Vorschriften und schreit, damit Mama auf euch aufmerksam wird.

Genau das tat dieses geisterhafte Signal, jawohl, aber Mama hatte es nicht gehört … und sie hätte es hören müssen. Mama sagte, es könne ein ganz schwaches Signal sein – sie ließen Berechnungen über den Doppler-Effekt durchlaufen, um dem nachzugehen … Mama behauptete, sie habe es nicht gehört, außer durch die Trinidad als Relais, und danach müsse es nahe sein.

Oder aber, sagte Mama, ihr Empfang habe ein technisches Problem, was, einmal drauflosgeraten, eine Macke in der Software bei den großen Parabol-Antennen bedeuten mochte. Über solche Dinge sprach Mama jedoch nicht mit Erzsuchern.

Mit armen Schweinen von Erzsuchern sprach Mama auch über eine Menge anderes nicht.

Mitten in Birds Wache wachte Ben auf und fragte: »Du erinnerst dich an diese Piraten?«

»Ja.« Bird wartete einen Servo-Monitor. Er zog eine Schraube fest und setzte hinzu: »Ich habe Karl Nouri gekannt.«

»Du machst Witze.«

»Das ist erst zwanzig Jahre her. Zum Teufel, ich habe mit ihm getrunken. Ein netter Kerl. Er und sein Partner.«

Das beeindruckte Ben, und ob! Er rutschte in seinen Ge-1-Kreisel zurück und stellte ihn wieder an. Aber nach einer Weile schaltete Ben ihn von neuem ab, stieg heraus, zog seinen Stim-Anzug und seinen Overall an und setzte sich zum Frühstück, unrasiert und trübäugig.

Ein Mann schämt sich vor sich selbst, wenn er den Schlaf eines so jungen Burschen stört.

Aber die Erinnerung an Nouri ließ auch Bird keine Ruhe finden.

Gegenwärtig wurden im Gürtel von niemandem Schiffe überfallen. Die Company hatte Nouri und seine Partner ausgelöscht, zwei von ihnen in die Hölle speditiert, die sie verdienten. Hatten sie doch Helfer mit einem falschen Notsignal herbeigelockt, die Mannschaften getötet, die Logs nach wertvollen Funden und die Schiffe nach verwendbaren Teilen ausgeplündert …

Nouris Taktik hatte funktioniert, eine Zeitlang – bis Leute misstrauisch wurden und zu fragen begannen, wieso Nouri und seine Freunde soviel Glück hatten, dass sie immer mit einem Fund zurückkamen, ihre Ausrüstung nie versagte, ihre Schiffe so wenig Treibstoff verbrauchten. Sorgfältige Wartung, behauptete Nouri immer wieder. Sie machten das selbst. Sie waren gut in ihrer Arbeit.

Aber ein argwöhnischer Company-Polizist hatte die Nummern von Teilen auf Nouris Schiff überprüft und, wie Bird sich erinnerte, einen Verdichter gefunden, einen verdammten 50-Dollar-Verdichter mit einer Seriennummer, die sich zum Schiff des armen Wally Leavitt zurückverfolgen ließ.

Man hatte Nouri und fünf seiner Verbündeten zur Erde gebracht, damit sie dort vor Gericht gestellt würden, weil das, so sagte man, die Vorschriften der Company verlangten. Aber viele hätten gern gesehen, dass Nouri selbst einen Spaziergang durch den Schacht machte.

In jenen Tagen war im tiefen Gürtel noch schlimmer als die Furcht das Misstrauen gewesen, mit dem jeder jeden auf der Basis ansah und dachte: Bist du einer von denen? oder … Glaubst du, ich könnte einer sein?

Etwas, worüber die Leute im Gürtel immer noch diskutierten, war die Frage, ob Jidds Pratt und Dave Marks ebenfalls schuldig gewesen seien.

Aber die Company sagte, ja. Die Company behauptete, schlagende Beweise zu haben, und warf die beiden jungen Burschen mit Nouri in einen Topf.

Danach, Teufel, hatten selbständige Erzsucher und Schlepper überhaupt keine Rechte mehr. Der Company hatte es nie gepasst, mit Unabhängigen zu tun zu haben; sie hatte ihnen ständig mehr Schwierigkeiten gemacht, sobald sie ihren Nutzen aus ihnen gezogen hatte, und die Nouri-Sache wurde der Wendepunkt. Erzsuchen auf eigene Faust gab es seitdem nicht mehr. Heutzutage dokumentierte ein Erzsucher jedes Niesen, er meldete Big Mama genau, was er bei der Entnahme von Proben gefunden hatte, er wurde einem Metalltest unterzogen, wenn er durch den Zoll ging, und er führte akribische Log-Aufzeichnungen für den Fall, dass man ihn einer Verfehlung anklagte, ganz zu schweigen von, Gott helfe ihm, unerlaubten Operationen oder unerlaubten Handelsgeschäften. Wenn er einem Kumpel aushalf, wenn er auf der Basis Geräte oder eine Markierung oder einen Antwortsender eintauschte, notierte er das Datum und die Zeit und füllte die Formulare aus, jawohl. Er bat seinen Kumpel, für einen 50-Cent-Clip zu unterschreiben, wenn darauf eine Seriennummer stand, und der stehende (gar nicht komische) Witz lautete, die Company sei dabei, sich ein spezielles Formular für das Auswechseln von Toilettenpapier auszudenken.

Heutzutage war es illegal, wenn ein Erzsucher die eigenen Sektorpläne behielt, nachdem er angedockt hatte: Mamas Agenten kamen an Bord und löschten seinen Speicher, die Zollbeamten konnten bei ihm eine minutiöse Suche nach geschmuggelten Datenkarten durchführen, wenn sie es sich in den Kopf setzten, und er hatte kein Mitspracherecht bei dem Sektor, der ihm zugeteilt wurde, wenn er wieder hinauszog. Massentreiber bewegen sich, das liegt in ihrer Natur, ein Raumfahrer muss die vorgeschriebene Zeit in Schwerkraft verbringen, da gibt es keine Ausnahmen, und Mama schickte ihn bestimmt nicht in die Nähe des vorherigen Gebiets. Es war illegal, einen Nachbarn während einer Fahrt anzurufen. Man lebte drei Monate damit, dass man den Schweiß des anderen einatmete, zwei Männer in einem Mannschaftsraum, der fünf Meter lang und an der breitesten Stelle drei Meter breit war, man saß sich so dicht auf der Pelle und war so einsam, dass man hörte, wie die Gedanken des anderen als Echo von den Wänden zurückschallten. Aber wenn ein selbständiger Erzsucher versuchte, einen anderen anzurufen, der einen Sektor von ihm entfernt war, wurden er und sein Partner, ehe er sich dessen versah, illegaler Handelsgeschäfte angeklagt, weil es jetzt als illegal galt, sich gegenseitig Tipps zu geben, auch wenn weder Geld noch Ausrüstungsgegenstände den Besitzer wechselten. Die Company behielt sich das Recht auf solche Informationen vor; sie ging davon aus, die Erzsucher hätten ihr diese Daten verkauft, und sie könne sie mit dem Recht des Eigentümers für ihre eigenen Interessen verwenden – soll heißen, für die bei ihr angestellten Erzsucher. Niemand war sehr überrascht, als die Gerichte die Partei der Company ergriffen. Es war also nach der Interpretation der Company illegal, ein anderes Schiff anzurufen oder eine Flasche zu teilen oder sich mit Lebensmitteln auszuhelfen oder sonst einen freundschaftlichen Handel zu tätigen. Das alles hatte aufgehört, als Nouri das Handwerk gelegt wurde.

Als Bird und Ben Basis informiert hatten, sie wünschten, eines möglicherweise in Raumnot befindlichen Schiffes wegen den ihnen zugewiesenen Sektor zu verlassen, brauchte Mama eine nervenzerfetzend lange Zeit, bis sie ihnen diese Erlaubnis erteilte. GM – das Gürtel-Management – war bestenfalls ein verdrossenes Luder, und ein Selbständiger versuchte niemals, Mama zu erzählen, er handele aus reiner Menschenfreundlichkeit. Das glaubte Mama aus Prinzip nicht. Mama war misstrauisch, und Mama nahm sich die Zeit, die Dossiers eines gewissen Morris Bird und eines gewissen Benjamin Pollard und des Erzsucherschiffes Trinidad daraufhin nachzusehen, ob die Trinidad oder einer von ihrer gegenwärtigen Crew in jüngster Zeit ein auffälliges Verhalten gezeigt oder seltsame Investitionen getätigt hatte.

Sie konnten in der Zwischenzeit ihr Funkgerät benutzen, um mit dem Signal zu reden. Das würde Mama erlauben.

Und offenbar glaubte Mama schließlich, was sie hörte – die Feuerspur eines Treiberschiffes kreuzte die Pläne, die sie schickte, was einen Unfall da draußen durchaus erklären konnte, und nun brauchte man nicht mehr ganz soviel Angst zu haben, wenn man diesem Signal nachjagte. Aber für Bird und Ben war es jetzt ein bisschen zu spät zum Aussteigen; sie besaßen die Pläne, sie hatten die Situation gesehen, sie konnten sich nicht drücken, wenn Menschenleben auf dem Spiel standen, und Mama hatte den ganzen Apparatismus in Gang gesetzt, damit sie sich der Sache annahmen.

In Ordnung.

Sollte sich herausstellen, dass sie Schwierigkeiten bedeutete, konnte Mama nichts für sie tun. Mama hatte mitgeteilt, sie besitze keine Information über jemanden, der überfällig oder vom Kurs abgekommen sei, und das war verdammt merkwürdig. Der nächste Gedanke war natürlich der an das Militär – sie fragten Mama danach, aber Mama sagte nur: Negativ vom Flottenkommando.

Inzwischen piepte das Signal weiter.

Also leitete Mama einen Strahl von dem R2-8-Relais um, schickte sie auf einen Weg, der laut Mamas Plänen ein guter, sicherer Kurs war, und sie jagten das Signal mit den neuen Plänen, die Mama ihnen einspeiste, hielten unterwegs auf allen Seiten nach Felsbrocken und Nicht-Felsbrocken Ausschau – es gab eine hübsche Belohnung, wenn man einen Fehler in Mamas Plänen nachweisen konnte. Hatte man die Pläne legal in Besitz, durfte man sie bearbeiten, das stand in den Vorschriften.

Bei dieser Geschwindigkeit betete man nur zu Gott, der Fehler werde nicht direkt auf dem eigenen Kurs auftauchen.

Doch im allgemeinen herrschte in den Sektoren hier draußen die große Leere. Lange, lange Zeit gab es nichts weiter als zwei Markierungen der Company und eine von einem Selbständigen. Mamas Pläne waren unglaublich genau … ausgenommen die Quelle des Signals, das anscheinend ein schwaches Signal war. So lautete Mamas gegenwärtige wohlerwogene Meinung.

Was bedeutete, es war nahe.

Vierzehn Tage voller Nervosität, und die ganze Zeit war ihnen bewusst, dass mit deprimierend wenig Warnung aus ihnen eine große, helle Feuerkugel werden mochte.

Natürlich war es mitten beim Abendessen/Frühstück und Schichtwechsel, dass das Radar wegen etwas, das nicht auf seinen Plänen war, Blip! machte, und Bird verbrühte sich mit Kaffee.

Der Blip entsprach, als sie ihn sich auf dem Schirm ansahen, tatsächlich der Signalquelle.

»Sollen wir Mama Bescheid geben?«, fragte Ben.

Bird biss sich auf die Lippe, er dachte an Menschenleben, an Mamas berüchtigt langsame Entscheidungen, und er ließ die Vorschriften an sich vorüberziehen, die hier gelten mochten. »Warten wir, bis wir eine optische Erfassung haben. Etwas wirklich Neues gibt es ja noch nicht. Wir tun, was Mama uns gesagt hat. Es sieht aus, als könnten wir ohne ihre Hilfe bremsen. Kein großes Differential. Und im Ernst, ich will Mamas Rat nicht, wenn wir an dem Ding arbeiten. Das wird sowieso eine heikle Sache.«

»Du hast recht.« Ben stieß nervös den Atem aus, legte die Finger auf die Tasten und begann zu rechnen.

 

»Sieht aus, als wäre es mit einem Felsbrocken zusammengestoßen.« Bird zeigte auf den tiefen Schatten in der Mitte dessen, was der Außentank Nummer eins hätte sein sollen.

»Ja.« Ben war vergnügt, seit die optische Erfassung das Schiff als einen Erzsucher ausgewiesen hatte. »Es sieht gewiss nicht gesund aus.«

»Es sieht gewiss nicht gut aus. Versuchen wir es noch einmal mit einem Standfoto; vielleicht lässt sich eine Seriennummer auf diesem armen Schwein erkennen.«

»Recht hast du«, sagte Ben.

Sie krochen weiter darauf zu. Sie sandten ununterbrochen den Schiff-zu-Schiff-Ruf hinaus – die Erlaubnis hatten sie – und erhielten keine andere Antwort als diesen vom Taumeln modulierten Piepton.

Schließlich hatten sie das Schiff in ihren Scheinwerfern. Es war kein hübsches Bild.

»Ein höllischer Zusammenstoß«, murmelte Ben. »Vielleicht ein Hochgeschwindigkeitsfelsen.«

»Könnte sein. Gott, beide Tanks sind explodiert, da, siehst du? Es ist von der Seite her gerammt worden.«

»Die Leute hatten keine Chance.«

»Plötzlich. Unglücklicher Winkel. Hohe Ge-Zahl.«

»Aufschlag auf der einen Seite. Explosion auf der anderen. Vielleicht hat es sie gegen einen Felsen geschleudert.«

»Weiß nicht. Schon eins von beidem hätte genügt – Gott helfe ihnen –, vielleicht 10 ganz plötzliche Ges.«

»Ganz plötzliche Begegnung mit einem Schott. Danach kennt man das eigene Gesicht nicht wieder.«

»Sie werden gar nicht gewusst haben, wie ihnen geschah.«

»Angenommen, dieser Massentreiber hat ein Steinchen ausgestoßen?«

»Könnte sein. Kosmisches Pech in all dieser Leere. Man sagt ja, dein Name steht darauf geschrieben. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit?«

»Für diese Leute hundert Prozent.«

Eine weitere Bildaufnahme. Weiße Ziffern warfen reflektiertes Licht in die Kameras. Eine aufgemalte Seriennummer.

»Scheiße, das ist eine Einser-Nummer! Einser vierundachtzig Zebra …«

Nicht von ihrer Basis. Von außerhalb ihrer Zone. Fremde von jenseits der Grenze.

Das Taumeln brachte den Schleusenzugang in das Licht ihrer Scheinwerfer. Bird sagte: »Luke sieht aus, als sei sie in Ordnung.«

»Du wirst dir doch nicht einfallen lassen, hineinzugehen?«

»Doch.«

»Bird, um der Liebe Gottes willen, dort findest du nichts.«

»Vielleicht ist ihr Empfänger aus. Vielleicht haben sie ihre Funkeinrichtung ganz verloren. Vielleicht sind sie so verletzt, dass sie nicht antworten können.«

»Vielleicht sind sie tot. Du brauchst nicht hineinzugehen!«

»Stimmt. Aber ich werde hineingehen.«

»Ich nicht.«

»Das Bergungsrecht, Ben, mein Sohn. Ich dachte, wir seien Partner.«

»Scheiße!«

 

Es ist eine Routine-Operation für einen Erzsucher, einen Spin zu stoppen, und die meisten Felsbrocken trudeln – aber der Spin eines spindelförmigen Objektes ihrer eigenen Größe und, abgesehen von den zerrissenen Tanks, ihrer eigenen Masse war eine richtig heikle Sache.

Sie mussten den Arm und die Bürste ausfahren und ganz leichten Kontakt mit dem Ding halten, bis man die eine und die andere Bewegung abgestellt hatte, während die Gyroskope die Gierung und das Stampfen ausglichen. Und bei jedem Zünden der Düsen feuerten sie Geld hinaus. Aber Bird hatte das in mehr als dreißig Jahren unzählige Male getan und ein gewisses Fingerspitzengefühl dafür entwickelt. Ein nachschleppendes Kabel erwischte sie und jagte Ben einen höllischen Schrecken ein. Es kostete sehr viel Schweiß und eine Menge Zeit, bis sie es geschafft hatten, dass das Ding sich nicht mehr bewegte, und noch mehr Zeit, bis sie das weiße Bullauge neben der Schleuse des Fremden in ihrem Andockvisier zentriert hatten.

Nach all den vorhergegangenen Schwierigkeiten war es eine sanfte Berührung.

Greifer klickten und klirrten.

»Das wär's«, sagte Bird. »Wir haben es geschafft.«

Ein langer Atemzug. Ben sagte ehrfürchtig: »Es gehört uns.«

»Das wissen wir noch nicht.«

»Zum Teufel, es ist Bergungsgut!«

»Wir kommen gleich nach der Bank.«

»Hm-hm. Selbst wenn es allein der Company gehört, erhalten wir einen Anteil von 50%.«

»Es sei denn, drüben hat noch jemand die Kontrolle.«

»Na, dieser Jemand sieht nicht danach aus.«

»Wissen tun wir es erst, wenn wir nachgesehen haben, oder?«

»Langsam, Bird – wir müssen doch nicht dort hinein, oder? Das ist verdammt blöde.«

»Wir müssen nicht, und es ist blöde.« Bird löste seinen Gurt, schob sich vorsichtig aus seiner Stellung, tupfte einen Drehpunkt mit der Zehenspitze an und segelte zum Spind zurück. »Kommst du mit?«

Mürrisch schnallte Ben sich los und schwebte hinüber, während Bird die Anzüge hervorholte und anfing, sich anzuziehen.

Ben meckerte weiter halblaut vor sich hin. Bird konzentrierte sich auf seine Ausrüstung. Bird konzentrierte sich immer auf seine Ausrüstung, nicht darauf, wohin er wollte, nicht auf das Unerfreuliche, das er wahrscheinlich auf der anderen Seite von der Schleuse da drüben finden würde.

Und vor allem erlaubte er es sich nicht, daran zu denken, was das Bergegut auf dem Markt bringen würde.

»Fünf zu zehn, dass es ein totes Schiff ist«, sagte Ben. »Willst du wetten?«

»Der Sender kann zerstört sein. Es kann alles mögliche passiert sein. Ben, halte bloß deine Begeisterung im Zaum. Gib kein Geld aus, bevor es uns gehört.«

»In dem Schiff wird nichts als eine verdammte Schweinerei sein. Gott weiß, wie alt es ist. Vielleicht ist es noch eins von den Nouri-Wracks.«

»Das Notsignal geht noch.«

»Notsignale können so lange gehen.«

»Nicht, wenn das Lebenserhaltungssystem versagt. Höchstens sechs Monate. Außerdem hat Nouri als erstes die Energiezellen und den Treibstoff für sich genommen.«

Bens Helm trieb zwischen sie. Ben schnappte ihn sich. »Ich nehme das Stemmeisen. Ohne das werden wir nicht hineinkommen. Willst du wetten?«

Bird griff sich seinen Helm aus der Luft und setzte ihn auf. Es roch nach altem Plastik und Desinfektionsmitteln. Nach vielen, vielen Stunden und vielen, vielen scheußlich kalten Augenblicken.

Dies mochte der Beginn eines weiteren sein. Die beiden Männer quetschten sich in die Schleuse. Sie war breiter als tief und für einen Mann gedacht, und schon der konnte darin einen Anfall von Klaustrophobie bekommen.

Vielleicht war es wirklich unvernünftig, sagte sich Bird, dass sie beide die Anzüge angelegt hatten. Es konnte sogar gefährlich sein, wenn sie geschlossene Schleusen zwischen sich und betriebsfähige Systeme legten. Aber da waren sie tagelang einem Geistersignal durch den Gürtel nachgejagt, er hatte Albträume von zwei armen Teufeln, ohne auch nur zu ahnen, wer sie waren, aus seinem Gedächtnis waren sämtliche Gelegenheiten aufgestiegen, als er selbst dem Tod eben noch von der Schippe gehüpft war – und da musste er es mit eigenen Augen sehen, um die Geister zu vertreiben. Wenn er es seinen Freunden in der Basis erzählte (und er würde es ihnen erzählen), wollte er das Erlebnis ganz ausgekostet haben, und er wollte, dass sein Partner imstande war, es zu beschwören.

Vor allem aber machte es ihn ein bisschen nervös, dass sein Partner in solche Erregung über Geld geriet und darauf bestand, das Schiff gehöre ihnen.

Ganz besonders nach Nouri und dem Zusammenbruch und seit die Company so pingelig geworden war, wollte man Zeugen haben, die vor Gericht beschwören können, was man berührt und was man an Bord eines anderen Schiffes getan hat.

Bird schloss die Innenluke und drückte die Knöpfe, die den Öffnungsmechanismus in Gang setzten. Das rote Licht leuchtete auf, verkündete DRUCKSENKUNG, und die Anzeige pendelte auf Null hinunter.

»Ber-gung!«, kam Bens Stimme blechern aus dem Anzuglautsprecher. »Vielleicht ist das Schiff gar nicht ganz hin, was meinst du? Wenn diese Tanks der schlimmste Schaden sind – Teufel, das sind doch nur Behälter. So teuer werden sie nicht sein. Wir könnten eine Hypothek darauf aufnehmen, es wieder herrichten – die Bank wird ein Schiff, das noch zu reparieren ist, als Sicherheit anerkennen, oder nicht?«

»Ich finde, wir sollten lieber Obacht geben, wo wir sind. Hier hat es schon einen Unfall gegeben, also pass auf, dass keine zwei daraus werden.«

Die Anzeige sprang um auf DRUCK AUSGEGLICHEN. Ben hatte den Fuß eingestemmt und schaukelte ungeduldig zwischen den beiden Wänden hin und her. Aber man öffnet eine Schleuse niemals hastig. Sauerstoff kostet Geld. Wasser kostet Geld. Hier draußen kostet trotz all der laufenden Maschinen an Bord sogar die Wärme Geld. Man behandelt diese Pumpen und diese Siegel, als seien sie aus Gold, und wenn die Sicherungen Beinahe-Null auch als Null anerkennen und sich übergehen lassen würden, man öffnet nicht. Denn dann würde Geld hinausfließen. Das wird einem spätestens dann klar, wenn man nach der nächsten Wartung die Rechnungen präsentiert bekommt.

Die Anzeige tickte an 5 mb vorbei zum harten Vakuum, so gut es der Kompressor herstellen konnte. Ben drückte den Knopf, der die äußere Luke öffnete, die Türen zogen sich zurück und zeigten ihnen das vernarbte, vom Staub verdunkelte Gesicht der gegenüberliegenden Luke. Staub bedeckte die Anzeige für den Innendruck des Wracks. Ben säuberte sie mit dem Handschuh. »760 mb. Das Schiff ist voll! Wenigstens ist es nicht durchlöchert worden.«

Ben stieß geräuschlos mit der Brechstange gegen die Schleuse und legte seinen Helm an die Tür.

»Nada«, sagte er. »Tot da drinnen, Bird, das sage ich doch.«

»Wir werden sehen.« Bird entlieh sich das Stemmeisen und brach die Sicherungsabdeckung über dem äußeren Türgriff auf.

Nichts regte sich. Keine Energie in den Hilfssystemen des Schiffes.

»Die haben Pech gehabt«, stellte Ben fröhlich fest. »Sie sind bestimmt tot.«

Bird stemmte das äußere Liekpaneel auf. »Holst du bitte unser Kabel?«

»Ach, Scheiße, Bird.«

»Nerven?«

Ben antwortete nicht. Er schob sich zu ihrer eigenen Schleusenwand hinüber, um das Liekkabel aus seinem Gehäuse zu ziehen, und schwebte zurück. Das Kabel schlängelte sich im Licht. Bird griff sich den mit einer Muffe versehenen Stecker und schob ihn in die Lieksteckdose des Wracks. Die Hülle ruckte und vibrierte unter seinem Handschuh. »Es ist funktionstüchtig«, stellte er fest.

»Ber-gungs-gut«, erwiderte Ben mit zischenden Atemzügen.

»Gib das Geld nur noch nicht aus.«

Rhythmisches Zischen des Atems über die Anzuglautsprecher, während das Metall mit der Pumpe drinnen vibrierte. »He, Bird! Was ist ein ganzes Schiff wert?«

Ein Mann versuchte, vernünftig und verständig zu sein. Ein Mann versuchte, an die armen Teufel da drinnen zu denken, ein ehrlicher Mann brach seine Prospektor-Arbeit ab und lief tagelang zu hohen Kosten und bei großem Risiko einem Irrlichtsignal nach und versuchte, seine Gedanken auf die Rettung von Menschenleben zu richten, nicht auf die Frage, wie viel Metall dieses Schiff enthielt oder ob es funktionstüchtig war oder dass ein zweites Schiff für ihn und Ben ein gesichertes Leben bedeuten würde. Auf Raffinerie Zwei war die Liste der Leute, die ein Schiff chartern wollten, so lang, dass kein Schiff länger müßig herumsaß, als für die Wartung notwendig war.

»130 mb. 70. 30. 10.« Die Druckanzeige tickte nach unten. Das Vibrieren unter Birds Hand veränderte sich. Die Türen öffneten sich.

Glitzernde Eiskristalle drehten sich vor ihnen im matten Licht geborgter Energie. Eis bildete sich auf den Innenflächen der Schleuse – Feuchtigkeit da, wo sie nicht hingehörte.

»Sieht nicht günstig aus«, bemerkte Ben.

Bird stieß sich mit dem Zeh ab, fasste einen Griff neben den Innentüren. Sein Handschuh glitt über Eis. Ben landete neben ihm, sagte »In Ordnung«, und Bird schlug auf den Kippschalter TÜR SCHLIESSEN.

»Wird langsam gehen.« Er richtete den Blick auf den oberen Teil des Visiers, der ihm einen 360-Grad-Blick bot, und sah zu, wie sich die Außentüren des Wracks hinter ihnen mühsam schlossen.

»Bist du sicher wegen dieser Batterie?«, erkundigte sich Ben.

Bird legte den Schalter ZYKLUS 2 um. Die Pumpen vibrierten. »Ein teuflischer Augenblick, das zu fragen.«

»Bist du sicher?«

»Ich bin dreißig Jahre im Geschäft, da kannst du Gift darauf nehmen, dass ich sie überprüft habe. – Na also.«

Die Anzeige im Visier blinkte plötzlich gelb und ließ Daten in Grün abrollen. Die an der Schleusenwand glühte in einem trüben Rot auf.

»VERSEUCHUNGSSTOFFE.« Ben ließ den angehaltenen Atem zitterig ausströmen. »Es wird nicht angenehm da drinnen werden. – Bird, müssen wir unbedingt weitermachen? Im Innern lebt nichts mehr.«

»Wir sind bereits da. Könntest du in Zukunft ruhig schlafen, wenn du dich nicht überzeugt hättest?«

»Und ob ich ruhig schlafen würde, ganz ausgezeichnet würde ich schlafen! – Ich will das nicht sehen, Bird. Warum, zum Teufel, muss ich es sehen?«

»He, wir enden alle so. Kohlenstoff und Stickstoff, eine Menge H2O …«

»Hör auf, Bird!«

»Erde zu Erde. Staub zu Staub.« Die Indikatoren sagten 740/741 mb und DRUCK AUSGEGLICHEN. »Lausiger Kompressor«, stellte Bird fest und drückte den Knopf INNENTÜR ÖFFNEN. Luft entwich pfeifend an dem Druckdifferential und einem unebenen Verschluss vorbei. Die Türen scharrten langsam zurück. Das Außenmikrophon hörte es. 10° Celsius meldete Birds Helmanzeige über die Raumtemperatur. Nicht gerade mild. »Die Heizung versagt. Die Heizung versagt immer als vorletztes. Du weißt doch, was als letztes versagt, Ben, mein Sohn?«

»Das verdammte Notsignal.« Ben klapperten die Zähne – Bird war überzeugt, es lag nicht an Bens Anzugheizung. Über den Helmlautsprecher kamen Bens abgerissene Atemzüge. »Damit Mama das Wrack bergen kann. Nur sind diesmal wir die ersten. Bird, mir gefällt das nicht. Wenn nun der Kabelstecker herausrutscht?«

»Der Stecker wird nicht herausrutschen.«

»Hoffentlich, Bird!«

Die Innentüren hatten es geschafft, sich zur Hälfte zu öffnen. Bird fasste die Kante und schob sich und seinen Rucksack in das schwach erleuchtete Innere.

Ein helmloser Raumanzug trieb langsam vor ihnen dahin und wickelte sich in seine nachschleppenden Anhängsel, Kabel und einen Schlauch, wie in einen lockeren Kokon. Ein Kabel lief von seinem Batterie-Pack zur Schalttafel, einer letzten kläglichen Zuflucht: Den Insassen war Zeit genug geblieben, um zu erkennen, dass sie in Schwierigkeiten steckten, Zeit, um die Hauptbatterien und die Liekeinheit aufzubrauchen und schließlich zu diesem letzten Mittel zu greifen.

Einzelne Stücke der Ausrüstung schwebten in dem trüben Licht umher, funkelten im Licht ihrer Anzugscheinwerfer hell auf, Kabel, Clips – alles, was beim Taumeln eines Schiffes losgerissen werden konnte. Flüssigkeiten bildeten kleine Monde und Planeten.

»Eine schöne Schweinerei«, erklang Bens Stimme. »Oder etwa nicht?«

Bird fasste den Schlauch, zog sich den Anzug vorsichtig aus dem Weg und sah im Anzugschrank nach. »Ein Anzug fehlt.«

»Ich stelle das verdammte Signal ab«, sagte Ben. »In Ordnung?«

»Ja, tu das.«

Überall Zeug. Kabel. Ein kleiner Meteoritenschwarm von Werkzeug-Clips blitzte im Licht auf. Kügelchen aus Flüssigkeiten leuchteten sowohl ölig-dunkel als auch bernsteinfarben. Ein Pullover und ein einzelner Slipper tanzten und drehten sich gemeinsam wie ein Gespenst.

»Das Lebenserhaltungssystem funktioniert überhaupt nicht mehr«, stellte Ben fest. Eine Schranktür knallte in das Außenmikrophon, während Bird die Kreiselzylinder nach Insassen überprüfte. Leer. Ebenso die Dusche.

Eine Energiezelle schwebte vorbei. Ein totes Ersatzteil, vermutlich eins von der Schleuse.

Eine Flüssigkeitskugel prallte gegen Birds Visier und hinterließ eine Kette von dunkelroten Perlen.

»Komm, Bird. Lass uns hier verschwinden. Versiegeln wir das Schiff. Es ist keiner mehr da. Nur ein totes Schiff, das ist alles. Frag nicht erst, was das für eine Brühe ist, die hier herumfliegt. Die Recycling-Anlage ist kaputt.«

Treibender Schlauch. Weitere Clips. Birds Brustscheinwerfer fiel auf einen Deckenhaufen unter dem Arbeitsplatz Nummer 2. »Sieht so aus, als hätten wir einen von ihnen gefunden«, sagte Bird.

»Gott! Lass das liegen! Bird!«

»Kohlenstoff und Wasser. Nichts als Kohlenstoff und Wasser.« Bird hielt sich an der Tischkante fest und zog die Decke weg.

Die Leiche trieb an dem Sessel vorbei und rollte ins Freie. Die Decke begann mit dem Pullover zu tanzen.

Ein junger Mann in einem schmutzigen Overall. Glattes dunkles Haar und schlaffe Glieder bewegten sich in dem bisschen an Drall, den das Hervorholen ihm gegeben hatte.

Nicht viel Bart.

Bird fasste einen Ärmel, stoppte den Drall, sah ein schmutziges Gesicht, geschlossene Augen, einen offenen Mund. Die Dehydrierung hatte die Haut einschrumpfen und die Lippen aufspringen lassen.

»Fass ihn nicht an!«, protestierte Ben. »Gott, fass ihn nicht an!«

»Der Bart ist rasiert, vielleicht vor drei Tagen.«

»Gott weiß, wie lange das her ist – er ist tot, Bird. Das ist eine Leiche.«

Bird schubste den Kinnhebel auf Sensoraufnahme hinüber und befahl: »Links. Hand.«

Es wurde sehr viel mehr Wärme angezeigt als die 10° Raumtemperatur.

Nachgiebiges Fleisch.

»Das ist keine Leiche, Ben. Der Junge lebt.«

»Scheiße«, sagte Ben. Dann: »Aber die Kontrolle über dieses Schiff hat er nicht. Oder?«

 

Es dauerte lange, lange, bis die Türen sich schlossen, mit dem Bewusstlosen waren sie zu dritt in der engen Schleuse eingezwängt, die Motoren hatten nicht genug Energie und drohten, ganz zu versagen. Dann konnten sie ihre eigene Luftschleuse mit der Modus-2-Vorrangschaltung öffnen, die Luftvorräte mischen und den Druck zum Wohle ihres Passagiers aufrechterhalten. »Geh und versiegele das Schiff hinter uns«, sagte Bird. »Lass es genau so, wie es war, falls Mama Fragen stellen sollte.«

»Gott, jetzt leuchtet in unserer Schleuse VERSEUCHUNG auf! Warum, zum Teufel, haben wir keinen Transportsack? Gott, dieser Kerl ist völlig verdreckt!«

»Das nächste Mal werden wir daran denken. Nun mach schon.«

Ben fluchte, überwachte das zum Verrücktwerden langsame Schließen der Schleusentüren des Wracks, zog ihr Liekkabel heraus und drückte LUKE SCHLIESSEN auf ihrer eigenen Schalttafel. Das Einser-Schiff 84 Zebra, das immer noch an ihnen hing, versank in elektronischen Schlaf; seine letzte Batterie war so gut wie leer.

»Der Mann war ein kompletter Trottel«, murmelte Ben. »Zur Energieversorgung hätte er das Schiff an den Anzug anschließen sollen, nicht umgekehrt. Dann hätte er alle Reserven aufbrauchen können.«

»Ja, das wäre vernünftig gewesen«, stimmte Bird zu.

»Und wo ist der Partner?«

»Das weiß Gott allein. Drück auf den Knopf. Ich kann ihn nicht erreichen.«

Ben langte mit dem Arm an Bird und dem Geretteten vorbei und schlug auf den entsprechenden Schalter. Ihr eigener Kompressor lief an, zuverlässig und schnell, ein gesundes Vibrieren unter den Deckplatten.

Dann wurde die ganze Kammer rot, und ein blinkendes weißes Licht auf der Schalttafel verkündete ALARM – VERSEUCHUNG IM INNERN.

»Zum Kotzen«, stöhnte Ben.

»Das Recht hast du.«

»Ein schlechter Witz, Bird. Das Zeug ist durch die Filter eingedrungen!«

»Umgehe die Schaltung einfach. Sag dem Computer, es tue uns leid, wir könnten nicht anders.«

Ben drückte den Knopf bereits. Er beschwerte sich: »Wir brauchen keinen verdammten Leichnam, der uns die Luft versaut, ganz gleich, wie lange er braucht, um einer zu werden. – Gott, Bird, uns gehört dieses Schiff!«

»Darüber wollen wir uns hier keine Gedanken machen.« Bird spürte die leichte Bewegung in seinen Armen. Er hielt den Mann fest und dachte: Armer Teufel. Halte durch. Halte noch eine Weile durch. Wir haben dich. Du bist in Sicherheit. Er sagte zu Ben: »Er bewegt sich.«

Ben holte hörbar Atem. »Weißt du, wir könnten ihn drüben hineinstecken. Wer soll das je erfahren?«

»Ein schlechter Witz, Ben.« Das Zeichen DRUCK AUSGEGLICHEN leuchtete auf. »Lukenknopf. Komm, hilf mir, ja? Ich kann mich nicht umdrehen.«

»Wir können uns das nicht leisten, verdammt nochmal!«, schimpfte Ben. »Unser Konto zeigt ein Soll von …«

»Ben, um Gottes willen, drücke einfach den verdammten Knopf!«

Ben drückte ihn. Die Luke öffnete sich, nahm den Druck von Birds Rücken, gab ihm Platz, sich umzudrehen und den Geretteten ins Innere zu schieben. Vorsichtig ließ er den Mann los und ließ ihn treiben. Er selbst kehrte noch einmal in die Schleuse zurück und sicherte das Liekkabel in seinem Gehäuse. Dann segelte er wieder hinein und schloss die Innenluke.

Ben nahm seinen Helm ab – Ben machte ein angewidertes Gesicht, und er fluchte. Ihr Luftqualität-Alarm hatte die Warnsirene eingeschaltet und ließ die Deckenbeleuchtung flackern – so schlimm war es. Ben packte ihren Gast beim Kragen und begann ihn aus seinen Kleidern zu schälen.

Auch Bird entfernte den Helm und ließ ihn treiben, streifte die Handschuhe ab und half Ben, den Bewusstlosen bis auf die Haut auszuziehen. Sie gaben sich Mühe, nicht zu atmen, rollten den Overall und den Stim-Anzug Stückchen für Stückchen fest zusammen, um zu verhindern, dass die Sachen allzu viel mit der Luft in Berührung kamen. Bird überlegte, ob er einen Verseuchungssack holen oder alles in die Waschmaschine stecken und damit vielleicht die Reinigungsflüssigkeit für den Rest der Reise verderben solle. Die Waschmaschine war näher. Er stopfte das Zeug hinein, mit Schuhen und allem, hebelte das Türchen zu und drückte den Knopf. Der Gestank haftete an seinen bloßen Händen. Sein Anzug war mit gelben und roten Flecken bedeckt.

Eine schwache Stimme – es war nicht die Bens – protestierte unzusammenhängend. Bird drehte sich um. Ben zog gerade die Tür der Dusche auf, und der junge Mann versuchte, Widerstand zu leisten. Ben schob ihn hinein und schloss die Tür – ein Knie war im Weg, und Ben gab ihm einen Stoß. Nun schwebte ihr uneingeladener Passagier hinter der Plastikwand und schlug mit einer schwachen Faust gegen die klare Plexiglastür.

»Verdammt, sei ein bisschen vorsichtig, Ben.«

Ben zog den äußeren Verschlusshebel nach unten, hob die Abdeckung der Schalttafel neben der Tür, drückte den Probelaufknopf und hielt derweilen die Tür zu. Wasser begann zu sprühen. Wieder schlug ihr Gast mit der Faust gegen die Scheibe. Er trieb an die Wand zurück, als das Wasser ihn traf.

»Wie ist die Wassertemperatur?«

»So, wie du sie gelassen hast.«

»Ich erinnere mich nicht, wie ich sie gelassen habe. – Stell ab, Ben, er hat das Bewusstsein verloren.«

»Es schadet ihm nicht, verdammt noch mal! Wir haben genug für den Trottel geopfert, ich werde nicht in diesem Gestank leben! Es ist auch mein Geld, Bird, falls du das vergessen hast! Mein Geld haben wir ebenso hinausgepulvert wie deins, als wir diesem Knilch hinterhergelaufen sind, mit meinem Geld werden diese Filter bezahlt, und bei diesem Gestank dreht sich mir der Magen um, Bird!«

»Schon gut, schon gut. Immer mit der Ruhe.«

»Es stinkt überall!«

»Ben – sei still! Bitte, sei still! Hast du verstanden?«

Die Luftqualität-Sirene heulte immer noch. Das langte, um einen Mann verrückt zu machen. Bei dieser Fahrt war das Ergebnis gleich Null; sie hatten überhaupt kein Erz gefunden. Sie hatten nervenzerfetzende Stunden damit verbracht, die Schiffe aneinanderzukoppeln, und nun war Ben so nahe an das große Geld herangekommen, dass er es schon auf der Zunge schmeckte. Ben holte Atem. Er sah aus, als ob es ihm immer noch schwerfalle, sich zu beherrschen, und als wisse er nicht recht, solle er selbst zusammenbrechen oder etwas in Stücke schlagen.

Bird schob sich zu der Schalttafel des Lebenserhaltungssystems hin und stellte die Sirene ab. Die nun folgende Stille war ohrenbetäubend. Zu hören war nichts als die noch laufende Dusche und ihr eigenes hartes Atmen.

Ben konnte schwer arbeiten, und manchmal arbeitete er zu schwer. Das sagte sich Bird, er sagte sich, Ben sei ein verdammt feiner Partner, und der Gürtel war einsam, und die Nerven scheuerten sich blank. Zwei Männer, die monatelang in einer fünf mal drei Meter großen Blechdose zusammengepfercht waren, mussten sich gegenseitig Spielraum lassen – sie mussten, das war alles.

Mit verkniffenen Lippen, aber in vernünftigem Ton sagte Ben: »Bird, wir müssen die Anzüge abwischen. Wir müssen den Gestank beseitigen. Er wird unsere Filter lahmlegen, verdammt noch mal.«

»Das wird er nicht«, versicherte Bird ihm ruhig, aber er ging und holte die Schachtel mit den Handtüchern aus dem Schrank. Die Dusche fing mit dem Trocknen an. Der Junge schwebte darin, die Augen geschlossen. Vielleicht schlief er, vielleicht war er bewusstlos. Bird fasste nach der Tür.

Ben hielt die Klinke fest und drückte den Probelaufknopf ein zweites Mal.

»Ben«, protestierte Bird, »Ben, um Gottes willen, der Mann hat genug gehabt. Willst du ihn ertränken?«

»Ich werde nicht mit dem Gestank leben!«

Der Mann – besser gesagt, der Junge, denn er sah jünger aus, als Ben war – war gegen die Wand der Dusche getrieben worden und klebte jetzt dort. Er bewegte sich wieder, wenn auch nur schwach – und vielleicht war es feige, nicht darauf zu bestehen, dass Ben Vernunft annahm, aber in einem kleinen Schiff ist kein Platz für eine Schlägerei, und wahrscheinlich schadete es dem Jungen nicht, vielleicht tat es ihm sogar gut. Man konnte den Wasserstaub einatmen, man konnte das Reinigungsmittel trinken, ohne dass das böse Folgen hatte. Dehydriert, wie er war, konnte er ein bisschen sauberes Wasser brauchen, und so ausgekühlt, wie er gewesen war, mochte es auf diese Weise am schnellsten gehen, ihn durchzuwärmen.

Deshalb sagte Bird: »Schon gut, schon gut, Ben«, öffnete die Schachtel mit den desinfizierenden Handtüchern, fuhr sich über die Hände und die Brust und die Arme und arbeitete sich weiter nach unten vor.

»Ich kann es immer noch riechen«, behauptete Ben mit zitteriger Stimme und wischte seinen eigenen Anzug ab. »Sogar nach dem Abreiben kann ich es immer noch riechen.«

»Das ist nur das Desinfektionsmittel.«

»Nie im Leben.«

Ben ging es nicht gut, dachte Bird. Er hatte darauf bestanden, dass Ben ihn in das andere Schiff begleitete, und das war vielleicht ein Fehler gewesen. Ben war selbst noch nicht viel über zwanzig, und Ben mochte in seinem ganzen, auf einer Station verbrachten Leben noch nie wahre Einsamkeit und Angst kennengelernt haben. Und er hatte sich tagelang mit all diesem Gerede über Raumpiraten selbst verrückt gemacht.

Andererseits würden sich ein alter Dreckbuddler von der Erde und ein gebürtiger Gürtelbewohner, der gerade vier Jahre aus der Schule war, vielleicht niemals auf allen Ebenen verstehen.

Sie legten die Anzüge ab. Sie hatten drei Viertel ihres Vorrats an Handtüchern verbraucht. »Es ist wohl tatsächlich am besten, dass unser Gast in der Dusche bleibt …« – Bird hatte inzwischen in Ruhe darüber nachgedacht –, »bis wir etwas haben, wo wir ihn hineinstecken können. Seine Sachen werden in Kürze trocken sein.« Eigenhändig stellte er die Dusche noch einmal an. Er verstaute seinen Anzug und schwebte zu dem Trockner hinüber, der eben mit seinem Programm fertig wurde. Die Kleider waren ein bisschen feucht an den Nähten und rochen nach Desinfektionsmittel: Sie brauchten einen neuen Feuchtigkeitssensor für den Trockner, ebenso wie ein Dutzend anderer Dinge, die ganz unten auf Birds Liste zu ersetzender Ausrüstungsgegenstände standen. Er las die Kennzeichnung auf dem Overall. »Unser Junge hat einen Namen. Hier steht Dekker, P.«

»Das ist gut. Er hat also einen Namen. Ich möchte nur gern wissen, was seinem Partner zugestoßen ist.«

Vielleicht war es das, was Ben beunruhigte – zu viele Geschichten über Nouri und die Raumpiraten.

»Es ging ihm selbst nicht so besonders, oder?« Dekker, P. schwebte in dem Duschabteil. Gelegentlich bewegte er sich, aber nicht viel. Bird öffnete die Tür, diesmal ohne dass Ben sich einmischte, und sagte ruhig, bevor er den Arm des Mannes fasste: »Dekker, mein Name ist Bird, Morrie Bird. Mein Partner heißt Ben. Du bist in Sicherheit. Wir werden dich jetzt anziehen, damit du dich nicht erkältest.«

Dekker öffnete die Augen halb, ob er nun auf die kalte Luft oder auf die Stimme reagierte. Bird wollte ihn hinausziehen; er riss den Arm zurück. »Cory?«, fragte er. In Panik stemmte er ein Knie und eine Hand gegen den Rand der Tür. »Cory?«

»Pass auf!«, rief Ben, aber dann war es Ben, der eine lockere Rückhand ins Gesicht bekam. Dekker wurde zurückgeschleudert und stieß sich den Ellenbogen. Er setzte dazu an, sich an den beiden anderen vorbeizuschieben, aber er hatte nichts mehr übrig, weder Hebelwirkung noch Kraft. Bird blockierte seinen Fluchtweg und schlang den Arm um ihn. Danach verblasste Dekker irgendwie, er wurde ganz schlaff, murmelte: »Cory …«

»Muss der Partner sein«, meinte Bird.

»Das weiß Gott allein. Ich möchte duschen, Bird.« Ben nahm Bird den halb trockenen Overall ab und fasste Dekkers Arm. »Zum Teufel mit dem Stim-Anzug, stecken wir ihn in seinen Overall, bevor er eine Schalttafel einschlägt oder so etwas.«

»Halt du ihn nur fest«, sagte Bird. Bird fing sich den Stim-Anzug, der in der Nähe schwebte, schüttelte das elastische Material aus, entwirrte die Beine und Ärmel und nahm Dekkers Arm. »Linkes Bein, komm, Junge. Saubere Klamotten. Komm, hilf ein bisschen mit. Linkes Bein.«

Dekker versuchte zu helfen, so gut ein Mann es fertigbringt, der ständig wieder das Bewusstsein verliert. Seine Haut war von der Dusche erwärmt worden. In der Kabinenluft kühlte sie rasch ab, und Ben hatte recht: Es ist schon schwierig, sich selbst in einen Stim-Anzug hineinzuquälen, und es erwies sich als nahezu unmöglich, das bei einem von einer Ohnmacht in die andere fallenden Mann zu tun. Dekker kühlte zu schnell ab. Sie gaben es auf. Bis sie ihm den Overall angezogen und den Reißverschluss geschlossen hatten, bewegte er sich nur noch schwach und war schon wieder halb hinüber.

»Ihm geht es gar nicht gut, oder?«, sagte Ben. »Eine verdammte Verschwendung von Zeit und Kraft. Er wird sowieso abkratzen …«

»Wird er nicht«, widersprach Bird. »Gott, Ben, halte deine Zunge im Zaum.«

»Ich will nichts als duschen. Bringen wir ihn ins Bett, ja? Wir duschen, wir rufen Mama und erzählen ihr, dass wir uns ein Schiff besorgt haben!«

»Halte den Mund über das Schiff, Ben.«

Ein langer, vorsichtiger Atemzug. »Hör zu, ich bin müde, du bist müde, vergessen wir es einfach, bis wir wieder voll da sind, ja?«

»In Ordnung.« Bird, selbst in übler Laune, stieß sich ab und schwebte zu den Kreiselzylindern hoch, wobei er Dekker mitnahm. Vorsichtig drehte er sich, hielt sich fest, zog Dekker auf das offene Ende zu. »Komm, Junge, wir bringen dich ins Bett, nur sachte.«

Dekker sagte: »Cory …«

»Cory ist dein Partner?«

Dekker öffnete die Augen. Sein Blick war verschwommen. Er fasste den Rand des Kreisels, schüttelte den Kopf, wollte sich nicht hineinstecken lassen.

»Dekker? Was ist denn, Junge?«

»Cory …« Dekker gab Bird einen Schubs. »Ich will nicht. Nein!«

Ben segelte nach oben, fasste unterwegs Dekkers Kragen und trug ihn halb in den Zylinder. Dekker schlug mit Händen und Füßen um sich. Bird rollte sich herum, stieß sich ab, fasste Dekker an einem Bein. Die ganze Zeit schrie Dekker nach Cory und wehrte sich gegen beide.

»Halt ihn fest!«, sagte Ben, und Bird tat es. Er umschlang Dekker von hinten, bis Ben eine Sicherheitsleine vom Schott loshaken konnte, zurücksegelte, Dekkers Arm fasste und an ein Rohr fesselte.

»Total verrückt«, keuchte Ben. »Halt ihn bloß da fest. Ich hole noch eine Leine.«

»Das ist brutal, Ben.«

»Es wäre noch brutaler für uns alle, wenn dieser Idiot gegen die Schalttafeln schlägt. Halt ihn bloß fest, verdammt noch mal!«

Ben begab sich mit einem Überschlag zu den Vorratsschränken. Bird hielt den Atem an, umklammerte Dekkers freien Arm, klopfte ihm die Schulter und redete ihm zu: »Ist ja alles gut, Junge, ist ja alles gut, wir versuchen, dich nach Hause zu bringen. Mein Name ist Bird. Das ist Ben. Wie nennt man dich?«

Mehrere flache Atemzüge. Der Widerstand wurde zum Zittern. »Dek.«

»Das ist gut.« Wieder klopfte er ihm die Schulter. Dekkers Augen standen offen, aber Bird war sich durchaus nicht sicher, ob Dekker wusste, wo er war und was mit ihm geschah. »Halte durch, Junge.« Eine Schranktür knallte, vorn. Ben kam mit einer Rolle Klebeband hoch.

»Ich weiß nicht recht, ob wir das brauchen«, sagte Bird. »Der Junge ist nur ein bisschen durchgedreht.«

Ben ignorierte ihn und fesselte Dekkers anderen Arm an das Rohr. »Der Junge hat vollständig den Verstand verloren.« Dekker versuchte, ihn zu treten. Immerzu brabbelte er: »Cory – wo ist Cory?«

»Es hat da leider einen Unfall gegeben.« Bird fasste Dekkers Schulter. »Der Anzug ist fort. Wir haben nachgesehen. Es war niemand anders auf diesem Schiff.«

»Nein!«

»Erinnerst du dich, was geschehen ist?«

Dekker schüttelte den Kopf. Seine Zähne klapperten. »Cory.«

»War Cory dein Partner?«

»Cory!«

»He!«, sagte Ben. Er schüttelte Dekker, schlug ihm leicht ins Gesicht. »Dein Partner ist tot, Mann. Der Anzug war fort. Du bist aufgenommen worden, mein Partner und ich haben dich hier aufgenommen. Hörst du?«

Es nutzte nichts. Dekker faselte weiter von Cory, und Ben sagte: »Ich gehe nach unten und dusche. Oder, wenn du willst, dusch du zuerst.«

»Ich habe Angst, dass wir jemanden in dem Schiff zurückgelassen haben.«

»Du hast niemanden in dem Schiff zurückgelassen, verdammt noch mal, Bird. Wir werden diese Schleuse nicht noch einmal öffnen!«

»Ich bin mir nicht so sicher.«

»Du hast nachgesehen, Bird, du hast nachgesehen. Wenn es da einen Cory gegeben hat, ist er verschwunden, das ist alles. Mitsamt seinem Anzug. Wir haben für diesen Mann getan, was wir konnten. Wir haben ganze Tage auf ihn verschwendet. Wir haben für ihn unseren Treibstoff verschwendet, wir haben unser Leben für diesen Knilch aufs Spiel gesetzt …«

»Sein Name ist Dekker.«

»Mir ist es egal, ob sein Name Dekker oder Cory oder Buddha ist. Er hat den Verstand verloren, wir haben keinen sicheren Ort, an den wir ihn stecken können, wir wissen nicht, was seinem Partner zugestoßen ist, wir wissen nicht, warum Mama ihn nicht kennt, und das macht mir Sorgen, Bird, im Ernst!«

Es war logisch. Alles, was Ben sagte, war logisch. Der zweite Anzug war fort. Sie hatten die Schränke und die Kreisel durchsucht. Sie hatten kein Versteck übersehen. Aber an dieser Geschichte ergab nichts einen Sinn.

»Hörst du mich?«, fragte Ben.

»Schon gut, schon gut«, antwortete Bird. »Geh du nur duschen und gib dann unsere Daten ein. Wir müssen uns melden. Das ist Vorschrift. Wir müssen uns bei dieser Sache genau an die Vorschriften halten.«

»Hab bloß kein Mitleid mit ihm. Hörst du mich, Bird? Lass dir bloß nicht einfallen, noch einmal in dieses Schiff zurückzukehren.«

»Das werde ich nicht tun. Ist schon in Ordnung.«

Ben sah ihn verzweifelt an, rollte sich herum und stieß sich mit dem Fuß in Richtung Dusche ab.

Bird schwebte zu der Kombüse neben der Dusche hinunter, öffnete den Kühlschrank und holte eine Packung Citrisal heraus, Zitrone, Limone, so oder so schmeckte es scheußlich, aber es enthielt die Spurenelemente und Salze und einfachen Zucker.

Ihm fiel nichts Besseres ein, was er für den Mann tun konnte. Er flog zu Dekker hinüber, holte die Tube aus der Packung und hielt sie Dekker an die Lippen.

»Komm, trink. Es ist das grüne Zeug.«

Dekker nahm einen Schluck, verzog das Gesicht, wandte den Kopf ab.

»Komm, noch einen.«

Dekker schüttelte den Kopf.

Das konnte man ihm nicht verübeln, dachte Bird. Und bei null Ge wollte man ganz bestimmt nicht, dass sich jemandem der Magen umdrehte. Bird sah nach, ob die Leine oder das Klebeband zu fest saßen, und kam zu dem Schluss, Dekker werde es schon eine Weile aushalten. »Wir machen dich los, wenn dein Kopf wieder klar ist. Du bist in Sicherheit. Hörst du? Wir werden dich zur Basis zurückbringen. Zum Arzt. Hörst du?«

Dekker nickte leicht, mit geschlossenen Augen.

Erschöpft, sagte sich Bird. Er klopfte dem Mann sacht auf die Schulter. »Schlaf ein bisschen. Das Schiff ist jetzt stabil.«

Dekker murmelte etwas. Eine Zustimmung, hoffte Bird. Er zitterte vor Übermüdung, und er wünschte, sie seien der Basis ein verdammt großes Stück näher, als sie es tatsächlich waren.

Der Junge musste ganz dringend in ein Krankenhaus. Und das war mindestens einen Monat weit weg. Eine schlechte Fahrt. Und sie hatten Zeit und Geld für nichts und wieder nichts investiert. Ein halbes Jahreseinkommen, wenn man die notwendige Ausrüstung mitrechnete.

Vielleicht hatte Ben recht, und sie hatten tatsächlich einen Rechtsanspruch auf dieses Wrack – Ben war auf dem College gewesen, Ben kannte das Company-Recht und alle seine Schlupflöcher aus dem Effeff – und vielleicht lauteten die Gesetze so. Aber es gefiel Bird nicht, auf diese Weise zu denken, und ihm gefiel die Situation nicht, in die diese Fahrt sie gebracht hatte. Wenn es ein Company-Schiff war, das sie im Schlepptau hatten, und wenn sie der Company ihre Rechnungen vorlegen mussten – nun ja, dann wäre weiter nichts dabei. Aber das Wrack mit seiner billigen Ausrüstung war nicht schmuck genug für ein Company-Schiff. Das bedeutete, es gehörte einem Selbständigen, und dann stellte es das ganze Leben von irgendeinem armen Teufel dar, ob das nun Dekker war oder ein anderer. Sie mussten ihre Auslagen zurückbekommen, jawohl, soviel sie kriegen konnten, aber sollten sie einem armen Teufel alles rauben, was er besaß? Über so etwas wollte Bird nicht gern nachdenken.

Ben jedoch konnte es. Und Ben jagte ihm plötzlich Angst ein. Da arbeitete man zwei Jahre mit einem Mann in einer Blechbüchse wie dieser zusammen, und man glaubte, ihn recht gut zu kennen. Aber Gott wusste und die Erfahrung hatte es mehr als einmal gezeigt – es war einsam hier draußen, man war weit weg von der Zivilisation, und man konnte nicht ahnen, welche Macken ein Mann hatte, bis jemand den entsprechenden Knopf drückte.

2. Kapitel

 

Der alte Mann ging weg. Dekker hörte, wie er oder sein Partner sich umherbewegte. Er hörte über den Geräuschen, die die Pumpe in den Rohren neben seinem Kopf und der Ventilator machten, die Dusche laufen. Das Schiff war stabil. Er hatte gemeint, dieses Gefühl nie wieder zu erleben. Er hatte die Beleuchtung gedämpft, abgestellt, was er konnte, und alles andere in Betrieb gehalten, so gut es ging, bis die Recycling-Anlage versagte und das Wasser faulte.

Und hier war er, frei von dem Stim-Anzug, leicht wie eine Brise und verwundbar gegen die Kälte und den Mangel an Ges. Er war nicht ganz richtig im Kopf, das wusste er: Er ging den Leuten, die ihn gerettet hatten, auf die Nerven, das wusste er ebenfalls, und er versuchte, es nicht zu tun, aber sie machten ihm angst. Sie redeten davon, sein Schiff gehöre ihnen. Vielleicht brachten sie ihn um, vielleicht ließen sie ihn einfach sterben und sagten der Company, tut uns leid, wir haben es nicht verhindern können.

Vielleicht konnten sie das nicht. Vielleicht sollte er sich nicht länger sorgen. Er war müde, er hatte Schmerzen, an Körper und Seele, und das Leben kostete mehr Mühe, als er jemals wieder auf irgendetwas hatte verwenden wollen. Er hatte keine Ahnung, wie weit es bis nach Hause war und wie lange es noch dauerte. Er glaubte nicht, dass er es ertragen würde, auf der ganzen Fahrt so behandelt zu werden. Alles roch nach Desinfektionsmittel, und manchmal war es sein Schiff, und manchmal war es ihres.

Aber Cory antwortete ihm nie, wo er auch war, und von Zeit zu Zeit wusste er, dass sie nicht antworten würde.

Der alte Mann trieb wieder in sein Gesichtsfeld, steckte ihm einen Trinkhalm in den Mund und sagte ihm, er solle trinken. Dekker tat es. Das Zeug schmeckte nach Kupfer. Der alte Mann fragte ihn, was seinem Partner zugestoßen sei. Da erinnerte sich Dekker – wie hatte er es vergessen können? –, dass sie da draußen war und dass dieses Schiff da draußen war – er sah es kommen …

»Nein!«, rief er und krümmte sich, als es ihn rammte, er wusste, es würde ihn rammen, der Kollisionsalarm kreischte. Er brüllte ins Mikrophon: »Cory ist da draußen!«, weil ihm nichts anderes mehr einfiel, was er ihnen sagen konnte.

»Dein Partner ist tot!«, schrie ihn jemand an, und eine andere Stimme mischte sich ärgerlich ein: »Hör auf, Ben, verdammt noch mal! Hast du überhaupt kein Gefühl? Gib dem Jungen eine Chance. Gott!«

Er lebte immer noch, und er verstand nicht, wie er am Leben geblieben war. Er zog sich an das Funkgerät, er stemmte sich gegen den Spin, solange er die Kraft dazu hatte. »Cory!«, rief er auf der Frequenz der Anzug-Sprechgeräte, immer wieder und wieder, während das Schiff taumelte. Vielleicht antwortete sie. Seine Ohren klangen, deshalb konnte er die Ventilatoren und die Pumpen nicht hören. Aber er rief weiter ihren Namen, damit sie wusste, er lebte und suchte nach ihr, er würde irgendwie Hilfe zu ihr bringen …

Sobald er die verdammten Triebwerke zum Feuern bringen konnte.

Oder sobald er die Basis erreichte und das Schiff da draußen zwingen konnte, ihm zu antworten …

 

Ben erklärte: »Wir haben Rechte an dem Bergungsgut, ob es der Company gehört oder ein unabhängiger Erzsucher ist, das macht vor dem Gesetz keinen Unterschied. Es steht in den Vorschriften der Company, ich werde es dir zeigen …«

Bird antwortete vorsichtig, weil er wollte, dass Ben ihn verstand: »Wir werden eine Entschädigung bekommen.«

»Raumfahrtrecht seit …«

»Es gibt das Recht, und es gibt das, was recht ist, Ben.«

»Recht ist, dass das Schiff uns gehört, Ben. Dekker hatte es nicht unter Kontrolle, so ist das Recht.«

Ben ging die Puste aus. Er brüllte. Bird erwiderte ruhig und vernünftig: »Ich versuche, dir beizubringen, dass es hier eine Menge Komplikationen gibt. Regen wir uns nicht auf. Wir haben noch Wochen bis zurück zur Basis, viel Zeit, um uns dies zurechtzulegen, und wir werden darüber reden. Aber wir werden nirgendwo hinkommen, wenn wir unsere Zahlen nicht eingeben und Mama sagen, sie soll uns nach Hause holen. Und zwar schnell.«

»Also, wie viel willst du für ihn ausgeben? Den Gegenwert von Lebensmittelvorräten für einen Monat? Von Medikamenten? Wir sollen uns für diesen Knilch den Arsch aufreißen und unser Schiff riskieren?«

Bird gab ihm keine Antwort. Ihm fiel keine ein, mit der er dieses Thema hätte beenden können.

»Es ist auch mein Geld, Bird. Es ist mein Geld, das du verschwendest. Vielleicht gehört dir dieses Schiff, vielleicht habe ich nur einen Anteil, aber ich habe das Recht mitzureden.« Ben machte eine Handbewegung nach achtern, in Dekkers Richtung. »Dieser Knilch wird am Leben bleiben, oder er wird sterben. Das eine oder das andere wird er tun, bevor der Monat zu Ende ist. So sehr ich mir wünsche, ihn los zu sein, es ist nicht notwendig, dass wir uns vor Eile überschlagen – wir haben die doppelte Masse zu bewegen, Bird, und verdammt will ich sein, wenn ich die Schlinge abwerfe …«

»Schon gut, wir werden die Schlinge nicht abwerfen. Unsere nicht und seine auch nicht, wenn wir es vermeiden können.«

»Und wir werden das Schiff keinem harten Schub aussetzen. Es hat keinen Sinn, dass wir den Hals riskieren. Oder die Bolzen und die Leitungen verschleißen. Wir nennen das keine Sache auf Leben und Tod. Soviel Zeit einsparen können wir nicht. Und ich will ganz bestimmt keinem Felsbrocken auf die Weise begegnen, wie es dieser Knilch getan hat.«

Das machte mehr Sinn als vieles andere, was Ben gesagt hatte. Bird nahm es als hoffnungsvolles Zeichen und nickte. »Darin bin ich mit dir einer Meinung. Ein harter Schub könnte auch ihm mehr schaden als nützen.«

»Er wird sowieso sterben.«

»Er wird nicht sterben«, behauptete Bird. »Um Gottes willen, sei doch still, er kann dich hören.«

»Und wenn er nicht stirbt? In einem Monat hat er sich erholt, wir legen an der Station an, und er sieht gesund aus, und er sagt, aber sicher habe er das Schiff vollkommen unter Kontrolle gehabt …«

»Hör doch auf damit, Ben!«

»Ich werde Filmaufnahmen machen.«

»Tu das.« Bird schüttelte den Kopf. Er wünschte, er könne nein sagen, er wünschte, er fände einen Weg, Ben zur Vernunft zu bringen. Aber wenn eine Video-Aufzeichnung ihn glücklicher machte, Gott, warum nicht? »Wir haben den Zustand des Schiffes da draußen, wir haben das Log da drüben …«

»Pläne!«, rief Ben aus, als sei das ein ganz neuer Gedanke.

»Wir werden dieses Log nicht anrühren. Kommt nicht in Frage. Die Gesetze darüber kenne ich.«

»Davon rede ich ja nicht. Pass auf … pass auf, ich habe eine Idee.«

Eine Idee war willkommen. Bird sah zweifelnd zu, wie Ben das Zonen-Schema auf den Schirm holte. Er zeigte auf das Treiberschiff und seine Feuerspur zum Schacht, genau das, was einem Angst einjagte, wenn man nur darüber nachdachte. »Das da hat einen Arzt. Das da steht unter dem Kommando eines verdammten Company-Kapitäns. Wir bitten Mama einfach, uns ein Stückchen über die Grenze zu schicken, und dann können die da offiziell Besitz ergreifen.«

»Und ob sie das tun würden! Die Company ist kein Wohlfahrtsinstitut.«

»Es ist ein R1-Schiff! Sie sind verpflichtet, Dekker zu übernehmen. Sie haben keine Wahl. Laut Gesetz ist ein Massentreiber eine Basis; er kann uns gleich hier draußen einen Fund gutschreiben, wenn wir einen bringen, und dies ist ein Fund, oder? Das gleiche wie ein Felsbrocken. Wir übergeben das Schiff, wir bekommen Geld auf unser Konto, und wir können uns darum bewerben, zusammen mit den Schleppern des Treibers für den Rest unsere Fahrt Aufräumungsarbeiten zu übernehmen – das ist verdammt gutes Geld. Sicheres Geld. Und wir haben den besten Vorwand, der sich nur denken lässt.«

»Ben, du sprichst von einem Treiber-Kapitän. So einer ist zu überhaupt nichts verpflichtet. Willst du, dass er uns sagt, wir sollen umkehren und den Jungen zur Basis, vielleicht sogar bis nach R1 bringen, wenn er sich das in den Kopf setzt? Er kann es tun. Willst du, dass er uns sagt, er wird 84 Zebra für uns in Verwahrung nehmen – und dann seine Gebühren vor Gericht einklagt, wenn er in drei Jahren mit einer Riesenrechnung für das Abschleppen auftaucht? Wir müssen die Unkosten für diese Fahrt tragen, wir müssen schwerwiegende Fragen beantworten, weil an dieser Sache eine ganze Menge nicht stimmt, und ich möchte zu Hause auf der Basis nicht vor einem Untersuchungsausschuss stehen, wenn das ganze Beweismaterial auf einem Treiber liegt, der, soviel wir wissen, erst in drei oder vier Jahren zurückkommt. Hör auf mit deinen Gesetzen, lass uns praktisch denken!«

Ben hielt den Mund.

»Ein Treiber tut, was er will. Drei Jahre Dockgebühren, wenn wir einmal davon ausgehen, dass er seine Fahrt gerade begonnen hat. Drei Jahre Abschleppgebühren. Willst du versuchen, der Company dann noch einen Überschuss zu unseren Gunsten abzuringen? Ganz zu schweigen von dem, was es uns kostet, das Schiff zu dem Treiber hinzubringen. Wir sind so schon knapp bei Kasse. Willst du hören, dass man uns dort sagt, wir sollen mit dem Ding wieder abhauen? Dann müssten wir den Weg zweimal machen! Oder wir werden für dauernd in die Schlepper-Mannschaft eingereiht. Weißt du, was man einem unabhängigen Erzsucher für Treibstoff berechnet?«

Ben blickte bei all dem sehr ernst drein. Er biss sich auf die Lippe. »Also ist es damit nichts. Weißt du, wir könnten dem Mann einfach eins über den Kopf geben. Dann wären unser aller Probleme gelöst.«