Schwerter des Nordens - Peter Heimdall - E-Book
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Peter Heimdall

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Beschreibung

Harte Männer, epische Schlachten, Freundschaft bis in den Tod – ein grandioses Debüt!

Äußerst unzufrieden mit seinem Herrn, dem Jarl Eliwagar, beschließt der Wikingerkrieger Asbjorn, sich mit seinem Langboot dessen Rivalen Grimmson anzuschließen. Eliwagar ist nicht bereit, diesen Affront hinzunehmen. Er zwingt Asbjorns besten Freund, den Abtrünnigen zu jagen. Doch dann begeht Eliwagar einen folgenschweren Fehler, und die beiden Freunde besinnen sich darauf, dass ihr wahrer Feind der gleiche ist. Gemeinsam beschreiten sie den Pfad der Rache – und setzen Skandinavien in Flammen!

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Im Jahre 870, fast 80 Jahre nach dem Angriff der Wikinger auf das Kloster Lindisfarne im englischen Northumberland, wird Harald Hårfagre »Schönhaar« (Harald I.) König von Norwegen. Die meisten Stammesfürsten, die bisher autark über ihre Untertanen in den Dörfern und Weilern herrschten, schwören ihm die Treue. Doch einige leisten ihm erbitterten Widerstand …

Äußerst unzufrieden mit seinem Herrn, dem Jarl Eliwagar, beschließt der Wikingerkrieger Asbjorn, sich dessen Rivalen Grimmsson anzuschließen. Eliwagar ist nicht bereit, diesen Affront hinzunehmen. Er zwingt Asbjorns besten Freund, den Abtrünnigen zu jagen. Doch dann begeht Eliwagar einen folgenschweren Fehler, und die beiden Freunde besinnen sich darauf, dass ihr wahrer Feind der gleiche ist. Gemeinsam beschreiten sie den Pfad der Rache – und setzen Skandinavien in Flammen!

Autor

Peter Heimdall, geboren 1949 in der Oberpfalz, veröffentlichte seinen ersten Roman – einen Western – bereits 1974. Seitdem hat er zahlreiche weitere Romane publiziert. Er hat drei Kinder und lebt mit seiner Frau noch immer in seiner Heimat, der Oberpfalz.

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Peter Heimdall

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Roman

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Copyright © 2017 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkterstr. 28, 81673 München

Redaktion: Peter Thannisch

Umschlaggestaltung: © Johannes Frick unter Verwendung eines Motivs von Arcangel Images (© Collaboration JS)

HK · Herstellung: sam

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN 978-3-641-20480-8V001www.blanvalet.de

Prolog

Das große Feuer in der Mitte des Platzes warf zuckende Schatten in die Gesichter der Männer. Sie standen im Kreis und warteten darauf, dass Harald Hårfagre das Wort ergriff. Es waren die Stammesführer, die Harald aufgerufen hatte, um an seiner Seite gegen die Könige von Rogaland, Hordaland und Møre zu kämpfen. Diese wollte er sich unterwerfen und künftig ihre Länder beherrschen.

Es war Nacht, die Finsternis ringsum war mit Blicken kaum zu durchdringen. Der Himmel war bedeckt, und der Mond zeigte sich nur als verschwommener gelber Fleck hinter den Wolken. Lediglich dort, wo die verschiedenen Stämme lagerten, flackerten Feuer und waren verworrene Geräusche zu vernehmen. Die Stimmung war gedrückt, denn keiner der Krieger, die dort saßen, wusste, ob er den morgigen Abend noch erleben würde.

Es war die Nacht vor der großen Schlacht. Die Seher hatten einen grandiosen Sieg prophezeit. Um die Götter gnädig zu stimmen, hatte man ihnen tagsüber Menschen und Tiere geopfert, und die Krieger hofften, dass für sie die Tore von Walhall offen standen, sollten sie im Kampf fallen.

Schließlich kam Harald. Einige bärtige Männer, hochgewachsen und mit Schwertern oder Streitäxten bewaffnet, begleiteten ihn. In ihren Augen spiegelte sich der Feuerschein, und im Wechselspiel von Licht und Schatten sahen ihre Gesichter düster und maskenhaft aus.

Das leise Murmeln und Flüstern versiegte. Die Blicke aller waren auf den großen Mann mit den langen blonden Haaren gerichtet. Er blieb vor dem Stuhl stehen, der für ihn vorgesehen war, und blickte in die Runde. Er war nicht älter als zwanzig Jahre und bekleidet mit langen, gerade geschnittenen Beinlingen aus braunem Leinen, einem Rock aus rotem Stoff und einem Wolfsfell, das auf der rechten Schulter mit einer Fibel geschlossen war.

Im Kreis der Männer herrschte nun vollkommene Stille. Es waren fast zwei Dutzend, und es handelte sich nicht nur um die Stammesführer, die dem Ruf Haralds gefolgt waren, sondern auch um deren Vertraute und Stellvertreter. Sie ernteten von Harald forschende, abschätzende Blicke, erst dann setzte sich der König auf den schweren Stuhl mit den Armlehnen und der hohen Rückenlehne, welche die sitzende Gestalt überragte. Überhaupt erinnerte der Stuhl sehr an einen Thron, wenn er auch absolut schmucklos gestaltet war.

»Ihr kennt den Grund unseres Hierseins, ihr tapferen Krieger aus allen Teilen meines Reichs«, begann Harald mit lauter Stimme zu sprechen. »Jeder von euch ist über meine Pläne informiert. Ich werde dem Vorwurf entgegentreten, es würde sich kein Mann finden, der den Willen und die Kraft aufbringt, Norwegen zu einen und es zu einem starken Reich zu machen. Ihr wisst, dass ich geschworen habe, mein Haar so lange nicht zu scheren und nicht zu kämmen, bis mich ganz Norwegen als Herrscher anerkennt.«

Zustimmendes Gemurmel und Geraune erhob sich, das aber sofort wieder verstummte, als Harald die rechte Hand hob und so Ruhe gebot. »Die Könige von Rogaland, Hordaland und Møre haben sich geweigert, meine Oberhoheit anzuerkennen«, fuhr er fort, »doch ich werde sie mir unterwerfen. Die Runen haben mir einen großen Sieg in Aussicht gestellt. Den kann ich aber nur mit eurer Hilfe erringen. Diejenigen von euch, die in der Schlacht getötet werden, dürfen morgen Abend schon bei Odin in dessen Schloss in Asgard tafeln und feiern, die anderen werde ich fürstlich entlohnen. – Bekan Snorrason, tritt vor!«

Einer der Männer löste sich aus dem Kreis, machte einen Schritt und sank aufs rechte Knie nieder. »Ihr ruft meinen Namen, Herr.«

»Du warst der Erste aller Stammesführer, der mir die Treue schwor. Wenn wir morgen siegen, werde ich dir Rogaland als Lehen übertragen. Du wirst als mein Statthalter die Geschicke Rogalands und seiner Bewohner leiten, mit allen Rechten und Pflichten, die auch mir obliegen, und mir alljährlich den Tribut leisten, den ich noch bestimmen werde.«

»Danke, vielen Dank, mein König«, sagte Snorrason. »Ich weiß dies sehr wohl zu schätzen, und ich werde Euch niemals enttäuschen.« Er drückte die rechte Faust gegen die Brust und deutete eine Verbeugung an.

»Ich weiß«, sagte Harald und bedeutete Snorrason mit einer Handbewegung, sich zu erheben. »Du wirst als mein Statthalter den Titel eines Jarls tragen. In dieser Eigenschaft wirst du mir noch ein weiteres Mal den Treueid leisten. Das gilt auch für die anderen, die von mir Lehen erhalten. – Meldun Eliwagar, trete nun du nach vorn!«

Snorrason verneigte sich und ging in den Kreis der Stammesführer zurück, aus dem der Gerufene vortrat. »Mein Gebieter …« Während er die beiden Worte aussprach, sank er aufs Knie, legte die rechte Hand flach vor den Leib und senkte demütig den Kopf.

»Dir, Meldun Eliwagar, werde ich Hordaland als Lehen geben, und du wirst ebenfalls den Titel eines Jarls tragen. Ich denke, du weißt dies zu schätzen.«

»Gewiss, mein König. Ich bin mir der Ehre voll und ganz bewusst und werde Euch Gefolgschaft leisten, solange ich lebe. Habt Dank, mein König. Ich will heute noch Odin anrufen, damit er Euch zu einem ruhmreichen Sieg über unsere Feinde verhilft und letztendlich zur Herrschaft über ein geeintes Norwegen.«

»Ich bin mir deiner Treue sicher, Meldun Eliwagar«, antwortete Harald. »Und ebenso wie ich auf dich vertraue, kannst du dein Vertrauen in mich setzen. Unser Bund soll unerschütterlich sein.«

»Das ist mein Wunsch, Herr«, erklärte Eliwagar, ein Mann um die vierzig mit einem finsteren Gesichtsausdruck und einem harten Zug um den Mund, der Unduldsamkeit und Entschlossenheit verriet. In seinem Gürtel steckte eine Streitaxt, deren scharf geschliffenes Blatt den Feuerschein zurückwarf.

»Wir werden uns nach der Schlacht in Avaldsnes zum Thing treffen!«, rief Harald. »Noch ist Avaldsnes nur eine unbedeutende Ansiedlung, doch ich habe vor, sie zu meinem Königshof zu erheben. Wir wollen bei diesem Treffen das weitere Vorgehen beraten, und dort werden mir die neu ernannten Jarls und ihre Stämme die Treue schwören. – Knut Alfrothul!«

Der Gerufene trat vor und kniete nieder. »Mein König.«

»Du, Knut Alfrothul, erhältst von mir Møre zur Verwaltung. Bist du damit einverstanden?«

»Natürlich, mein König. Ihr könnt Euch meiner Treue stets gewiss sein.«

»Das weiß ich. Daher habe ich mich für dich entschieden.« Er sah in die Runde, und seine nächsten Worte galten der ganzen Versammlung. »Wir werden auch die Gebiete Hardanger, Stavanger, Telemark und Sørland erobern müssen, aber mit Eurer Loyalität ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich Norwegen unter meiner Oberhoheit geeint habe. Odin selbst hat mich berufen, Herrscher dieses Landes zu sein.« Und dann rief er laut: »Odin sei mit mir! Odin gebe mir Stärke!«

»Odin sei mit Euch!«, erklang es wie im Chor. »Odin gebe Euch Stärke!«

Als die Worte verweht waren, trat ein rothaariger, riesenhafter Mann aus dem Kreis, warf sich in die Brust und rief: »Mein König, war ich Euch nicht auch immer treu ergeben? Habe ich mich nicht ohne Zögern bereit erklärt, an Eurer Seite gegen die Könige von Hordaland, Rogaland und Møre zu kämpfen, um Eure Position im Land zu festigen und …«

Harald unterbrach den Sprecher mit klirrender Stimme: »Ich habe es befürchtet, Gunnarr Grimmsson! Ja, ich war mir sicher, dass du meine Entscheidungen infrage stellen würdest! Auf welches der Gebiete erhebst du Anspruch? Sprich! Und liefere mir auch eine Begründung für dein Begehren!«

»Ich erhebe keinerlei Ansprüche, Gebieter«, versetzte Grimmsson. »Aber ich frage mich, aus welchem Grund Ihr die Männer, die Ihr eben mit großen Gebieten bedacht und umfassenden Vollmachten ausgestattet habt, meiner Person vorzieht. Bin ich in Euren Augen weniger wert als sie? Ist Euer Vertrauen zu ihnen größer als zu mir?«

»Auch du wirst nicht leer ausgehen, Gunnarr Grimmsson. Du bist nicht weniger wert als sie, und mein Vertrauen dir gegenüber ist nicht geringer als das zu ihnen. Aber ich habe im Moment nicht mehr an Ländereien zu vergeben, und meine Wahl ist auf Bekan Snorrason, Meldun Eliwagar und Knut Alfrothul gefallen.«

»Vergebt mir meine Offenheit, mein König«, stieß Grimmsson hervor, »aber es enttäuscht mich. Und es verletzt mich.«

»Ich habe mir Gedanken gemacht, ehe ich meine Entscheidung traf«, erklärte Harald mit einer Stimme, die Verärgerung verriet. »Und so, wie ich es beschlossen habe, sei es. Wir werden weitere Schlachten schlagen und noch viele Gebiete erobern, Gunnarr Grimmsson. Dann werde ich dir das Land übertragen, das du für mich verwalten sollst, und dich zu meinem Statthalter in diesem Gebiet ernennen.«

»Dieses Versprechen empfinde ich als ausgesprochen vage, mein König.« Grimmsson trat einen weiteren Schritt vor. »Was ist, wenn es Euch nicht gelingt, die Könige von Hardanger, Stavanger, Telemark und Sørland zu besiegen?«

»Dann gehst du leer aus, Gunnarr Grimmsson. Wenn wir morgen geschlagen werden, erhalten auch Snorrason, Eliwagar und Alfrothul nicht die von mir zugesagten Gebiete. Aber über Sieg oder Niederlage zu bestimmen ist Sache der Götter, und ich werde ihren Entschluss akzeptieren, ebenso, wie du den meinen zu akzeptieren hast. Sind wir uns einig, Gunnarr Grimmsson?«

»Ich fühle mich benachteiligt, mein König. Es nagt in mir. Ja, ich fühle mich von Euch zurückgesetzt, und es wird meinem Ansehen schaden, denn man wird hinter meinem Rücken über mich spotten, und die Skalden1 werden mich in ihren Gedichten und Liedern verhöhnen.«

Ein Schatten schien sich, während Grimmsson sprach, über das Gesicht des Königs zu legen. Als der Rotbärtige endete, blickte Harald ausgesprochen finster drein, und nach kurzer Überlegung rief er: »Du hast mir Treue geschworen, Gunnarr Grimmsson, und auf diesen Eid solltest du dich besinnen! Deine Worte entspringen einer Unzufriedenheit, die ganz und gar unbegründet ist, denn ich versichere dir, dass du, sobald die Zeit reif ist, ebenso von mir bedacht wirst wie Snorrason, Eliwagar und Alfrothul. Nun füge dich! Und wage ja nicht, irgendwelche Konsequenzen, die mir schaden können, aus meiner Entscheidung abzuleiten!«

Grimmsson starrte Harald an, als wolle er den König mit seinem Blick niederzwingen. In seinen Augen glühte der Zorn, das war unübersehbar, und in seinen Mundwinkeln hatte sich ein herber Zug festgesetzt. Harald hielt dem Blick stand. Es war ein stummes Duell, das nur der Mann mit den stärkeren Nerven gewinnen konnte, und Grimmsson unterlag schließlich. Ruckartig wandte er sich ab und trat in den Kreis zurück.

Harald erhob sich und rief: »Alles, was es zu sagen gab, wurde gesagt. Mögen die Götter uns morgen in der Schlacht gnädig gesonnen sein. – Jarl Eliwagar, komm nachher in mein Zelt! Ich muss mit dir sprechen. Ihr anderen, ruht euch für den Kampf morgen aus. Odin sei mit euch!«

»Odin sei mit Euch, Gebieter!«, stieg es aus den Kehlen der Stammesfürsten und der anderen Männer, die an der Versammlung teilgenommen hatten.

Dann gingen sie auseinander, jeder suchte den Platz auf, an dem seine Krieger lagerten und Met tranken.

Meldun Eliwagar begab sich in das große Zelt des Königs, in dem in einem kleinen Steinkreis ein niedriges Feuer brannte und für Licht und Wärme sorgte.

Harald gebot dem Stammesführer, sich zu setzen, dann schickte er seine Leibwächter aus dem Zelt. Als er mit Eliwagar allein war, sagte er: »Du hast dich mir gegenüber als der Loyalste von allen erwiesen, Eliwagar. Darum betraue ich dich nun mit einer besonderen Aufgabe.«

»Ich werde sie, wenn es in meiner Macht steht, erfüllen, mein König«, versicherte der Mann mit dem finsteren Gesichtsausdruck.

»Davon bin ich überzeugt. Also höre …«

Meldun Eliwagar kehrte zusammen mit Niobjorg Bryngeror, seinem engsten Vertrauten, ins Lager zurück und begab sich zu einem Feuer, an dem fünf Männer saßen. Es waren Krieger, keiner älter als fünfundzwanzig, deren Gesichter aber bereits von einem harten, entbehrungsreichen Leben geprägt waren. Erwartungsvoll musterten sie ihren Anführer.

Eliwagar ließ sich nieder, schaute von einem zum anderen und sagte schließlich: »Der König hat mir Hordaland in Aussicht gestellt, wenn wir morgen die Schlacht gewinnen. Er wird mich zum Jarl über dieses Gebiet ernennen.«

»Und wenn wir die Schlacht verlieren?«, fragte ein breitschultriger Mann mit langen blonden Haaren und einem kurzen Bart von derselben Farbe. Obwohl er saß, war zu erkennen, dass er sehr groß war. Zudem war er ausgesprochen kräftig gebaut.

»Das sollten wir gar nicht in Betracht ziehen, Jalvaror.«

»Sollten wir nicht?«, hakte der Krieger nach, dessen vollständiger Name Jalvaror Blavorr war. »Die Könige von Rogaland, Hordaland und Møre haben ebenfalls ein großes Heer um sich versammelt, und auch ihre Männer können mit dem Schwert, der Axt und dem Speer umgehen.«

Eliwagar schüttelte entschieden den Kopf. »Ich spreche nicht mit dir über eine mögliche Niederlage, Jalvaror. Mit uns ist Odin, er bestimmt unser Schicksal, und es ist sein Wille, dass Harald Hårfagre unser Land eint. Darum werden wir siegen, und ich werde Statthalter des Königs in Hordaland sein.«

Ein anderer der jungen Krieger mischte sich ein, indem er sagte: »Und was erhalten wir als Lohn? Wir werden wieder auf unsere Höfe zurückkehren und unser Land bestellen, damit wir im Winter nicht hungern müssen. Der König erwartet von uns, dass wir für ihn sämtliche Kleinkönigreiche und Stämme Norwegens niederkämpfen, dass wir ihm zur Macht über ganz Norwegen verhelfen und dabei unsere eigenen Belange zurückstellen. In der Zeit, in der wir mit dem Schwert oder der Axt in der Hand seinen Willen durchsetzen, könnten wir in Britannien reiche Beute machen. Unsere Schiffe liegen nutzlos bei den Anlegestellen, und während wir für König Harald unser Leben riskieren, plündern andere die Schätze Britanniens. Sie werden reich sein, wir aber bleiben arm, denn von dem Ruhm, Norwegen unterworfen zu haben, können wir uns nichts kaufen. Unser Dasein bleibt ein täglicher Kampf ums Überleben, und wir werden …«

»Schweig, Asbjorn Eriksson!«, fiel ihm Meldun Eliwagar ins Wort. »Du unterstehst meinem Befehl, und mein Befehl lautet, morgen für Harald Hårfagre in den Kampf zu ziehen und – wenn es die Götter so wollen – sein Leben für ihn zu geben!«

Asbjorn war zwanzig Jahre alt und dunkelhaarig. Er trug einen Zopf, der bis über die Hälfte seines Rückens hinunterreichte. Auch sein Bart war kurz, und so entging es Eliwagar nicht, dass der junge Krieger nach der scharfen Zurechtweisung die Lippen zusammenkniff und die Mundwinkel geringschätzig nach unten zog.

»Aber Asbjorn hat recht«, ergriff Jalvaror wieder das Wort, und als Eliwagar den Blick auf ihn richtete, wich er diesem nicht aus, sondern erwiderte ihn geradezu trotzig. »Wir könnten in der Zeit, in der wir Harald Hårfagres Krieg führen, in Britannien reiche Beute machen.«

Eliwagar dachte kurz nach, dann erwiderte er: »Die Brüder Halfdan Ragnarsson, Ubba Ragnarsson und Ivar der Knochenlose bemühen sich mit zäher Verbissenheit, in Britannien Siedlungsraum zu gewinnen. Ihr Heer hat bereits die Königreiche Northumbria und East Anglia erobert, und es ist dabei, auch das Königreich Mercia einzunehmen. Sie werden es nicht dulden, wenn wir ihnen dabei in die Quere kommen. Viele kleine Heere haben schon versucht, im Fahrwasser der Brüder Beute zu machen, und sie alle wurden von ihnen vernichtet.«

»Ich spreche von Wessex«, versetzte Jalvaror. »Wessex ist bisher von der Invasion der Söhne Ragnar Lodbroks verschont geblieben. Ich weiß das von Männern, die von ihnen geschlagen und aus Britannien vertrieben nach Hause zurückgekehrt sind.«

»In Wessex regiert König Ethelred«, sagte Eliwagar ablehnend. »Er hat ein großes Heer zur Sicherung der Küste aufgestellt und gilt als ausgesprochen entschlossen. Nicht einmal die Brüder Ragnarsson und ihr verkrüppelter Bruder Ivar wagen es, ihn herauszufordern. Darum haben sie sein Reich bisher verschont.«

»Auch in Northumbria, East Anglia und im Königreich Mercia standen schlagkräftige britannische Heere, doch die Brüder haben sie besiegt«, wandte Asbjorn ein. »Darum muss König Ethelred sein Land vor allem nach Osten und Norden hin schützen, denn von dort bedrohen ihn die Ragnarssons. Seine Armee ist im Süden jedoch ziemlich schwach, und es ist seinen Soldaten wohl kaum möglich, jeden Klafter Boden der Küste zu überwachen. Es dürfte daher kaum Probleme bereiten, in Wessex einzufallen, Beute zu machen und wieder zu verschwinden, so wie wir es seit dem Überfall auf das Kloster Lindisfarne vor mehr als einem Menschenalter immer gemacht haben.«

Eliwagar befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen und antwortete schließlich: »Wir sprechen nach der Schlacht darüber. Im Moment hat die Festigung von Haralds Herrschaft Vorrang, und ich unterstütze ihn mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen. – Jalvaror, ich möchte dich unter vier Augen sprechen. Komm in mein Zelt. Und dir, Asbjorn, rate ich, niemals Harald hören zu lassen, dass du nur mit Widerwillen für seine Interessen eintrittst. Er könnte das als aufrührerisch, vielleicht sogar verräterisch betrachten, und was das heißt, brauche ich dir nicht zu sagen.«

»Asbjorn ist ein freier Mann«, ergriff Jalvaror sofort Partei für seinen besten Freund und Ziehbruder, »und als solcher darf er seine Meinung kundtun.«

»Natürlich«, stimmte Eliwagar zu, »doch sollte er vorsichtig sein in der Wahl seiner Worte.« Damit erhob sich der Stammesführer. »Begleite mich, Jalvaror. Wir haben zu reden.«

Auch Jalvaror stemmte sich in die Höhe. Er war in der Tat sehr groß, seine Schultern waren breit, und alles an ihm zeugte von Kraft und Zähigkeit. Er war durchaus ein bemerkenswerter Mann, der ein hohes Maß an Ruhe ausstrahlte und dem dennoch etwas Animalisches, Wildes anhaftete.

»Ihr anderen geht schlafen«, sagte Eliwagar. »Der Tag morgen wird hart, und nur wer ausgeruht ist, kann im Kampf bestehen.« Er nickte Jalvaror zu, drehte sich um und schritt davon in der Erwartung, dass Jalvaror ihm folgte.

Der junge Krieger wechselte mit Asbjorn einen schnellen Blick, dann setzte er sich in Bewegung.

Asbjorn stand ebenfalls auf. »Schlafen wir, damit wir morgen einen starken Arm haben und möglichst viele Feinde erschlagen können.«

Er marschierte in Richtung seines Zelts davon und kroch hinein.

Asbjorn teilte das Zelt mit dem neunzehnjährigen Hogni Bork. Er war der Bruder von Dalgrun, und sie wiederum war Jalvarors Weib, mit dem dieser zwei Kinder hatte, nämlich den fünfjährigen Ulfar und die dreijährige Ingibjorg.

Hogni hatte schon geschlafen, doch nun war er wach geworden und richtete sich auf. Obwohl ihn absolute Finsternis umgab, merkte er, dass sich Asbjorn nicht auf sein Lager legte, sondern sich an der Rückwand des Zelts zu schaffen machte. »Was tust du da?«, fragte Hogni.

Asbjorn hatte keine Zeit für lange Erklärungen, sondern stieß hervor: »Etwas passiert, das mir nicht gefallen will. Folge mir, Hogni, du musst mir gegebenenfalls den Rücken freihalten. Beeil dich!«

Hogni stellte keine weiteren Fragen, sondern warf das Fell, mit dem er sich zugedeckt hatte, zur Seite und kroch nach hinten, wo sich Asbjorn bereits ins Freie zwängte. Im Schutz der Nacht schlichen die beiden zu Meldun Eliwagars Zelt …

Meldun Eliwagar hatte ein Talglicht angezündet, das nur spärliche Helligkeit in seinem Zelt verbreitete. Der Stammesführer saß auf seinem Lager aus Zweigen und Fellen, während sich Jalvaror in der Mitte des Zelts auf ein Schaffell niedergelassen hatte, die Beine überkreuzt. Die flackernde Flamme ließ die Augen der Männer glitzern und malte düstere Schatten in ihre Gesichter.

»Dein Vater und ich sind gute Freunde, Jalvaror«, begann Eliwagar. »Er hat mir zeit seines Lebens die Treue gehalten.« Jalvaror entging nicht der lauernde Ausdruck im Blick des künftigen Jarls. »Und auch du hast dich mir gegenüber immer als loyal erwiesen. Kann ich auch künftig mit deiner Treue rechnen?«

»Warum fragst du?«

»Ein Stammesoberhaupt, das Harald den Treueid leistete, fühlt sich nach dem heutigen Abend vom König benachteiligt und hat aufrührerische Worte in den Mund genommen, was Harald als ernst zu nehmende Drohung aufgefasst hat.«

»Von wem ist die Rede? Und was waren das für Worte, dass sie den König in Unruhe versetzen?«

»Es geht um Gunnarr Grimmsson aus Skiringssal. Der König hat in der Versammlung vorhin die Länder, deren Heere wir, wenn man den Prophezeiungen der Seher glauben darf, morgen vernichtend schlagen werden, an die tüchtigsten und treuesten Stammesführer zur Verwaltung übergeben. Grimmsson hat er nicht berücksichtigt, worauf dieser dem König Konsequenzen androhte.«

»Worin könnten die bestehen?«

»Untreue, Verrat …« Eliwagar zuckte mit den Schultern. »Alles Mögliche kann im Kopf eines enttäuschten und auf Rache sinnenden Mannes vorgehen.«

»Und nun?«, fragte Jalvaror, der sich keinen Reim darauf machen konnte, weshalb Eliwagar ihm dies in einem Vieraugengespräch mitteilte. »Ich kenne Grimmsson kaum, und auch du …«

Jalvaror verstummte, als ihm Eliwagar mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort abschnitt. »Du und ich und jeder, der Harald die Treue geschworen hat, kann nicht dulden, dass jemand dem König droht. Und der König selbst verzichtet gerne auf einen Mann, dem er nicht mehr vertrauen kann. Du verstehst?«

»Ja, ich verstehe«, murmelte Jalvaror, nachdem er mehrere Male genickt hatte. »Du hast dich bereit erklärt, es zu übernehmen, ja? Und ich soll nun das Werkzeug sein, das für dich diese Aufgabe erledigt.«

»Harald will uns reich belohnen. Ich bekomme das Land Grimmssons zugesprochen, und du kannst dort als mein Statthalter fungieren, denn ich werde mich nach der gewonnenen Schlacht nach Hordaland begeben, um dort das Amt des Jarls zu bekleiden.«

»Weiß der König, dass du mich dazu ausersehen hast, seinen Willen in die Tat umzusetzen?«

»Er wird es erfahren, sobald ich ihm den Vollzug melde. Es soll nach unserem Sieg über unsere Feinde geschehen. Sobald Grimmsson tot ist, wirst du dich mit einigen Getreuen in die Gegend von Skiringssal begeben, wo Grimmsson zu Hause ist, und den Rest seiner Familie auslöschen, denn solange einer aus seinem Geschlecht lebt, muss der König … müssen auch wir damit rechnen, dass er eines Tages Rache übt.«

»Wie soll es geschehen?«, fragte Jalvaror.

»Das ist dir überlassen. Wichtig ist, dass Grimmsson keine Bedrohung mehr für den König darstellt. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du wirst es nicht bereuen, mein Freund.«

»Asbjorn und einige weitere Männer unseres Stammes sollen mich unterstützen«, verlangte Jalvaror. »Und nachdem Harald von Odin selbst dazu auserkoren wurde, unser Land unter seiner Herrschaft zu einen, wird Odin auch die Mission unterstützen, mit der du mich eben im Namen des Königs beauftragt hast.«

»Asbjorn war vorhin ausgesprochen anmaßend«, wechselte Eliwagar das Thema, und er klang auf einmal geradezu aggressiv. »Er muss aufpassen, denn Harald hört es nicht gern, wenn jemand Kritik an seinen Entscheidungen übt. Sprich mit deinem Ziehbruder, Jalvaror, damit er sein loses Mundwerk künftig besser im Zaum hält. Ich schätze Asbjorn sehr, denn er ist ein ausgezeichneter Seefahrer und Kämpfer. Aber er darf meine Geduld nicht überstrapazieren.«

»Ich werde es ihm sagen, Herr. Doch sei versichert, dass Asbjorn dir und dem König treu ist. Er ist lediglich voller Tatendrang.«

»Den kann er morgen auf dem Schlachtfeld austoben. – Odin sei mit uns allen, Jalvaror.«

Asbjorn und Hogni hatten genug gehört und zogen sich zurück. »Ich werde Eliwagars Plan vereiteln«, flüsterte Asbjorn. »Dann wird der König sein Scheitern als klägliches Versagen auslegen und seine hohe Meinung über ihn ändern.«

»Ich bin dabei«, murmelte Hogni Bork und kicherte. »Ich möchte diesem überheblichen Kerl schon lange eins auswischen, und nichts kann ihn härter treffen, als bei Harald an Ansehen zu verlieren.«

Sie schlichen in das Lager von Gunnarr Grimmsson und dessen Kriegern und pirschten sich an das Zelt des Stammesführers heran. Asbjorn schlug leise das Fell zurück, das vor dem Eingang hing. Tiefe, regelmäßige Atemzüge waren zu vernehmen. »Grimmsson, hörst du mich?« Asbjorn sprach die vier Worte gerade so laut, dass sie lediglich jemand, der sich im Zelt befand, vernehmen konnte. Seine Stimme versank in der Stille, doch schließlich war ein zorniges Murmeln zu hören, dann ein Rascheln, und gleich darauf erklang eine grollende, wenn auch noch schlaftrunkene Stimme: »Wer ist da?«

»Ich will dich warnen, Grimmsson. Harald sieht in dir eine Gefahr und hat den Auftrag erteilt, dich und deine Familie zu töten. Es soll nach der morgigen Schlacht geschehen.«

Misstrauen schwang in Grimmssons Stimme, als er fragte: »Aus welchem Grund warnst du mich?«

»Haralds Führungsweise gefällt mir nicht. Ihm geht es nicht darum, die Stämme Norwegens zu einen, sondern nur darum, seine eigene Macht und seinen Reichtum zu mehren und um die Befriedigung seiner Geltungssucht. Die meisten der Männer, die an seiner Seite stehen, sind nicht besser als er, und sie halten ihm nur die Treue, weil sie sich ebenfalls Macht und Reichtum versprechen – mehr Macht, als sie sowieso schon haben, und mehr Reichtum, als sie bereits ihr Eigen nennen. Ich bin nur ein Krieger, der Befehle zu befolgen hat und der morgen in die Schlacht zieht, weil er zum Gehorsam verpflichtet ist. Der nicht gefragt wird und der sich zu fügen hat.«

»Sag mir deinen Namen, Freund, damit ich dir eines Tages den gebührenden Dank erweisen kann.«

»Asbjorn Eriksson. Doch am besten, du vergisst ihn sofort wieder.«

»Was leitet dich wirklich, Asbjorn? Dass Harald möglicherweise ausschließlich persönliche Ziele verfolgt, kann doch nicht der einzige Grund sein. Wieso macht sich einer wie du überhaupt derartige Gedanken?«

»Harald nutzt uns alle aus. An seinen Händen klebt das Blut vieler Männer, die er seinen Interessen geopfert hat. Sie sind einen sinnlosen Tod gestorben, und wenn ich für ihn kämpfe und sterbe, ist auch mein Tod sinnlos. In Britannien könnte ich Beute machen, aber hier …« Er verstummte.

Doch mehr brauchte er auch nicht zu sagen, denn Grimmsson erwiderte: »Ich verstehe dich, Asbjorn. Kein Mann soll sinnlos sterben, denn dafür haben ihm die Götter nicht das Leben geschenkt. Auch mein Tod wäre sinnlos, aber dank deiner Warnung werde ich mein Leben bewahren. Du hast in mir einen Freund gefunden, und diese Freundschaft soll währen, solange ich lebe. Ich werde fliehen und es dich wissen lassen, wenn ich für meine Familie und mich einen guten Platz gefunden habe, an dem wir bleiben können. Mögen die Götter morgen ihre schützenden Hände über dich halten.«

Asbjorn und Hogni kehrten zu ihrem Zelt zurück. Auch dieses Mal umgingen sie geschickt die Wachen, die den Lagerplatz sichern sollten. Als sie ihr Zelt erreichten, richtete sich ein Mann auf, der davorgesessen hatte und dessen Gestalt in der Finsternis mit dem Zelt verschmolzen war. Eine dunkle, barsche Stimme erklang: »Wo kommt ihr her?«

»Ah, du bist es, Bruder.« Asbjorn hatte abrupt angehalten. »Muss ich dich etwa fragen, wenn ich mein Zelt verlasse?«

Asbjorn konnte die hohe Gestalt Jalvarors nur schemenhaft ausmachen, aber er hatte die Stimme erkannt, und sie hatte ihm verraten, wer sie erwartet hatte.

»Warum liegt ihr nicht auf eurem Lager und ruht euch aus für den morgigen Tag?«

Hogni stieß scharf die Luft durch die Nase aus, schwieg aber.

»Seit wann bin ich dir Rechenschaft schuldig, Jalvaror?«, fragte Asbjorn verärgert.

»Ihr seid mir zum Zelt Eliwagars gefolgt, nicht wahr?«

»Und wenn es so wäre?«

»Es wäre womöglich nicht gut für euch. Sag es mir, Asbjorn. Hast du uns belauscht?«

»Wir kommen eben aus dem Lager Grimmssons«, erklärte Asbjorn. »Du kennst meine Einstellung zum König und weißt, dass ich ihm freiwillig niemals folgen würde.«

»Ihr habt Grimmsson gewarnt«, stieß Jalvaror fassungslos hervor. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

»Ja, denn ich bin der Meinung, dass er den Tod nicht verdient hat«, erklärte Asbjorn. »Wenn ein freier Mann Ansprüche erhebt, auf die er sich ein Recht erworben hat, so ist das meines Erachtens nach kein todeswürdiges Verhalten.«

»Denkst du ebenso, Hogni?«, fragte Jalvaror.

»Asbjorn und ich haben uns oft über dieses und jenes unterhalten«, antwortete Hogni Bork etwas zögerlich. »Die Politik, die der König verfolgt …«

»Schweig, Narr!«, fauchte Jalvaror. »Verschon mich mit derart aufrührerischen Gedanken! Das grenzt an Verrat, und der König lässt euch hinrichten, wenn …«

»Das kannst du verhindern, indem du schweigst, Bruder«, unterbrach ihn Asbjorn.

»Nenn mich nicht Bruder! In deinen Adern fließt nicht dasselbe Blut wie in meinen!«

Es war siebzehn Jahre her, dass gemeine Mörder das Haus von Asbjorns Vater überfallen, seine Eltern und ihr Gesinde getötet und alles geraubt hatten, was ihnen in die Hände gefallen war. Asbjorn hatte wohl unter dem besonderen Schutz der Götter gestanden, denn er hatte sich vor den Schurken verbergen und so sein Leben retten können. Jalvarors Vater hatte ihn daraufhin in sein Haus aufgenommen und ihn wie den eigenen Sohn erzogen. Jalvaror und er waren wie Brüder aufgewachsen.

»Schande über dich, Asbjorn!«, stieß Jalvaror zornig hervor. »Du stürzt mich in einen schlimmen Gewissenskonflikt, denn nun muss ich mich für einen von euch entscheiden – für den König oder für dich!«

Ja, sie waren wie Brüder. Als Asbjorn fünfzehn Jahre alt gewesen war, hatten sie gemeinsam seine Eltern gerächt. Damals hatte Asbjorn Jalvarors Leben gerettet, nachdem es ihnen nicht gelungen war, die Mörder zu überraschen, und diese sich zur Wehr gesetzt hatten.

»Ich stehe in deiner Schuld, Asbjorn«, erklärte Jalvaror in Erinnerung an damals. »Ich habe aber auch dem König die Treue geschworen, und würde ich schweigen, wäre dies ebenso verwerflich wie dein Verrat.«

»Du hättest nichts davon, wenn du Grimmsson umbringst«, gab Asbjorn zu bedenken.

»Ich würde sein Land als Eliwagars Statthalter übernehmen.«

»Und an das Land gebunden sein. Eines Tages – und dieser Tag, so hoffe ich, ist nicht mehr allzu fern – wollen wir nach Britannien segeln, um reiche Beute zu machen. Willst du darauf verzichten? Zugunsten eines Landes, in dem man dich hassen wird? In dem dein Leben und das deiner Familie jeden Tag bedroht sein wird?«

Jalvaror zögerte mit der Antwort, schließlich aber presste er hervor: »Ich muss darüber nachdenken. Und die Entscheidung wird mir nicht leichtfallen.«

»Dann bitte ich dich, mir zu gegebener Zeit mitzuteilen, wie deine Entscheidung ausgefallen ist, Bruder.«

In dieser Nacht fand Jalvaror Blavorr kaum noch Schlaf. Immer wieder schreckte er hoch, und vor seinem geistigen Auge stiegen Erinnerungen aus den Nebeln der Vergangenheit. Es war sieben Jahre her gewesen, als er, Asbjorn und eine Handvoll Getreuer das Dorf überfallen hatten, in dem die Mörder der Familie Asbjorns gelebt hatten. Asbjorn hatte endlich herausgefunden, wer viele Jahre zuvor seine Eltern erschlagen hatte. Es war Nacht, und sie schlichen in das Dorf, in dem die Menschen zu schlafen und nicht zu ahnen schienen, dass sich ihnen der Tod in Gestalt einiger entschlossener Krieger auf leisen Sohlen näherte.

Plötzlich aber war da ein Wachposten gewesen, der die Eindringlinge bemerkt und Alarm gegeben hatte, ehe es einer von ihnen hatte verhindern können. Er, Jalvaror, hatte seine Streitaxt geworfen, und sie hatte den Schädel des Wachpostens regelrecht gespalten. Aber das Dorf war bereits gewarnt gewesen, und im Handumdrehen waren zehn, fünfzehn bewaffnete Männer erschienen, bereit, mit den Eindringlingen kurzen Prozess zu machen.

Jalvaror hatte sich seine Axt zurückgeholt, doch durch dieses unvorsichtige Vorgehen war er von seinen Gefährten getrennt worden, und auf einmal war er von einer ganzen Gruppe Feinde eingekreist gewesen. Er hätte dieser Übermacht niemals standhalten können, wenn nicht Asbjorn, in der rechten Faust ein Schwert, in der Linken die Streitaxt, zwischen sie gefahren wäre wie Thor mit dem Hammer und unter ihnen gewütet hätte wie ein Berserker.

Als sie das Dorf verlassen hatten, waren die waffenfähigen Männer tot gewesen, und die Häuser, Stallungen und Scheunen hatten lichterloh gebrannt.

Asbjorn hatte ihm damals das Leben gerettet, und seitdem stand Jalvaror in seiner Schuld. Und nun stellte ausgerechnet Asbjorn ihn vor ein gewaltiges Problem. Die Frage, was ihm wichtiger war – sein Treueid oder die Liebe zum Ziehbruder –, ließ einen tiefen Zwiespalt in ihm aufbrechen.

Er musste eine Entscheidung treffen, warf sich von einer Seite auf die andere und trug schwer an seiner Unentschlossenheit. Doch als der Morgen graute, wusste er, auf wessen Seite er stehen würde. In gewisser Weise verschaffte es ihm Erleichterung, weil er überzeugt war, richtig zu handeln, andererseits aber bedrückte es ihn. Doch er war entschlossen, diesen Weg zu gehen und sich durch nichts beirren zu lassen.

1 höfische Dichter

Kapitel 1

Als ein schmaler heller Streifen über den Bergen im Osten den Tagesanbruch ankündigte und die Morgennebel noch über den Fjorden hingen, erklangen die Hörner. Ihre getragenen Töne wehten hinaus in die weitläufige Ebene, die zum Schauplatz der blutigen Schlacht werden sollte. Das Heer Haralds nahm Aufstellung. Die einzelnen Stämme wurden von ihren Führern befehligt, dem unmittelbaren Befehl des Königs hingegen unterstand die Gruppe der Berserker, jener Kämpfer, die überzeugt waren, dass Odin sie mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet hatte, und die sich im Kampf in einen regelrechten Blutrausch hineinversetzten.

Das Heer König Haralds war ungefähr fünfhundert Mann stark. Es rückte, aufgeteilt in mehrere eng nebeneinander marschierende Gruppen, dem Feind entgegen, der in etwa dieselbe Stärke hatte.

Schließlich standen sich die verfeindeten Parteien auf einer Distanz von ungefähr fünfzig Doppelschritten gegenüber.

Der Truppenaufmarsch war der Auftakt zu einer Tragödie, in der das Blut in Strömen fließen und die vielen Männern den Tod bringen sollte. Es war still geworden, und sogar die Vögel, die mit ihrem fröhlichen Gezwitscher den Tag begrüßt hatten, schwiegen nun. Es war, als hätte sogar die Natur den Atem angehalten in der Erwartung dessen, was sich anbahnte. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Eine unheilvolle Spannung füllte die Stille, und der Odem von Gewalt und Tod lag geradezu greifbar in der klaren Morgenluft.

Im Osten begann sich der Himmel über dem Horizont schwefelgelb zu verfärben, Wolkenbänke schienen in diesem Licht zu erglühen.

»Odin sei mit uns!«, brüllte einer der Befehlshaber des königlichen Heeres, und das war das Kommando für die Krieger des Königs, mit ihren Schwertern und Äxten gegen die runden Schilder aus Holz mit den eisernen Beschlägen und Schildbuckeln zu trommeln und im Chor den Namen Odins zu rufen.

Die Feinde stimmten ein.

Man war ein Volk, man glaubte an dieselben Götter, betete sie an und brachte ihnen Opfer dar. Aber man verfolgte unterschiedliche Ziele. Und das machte sie zu Feinden.

Harald Hårfagre, der auf einem schwarzen Pferd saß und den seine engsten Vertrauten – ebenfalls zu Pferde – flankierten, riss den rechten Arm in die Höhe. Schlagartig brachen die monotonen Odin-Rufe ab, Befehle erklangen, und die Stammesverbände setzten sich wieder in Bewegung.

Die gegnerischen Bogenschützen schossen ihre Pfeile ab. Sirrend zogen sie ihre Bahnen, doch ehe sie im Heer des Königs großen Schaden anrichteten, brüllte jemand mit sich überschlagender Stimme: »Schildwall!« Die jeweils vorderste Kämpferreihe der verschiedenen Gruppen kniete nieder und hob die Schilde über die Köpfe, und zusammen mit den ebenfalls erhobenen Schilden der zweiten Reihe, die augenblicklich stehen geblieben war, bildeten sie ein sicheres Dach, unter dem die Krieger vor den Geschossen sicher waren.

Krachend schlugen die Pfeile in das Holz der Rundschilde und blieben mit zitternden Schäften stecken. Nun schossen auch Haralds Bogenschützen. Es war ein regelrechter Pfeilhagel, aber die Krieger des gegnerischen Heers bildeten ebenfalls Schildwälle, und so hatten auch sie kaum Verluste zu verzeichnen.

»Schildwall auflösen!«, rief König Harald. Der Befehl wurde weitergegeben, und schließlich brüllte Harald: »Kämpft! Macht sie nieder! Die Götter sind auf unserer Seite! Kämpft und siegt für Norwegen und für euren König!«

Für die Kämpfer, die ihn hörten, war seine Stimme wie ein Hammer, der den Nagel der tödlichen Leidenschaft tief in ihre Gemüter trieb.

Die Krieger begannen zu laufen, wildes, geradezu frenetisches Kampfgeschrei erhob sich, Speere flogen durch die Luft und bohrten sich in Schilde, aber auch in menschliche Körper.

Die Gruppe der Berserker stieß wie ein Keil in das Heer der Kleinkönige von Rogaland, Hordaland und Møre und riss dessen Formation auseinander. Der offene Kampf begann …

Asbjorn trug am linken Arm den Schild, mit der Rechten schwang er die Streitaxt. Es gab keine Gnade und kein Erbarmen. Leben oder sterben – das waren die beiden Alternativen. Das Gesicht des jungen Kriegers, der nur widerwillig in diesen Kampf gezogen war, hatte sich vor Anspannung verzerrt, seine Lippen waren über die Zähne zurückgezogen, er schwang die Axt und spaltete mit ihr Köpfe, schlitzte Leiber auf und zertrümmerte Knochen. In das Klirren der Waffen und das nervenzermürbende Kampfgebrüll mischten sich die Todesschreie der Sterbenden. Bald waren Hände und Gesichter der Kämpfer mit dem Blut der Feinde besudelt, und der Kampf artete aus zum Massaker.

Das Morden war an Besessenheit kaum zu überbieten. Der Wille jedes Einzelnen, so viele Feinde wie möglich zu töten, stieg auf wie ein stummer, aber fanatischer Schrei und ließ die brutale Gewalt eskalieren.

Asbjorn fragte nicht mehr nach dem Sinn dieses Tötens und Sterbens. Der junge Krieger befand sich wie in einem Rausch, prallte gegen gegnerische Kämpfer, warf oder trat sie nieder, hackte mit der Axt auf sie ein oder zerschmetterte ihnen mit dem schweren Schild die Köpfe. Er hatte den süßlichen Geschmack des Blutes auf den Lippen, das ihm ins Gesicht spritzte und sich mit dem Schweiß dort mischte.

Bald war der Boden übersät mit den Körpern getöteter und sterbender Kämpfer, deren Blut im Boden versickerte. Nach und nach war das Kampfgeschrei verstummt, und nur noch keuchend hieben die verfeindeten Krieger verbissen aufeinander ein, geleitet vom mörderischen Hass, vom Vernichtungswillen und vom Selbsterhaltungstrieb.

Asbjorn verspürte einen brennenden Schmerz am Oberarm, als ihn die Spitze eines Schwerts streifte und seine Haut aufschnitt. Er wirbelte halb herum und sah sich einem riesigen Krieger mit blutverschmiertem Gesicht und blutbesudelter Kleidung gegenüber, der – die nackte Mordlust in den Augen – den Arm mit dem Schwert soeben wieder in die Höhe warf, um ihm, Asbjorn, einen tödlichen Hieb zu versetzen.

Im letzten Moment warf sich Asbjorn zur Seite, schlug dabei mit der Axt zu und sah den Schädel seines Gegners regelrecht zerplatzen. Der Getötete sank zu Boden, und Asbjorn sprang über ihn hinweg, um sich dem nächsten feindlichen Kämpfer entgegenzuwerfen. Er war wie rasend, nur noch vom Willen zum Töten beseelt, und wollte so viele Feinde wie möglich niedermetzeln. Von der Klinge seiner Axt und von seinem Schild triefte das Blut.

Keiner der Männer, die hier auf dem Schlachtfeld ihre Haut zu Markte trugen, hatte dem Strom brutalster Gewalt etwas entgegenzusetzen. Er war wie eine alles verschlingende Flutwelle. In dem Getümmel waren Freund und Feind bald nicht mehr voneinander zu unterscheiden.

Der Tag hatte in der Zwischenzeit die Nacht endgültig nach Westen vertrieben, und die Sonne schickte ihr wärmendes Licht in die weite Ebene von Solkiel, die von Hügeln und Felsen begrenzt wurde und die an diesem Tag Schauplatz des ersten grandiosen Sieges König Haralds auf seinem Weg zur Herrschaft über große Teile der Westküste Norwegens werden sollte. Aber noch war die Schlacht nicht geschlagen, noch war der Ausgang nicht abzusehen, denn der Kampfgeist beider Parteien war ungebrochen.

Der Tod war allgegenwärtig. Asbjorn hatte längst jeglichen Zeitbegriff verloren, wurde jedoch nicht müde, die Axt und den Schild zu schwingen und beides einzusetzen, um damit gnadenlos zu töten. Sein Puls jagte, seine Lungen pumpten, der Schweiß rann in Bächen über seinen Körper und ließ die Kleidung wie eine zweite Haut an ihm kleben.

Irgendwann registrierte er, dass die feindlichen Kämpfer nach und nach die Flucht ergriffen und vom Entsetzen getrieben in die Richtung davonliefen, aus der sie am Morgen gekommen waren. Sie wurden verfolgt und viele von ihnen noch niedergemacht, oder Pfeile holten sie ein und schickten sie in den Tod.

Plötzlich war kein Gegner mehr auf dem Schlachtfeld, den Asbjorn hätte erschlagen können. Wie ein Erwachender sah er sich um. Er hörte Befehle, die einer der Stammesführer brüllte, und bei ihm stellte sich Ernüchterung ein. Sein Arm mit der Axt sank nach unten, er sah sich um und registrierte, dass die Sonne im Südosten stand, was ihm sagte, dass es bereits heller Vormittag war.

Um ihn herum war Stöhnen, Röcheln und Wimmern. Kreuz und quer lagen die Toten und Verwundeten im Gras, die Verletzten krümmten sich vor Schmerzen und schrien ihre Not hinaus. Über dem Schlachtfeld kreisten Hunderte von Krähen und Schwärme von Fliegen, angelockt vom Geruch des vergossenen Blutes. Die Krieger Haralds bewegten sich zwischen den teils reglosen oder sich windenden Körpern, um die verwundeten Widersacher unerbittlich zu erschlagen.

Auf einmal verspürte Asbjorn die Erschöpfung und den Schmerz, der von vielen kleinen Verwundungen ausstrahlte. Seine Augen waren entzündet und brannten, seine Mundhöhle und seine Kehle waren trocken wie Staub. Er ließ sich zu Boden gleiten, sein Kinn sank auf die Brust, die sich unter rasselnden Atemzügen hob und senkte, und er schloss die Augen. Wie aus weiter Ferne hörte er raue Stimmen und das Krächzen der Krähen, deren Tafel zu decken er mit seiner Axt geholfen hatte.

Hornsignale riefen zum Sammeln. Asbjorn erhob sich, schüttelte seine Trägheit ab, stieg über verstümmelte Leichen hinweg und sah seinen Ziehbruder Jalvaror. Auch dessen Gesicht und seine Hände waren rot vom Blut der getöteten Feinde, und das Weiß seiner wie im Wahn weit aufgerissenen Augen leuchtete daraus hervor. Wirr hingen ihm die langen Haare in die Stirn, und er hatte eine stark blutende Wunde am rechten Oberschenkel.

Hinter ihm richtete einer der Krieger, der wie tot dagelegen hatte, den Oberkörper auf, und seine Hand, die die Streitaxt hielt, zuckte in die Höhe. Doch ehe er sie werfen konnte, wirbelte schon Asbjorns Axt auf ihn zu, und die Klinge grub sich tief und mit einem grässlichen Knirschen in seinen Brustkorb. Der Getroffene bäumte sich auf und kippte zurück, um mit einem röchelnden Laut auf den zuckenden Lippen zu sterben.

»Danke, Bru … Asbjorn«, rief Jalvaror, ging zu dem Getöteten hin und zog mit einem kräftigen Ruck die Axt aus der Brust. Er brachte sie Asbjorn und murmelte: »Du hast mir soeben zum zweiten Mal das Leben gerettet.«

»Scheinbar ist es der Wille der Götter, dass du noch eine Weile auf dieser Welt weilst«, versetzte Asbjorn heiser. »Eben hättest du mich beinahe Bruder genannt.« Sein fragender Blick war auf Jalvarors blutverschmiertes, schrecklich anzusehendes Gesicht gerichtet. »Bist du zu einem Ergebnis gekommen?«

»Ich werde den Willen des Königs respektieren«, erklärte Jalvaror. »Sollte mir Gunnarr Grimmsson in die Hände fallen, töte ich ihn. Sollte es ihm allerdings gelingen, dem Tod zu entgehen, werde ich Harald nicht von deinem Verrat berichten.«

Wieder erklang ein Hornsignal. »Der Befehl zum Sammeln«, knurrte Asbjorn. »Gehen wir.«

»Du bedankst dich nicht einmal?«, rief Jalvaror seinem Ziehbruder hinterher, nachdem dieser sich abgewandt und in Bewegung gesetzt hatte.

»Nein«, sagte Asbjorn über die Schulter. »Ich habe nichts anderes erwartet. Sonst hätte ich eben sicherlich nicht verhindert, dass dir der Kerl mit seiner Axt die Wirbelsäule zerschmettert.«

Jalvarors Miene verschloss sich, und er kniff die Lippen zusammen, sodass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten. Dann aber gab er sich einen Ruck und folgte Asbjorn. Da er etwas schneller ging als sein Ziehbruder, holte er ihn ein, und nachdem sie einige Schritte nebeneinanderher geschritten waren, brummte Jalvaror missmutig: »Mein Vater war schon König Haralds Vater Halfdan dem Schwarzen treu ergeben. Als du Gunnarr Grimmsson gewarnt hast, bist du nicht nur dem König in den Rücken gefallen, sondern auch ihm, Arnorr Blavorr, der dich in sein Haus aufgenommen und aufgezogen hat wie einen leiblichen Sohn. Das ist undankbar und respektlos, und ich will es nicht akzeptieren. Ich möchte aber auch nicht zusehen müssen, wenn dir Harald den Kopf abschlagen lässt. Mein Vertrauen hast du jedoch verloren, und du wirst viel tun müssen, um es zurückzuerlangen.«

»Auch du wirst eines Tages feststellen, dass Harald nur vom Eigennutz geleitet wird, und wenn du schon von Undankbarkeit sprichst, dann lass dir gesagt sein, dass du von Harald niemals Dank erwarten kannst. Aber es hat sicher keinen Sinn, mit dir darüber zu sprechen. Du hast deine Meinung über ihn, ich habe meine.«

Am Rand des Schlachtfelds rotteten sich die Überlebenden um ihre Stammesführer zusammen. Die Verwundeten waren notdürftig versorgt worden. Jene, die sich nicht auf den Beinen halten konnten, hatte man etwas abseits ins Gras gelegt.

König Harald und seine engsten Vertrauten ritten vor das versammelte Heer hin, zügelten die Pferde, und einer von Haralds Begleitern gebot mit Donnerstimme Ruhe. Die Gespräche versiegten, aller Blicke hefteten sich auf den König, der sein unruhig tänzelndes Pferd mit eiserner Faust in die Kandare nahm, seinen forschenden Blick in die Runde lenkte und schließlich rief: »Ihr habt tapfer gekämpft, Männer, und all jene von uns, die durch die Hand des Feindes gefallen sind, ziehen bereits in Walhall ein, um an Odins Tafel zu feiern und das Fleisch des Ebers Saehrimnir zu verzehren. – Ihr habt diese Schlacht für mich gewonnen. Aber viele unserer Feinde konnten fliehen, und jene, die sie befehligten, sind noch am Leben und denken sicherlich bereits darüber nach, wie sie mich überlisten, besiegen und unschädlich machen können. Der Sieg ist erst dann endgültig unser, wenn sie tot sind und wir ihre Kadaver den Krähen und Wölfen zum Fraß überlassen haben.«

»Warum töten wir sie dann nicht?«, brüllte jemand unbeherrscht. »Folgen wir ihnen zwischen die Hügel und machen wir ihnen den Garaus! Odin wird unsere Schritte lenken und uns die Kraft geben, noch einmal das Schwert oder die Axt zu heben und seinen Willen zu erfüllen!«

Es erhob sich zustimmendes Geschrei, der Ruf nach weiterem Blutvergießen stieg zum Himmel und wehte zwischen die Anhöhen, und hätten ihn die geflohenen Feinde hören können, hätte er ihre Herzen erbeben lassen. Wenn sie auch den Tod nicht fürchteten, sie suchten ihn nicht. Denn auch sie gehorchten dem Gesetz der Selbsterhaltung, einem der ältesten Prinzipien der Menschheit, obwohl die Aussicht, im Kampf zu sterben und in Gladsheim, der Burg Odins in Asgard, einziehen zu dürfen, verlockend war.

Der König hob beide Arme, und der Lärm ebbte schnell ab. »Es ist der Wille Odins, unsere Feinde zu vernichten, und seinem Willen ist nicht Genüge getan. Also folgt dem Feind und bringt mir die Köpfe jener, die sich erdreistet haben, die Hand gegen mich zu erheben. – Meldun Eliwagar, tritt vor!«

Der Gerufene kam dem Befehl augenblicklich nach und ließ sich auf ein Knie nieder. »Was wünscht Ihr, mein König?«

»Du bleibst, denn ich habe mit dir zu sprechen.«

Eliwagar neigte den Kopf, presste die rechte Hand flach gegen den Leib und krümmte den Oberkörper ein wenig nach vorn. »Wie es Euch beliebt, mein König.«

»Kämpft, ihr tapferen Männer!«, rief Harald und richtete sich im Sattel zu seiner vollen Größe auf. »Ich wiege das Gewicht eines jeden, der mir das Haupt eines der Könige von Rogaland, Hordaland und Møre vor die Füße legt, mit Gold auf.«

Die Krieger schrien vor Begeisterung und vor Gier nach Blut und Gold. Unruhiges Gewoge ging durch die Masse der Schulter an Schulter Stehenden, Befehle wurden gebrüllt, und schließlich war das gesamte Heer in Bewegung. Im Laufschritt stürmten die Krieger zwischen die Hügel, die zum Teil dicht mit Strauchwerk und alten, knorrigen Bäumen bewachsen waren. In dem hüfthohen Gras waren die Spuren der Geflohenen deutlich auszumachen.

Auch Asbjorn wurde von der Gier mitgerissen, die die Krieger nach dem Versprechen des Königs befallen hatte, und er war bereit, aufs Neue zu kämpfen und zu töten. Es war Teil seiner Mentalität.

Während Haralds Heer den Feind verfolgte, kniete Meldun Eliwagar drei Schritte vor dem König am Boden. Harald saß ab, trat vor Eliwagar hin und sagte: »Ich habe nach der Schlacht Gunnarr Grimmsson bei seinem Stamm vermisst, Jarl Eliwagar. Ist er gefallen? Hast du vielleicht sogar schon während der Schlacht deine Mission erfüllt?«

»Unter den Gefallenen oder Verwundeten habe ich ihn nicht entdecken können, mein König«, antwortete Eliwagar. »Aber am Morgen, vor der Schlacht, habe ich ihn bei seinen Kämpfern gesehen. Ich habe keine Ahnung, wo er sich jetzt befindet. Der Mann, den ich beauftragt habe, Euren Befehl in die Tat umzusetzen, soll jedoch erst in der kommenden Nacht das Lager Grimmssons überfallen und den niederträchtigen Aufrührer töten.«

»Wer ist dieser Mann?«

»Sein Name ist Jalvaror Blavorr. Er ist zuverlässig und absolut loyal. Sein Vater war schon Eurem Vater in Treue ergeben.«

»Ich will Grimmsson tot sehen, Jarl.« Der König verlieh jedem dieser Worte eine besondere Betonung.

»Ich werde alles daransetzen, mein König«, versprach Eliwagar.

»Ich weiß«, knurrte Harald und stieg wieder auf sein Pferd.

Das Heer der Kleinkönige hatte Zeit gefunden, sich neu zu formieren. Als König Haralds Krieger aus mehreren Hügellücken in eine grasige Senke hetzten, erklangen Hornsignale, und viele Männer wurden in einem Hagel aus Speeren und Pfeilen niedergestreckt. Dann warf sich das geschlagene Heer brüllend und mit dem Mut der Verzweiflung seinen Verfolgern entgegen.

Für die königliche Truppe erfolgte der Angriff vollkommen überraschend. Die Zeit, einen Schildwall zu bilden, fanden sie nicht, und so stürmten sie voller Todesverachtung weiter, rissen mit ihrer Überzahl die Front der feindlichen Armee auf, und schließlich tobte ein Kampf Mann gegen Mann, unerbittlich und mit erschreckender, mitleidloser Brutalität.

Das gegenseitige Abschlachten begann erneut. Männer brachen zusammen, und ihre unmittelbaren Gegner schlugen mit dem Schwert oder der Axt so lange auf sie ein, bis sie sich nicht mehr rührten.

Asbjorn rammte einen gegnerischen Krieger mit seinem Schild, der Feind taumelte rückwärts, stolperte über eine reglos am Boden liegende Gestalt und stürzte. Asbjorn folgte ihm mit einem langen Schritt und ließ die Axt auf ihn hinuntersausen, doch dem Kämpfer gelang es im letzten Moment, den Schild hochzureißen und damit den mörderischen Hieb abzuwehren.

Mit einem Ruck riss Asbjorn die Klinge aus dem Schild, und er sah aus den Augenwinkeln, dass er von der Seite her angegriffen wurde. Instinktiv duckte er sich, und eine Schwertklinge zischte über seinen Kopf hinweg, ihn nur knapp verfehlend. Asbjorn wirbelte zu dem Angreifer herum und sah ihn schon zum nächsten Hieb ausholen. Er warf sich gegen seinen Widersacher, und erneut schnitt dessen Schwertklinge, ohne Schaden anzurichten, durch die Luft. Asbjorns Rammstoß jedoch ließ den Gegner straucheln, und während er noch um sein Gleichgewicht kämpfte, fuhr ihm die Schneide der Streitaxt in den Leib und zerschnitt seine Gedärme. Sein Mund klaffte auf, aber der Schrei, der sich in seiner Brust hochkämpfte, erstickte in der Kehle, und er brach zusammen.

Asbjorn wandte sich dem Krieger zu, den er eben zu Fall gebracht hatte und der dabei war, sich auf die Beine zu kämpfen. Asbjorn tötete ihn augenblicklich, indem er ihm die Axt in den Nacken hieb. Dann stürzte er sich auf den nächsten Gegner …

Als die Sonne zwischen ihrem Zenit und jenem Punkt im Westen stand, wo sie untergehen würde, war die Schlacht endgültig entschieden. Die meisten Krieger, die im Heer der Kleinkönige gekämpft hatten, waren tot. Die wenigen Gefangenen würde man den Göttern opfern.

Die Könige von Rogaland, Hordaland und Møre hatten sich mit einer Gruppe von Berserkern auf einen Hügel zurückgezogen und sich hinter Felsen, Bäumen und Sträuchern verschanzt. Die Anhöhe war von den Kämpfern Haralds umstellt. Bekan Snorrason, dem Rogaland als Lehen zugesichert und der zum Jarl dieses Landstrichs ernannt worden war, rief: »Ich fordere euch auf, die Waffen zu strecken und euch zu ergeben! Entscheidet euch schnell, denn unsere Geduld ist begrenzt! Seht ihr die alte Eiche dort?« Snorrason wies mit erhobenem Arm nach Südwesten. »Sobald die Sonne über ihr steht, erstürmen wir den Hügel, und ihr alle werdet tot sein, ehe die Sonne hinter dem Horizont versinkt!«

Jemand antwortete: »Harald, er soll verflucht sein, wird uns auch töten, wenn wir uns ihm ausliefern! Wir ziehen es vor, im Kampf zu sterben!«

»Wie ihr wollt!« Snorrason sprach es und befahl den Angriff. Brüllend stürmten die Kämpfer des Königs die Abhänge hinauf. Pfeile, Speere und bis zu kopfgroße Steine flogen ihnen entgegen und töteten eine Reihe von ihnen. Die Krieger, die geschworen hatten, das Leben der Könige von Rogaland, Hordaland und Møre bis zum letzten Tropfen Blut zu verteidigen, kamen aus ihrer Deckung und stürmten den Angreifern entgegen. Das wilde Angriffsgebrüll vermischte sich mit dem Klirren von Eisen, dem Krachen der Schilde, wenn sie gegeneinander schlugen, und den Todesschreien der Sterbenden. Ihr Stöhnen, Röcheln und Gurgeln ging in dem Höllenlärm unter.

Der Kampf dauerte noch eine knappe halbe Stunde, dann war der letzte der Berserker tot. Einige Krieger Haralds zerrten die drei Könige, die sich gegen die Herrschaft Haralds aufgelehnt hatten, aus ihren Verstecken, zogen sie in den Kreis, den die siegreichen Kämpfer bildeten, und warfen sie zu Boden. Sie lagen auf allen vieren, und ihre gehetzten, geradezu fiebernden Blicke zuckten in die Runde.

Einer der Stammesführer trat hinzu und rief: »Ich schlage vor, dass wir sie enthaupten und ihre abgeschlagenen Köpfe dem König als Geschenk übergeben. Jeder, der dafür ist, möge die Waffe heben.«

Fast alle Streitäxte und Schwerter wurden über die Köpfe gehoben, und die siegreichen Krieger bekundeten laut ihre Zustimmung. Doch da trat Snorrason aus ihren Reihen vor, gebot lautstark Ruhe, und als es still war, ergriff er das Wort. »Ist es nicht ein viel wertvolleres Geschenk, wenn wir sie dem König lebend übergeben? Er soll selbst entscheiden können, was mit ihnen geschieht. Harald, der Sohn Halfdans von Vestfold, ist ein Liebling der Götter, und sie werden ihm die richtigen Ratschläge erteilen und ihm zu einer angemessenen Urteilsfindung verhelfen.«

Die Arme der Krieger sanken wieder nach unten, und in der Runde herrschte abwartendes, geradezu betretenes Schweigen. Dann aber gab sich Knut Alfrothul, dem Møre zur Verwaltung übertragen worden war, einen Ruck, sodass er neben Snorrason trat. »Auch ich bin dafür, dass wir sie dem König lebend bringen«, sagte er laut, »und ich spreche für meinen ganzen Stamm. Stimmen wir also noch einmal ab. Wer nach wie vor der Meinung ist, dass wir die drei Abtrünnigen an Ort und Stelle enthaupten, der hebe die Waffe.«

Das Schwert des Stammesführers, der den sofortigen Tod der Kleinkönige gefordert hatte, zuckte nach oben. Herausfordernd schaute er in die Runde. Zögernd wurden einige weitere Waffen erhoben. Doch die Mehrzahl der Schwerter und Äxte blieb unten.

Snorrason gebot, die Gefangenen zu fesseln, und schließlich machte man sich auf den Weg, um sie dem König zu übergeben und ihn über die Vernichtung des Feindes in Kenntnis zu setzen. Die Verwundeten wurden, soweit sie sich nicht ohne Hilfe bewegen konnten, von ihren Kameraden getragen oder gestützt.

Asbjorn und Jalvaror marschierten nebeneinander, Hogni Bork hatte sich zu ihnen gesellt. Erwartungsvoll musterte er immer wieder von der Seite Asbjorns Gesicht, doch die Frage, die ihm auf der Zunge lag, wagte er nicht zu stellen, solange sich Jalvaror in ihrer Gesellschaft befand.

Zurück im Lager befahl Meldun Eliwagar sofort Jalvaror in sein Zelt. »Was ist aus Gunnarr Grimmsson geworden?«, blaffte er und musterte Jalvaror durchdringend. »Am Morgen war er noch bei seinen Leuten, doch seit dem Kampf ist er spurlos verschwunden.«

»Vielleicht wurde er getötet«, sagte Jalvaror.

Eliwagar schüttelte den Kopf. »Ich habe Leute aufs Schlachtfeld geschickt, die nachsehen sollten. Doch sie haben ihn ebenso wenig unter den Toten wie unter den Verwundeten entdeckt.«

»Dann kann er sich nur in seinem Lager befinden«, entgegnete Jalvaror. Er ahnte zwar die Wahrheit, ließ es sich aber nicht anmerken.

Eliwagar starrte ihn an, als versuchte er, mit seinem Blick die geheimsten Gedanken seines Gegenübers zu erforschen. »Ich frage dich, Jalvaror, und ich erwarte von dir eine wahrheitsgemäße Antwort«, brummte Meldun Eliwagar, »hast du mit irgendjemandem über den Auftrag gesprochen, den ich dir erteilt habe?«

»Wie kommst du darauf, Herr?« Jalvarors Erschrecken war nicht gespielt.

»Ja oder nein?«

Jalvaror spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. »Nein«, würgte er hervor. »Grimmsson kann sich nur in seinem Lager befinden. Ich habe dir ja erklärt, dass ich in der kommenden Nacht mit einer Handvoll Männer, auf die absolut Verlass ist, in das Lager schleichen und ihn töten werde.«

Ein hintergründiges Lauern trat in Eliwagars Blick. »Wird dein Ziehbruder Asbjorn zu dieser Gruppe gehören?«

»Du vertraust ihm nicht, Herr?«

»Ich kann ihn nicht einschätzen.«

Jalvaror überlegte fieberhaft. Gefühl und Verstand lagen bei ihm in zäher Zwietracht, und einen Augenblick lang war er nahe daran, dem Stammesführer zu bestätigen, dass dessen Misstrauen nicht unbegründet war. Schließlich aber überwand er sich und behauptete: »Du kannst ihm vertrauen, Herr. Und zum Beweis dafür wird er mich begleiten, wenn wir in der Nacht in Grimmssons Lager gehen.«

»König Harald erwartet von mir, dass sein Wille erfüllt wird«, erklärte Eliwagar. »Und ich erwarte von dir, dass du alles daransetzt zu verhindern, dass das Wohlwollen des Königs mir gegenüber in Unzufriedenheit umschlägt. Du weißt, was mit Männern geschieht, die in Ungnade fallen. Dem entgegenzuwirken bist du mir als deinem Fürsten schuldig.«

»Ich werde dich nicht enttäuschen, Herr«, versicherte Jalvaror mit versteinert wirkendem Gesicht.

»Gut, ich verlasse mich auf dich. Möglicherweise hat sich Grimmsson denken können, wie König Harald auf seine rebellische Aufmüpfigkeit reagiert, ja, reagieren muss. Er ist kein Dummkopf und womöglich während des Kampfes, als keiner auf den anderen achtete, getürmt. Dann ist er sicherlich auf dem Weg in die Gegend von Skiringssal, wo er mit seiner Familie und seinem Stamm lebt. Wenn das der Fall ist, erwarte ich von dir, dass du ihn verfolgst und tötest und dich danach um seine Familie kümmerst. Du weißt, was ich meine.«

»Bis Skiringssal ist es weit, Herr«, gab Jalvaror zu bedenken. »Wir werden viele Tage unterwegs sein.«

»Das sollte dich nicht davon abschrecken, dem König diesen Dienst zu erweisen. Und da der König von den Göttern begünstigt ist, handelst du auch in ihrem Sinne. Mit irgendwelchen Einwendungen könntest du die Götter sogar erzürnen – und das sollte kein Mann wagen, der eines Tages in Walhall einziehen möchte.«

»Es wird geschehen, Herr, wie du es angeordnet hast.«

»Dann geh jetzt.«

Jalvaror suchte Asbjorn und traf ihn mit Hogni Bork, seinem Schwager, bei ihrem Zelt. Sie hatten sich das Blut ihrer Feinde aus den Gesichtern und von den Armen und Händen gewaschen und aßen gepökeltes Ziegenfleisch.

Jalvaror ließ sich bei ihnen nieder, schaute von einem zum anderen und sagte schließlich leise: »Es sieht so aus, als wäre Grimmsson geflohen. Um den Schein zu wahren, gehe ich in der Nacht mit einigen ausgesuchten Leuten in sein Lager und täusche einen Überfall vor. Ihr beide begleitet mich. Und ihr werdet mit mir auch nach Skiringssal reisen und mir helfen, den Befehl des Königs auszuführen.«

Asbjorn sah ihn aus großen Augen an. »Du verlangst von mir und Hogni, dass wir dir helfen, Grimmsson umzubringen, nachdem wir verhindert haben, dass genau dieses hier geschieht?«

»So könnt ihr euren Verrat wiedergutmachen«, stieß Jalvaror zwischen den Zähnen hervor. »Dankt den Göttern, dass ich Eliwagar die Wahrheit verschwiegen habe und euch zuliebe ein Spiel treibe, das mich den Kopf kosten kann. Wenn Grimmsson tot ist, ist die Sache ausgestanden. Solange er aber lebt, macht ihr das, was ich euch befehle. Und wie mein Befehl lautet, habe ich euch eben klar und deutlich gesagt.«

Asbjorn hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Faust gewürgt zu werden, denn er begriff, dass er Jalvaror in ärgste Gefahr gebracht hatte. Doch er stand dem machtlos gegenüber.

»Es gefällt dir nicht, ich weiß«, sprach Jalvaror aus, was Asbjorn beschäftigte. »Noch weniger aber würde es dir sicher gefallen, vor versammelter Mannschaft im Staub zu knien und darauf zu warten, dass dir ein Axthieb den Kopf vom Rumpf trennt.«

Kapitel 2

Die Finsternis war vollkommen, und nur hin und wieder durchdrang der schauerliche Schrei eines geflügelten Nachtjägers die Dunkelheit.

Abgesehen von den drei Doppelposten, die das Lager von Gunnarr Grimmsson bewachten und von denen jeder mit Schild, Speer sowie Streitaxt, die in einer Schlaufe am Gürtel hing, bewaffnet war, schliefen die Krieger. Es war die Erschöpfung nach stundenlangem Kampf, und bei vielen kam durch die eine oder andere Verwundung auch der Blutverlust hinzu, der sie tief und traumlos schlafen ließ.

Jeder Doppelposten ging eine vorgeschriebene Route. Die Krieger sprachen nicht miteinander, waren wachsam und darauf getrimmt, auf jedes Geräusch, das nicht zu den übrigen passte, und auf jede Bewegung im Strauchwerk rund um das Lager, die möglicherweise nicht vom Wind oder von einem Jäger der Nacht verursacht wurde, zu reagieren und Alarm zu schlagen.

Eine dicke Wolkendecke verbarg Mond und Sterne, und die Finsternis verströmte etwas Beklemmendes, schien geradezu Unheil zu verkünden.

Zwei der Wachposten kamen zwischen dem Strauchwerk hervor.