Sechs Richtige - Steffi von Wolff - E-Book

Sechs Richtige E-Book

Steffi von Wolff

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Beschreibung

Gewonnen! 2,8 Millionen! Mit einem simplen Los. Vanessa und Antonia können es kaum fassen. Und die Eltern, die jüngere Schwester und ihr Bruder auch nicht: Denn der Gewinn ist nicht einfach so zu haben. Vielmehr muss die gesamte Familie Prönkel erst etwas Gutes leisten. Und das bedeutet in ihrem Fall: ein Jahr Jugendherbergseltern auf Helgoland. Was daran gut sein soll, erschließt sich Vanessa und Antonia nicht. Ohne ihre beste Freundin geht Antonia nirgendwohin. Und ohne ihren Freund läuft bei Vanessa gar nichts. Und überhaupt: mit 15 auf die einsamste Insel in der Nordsee ziehen – nein danke! Andererseits jedoch sind 2,8 Millionen keine Kleinigkeit. Und was ist schon ein Jahr ...? Die Prönkels ziehen um. Das Abenteuer beginnt! Wild und witzig - für alle, die gerne beim Lesen lachen!

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Seitenzahl: 252

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Steffi von Wolff

Sechs Richtige

Roman

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Widmung1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. KapitelDank
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Für die Gunkels und alle, die dazugehören!

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1

«Ich werde jetzt diesen Eierbecher nehmen, ihn in zwei Teile brechen und mir mit den scharfen Kanten tiefe Wunden zufügen, wenn ihr nicht sofort zugebt, dass das ein Witz ist.» Vanessa sah ihre Eltern mit hochrotem Kopf an. Der passte momentan sehr gut zu ihren Haaren. Vanessa liebte es, sich die Haare ständig neu zu färben, was ihren Vater mittlerweile zur Resignation, ihre Mutter zur Verzweiflung, ihre beiden Schwestern und den Bruder zum Kopfschütteln veranlasste.

«Ich muss meine Farbe finden» war ihr ständiges Argument, und sie raste fast wöchentlich in die Drogerie. Und was ihren Hang zur Theatralik betraf, befand sie sich gerade in Höchstform. Das rote Gesicht, dazu die gelockten, eigentlich wunderschönen – wenn sie mal gerade nicht gefärbt waren – dunkelbraunen, glänzenden Haare, ein Hauch von Tränen in den großen dunklen Augen und bebende Lippen. Perfekt. Vanessa beherrschte mit ihren 15 Jahren die Kunst, auf Befehl loszuheulen, virtuos. Sie brauchte dazu weder Zwiebeln, noch musste sie an traurige Dinge denken. Das hätte auch nicht funktioniert, weil es bislang nicht sehr viele traurige Dinge in ihrem Leben gab, an die sie hätte denken können. Ihre ein Jahr jüngere Schwester Antonia konnte es genauso gut, setzte ihr Können aber nicht so häufig ein, obwohl das mit ihren blonden Locken und den grünen Augen wahrscheinlich noch besser funktioniert hätte.

Die Eltern schwiegen und schüttelten den Kopf.

Vanessa sah Antonia an. «Sag doch auch mal was.»

Antonia köpfte ihr Ei und streute Salz darauf. «Ich wusste gar nicht, dass du schon fertig bist.» Dann schob sie sich ein Stück Ei in den Mund und schaute hoch. «Natürlich ist das ein Witz. Heute ist der erste April, schon vergessen? Sehr witzig, Papa, sehr witzig.»

Hanno Prönkel stand auf. «Das ist kein Witz, sondern die Wahrheit. Ende Juli, zu Beginn der Sommerferien, soll es losgehen. Und wir müssen das gemeinsam entscheiden. Davon ganz abgesehen, habt ihr uns das alles eingebrockt. Dieses Los mit dieser neuartigen Gewinnform habt ihr uns geschenkt, schon vergessen? Wir haben es uns nicht ausgesucht. Und dass wir gewonnen haben – tja, das kann passieren bei solchen Dingen. Jetzt müssen wir überlegen, was wir tun sollen.»

Er sah seine Frau an.

«Jetzt macht euch mal locker», sagte Jan. «Man kann doch darüber reden, wie Papa es vorgeschlagen hat. Warum muss denn alles sofort schrecklich sein? Vielleicht ist es ja total super.»

«Du bist also nicht dagegen?», fragten Vanessa und Antonia ihren älteren Bruder wütend.

«Erst mal will ich Fakten haben.»

«Fakten, Fakten», äffte Vanessa ihn nach. «Du redest ja schon wie ein Politiker. Außerdem will ich dich mal auf so einer Insel sehen. Du wirst vor Langeweile sterben, so hektisch und ungeduldig, wie du immer bist.»

«Ja, sehr lustig», sagte Antonia zu ihrem Bruder. «Meine Güte. Wir werden dort versauern. Auf Helgoland, das ist doch …»

«Genau. Deutschlands einzige Hochseeinsel», sagte Astrid.

Jan, der sein Smartphone schon herausgeholt hatte, war bereits hektisch dabei, Helgoland zu googeln. Sein iPhone war sein ganzer Stolz, und er hatte der kompletten Familie strikt verboten, es auch nur anzuschauen, geschweige denn anzufassen. Er hatte an geschätzten hundert Wochenenden dafür gearbeitet und hatte exakt an seinem 17. Geburtstag so viel Geld zusammengehabt, dass er losdüsen und es sich kaufen konnte. Jan war der Älteste der vier Geschwister, groß, breitschultrig, mit fast schwarzem Haar und braunen Augen. Er trieb viel Sport, war beliebt, und falls man wirklich was an ihm kritisieren wollte oder konnte, dann war es die Tatsache, dass er unglaublich ungeduldig war. Nichts konnte ihm schnell genug gehen. Dass er eben gerade gesagt hatte, dass die Schwestern doch mal locker sein sollten, kam daher, dass er das Ausmaß der Katastrophe noch nicht richtig kapiert hatte. Aber nun fuhr sein Zeigefinger über das Display. Dann schaute er mit weit aufgerissenen Augen seine Eltern an. «Hier steht, dass Helgoland einen Quadratkilometer groß ist. Da ist ja drum herum GAR nichts. Nur Wasser.» Plötzlich war er überhaupt nicht mehr gelassen. Er sah aus wie ein Strafgefangener, der gerade erfahren hatte, dass sein Wohnsitz für die nächsten fünfzig Jahre ein muffiges Verlies mit Eisenringen an den Wänden und netten Ratten war.

«Das ist bei Inseln oft so», sagte Hanno und füllte sich Kaffee nach. Er hätte gern ein paar Schnäpse getrunken, obwohl es Morgen war. Seine Kinder waren nicht gerade das, was man unkompliziert nennen konnte. Und nun kamen noch kompliziertere Dinge hinzu.

«Zeig!», brüllten die Schwestern und sprangen auf, um zu Jan zu laufen.

Nur die 8-jährige Lilly beschmierte ihren Toast dick mit Nutella, oder besser gesagt: Sie belegte Nutella mit einer Toastscheibe.

«Das könnt ihr vergessen.» Vanessa schüttelte den Kopf so heftig, dass sie fast mit Antonias zusammenstieß, die genauso heftig den Kopf schüttelte. «Eher bringe ich mich wirklich um. Die haben da bestimmt nicht mal WLAN. Außerdem wird garantiert noch mit D-Mark bezahlt.»

«Helgoland hat nur 1400 Einwohner», sagte Jan so entsetzt, als seien das alles Leprakranke. «Und so, wie es aussieht, gibt es keinen einzigen richtigen Club. Gar nichts.»

«Dafür gibt es eine Jugendherberge, und die soll ich ein Jahr mit Mama leiten.» Hanno Prönkel stand auf. «Das ist eben die Bedingung für den Gewinn. Ihr hättet die Nordsee vor der Haustür, frische Luft und Strand. Ihr macht es einem echt nicht einfach.»

«Eine Jugendherberge», schnappte Antonia und kleckerte vor Aufregung mit ihrem Eigelb. «Wie altmodisch ist das denn? Wer fährt denn heutzutage noch in Jugendherbergen? Ich gehe hier nicht weg. Ohne Sophia gehe ich nirgendwohin.» Sophia war Antonias beste Freundin seit Sandkastenzeiten. Die beiden klebten fester zusammen als Kaugummi.

«Und was wird mit mir und Marko?», fragte Vanessa fassungslos und kreidebleich. Mit Marko war Vanessa seit gut drei Monaten zusammen. Er war ihr erster Freund, und wenn es nach ihr gehen würde, auch ihr letzter.

«Marko und ich sind wie füreinander gemacht», sagte sie jedem, der das hören oder nicht hören wollte.

Astrid und Hanno fanden an Marko nichts, aber auch gar nichts nur ansatzweise positiv. Wenn ein Helgolandaufenthalt dazu dienen sollte, dass der oberflächliche Marko, der den ganzen Tag nichts machte, außer mit seinem von Papa geschenkten neuen Cabrio durch die Gegend zu fahren und auf, wie er betonte, einen passenden Studienplatz zu warten, ja, wenn ein Helgolandaufenthalt zur Folge hätte, dass Marko von der Bildfläche verschwand, dann hurra! Das dachte Astrid, aber sie sagte es natürlich nicht, sondern schaute nur ihren Mann an, der, das wusste sie, dasselbe dachte. Allein die Aussage von Marko, dass er auf einen Studienplatz warte, fand Astrid so dämlich. Seit wann klingelten denn passende Studienplätze an der Haustür, um nachzufragen: «Na, hast du auf mich gewartet? Jetzt bin ich ja da.»

«Ich habe noch nicht zugesagt. Außerdem erinnere ich erneut daran, dass ihr uns das Los geschenkt habt.» Hanno hatte keine Lust mehr. Er hatte einfach keine Lust mehr. Er hasste die Lotteriegesellschaft und diese blöde Frau, die fröhlich vor der Tür gestanden und mit aufgesetztem Lächeln und nacktem Neid in den Augen überschwänglich gratuliert hatte. Die dauernd gesagt hatte, dass das etwas sehr Außergewöhnliches sei, und ach, wie schön, wie schön, wie schön. Die Frau war mit einem Kollegen vorbeigekommen, und beide hatten Hanno und Astrid die Hand so fest geschüttelt, dass Astrid kurz in Erwägung gezogen hatte, einen Knochenchirurgen aufzusuchen. Nach und nach kam das Ausmaß des Gewinns ans Licht.

«Lass es für heute gut sein.» Astrid stand auf. «Wir sollten uns alle beruhigen. Und wir müssen jetzt los.» Sie schaute auf die Uhr. Halb acht. Um acht musste sie in der Schule sein und ihre 4. Klasse in Deutsch unterrichten.

«Ob heute oder morgen: Ich ziehe da nicht hin. Ich ziehe auf keine Insel. Wahrscheinlich haben die noch nicht mal Handyempfang.» Vanessa ließ nicht locker.

«O Gott», sagte Jan und starrte auf sein iPhone. «Da kommen täglich Tausende Touristen, um zollfrei Alkohol und Zigaretten zu kaufen. Wunderbar. Da laufen bestimmt immer Betrunkene rum.»

«Ich finde es viel schlimmer, dass wir überhaupt von hier wegsollen», sagte Antonia leise. «Ich mag Frankfurt.»

Vanessa schnappte wütend ihre Tasche. «Uns das mit dem Los auch noch vorzuwerfen. Komm, Antonia. Wir sollten ab sofort jeden Tag, den wir in einer normalen Stadt verbringen können, genießen. Ab Juli ist möglicherweise damit Schluss. Dann werden wir uns wie Panther im Zoogehege fühlen, die ständig hin und her laufen, weil sie psychisch angeknackst sind.»

Die beiden verließen das Haus. Draußen hielt Antonia ihre Schwester am Ärmel fest. «Ich hab schon seit längerem ’ne Idee», sagte sie. «Ich hab letztens schon mit Sophia drüber gesprochen. Hör gut zu. Das könnte unsere Rettung sein, auch wenn ich damals noch gar nicht wusste, dass wir eventuell von hier wegmüssen.»

 

«Ihr könnt von mir aus noch drei Millionen Argumente auf den Tisch legen. Ich bleibe bei nein.» Hanno Prönkel versuchte, ruhig zu bleiben, aber am liebsten hätte er rumgebrüllt. Seine beiden großen Töchter waren unmöglich. Hanno rechnete kurz nach, wie lange es noch dauern würde, bis sie volljährig sein würden. Vier Jahre hatte er insgesamt noch vor sich. Wären die beiden doch bloß so unkompliziert wie ihre kleine Schwester. Die 8-jährige Lilly brauchte nur Nutella und ein Sachbuch, einen Reiseführer oder ein Lexikon, um glücklich zu sein.

«Wenn ihr uns das nicht erlaubt, trete ich in den Hungerstreik.» Vanessa belegte ihr Brot schon mal vorsorglich mit fünf Scheiben Schinken.

«Der würde bei dir ungefähr eine halbe Stunde dauern», sagte Jan. «Du bist doch so verfressen wie sonst niemand. Wenn du so weitermachst, wirst du es nie zu einem Casting für diese bescheuerte Modelshow schaffen.»

Vanessa sowie Antonia träumten davon, einmal bei Germany’s Next Topmodel mitmachen zu können. Leider mussten sie noch ein beziehungsweise zwei Jahre warten. Man durfte dort erst mitmachen, wenn man 16 war oder die Einverständniserklärung der Eltern vorzeigen konnte, sollte man jünger sein. Ihre spießigen Eltern gaben die ihnen natürlich nicht. Astrid und Hanno fanden diese Show furchtbar. Aber Antonia und Sophia hatten sogar beschlossen, sich dort gemeinsam zu bewerben – sobald das eben möglich war.

Sophia war von der Idee, Model zu werden, noch besessener als alle anderen. Sie hatte schon heimlich eine Sedcard erstellen lassen, wofür ihr komplettes Sparbuch draufgegangen war. Sophia war wirklich hübsch. Sie war sehr groß, sehr schlank, hatte lange blonde Naturlocken, ein fast schon überirdisch schönes Gesicht mit grauen Katzenaugen, toll geschwungenen Augenbrauen und Lippen, die wie gemalt aussahen. Sophia wusste ganz genau, dass sie gut aussah, ließ das aber nur raushängen, wenn sie mal wieder blöd angemacht wurde. Sie war sehr schlagfertig und hatte für aufdringliche Typen immer gute Sprüche parat («Meinst du wirklich, eine Gesichtsfünf wie du passt zu mir?»). Wenn Sophia und Antonia, die ja mit ihren ebenfalls blonden Locken, aber grünen Augen auch sehr hübsch war, aber eben viel schüchterner als Sophia, gemeinsam unterwegs waren, drehten sich eigentlich alle Jungs nach ihnen um. Aber meistens waren sie so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie das gar nicht merkten. Jungs waren okay, aber nicht das Wichtigste. Antonia wollte so selbstbewusst und schlagfertig sein wie die Freundin, aber die lachte immer nur und sagte, dass doch nicht alles gleich sein müsste.

«Natürlich werde ich das schaffen», konterte Vanessa und sah ihren Bruder böse an. «Deine komische Mia, die seit ein paar Wochen dauernd hier herumlungert, muss ein Stück Schokolade nur anschauen und hat ein Kilo mehr. Die braucht sich da gar nicht erst zu bewerben.»

«Erstens lungert sie hier nicht rum, ich lerne mit ihr. Sie hilft mir in Mathe. Und zweitens will sie gar nicht …»

«Haha. Ja, klar. Deswegen ist deine Tür auch immer zu. Lernen nennst du das. Lernen kannst du auch mit mir. Ich bin gut in Mathe.»

«Das geht dich überhaupt nichts an.» Jan wurde rot.

«Oooch, werden wir rot?», säuselte Antonia. «Wann kommt Mathe-Mia denn wieder? Und was lernst du denn sonst noch so bei ihr außer Mathe?»

Jan stand auf. «Du … pass mal gut auf. Sonst …»

«Was sonst?»

«Schluss jetzt», sagte Astrid. «Ihr zermürbt mich, alle miteinander. Und egal ob Hungerstreik oder nicht, ein Internat kommt nicht in Frage.»

«Aber …», fing Vanessa an.

«Nein. Und das ist auch mein letztes Wort», sagte Hanno Prönkel und hätte gern noch lauter gesprochen. «Deinem Hungerstreik sehe ich gelassen entgegen, mein Schatz. Du kannst gleich damit anfangen und mir dein Brot geben. Ich mag Schinken gern.»

Vanessa stopfte sich die Scheibe in den Mund und versuchte, alles auf einmal runterzuschlucken, was natürlich nicht ging.

«Das werdet ihr noch bereuen.» Vanessa stand auf. «Ihr seid für unser Unglück verantwortlich. Wenn ich nach Helgoland muss, bekomme ich Depressionen und werde sowieso nicht mehr lange zu leben haben, weil ein Wintersturm mich raus auf die raue Nordsee wehen wird. Und dann werdet ihr euch den Rest eures Lebens fragen, warum ihr damals eure geliebten Töchter nicht aufs Internat geschickt habt, und …»

«Damit können wir leben.» Astrid goss sich ein Glas Rotwein ein und prostete ihrem Mann zu.

«Das grenzt an Mobbing», sagte Vanessa.

«Klar.» Die Mutter nickte.

«Ich bin total gut in der Schule», versuchte es Vanessa nun. Das stimmte. In Englisch und Mathe war sie brillant, in den anderen Fächern ebenfalls sehr gut.

«Was hat das denn damit zu tun?», fragte Astrid. «Da gibt es auch eine Schule.»

«Ja, klar. Da bekommt man erklärt, wie man einen Säbelzahntiger fachmännisch erlegt», sagte Vanessa bitter. «Und wenn man Glück hat, lernt man das kleine Einmaleins. Wollt ihr, dass ich nichts mehr lerne und später nur noch einen Job bei McDonald’s bekomme?»

«Herrje, du musst immer übertreiben.» Hanno wurde langsam sauer. «Immer, immer, immer.»

«Ist doch wahr», klagte Vanessa. «Eine Schule auf Helgoland ist mit einer anderen doch nicht zu vergleichen.»

«Das ist doch Unsinn. Ruhe jetzt.»

Lilly stand auf. «Ich habe morgen erst zur Dritten. Kann ich noch eine Folge Germany’s Next Topmodel bis zum Schluss schauen?», fragte sie ihre Mutter.

«Ausnahmsweise.» Astrid nickte Lilly zu, und die raste ins Wohnzimmer. Sie schaute sich immer wieder die Aufzeichnungen der gerade beendeten Staffel an, bis die neue begann.

«Warte. Wir kommen mit.»

Lilly drehte sich zu Antonia und Vanessa um. «Ihr könnt oben was anderes schauen. So eine Sendung soll Spaß machen, und ich kann’s nicht leiden, wenn sie dauernd von euren doofen Sprüchen unterbrochen wird. Außerdem will ich wenigstens einmal am Tag Ruhe vor euch, wenn ich daheim bin.» Mit diesen Worten knallte sie die Küchentür hinter sich zu.

«Wo sie recht hat, hat sie recht», grinste Jan und fing an, auf seinem Smartphone Angry Birds zu spielen. Das spielte zwar heutzutage keiner mehr außer ihm, aber er liebte es. Er überlegte, ein Spiel zu erfinden, das Angry Prönkels hieß und mit dem er cholerische Geschwister in doppelter Ausfertigung auf den Mond schießen könnte.

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2

«Zwei Komma acht Millionen Euro.» Astrid wiederholte das jetzt zum fünften oder sechsten Mal. Sie saß mit Hanno im Wohnzimmer und starrte ihn an. «Ich kann es immer noch nicht glauben. Eigentlich kann ich mir so viel Geld auf einem Haufen gar nicht vorstellen.»

«Freu dich nicht zu früh», sagte Hanno. «Es ist gut möglich, dass wir ablehnen müssen. Wenn wir nicht nach Helgoland fahren und ein Jahr die Jugendherbergseltern geben, gemeinsam mit allen Kindern, dann sehen wir auch keinen Cent des Geldes. Und ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass die Kinder entweder versuchen, sich das Leben zu nehmen, oder sich bei einer dieser Auswanderershows verpflichten und wir sie dann nur noch im Fernsehen dabei beobachten können, wie sie durch ein unbewohntes Gebiet am Amazonas streunen, um dort sesshaft zu werden, weil irgendein Hippie mal behauptet hat, das sei das wahre Leben.»

«Du bist schon genauso theatralisch wie Vanessa und Antonia», sagte Astrid und verdrehte die Augen. «Lass uns doch erst mal darüber sprechen, was wir beide eigentlich wollen. Und ob es überhaupt machbar ist.» Sie strich ihre blonden Haare zurück und nippte an ihrem Rotwein.

«Ja, du hast recht.» Hanno Prönkel stand auf und streckte sich. «Und was wollen wir?»

«Genau das werden wir jetzt herausfinden. Setz dich wieder hin.»

 

«Tja, das habt ihr leider nicht bedacht.» Jan freute sich. Er hatte mehrere Ausdrucke auf den Tisch gelegt, an dem seine Eltern saßen, und wartete nun auf deren Reaktion.

«Das ist in der Tat ein Problem», sagte Astrid.

Das Problem bestand in der Tatsache, dass es nur eine einzige Schule auf Helgoland gab, und zwar eine Realschule, die eine Grund- und Hauptschule integriert hatte. Bei Antonia und Vanessa war das kein Problem, die gingen auch hier auf die Realschule. Bei Lilly auch nicht, denn sie befand sich noch in der Grundschule, aber Jan würde nach den Sommerferien in die 11. Klasse kommen, und ein Gymnasium gab es auf Helgoland nicht.

«Ich habe schon geschaut, ich könnte mit Ben ins Internat nach …»

«Jan», unterbrach Astrid ihren Sohn. «Bitte fang du jetzt nicht auch noch mit einem Internat an. Davon mal ganz abgesehen, dass das alles irre teuer ist, würden deine Schwestern uns erdolchen, wenn wir dich auf ein Internat gehen lassen und sie zwingen würden, mit uns nach Helgoland zu kommen. Und das zu Recht.»

«Aber hier ist höhere Macht im Spiel.»

«Du nutzt das aus», sagte Hanno.

«Moment mal», entgegnete Jan. «Das mit Helgoland war nicht meine Idee. Ich habe auch das Los nicht gekauft. Da könnt ihr euch bei meinen Schwestern bedanken. Sie wollten euch zum Hochzeitstag damit eine Riesenfreude machen. Dass wir jetzt in der Klemme stecken, haben wir Vanessa und Antonia zu verdanken.»

«Ja klar», sagte Hanno Prönkel.

«Bald sind wir doch reich», versuchte Jan es weiter. «Ihr könntet jetzt einen Kredit aufnehmen und der Bank sagen, dass das Geld in einem Jahr kommt. Dann könnt ihr uns alle aufs Internat schicken. Dann habt ihr eure Ruhe vor uns, das wollt ihr doch immer.»

«Du versuchst es auch mit allen Mitteln.» Fast schon bewundernd schüttelte Astrid Prönkel den Kopf. «Unglaublich. Aber eins ist klar: Bevor das Geld nicht auf unserem Konto ist, wird nichts ausgegeben. Wer weiß, ob nicht doch noch was dazwischenkommt oder ein Passus in diesem Vertrag ist, der die Auszahlung des Geldes aus welchen Gründen auch immer verhindert. Das kommt nicht in Frage.»

«Sehe ich genauso», sagte ihr Mann und nickte. «Es werden keine Schulden gemacht.»

«Das ist so gemein.» Jan wollte es einfach nicht glauben.

«Beruhige dich! Wir müssen sowieso erst noch mit euren Lehrern sprechen», sagte Astrid. Gleich morgen würde sie Termine machen. Was die jüngste Tochter anbelangte, so musste sie nur mit ihrer Kollegin sprechen, die Lillys Klassenlehrerin war. Lilly war das geringste Problem. Sie war Neuem gegenüber immer aufgeschlossen. Hauptsache, es war genügend Nutella im Haus und die Eltern hatten sie lieb. Lilly war ein ganz normales, durchschnittliches, liebenswertes Mädchen, das gerne in die Schule ging, gut mitkam und beliebt war. Sie würde keine Schwierigkeiten machen.

Aber die beiden großen Töchter … und jetzt auch noch Jan.

Vielleicht konnte sie mit der Lotteriegesellschaft sprechen und das mit dem Gewinn irgendwie anders abwickeln? Was war das überhaupt für ein komisches System, dass Gewinner erst was tun mussten, um sich den Gewinn zu verdienen? Ein Jahr lang gemeinnützige Arbeit leisten und die Jugendherberge auf Helgoland leiten. Das war nicht gerade das, was Astrid sich immer erträumt hatte. Sie hatte genügend Kinder zu Hause und keine Lust darauf, täglich mit anderen Schulklassen zu tun zu haben, die Lärm machten und schmutzten. Das hatte sie schon in der Schule. Aber das Geld! Fast drei Millionen. Sie konnten größere Summen für die Kinder zurücklegen, sie konnten sich ein Haus kaufen, sie konnten … ach, alles Mögliche machen! Was war da schon ein Jahr? Das verging doch so schnell. Es war eine Erfahrung. Wer hatte schon die Möglichkeit, einfach so auf eine Hochseeinsel zu ziehen? Klar, im Winter wäre es wahrscheinlich einsam und die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung begrenzt, aber vielleicht würde es den Kindern gar nicht mal schlecht bekommen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Und natürlich gab es Internet. Die Helgoländer lebten ja nicht in der Steinzeit, und im Sommer kamen scharenweise Touristen. Das war ja kein Niemandsland. Sicher würde man sie freundlich willkommen heißen. Oder?

«Die Insel ist wirklich total klein», sagte Astrid dann. Die Sache musste gut überlegt werden. Sie würde sich beurlauben lassen müssen, aber das würde kein Problem werden. Bei Hanno würde es ebenfalls einfach sein. Als freiberuflicher Autor konnte er dank Internet und Telefon überall arbeiten. Er war ortsunabhängig.

«Das wissen wir ja nun.»

«Das ist ein Gefängnis!», mischte sich Jan wieder ein.

«Es wird sich alles klären», sagte Astrid zu Jan. «Lass Papa und mich jetzt mal allein.»

Jan stapfte laut die Treppe hinauf. Er war stinksauer. Hieß es nicht yolo? You only live once. Von wegen, er konnte jetzt auf einer Insel versauern.

Zwei Wochen später

«Also», begann Astrid beim Abendessen, und Antonia rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. «Papa und ich sind einstimmig zu dem Entschluss gekommen, dass wir das machen wollen. Und zwar …»

«Das ist nicht wahr», flüsterte Vanessa und krallte sich in der Tischkante fest. «Ihr wollt uns tatsächlich in den Kerker werfen? Wir sollen auf einem Quadratkilometer Land in der Nordsee vermodern? In der Schule lachen sie schon über uns und fragen, ob wir uns nicht gleich einsargen lassen wollen.»

Das stimmte. Nicht einer in der Schule fand die Tatsache aufregend oder toll. Helgoland war so was wie Alcatraz und mit Frankfurt und seinem trubeligen Leben natürlich überhaupt nicht zu vergleichen. Vanessa und Antonia waren schon ein bisschen enttäuscht über diese Reaktionen, sie hätten sich gewünscht, dass die Klassenkameraden und Freundinnen sie getröstet oder aufgemuntert hätten – und Besuche angekündigt. Mit diesen durchweg negativen Reaktionen hatten sie nicht gerechnet.

«Alina hat sogar gesagt, dass wir bestimmt zu so Dorftrotteln mutieren», hatte sich Vanessa schon bei Antonia beklagt. «Anstatt mal zu sagen, dass es nicht so schlimm ist.»

Bei Antonia war es genau dasselbe gewesen. Sie wurden von allen Seiten belächelt und mitleidig oder sogar ein bisschen verächtlich behandelt.

«Ich hätte mich anders verhalten, wenn jemand aus meinem Freundeskreis so was vor sich hätte», hatte Antonia gesagt. «Tolle Freunde haben wir da.»

Und jetzt wurde der Vater auch noch wütend. «Herrje, Vanessa!», fuhr Hanno seine Tochter an. «Hör endlich auf, das zu dramatisieren. Es geht um ein Jahr, und das wird dir und euch allen sehr guttun.»

«Ja», sagte Lilly eifrig. «Da gibt es Kegelrobben. Und Knieper. Das sind die Scheren vom Taschenkrebs. Die schmecken sehr gut. Das ist nämlich eine Delikatesse. Ich hab mir in der Bücherei ein Buch über Helgoland ausgeliehen.» Lilly las für ihr Leben gern in merkwürdigen Büchern und zog eine Buchrecherche einer Internetrecherche grundsätzlich vor.

«Toll», sagte Vanessa. «365 Tage lang Robben und als Highlight ein Taschenkrebs. Das habe ich mir schon immer gewünscht.»

«Man isst die Knieper mit Baguette oder auch gern mit Knoblauchsoße», sagte Lilly, als sei das das Wichtigste überhaupt.

«Ich bin ja fein raus», sagte Jan. «Ich kann für das Jahr bei Lukas wohnen. Hab ich euch schon gesagt, dass seine Eltern nichts dagegen haben?»

«Nein, Jan.» Hanno schüttelte den Kopf. «Da hat sich eine kleine Änderung ergeben. Du kommst mit. Es ist alles geklärt. Lukas’ Eltern werde ich noch anrufen und mich dafür bedanken, dass sie dich aufgenommen hätten.»

«Was? Wie?», fragte Jan verwirrt. Er hatte Oberwasser, seitdem er das mit der Schule herausgefunden hatte.

«Ja», sagte Hanno. «Ich habe mit deinem Klassenlehrer gesprochen. Du hast ja sowieso schon auf der Kippe gestanden. Und jetzt steht fest – also seit der Konferenz –, dass du das Klassenziel leider nicht erreichst.»

Jan wurde blass, Antonia und Vanessa kicherten.

«Das kann gar nicht sein», rief Jan wütend und sah seine Schwestern stinksauer an. «Der …»

«Bei drei Fünfen schon», unterbrach Astrid ihren Sohn.

«Ich mag weder Mathe noch Chemie. Ich mag es einfach nicht.» Jan stand auf, sein Stuhl fiel nach hinten und krachte zu Boden.

«Physik leider auch nicht», sagte Hanno. «Jetzt setz dich wieder hin. Sei mal lieber froh, dass wir nicht ausrasten.»

«Was ist Physik?», fragte Lilly neugierig wie immer und tauchte ihren Löffel zum wiederholten Mal ins Nutellaglas.

«Physik befasst sich mit den Erklärungen von teilweise grauenhaften Naturereignissen», sagte Antonia. «Also beispielsweise damit, wie es möglich ist, dass Menschen auf eine unbewohnte Insel verfrachtet werden, um dort den Naturgewalten hilflos ausgeliefert zu sein. Das ist Physik, und das kapiert dein Bruder leider nicht. Er hat nämlich gehofft, dass er schön hierbleiben kann. Ist aber leider nicht so. Hast du das jetzt verstanden, Jan? Ich frage nur, weil du ja Physik auch nicht magst. Dabei hast du doch mit der lieben Mia dauernd bei geschlossener Zimmertür gelernt. Dumm, dass das nichts gebracht hat. Vielleicht liegt es ja daran, dass du ein Jahr später eingeschult wurdest.» Jan war in der Tat erst mit 7 Jahren in die Schule gekommen, was allerdings nichts mit seiner Dummheit zu tun hatte, sondern damit, dass er ungünstig Geburtstag hatte. Die Schwestern holten diese Tatsache aber gern mal raus, um ihn zu ärgern.

«Vielleicht habt ihr ja gar nicht Mathe gelernt, sondern was anderes. Erzähl doch mal», fing nun auch Vanessa an. Sie schenkte sich Saft nach und schaute ihren Bruder an wie eine Schlange das Kaninchen.

«Passt beide auf, ja!» Jan ging drohend auf sie zu.

Schnell stand Antonia auf.

«Hättest du mal besser mit mir gelernt», kicherte Vanessa und ging ebenfalls in Deckung.

«Schluss jetzt. Setzen!», rief Hanno entnervt, aber Jan hörte nicht auf ihn und begann Antonia und Vanessa um den Tisch herum zu verfolgen. Und eine halbe Minute später hatten sie die Decke heruntergerissen, und Jan war auf der Butter ausgerutscht und auf den Boden geknallt, während Antonia gegen Lilly gestoßen war und über ihren Stuhl flog.

Bei den Prönkels hätte man nun buchstäblich vom Boden essen können.

Astrid schloss kurz die Augen und versuchte sich einzureden, dass es ganz toll war, Kinder zu haben. So toll. Sie schaute ihren Mann an, und der lächelte ihr gequält zu. Vielleicht sollte man die Brut nach Helgoland schicken und selbst zu Hause bleiben? Möglicherweise könnte man das mit der Lotteriegesellschaft diskutieren.

«Man braucht für die Knieper ein bestimmtes Besteck», sagte Lilly, aber niemand antwortete ihr.

«Helgoland hat eine eigene Sprache, die spricht aber kaum noch jemand», sagte sie dann zu sich selbst. Wenigstens sie hörte sich zu.

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3

«Ich fasse es nicht. O mein Gott, wie furchtbar. Mit wem soll ich denn jetzt lästern?» Sophia stand vor Antonia und hatte Tränen in den Augen. Offenbar war sie die Einzige, die es halbwegs schlimm fand, dass ihre Freundin wegzog, wenn auch nur für ein Jahr. «Wie können deine Eltern nur so unglaublich grausam sein. Das hätte ich nie im Leben gedacht. Bitte …», sie schüttelte den Kopf, «du musst hierbleiben. Was soll denn sonst aus mir werden? Ich hocke allein hier in Frankfurt ohne dich.»

«Glaubst du, ich finde das toll? Ich hocke allein auf Helgoland», sagte Antonia wütend. In ihren Augen war sie schlimmer dran: Sophia würde hierbleiben, und sie musste fort.

«Ich kann nichts dagegen tun», sagte sie dann böse. «Es ist leider beschlossene Sache. Die Schmidt hat sogar gesagt, dass das eine gute Erfahrung für uns sei und sie würde das voll unterstützen. Das sei ja so was wie ein Auslandsjahr.»

«Ich hasse die Schmidt», sagte Sophia giftig. «Was geht die das eigentlich an? Ich kann mir dann hier eine neue beste Freundin suchen, super.»

Gesine Schmidt war die Klassenlehrerin und bei den Schülern nicht gerade beliebt. Bei Antonia und Sophia nun noch weniger.

«Wären wir im Mittelalter, würde ich dafür sorgen, dass sie als Hexe verfolgt wird», sagte Sophia. «O ja, das würde ich. Eine Warze hat sie ja schon. Außerdem ist sie so alt, dass sie eigentlich schon in Rente gehen müsste.»

«Na ja», sagte Antonia, die kurz darüber nachdachte, dass es ja eigentlich komisch war, dass Sophia nur daran zu denken schien, was aus ihr selbst wurde und nicht daran, was sie, Antonia, jetzt machen musste. «Sie ist vierzig. Aber egal. Wir können machen, was wir wollen, ich muss dahin. Und auch noch bald.»

«Noch zwei Wochen», sagte Sophia. «Und dann sehen wir uns nicht mehr.»

«Du kannst mich doch besuchen kommen», sagte Antonia.

«Auf Helgoland? Wenn es wenigstens Mallorca wäre. Oder von mir aus Rom. Da hätten wir Party ohne Ende. Und was ist schon ein Wochenende? Wir wollten uns doch zusammen bei Germany’s Next Top Model bewerben. Das muss ich jetzt auch alleine machen.» Sophia hob theatralisch beide Hände und blickte in den Himmel. «Es gibt keinen Gott», sagte sie dann wütend. «Wenn es einen gäbe, würde er das hier genauso wenig zulassen wie … wie … die Tatsache, dass … ich weiß nicht.» Sie ließ die Hände hilflos wieder sinken.

«Ich weiß ja auch nicht.» Antonia war ebenfalls ratlos und wütend. «Hätten wir doch bloß nicht dieses dämliche Los gekauft. Dann wäre es nie so weit gekommen. Das Schlimme ist, dass wir da echt ein Jahr bleiben müssen. Ein ganzes Jahr dürfen wir die Insel noch nicht mal verlassen, um nach Hause zu fahren. Wenigstens dürfen wir in der Nordsee schwimmen. Aber wir dürfen nicht aufs … wie hieß das noch … Festland.»

«Das kapiere ich auch nicht. Was haben die denn davon?», fragte Sophia.

«Irgendwas mit sozialem Aspekt, mehr Miteinander, blabla, keine Ahnung. Irgendwie sind wohl diese Leute, die sonst die Jugendherberge leiten, für ein Jahr im Ausland, um da wahrscheinlich in irgendwelchen Krankenhäusern zu arbeiten, ehrenamtlich natürlich, und jemand muss sich um die Jugendherberge kümmern, aber natürlich auch umsonst.»

«So ganz umsonst ist es ja nicht», warf Sophia ein. «Wenn deine Eltern das Jahr durchhalten, gibt’s ganz schön viel Geld.»

«Darum geht es doch jetzt gar nicht», sagte Antonia. «Es geht darum, dass ich nicht dahin will.»

«Deiner Schwester muss es doch auch entsetzlich gehen», sagte Sophia. «Was wird denn aus ihr und Marko? Wie furchtbar! Wobei ich echt nicht verstehe, dass man mit dem zusammen sein kann.»

«Ach, Marko ist mir wurscht. Aber meiner Schwester geht es natürlich genau so wie mir. Wir wollen alle nicht weg.»