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Ein Zelt und die Sehnsucht nach Ruhe – so beginnt Ingo Klaus’ persönliche Entdeckungsreise durch eine der idyllischsten Regionen Norddeutschlands. Sechs Wochen lang schlägt er sein Lager in Bad Malente auf, mitten in der sanften Hügellandschaft der Holsteinischen Schweiz, um dem hektischen Alltag zu entfliehen und sich ganz auf Natur, Geschichte und das Leben im Moment einzulassen. Was zunächst als einfacher Campingurlaub beginnt, entwickelt sich bald zu einer vielschichtigen Erfahrung: Klaus taucht ein in die reiche Kulturgeschichte der Region, entdeckt Spuren vergangener Zeiten in Herrenhäusern, Gutsanlagen und kleinen Dorfkirchen – und lässt sich vom langsamen Rhythmus der Natur leiten. Ob bei Wanderungen entlang der Schwentine, beim Beobachten von Wildtieren oder bei Begegnungen mit Einheimischen – immer wieder erlebt er Momente stiller Erkenntnis und echter Verbundenheit mit der Umgebung. Gleichzeitig beginnt für ihn eine neue Leidenschaft: das Beobachten und Fotografieren von Vögeln. Was anfangs wie ein beiläufiges Interesse wirkt, wird bald zu einem festen Bestandteil seines Alltags – und zu einer Brücke zwischen Naturerlebnis und Achtsamkeit. „Sechs Wochen in Bad Malente“ ist mehr als nur ein Reisebericht. Es ist ein stilles, einfühlsames Porträt einer Landschaft und eines inneren Wandels. Ingo Klaus nimmt uns mit auf eine Reise, die zeigt, wie entschleunigend, inspirierend und heilsam das einfache Leben in der Natur sein kann – ganz ohne Fernweh, dafür mit offenen Augen für das Nahe
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Sechs Wochen in Bad Malente
Ein Reisebericht aus der Holsteinischen Schweiz , eine Entdeckungsreise durch Natur, Geschichte und zu einem neuen Hobby
Vorwort
Dieser Reisebericht erzählt die Geschichte eines sechswöchigen Sommerurlaubs in Bad Malente, einer idyllischen Gemeinde inmitten der Holsteinischen Schweiz. Was als einfache Auszeit vom Alltag begann, entwickelte sich zu einer Reise der Selbstentdeckung und zur Geburt einer neuen Leidenschaft. Die Holsteinische Schweiz mit ihren glitzernden Seen, sanften Hügeln und dichten Wäldern bildet die perfekte Kulisse für diese Erzählung. Hier, zwischen historischen Wassermühlen und alten Gutshöfen, zwischen Campingplätzen und gemütlichen Ferienwohnungen, entfaltet sich die Geschichte eines Reisenden, der mehr findet als er suchte. Begleiten Sie den Protagonisten auf seiner Entdeckungsreise durch die Naturschönheiten und kulturellen Schätze der Region. Erleben Sie mit ihm die ersten unsicheren Paddelschläge auf der Schwentine, die zu einer tiefen Leidenschaft für das Kanufahren heranwachsen. Begegnen Sie den Menschen, die seinen Weg kreuzen und sein Leben bereichern. Dieser Bericht ist mehr als eine Beschreibung von Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten. Er ist ein Zeugnis dafür, wie ein Ort und eine Tätigkeit das Leben verändern können, wie aus einem Urlauber ein Entdecker wird und wie aus einer zufälligen Begegnung eine lebenslange Leidenschaft entstehen kann. Tauchen Sie ein in die Welt von Bad Malente und lassen Sie sich inspirieren von der Schönheit der Holsteinischen Schweiz und der transformativen Kraft des Reisens.
Inhaltsverzeichnis
1. Ankunft in Bad Malente
2. Die Gremsmühle und die Geschichte Malentes
3. Leben auf dem Campingplatz
4. Auf den Spuren der Vergangenheit
5. Umzug in die Ferienwohnung
6. Die Seen der Holsteinischen Schweiz
7. Filmkulisse Gut Rothensande
8. Die Natur der Holsteinischen Schweiz
9. Zurück zum Camping - ein neues Hobby entsteht
10. Kanuwanderung auf der Schwentine
11. Die letzten Tage in Bad Malente
Epilog: Ein neues Hobby für das Leben
Kapitel 1:
Ankunft in Bad Malente
Die Landschaft veränderte sich, als ich von der Autobahn abfuhr und auf die Landstraße Richtung Bad Malente einbog. Die weiten, flachen Felder Norddeutschlands wichen sanften Hügeln, die von dichten Wäldern bedeckt waren. Zwischen ihnen blitzten immer wieder Seen auf, deren Oberflächen im Sonnenlicht funkelten. Es war Anfang Juli, und ich hatte sechs Wochen vor mir – sechs Wochen, in denen ich dem Alltag entfliehen und etwas Neues entdecken wollte. Die Entscheidung für Bad Malente war eher zufällig gefallen. Ein Kollege hatte von der "Holsteinischen Schweiz" geschwärmt, einer Region, die ich bisher nur vom Namen her kannte. "Wenn du Ruhe suchst, aber trotzdem nicht auf Aktivitäten verzichten willst, ist das genau das Richtige", hatte er gesagt. Nach Monaten voller Deadlines, Meetings und dem ständigen Summen meines Smartphones klang das wie Musik in meinen Ohren. Mein Plan war bewusst unkonventionell: Ich würde meinen Aufenthalt zwischen Campingplatz und Ferienwohnung aufteilen. Die erste und letzte Phase wollte ich im Zelt verbringen, um der Natur so nah wie möglich zu sein. Für die mittleren Wochen hatte ich eine Ferienwohnung gebucht – ein Kompromiss mit meinem Bedürfnis nach Komfort. Sechs Wochen nur im Zelt erschienen mir dann doch zu abenteuerlich. Als ich das Ortsschild "Bad Malente-Gremsmühlen" passierte, verlangsamte ich mein Tempo. Die Hauptstraße führte mich durch einen freundlichen Ort mit einer Mischung aus alten Fachwerkhäusern und neueren Gebäuden. Menschen schlenderten entspannt durch die Straßen, einige mit Eistüten in der Hand, andere mit Einkaufstaschen. Es wirkte wie ein Ort, der vom Tourismus lebte, ohne von
ihm überwältigt zu werden. Mein Navigationsgerät lotste mich durch den Ort und schließlich auf einen schmalen Weg, der parallel zu einem kleinen Fluss verlief. "Sie haben Ihr Ziel erreicht", verkündete die mechanische Stimme, als ich vor einem Holzschild mit der Aufschrift "Camping An der Schwentine" zum Stehen kam. Der Campingplatz lag in einer parkähnlichen Auenlandschaft direkt am Ufer der Schwentine, wie ich später erfahren sollte. Ich parkte mein Auto auf dem Besucherparkplatz und ging zur Rezeption, einem kleinen Holzhäuschen mit Blumenkästen vor den Fenstern. "Willkommen in Malente", begrüßte mich eine freundliche ältere Dame mit einem breiten Lächeln. "Sie müssen Herr Weber sein. Wir haben Sie schon erwartet." Ich nickte und
reichte ihr meinen Ausweis. "Das bin ich. Ich freue mich, endlich hier zu sein. Die Fahrt war länger als erwartet." "Das geht vielen so", erwiderte sie verständnisvoll. "Die letzten Kilometer durch die Holsteinische Schweiz verleiten zum Langsamfahren. Zu schön, um einfach durchzurauschen." Sie zwinkerte mir zu und reichte mir einen Lageplan des Campingplatzes. "Ich habe Ihnen einen schönen Platz am Wasser reserviert. Nicht zu nah an den Sanitäranlagen, aber auch nicht zu weit weg. Und mit etwas Abstand zu den Familien mit Kindern, wie Sie es gewünscht hatten." Ich dankte ihr und nahm den Plan entgegen. Nach einer kurzen Einweisung in die Regeln des Platzes und den Hinweis auf die Waschräume, den Kiosk und die Freibadestelle kehrte ich zu meinem Auto zurück und fuhr zu meinem zugewiesenen Platz. Es war ein idyllisches Fleckchen Erde. Eine kleine Wiese, umgeben von Büschen, die etwas Privatsphäre boten, mit direktem Blick auf die sanft fließende Schwentine. Auf der anderen Seite des Flusses erstreckte sich ein Waldstück, dessen Bäume sich im Wasser spiegelten. Die Luft war erfüllt vom Zwitschern der Vögel und dem leisen Plätschern des Wassers. Das Aufbauen meines Zeltes ging routiniert von der Hand. Es war ein geräumiges Modell, das ich mir vor einigen Jahren für gelegentliche Campingausflüge zugelegt hatte – groß genug, um darin stehen zu können, mit einer kleinen Apsis für Gepäck. Als ich den letzten Hering in den Boden schlug, fühlte ich, wie die Anspannung der letzten Wochen langsam von mir abfiel. Ich richtete mein provisorisches Zuhause ein: Isomatte und Schlafsack ausgerollt, Campinglampe aufgehängt, Kochutensilien und Vorräte verstaut. Dann stellte ich meinen Campingstuhl vor das Zelt, setzte mich und betrachtete die friedliche Szenerie vor mir. "Erster Urlaub hier?", fragte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah einen Mann mittleren Alters, der an einem Baum lehnte. Er trug eine abgewetzte Anglerweste und hatte ein wettergegerbtes Gesicht, das von einem Leben im Freien zeugte. "Ja", antwortete ich. "Ist das so offensichtlich?" Er lachte herzlich. "Die Mischung aus Erleichterung und Neugierde in Ihrem Gesicht verrät es. Ich bin übrigens Klaus, sozusagen Stammgast hier. Seit fünfzehn Jahren komme ich jeden Sommer für ein paar Wochen." "Thomas", stellte ich mich vor und reichte ihm die Hand. "Was zieht Sie immer wieder hierher?" Klaus setzte sich neben mich auf einen Baumstumpf und deutete auf den Fluss. "Die Schwentine. Sie verbindet die meisten Seen hier in der Gegend. Mit dem Kanu kann man tagelang
unterwegs sein, immer neue Ecken entdecken.
Und die Landschaft..." Er machte eine ausladende Geste. "Sie werden sehen, es gibt kaum einen schöneren Fleck in Norddeutschland." Wir unterhielten uns eine Weile über die Region, und Klaus gab mir bereitwillig Tipps für Ausflüge und Sehenswürdigkeiten. "Die Gremsmühle müssen Sie unbedingt besichtigen", empfahl er. "Sie hat dem Ort seinen Namen gegeben. Und wenn Sie sich für Geschichte interessieren, schauen Sie sich die alten Katen an – die Tews-Kate und die Thomsen-Kate. Echte Zeitreisen." Als die Dämmerung einsetzte, verabschiedete sich Klaus mit dem Versprechen, mir am nächsten Tag seine Lieblingsstellen zum Angeln zu zeigen. Ich blieb noch eine Weile sitzen und beobachtete, wie die untergehende Sonne das Wasser in goldenes Licht tauchte. In der Ferne hörte ich das Lachen von Kindern und das gedämpfte Gespräch anderer Camper. Später, als ich in meinem Schlafsack lag und durch die kleine Belüftungsöffnung des Zeltes die Sterne betrachtete, dachte ich über die kommenden Wochen nach. Sechs Wochen Zeit, um diesen Ort zu erkunden, Menschen kennenzulernen, vielleicht sogar ein neues Hobby zu entdecken. Klaus' Begeisterung für das Kanufahren hatte meine Neugierde geweckt. Ich hatte noch nie in einem Kanu gesessen, aber die Vorstellung, über die stillen Gewässer zu gleiten und versteckte Winkel der Natur zu entdecken, hatte etwas ungemein Anziehendes. Mit dem sanften Rauschen der Blätter und dem leisen Plätschern der Schwentine als Hintergrundmusik schlief ich ein, gespannt auf das, was die nächsten Tage bringen würden. Mein Abenteuer in Bad Malente hatte begonnen.
Kapitel 2:
Die Gremsmühle und die Geschichte Malentes
Der nächste Morgen begrüßte mich mit Vogelgezwitscher und dem sanften Plätschern der Schwentine. Ich öffnete die Zelttür und wurde von warmem Sonnenlicht empfangen, das durch die Baumkronen fiel und auf dem Wasser glitzernde Muster zeichnete. Die Luft war erfüllt vom Duft feuchter Erde und frischen Grüns – ein angenehmer Kontrast zur Großstadtluft, die ich gewohnt war. Nach einem einfachen Frühstück aus Kaffee und belegten Broten, die ich am Vorabend im Kiosk des Campingplatzes gekauft hatte, beschloss ich, Klaus' Rat zu folgen und die Gremsmühle zu besichtigen. Laut meinem Reiseführer war sie nicht nur namensgebend für den Ort Bad Malente- Gremsmühlen, sondern auch eines der ältesten Gebäude der Region. Der Weg zur Gremsmühle führte mich durch den Ortskern von Malente. An diesem Vormittag pulsierte das Leben in den Straßen. Einheimische erledigten ihre Einkäufe, Touristen schlenderten mit Stadtplänen in der Hand umher, und vor den Cafés saßen Menschen, die den sonnigen Tag genossen. Ich passierte kleine Geschäfte, die Souvenirs, Kunsthandwerk und regionale Produkte anboten, und machte mir eine mentale Notiz, später zurückzukehren, um sie genauer zu erkunden. Nach etwa zwanzig Minuten Fußweg erreichte ich die Gremsmühle. Sie lag malerisch zwischen dem Kellersee und dem Dieksee, genau an der Stelle, wo die Schwentine – früher Gremsau genannt – die beiden Seen verbindet. Das rote Backsteingebäude mit seinem imposanten Wasserrad wirkte wie aus einer anderen Zeit. Ich blieb einen Moment stehen und betrachtete, wie das Wasser über das Rad floss und es in eine gleichmäßige Drehung versetzte. "Beeindruckend, nicht wahr?", sprach mich eine ältere Dame an, die neben mir stehen geblieben war. "Dieses Rad dreht sich seit 2006 wieder, nachdem es jahrzehntelang stillstand." "Es ist wunderschön", stimmte ich zu. "Wissen Sie mehr über die Geschichte der Mühle?" Die Dame, die sich als Frau Becker vorstellte, eine pensionierte Geschichtslehrerin und ehrenamtliche Stadtführerin, nickte eifrig. "Oh ja, die Gremsmühle hat eine lange und bewegte Geschichte. Sie wurde erstmals 1280 urkundlich erwähnt, zu einer Zeit, als der Bau von Wassermühlen in der Region boomte. Die Lübecker Bischöfe besaßen das Monopol auf Mühlen und setzten Pächter ein, die sie betrieben." Während wir langsam um das Gebäude herumgingen, erzählte Frau Becker weiter: "Bis 1849 herrschte der
sogenannte Mühlenzwang – die umliegenden Dörfer durften ihr Korn ausschließlich hier mahlen lassen. Das machte die Mühle zu einem einträglichen Geschäft. Später, im 18. Jahrhundert, durften die Müller auch Bier und Branntwein herstellen und verkaufen." Wir erreichten eine Informationstafel, die weitere Details zur Geschichte der Mühle bot. Ich erfuhr, dass 1832 der damalige Müller Olandt eine Kornbrennerei in der Gremsmühle gründete, die jedoch später einem Brand zum Opfer fiel. 1956 wurde der Mühlenbetrieb schließlich aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. "In den 1980er Jahren ersetzte man das Mühlrad durch eine unbewegliche Attrappe", fuhr Frau Becker fort. "Erst 2003 initiierte der Heimat- und Verschönerungsverein ein Projekt zur Restaurierung des ursprünglichen Mühlenrads. Seit 2006 dreht es sich wieder in seiner Führung." Ich betrachtete das Rad mit neuem Respekt. Es war nicht nur ein touristisches Highlight, sondern ein Stück lebendige Geschichte, das die Identität des Ortes prägte. Neben dem Mühlenrad entdeckte ich eine Fischtreppe und eine Rollenbahn zum Übersetzen von Paddelbooten. "Die Schwentine ist ein beliebter Fluss für Kanuten", erklärte Frau Becker, als sie meinen Blick bemerkte. "Sie verbindet viele der Seen in der Holsteinischen Schweiz. Man kann tagelange Touren unternehmen." Diese Information weckte erneut mein Interesse am Kanufahren, das Klaus am Vorabend erwähnt hatte. Die Vorstellung, auf diesem historischen Wasserweg zu paddeln, der seit Jahrhunderten Menschen und Güter transportierte, hatte etwas ungemein Anziehendes. Nach der Besichtigung der Gremsmühle beschloss ich, dem Lauf der Schwentine ein Stück zu folgen. Der Weg führte mich entlang des Ufers, vorbei an Weiden und alten Eichen, deren Zweige sich über das Wasser neigten. Hin und wieder sah ich Kanuten, die gemächlich den Fluss hinabpaddelten, manche allein, andere in Zweierbooten, alle mit entspannten, zufriedenen Gesichtern. Nach etwa einer Stunde Spaziergang kehrte ich in den Ortskern zurück und fand ein kleines Café mit Terrasse, das einen Blick auf den Dieksee bot. Ich bestellte einen Kaffee und ein Stück Apfelkuchen und ließ die Eindrücke des Vormittags auf mich wirken. Am Nebentisch unterhielten sich zwei Männer angeregt über Angelplätze am Kellersee. Ihre Begeisterung war ansteckend, und ich ertappte mich dabei, wie ich ihrem Gespräch lauschte. Als sie bemerkten, dass ich interessiert war, bezogen sie mich freundlich ein. "Sind Sie auch Angler?", fragte der Ältere der beiden. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, aber ich bin für sechs Wochen hier und offen für
neue Erfahrungen." "Sechs Wochen!", rief der jüngere Mann aus. "Da haben Sie ja Zeit, die ganze Holsteinische Schweiz zu erkunden. Waren Sie schon auf dem Wasser?" "Noch nicht", antwortete ich. "Aber ich überlege, es mit dem Kanufahren zu versuchen." Die beiden nickten zustimmend. "Eine ausgezeichnete Idee", meinte der Ältere. "Die Schwentine ist perfekt für Anfänger. Ruhiges Wasser, kaum Strömung, und die Landschaft ist atemberaubend. Beim Bootsverleih am Dieksee können Sie einen Kurs buchen." Ich bedankte mich für den Tipp und notierte mir die Information in meinem Reisetagebuch. Es schien, als würde das Thema Kanufahren mich auf dieser Reise begleiten – vielleicht ein Wink des Schicksals? Nach dem Café schlenderte ich durch die Geschäfte des Ortes und kaufte einige Lebensmittel für die nächsten Tage. In einer Buchhandlung entdeckte ich einen Bildband über die Holsteinische Schweiz und ein Buch über die Geschichte der Region, die ich als Abendlektüre erstand. Auf dem Rückweg zum Campingplatz kam ich an einem Aushang vorbei, der für eine Führung durch die historischen Katen von Malente warb. Die Tews- Kate und die Thomsen- Kate, zwei alte Bauernhäuser, die einen Einblick in das Leben vergangener Zeiten boten, standen auf meiner Liste der zu besichtigenden Orte. Die Führung fand am übernächsten Tag statt – eine perfekte Gelegenheit, mehr über die Geschichte der Region zu erfahren. Zurück auf dem Campingplatz traf ich Klaus wieder, der gerade von einem Angelausflug zurückkehrte. Stolz präsentierte er mir zwei stattliche Barsche, die er im Kellersee gefangen hatte. "Die gibt's heute Abend am Lagerfeuer", verkündete er fröhlich. "Sie sind herzlich eingeladen, wenn Sie mögen." Ich nahm die Einladung dankbar an. Der Gedanke an frischen Fisch, gegrillt über offenem Feuer, ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Während Klaus die Fische zubereitete, erzählte ich ihm von meinem Besuch der Gremsmühle und meinem wachsenden Interesse am Kanufahren. "Ich wusste, dass Sie anbeißen würden", lachte er. "Die Schwentine hat diese Wirkung auf Menschen. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen die Grundlagen beibringen. Ich habe ein altes Kanu, das ich Ihnen
leihen kann, bis Sie entscheiden, ob es Ihnen liegt." Sein Angebot überraschte und freute mich zugleich. "Das wäre großartig", sagte ich. "Aber ich möchte Ihnen keine Umstände machen." Klaus winkte ab. "Keine Umstände. Ich freue mich immer, neue Kanuten auf die Schwentine zu bringen. Es ist ein besonderer Fluss, wissen Sie. Er hat Geschichte. Die alten Slawen nannten ihn 'Swantana' – der heilige Fluss. Und wenn Sie erst einmal auf ihm gepaddelt
sind, verstehen Sie, warum." Als die Dämmerung einsetzte, versammelten sich mehrere Camper um Klaus' Lagerfeuer. Der Duft von gegrilltem Fisch und Kartoffeln lag in der Luft, und bald saßen wir in geselliger Runde zusammen. Neben Klaus und mir waren da ein älteres Ehepaar aus Hamburg, eine junge Familie aus Dänemark und zwei Radfahrerinnen, die auf einer Deutschlandtour waren. Während wir aßen, wurden Geschichten ausgetauscht – von früheren Urlauben, von besonderen Orten in der Region, von unerwarteten Begegnungen. Die Dänen erzählten von ihrer Kanutour auf der Schwentine am Vortag, bei der sie einen Eisvogel beobachtet hatten, und die Radfahrerinnen schwärmten von der Fahrradroute entlang des Plöner Sees.
Es war ein perfekter Abend. Das Knistern des Feuers, das Lachen und die Gespräche, der Geschmack des frischen Fisches und die Gemeinschaft mit Menschen, die trotz unterschiedlicher Hintergründe die Liebe zur Natur und zum einfachen Leben teilten – all das schuf eine Atmosphäre von Zugehörigkeit, die ich in der Stadt selten erlebte. Als ich später in meinem Zelt lag, dachte ich über den Tag nach. Die Gremsmühle hatte mir einen Einblick in die Geschichte Malentes gegeben, in die Verbindung zwischen Mensch und Natur, die diesen Ort seit Jahrhunderten prägte. Der Fluss, der einst die Mühle antrieb, war heute ein Ort der Erholung und des Abenteuers. Ich schlug mein neu erworbenes Buch über die Geschichte der Region auf und las bei Kerzenschein, bis meine Augen schwer wurden. Morgen würde ich Klaus' Angebot annehmen und meine erste Kanufahrt wagen. Der Gedanke erfüllte mich mit einer Mischung aus Aufregung und Vorfreude, wie ich sie lange nicht mehr gespürt hatte. Mit dem leisen Plätschern der Schwentine als Hintergrundmusik schlief ich ein, träumte von glitzernden Wasseroberflächen und dem rhythmischen Eintauchen eines Paddels.
Kapitel 3:
Leben auf dem Campingplatz
Der dritte Tag meines Aufenthalts in Bad Malente begann mit einem strahlend blauen Himmel. Die Sonnenstrahlen tanzten auf der Wasseroberfläche der Schwentine und tauchten den Campingplatz in ein warmes Licht. Ich hatte beschlossen, diesen Tag ganz dem Campingleben zu widmen, um mich vollständig in dieser besonderen Form des Urlaubs einzuleben, bevor ich in den kommenden Wochen weitere Ausflüge unternehmen würde. Nach einem gemütlichen Frühstück vor meinem Zelt – Kaffee aus der Thermoskanne und frische Brötchen vom Campingplatz-Kiosk – machte ich mich auf den Weg zu den Sanitäranlagen. Der "Camping An der Schwentine" hatte mich positiv überrascht. Die Einrichtungen waren modern und sauber, mit geräumigen Duschkabinen, einem separaten Familienduschraum und sogar einem speziellen Bereich zum Abwaschen des Geschirrs. Ein deutlicher Unterschied zu manch anderen Campingplätzen, die ich in der Vergangenheit besucht hatte. Auf dem Rückweg zu meinem Zelt begegnete ich einer jungen Familie, die gerade dabei war, ihr Frühstück auf einem kleinen Campingtisch einzunehmen. Die beiden Kinder, ein Junge und ein Mädchen im Grundschulalter, winkten mir fröhlich zu. "Guten Morgen!", rief der Vater, ein freundlich aussehender Mann Anfang vierzig. "Schöner Tag heute, nicht wahr?" Ich stimmte zu und blieb stehen, um mich kurz zu unterhalten. Die Familie stellte sich als die Müllers aus Hamburg vor – Thomas und Sabine mit ihren Kindern Lena und Max. Sie erzählten mir, dass sie seit fünf Jahren jeden Sommer für zwei Wochen nach Malente kämen. "Die Kinder lieben es hier", erklärte Sabine. "Der Spielplatz, die Badestelle, und vor allem die Freiheit, die sie hier haben. In der Stadt können wir sie nicht einfach alleine losziehen lassen." "Und was hat Sie nach Malente geführt?", fragte Thomas. Ich erzählte ihnen von meinem sechswöchigen Urlaub und meinem Wunsch, dem Alltag zu entfliehen und vielleicht sogar ein neues Hobby zu entdecken. "Sechs Wochen!", rief Lena beeindruckt aus. "Das ist ja fast wie die ganzen Sommerferien!" "Wenn Sie ein neues Hobby suchen, sollten Sie unbedingt das Kanufahren ausprobieren", schlug Thomas vor. "Wir mieten uns jedes Jahr für einen Tag Kanus und paddeln auf der Schwentine. Es ist ein wunderbares Erlebnis, besonders für die Kinder." "Das habe ich tatsächlich vor", antwortete ich und erzählte ihnen von Klaus' Angebot, mir die Grundlagen beizubringen.
"Klaus ist eine Institution hier auf dem Platz", nickte Sabine anerkennend. "Er kennt jeden Winkel der Schwentine. Sie könnten keinen besseren Lehrer finden." Nach dem Gespräch mit den Müllers beschloss ich, den Vormittag mit einem Spaziergang rund um den Campingplatz zu beginnen. Der "Camping An der Schwentine" war größer, als ich zunächst angenommen hatte. Neben dem Bereich für Zelte gab es Stellplätze für Wohnwagen und Wohnmobile, einige fest installierte Mobilheime und sogar ein paar kleine Holzhütten, die gemietet werden konnten. Der Platz war harmonisch in die natürliche Umgebung eingebettet. Alte Bäume spendeten Schatten, Hecken und Büsche boten Privatsphäre zwischen den Stellplätzen, und überall blühten Wildblumen. Am Rand des Platzes entdeckte ich einen kleinen Gemeinschaftsgarten, in dem einige Camper Kräuter und Gemüse anbauten – ein Zeichen dafür, dass manche Gäste für längere Zeit blieben. Gegen Mittag kehrte ich zu meinem Zelt zurück und traf auf Klaus, der gerade sein Kanu vom Dach seines alten Kombis lud. "Perfektes Wetter für Ihre erste Kanufahrt", begrüßte er mich mit einem breiten Lächeln. "Sind Sie bereit?" Ich spürte ein Kribbeln der Aufregung. "So bereit wie man sein kann, wenn man keine Ahnung hat, was man tut", antwortete ich lachend. Klaus zwinkerte mir zu. "Keine Sorge, die Schwentine ist ein geduldiger Lehrmeister. Wir fangen ganz langsam an." Er zeigte mir, wie man das Kanu trägt, wie man es sicher ins Wasser lässt und wie man richtig ein- und aussteigt, ohne zu kentern. Dann
erklärte er mir die Grundlagen des Paddelns – die richtige Haltung des Paddels, den korrekten Bewegungsablauf und wie man das Kanu steuert. "Das Wichtigste ist, entspannt zu bleiben", betonte er. "Das Kanu spürt Ihre Anspannung und wird darauf reagieren. Vertrauen Sie dem Boot und dem Wasser." Nach der Theorie folgte die Praxis. Mit zittrigen Knien stieg ich ins Kanu, das Klaus stabilisierte, bis ich sicher in der Mitte saß. Dann reichte er mir das Paddel und gab mir einen sanften Schubs vom Ufer weg. Die ersten Minuten waren wackelig. Jede meiner Bewegungen schien das Kanu in Aufruhr zu versetzen, und ich klammerte mich verkrampft am Paddel fest. Doch nach und nach fand ich meinen Rhythmus. Ich lernte, mein Gewicht zu verlagern, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, und entdeckte, wie kleine Paddelbewegungen ausreichten, um das Kanu zu steuern. Klaus begleitete mich in seinem eigenen Kanu, gab Anweisungen und Ermutigungen und zeigte mir, wie man effizient paddelt, ohne sich zu verausgaben. Wir fuhren ein kurzes Stück die Schwentine hinauf, vorbei an Weiden, deren Zweige ins
Wasser hingen, und unter einer kleinen Brücke hindurch. Die Perspektive vom Wasser aus war faszinierend. Ich sah den Campingplatz von einer neuen Seite, entdeckte versteckte Buchten und beobachtete Wasservögel, die am Ufer nach Nahrung suchten. Die Geräusche waren gedämpft, nur das sanfte Plätschern des Wassers um den Bug des Kanus und das rhythmische Eintauchen des Paddels waren zu hören. Nach etwa einer Stunde kehrten wir zum Campingplatz zurück. Meine Arme waren müde, aber ich fühlte mich erfüllt und seltsam ruhig. Das Kanufahren hatte etwas Meditatives, eine Verbindung von Bewegung und Stille, die ich so nicht erwartet hatte. "Und?", fragte Klaus, als wir die Kanus ans Ufer gezogen und gesichert hatten. "Hat es Ihnen gefallen?" "Es war wunderbar", antwortete ich aufrichtig. "Anders als alles, was ich bisher gemacht habe. So... präsent. Man kann an nichts anderes denken als an den Moment." Klaus nickte verstehend. "Genau das ist es, was mich immer wieder aufs Wasser zieht. Diese Einfachheit. Nur Sie, das Boot und der Fluss." Wir verabredeten, in den nächsten Tagen weitere Übungsfahrten zu unternehmen, und Klaus versprach, mir mehr über die verschiedenen Gewässer der Holsteinischen Schweiz zu erzählen und mir zu zeigen, wie man längere Touren plant. Am Nachmittag nutzte ich die Freibadestelle des Campingplatzes für ein erfrischendes Bad in der Schwentine. Das Wasser war kühler als erwartet, aber nach der Anstrengung des Kanufahrens genau richtig. Einige Kinder planschten am flachen Ufer, während andere von einem kleinen Steg ins tiefere Wasser sprangen. Ich schwamm einige Züge hinaus in die Mitte des Flusses, ließ mich dann auf dem Rücken treiben und betrachtete den Himmel. Weiße Wolken zogen langsam vorbei, und zwischen den Baumwipfeln am Ufer konnte ich Vögel kreisen sehen. Die Anspannung der letzten Monate schien von mir abzufallen, weggewaschen vom klaren Wasser der Schwentine. Nach dem Schwimmen setzte ich mich mit einem Buch in meinen Campingstuhl und genoss die Nachmittagssonne. Um mich herum pulsierte das Leben auf dem Campingplatz. Kinder rannten lachend über die Wiesen, ein älteres Paar spielte Karten an ihrem Wohnmobil, und vom Grillplatz wehten verlockende Düfte herüber. Gegen Abend lud mich die Familie Müller zu ihrem Grillfest ein. Sie hatten einen großen Holzkohlengrill aufgestellt und bereiteten ein Festmahl vor: Würstchen, Steaks, Maiskolben und Folienkartoffeln. Ich steuerte eine Flasche Wein bei, die ich in einem kleinen Laden im Ort gekauft hatte. Nach und nach gesellten sich weitere Camper dazu. Klaus kam mit seinem
selbstgefangenen Fisch, ein niederländisches Paar brachte einen Salat mit, und eine ältere Dame aus Berlin steuerte selbstgebackenen Kuchen für das Dessert bei. Was als einfaches Abendessen begonnen hatte, entwickelte sich zu einem spontanen Campingplatz- Fest. Während wir aßen und tranken, wurden Geschichten ausgetauscht. Die Niederländer erzählten von ihrer Radtour durch Norddeutschland, die Berlinerin von ihren Erinnerungen an Malente aus den 1970er Jahren, und die Kinder berichteten aufgeregt von den Fischen, die sie am Ufer gesehen hatten. Thomas Müller, der sich als begeisterter Hobbyfotograf entpuppte, zeigte auf seinem Tablet Bilder von früheren Urlauben in der Region – beeindruckende Landschaftsaufnahmen, Sonnenuntergänge über den Seen und Wildtiere, die er auf seinen Wanderungen fotografiert hatte. "Die Holsteinische Schweiz ist ein Paradies für Fotografen", erklärte er. "Das Licht hier ist besonders, vor allem am frühen Morgen und in der Abenddämmerung. Und die Vielfalt der Landschaft – Seen, Wälder, Hügel – bietet unendlich viele Motive." Seine Begeisterung war ansteckend, und ich ertappte mich dabei, wie ich mir vornahm, auf meinen künftigen Ausflügen mehr auf fotogene Momente zu achten. Als die Dämmerung einsetzte, zündete Klaus ein Lagerfeuer an. Die Flammen warfen tanzende Schatten, und der Duft von brennendem Holz mischte sich mit dem der sommerlichen Nacht. Jemand holte eine Gitarre hervor, und bald erfüllten Lieder die Luft – deutsche Volkslieder, internationale Hits und Campingklassiker. Die Kinder rösteten Marshmallows über dem Feuer, während die Erwachsenen sich Geschichten und Anekdoten erzählten. Es war eine jener magischen Nächte, in denen Fremde zu Freunden werden, verbunden durch die gemeinsame Liebe zur Natur und die einfachen Freuden des Campinglebens. Spät in der Nacht, als das Feuer zu Glut heruntergebrannt war und die meisten Gäste sich in ihre Zelte und Wohnwagen zurückgezogen hatten, saß ich noch eine Weile allein am Ufer der Schwentine. Der fast volle Mond spiegelte sich im Wasser und tauchte die Landschaft in silbriges Licht. Ich dachte über den Tag nach, über die neue Erfahrung des Kanufahrens, die Begegnungen mit den anderen Campern und das Gefühl der Gemeinschaft, das ich erlebt hatte. Es war erst mein dritter Tag in Malente, und doch fühlte ich mich bereits verbunden mit diesem Ort und seinen Menschen. In meinem Alltag in der Stadt waren Begegnungen oft flüchtig und oberflächlich. Hier, wo das Leben entschleunigt war und die Natur den Rhythmus vorgab,
schienen die Verbindungen zwischen Menschen tiefer und authentischer zu sein. Als ich schließlich in mein Zelt kroch und mich in meinen Schlafsack kuschelte, hörte ich in der Ferne das Rufen eines Käuzchens und das leise Plätschern der Schwentine. Mit einem Gefühl tiefer Zufriedenheit schlief ich ein, gespannt auf die Abenteuer und Begegnungen, die die kommenden Tage bringen würden.
Kapitel 4:
Auf den Spuren der Vergangenheit
Der vierte Tag meines Aufenthalts in Bad Malente begann mit einem leichten Nieselregen. Die Tropfen trommelten sanft auf das Zeltdach und schufen eine gemütliche Atmosphäre in meinem kleinen Stoffzuhause. Ich lag noch eine Weile wach und lauschte diesem natürlichen Rhythmus, bevor ich mich aufraffte, um den Tag zu beginnen. Das Wetter schien wie gemacht für meinen geplanten Besuch der historischen Katen von Malente. Die Führung, die ich auf dem Aushang gesehen hatte, sollte um 10 Uhr an der Tews-Kate beginnen. Nach einem schnellen Frühstück unter dem Vorzelt meines Zeltes machte ich mich auf den Weg, ausgerüstet mit Regenjacke und Kamera. Die Tews-Kate lag in der Sebastian-Kneipp-Straße, etwa zwanzig Minuten Fußweg vom Campingplatz entfernt. Als ich ankam, hatte der Regen nachgelassen, und ein schwacher Sonnenstrahl kämpfte sich durch die Wolken. Vor dem reetgedeckten Fachwerkhaus warteten bereits einige Besucher auf den Beginn der Führung. Das Gebäude selbst war beeindruckend in seiner schlichten Schönheit. Mit seinem strohgedeckten Dach, das fast bis zum Boden reichte, und den dunklen Holzbalken, die sich vom weißen Putz abhoben, wirkte es wie aus einer anderen Zeit. Und genau das war es auch – ein Zeuge vergangener Jahrhunderte, der die Geschichte der Region bewahrte. Pünktlich um 10 Uhr erschien unser Führer, ein älterer Herr mit freundlichem Gesicht und einer Fülle weißer Haare. Er stellte sich als Herr Petersen vor, Mitglied des örtlichen Heimatvereins und ehrenamtlicher Betreuer der Tews-Kate. "Willkommen in einem der ältesten Gebäude Ostholsteins", begrüßte er uns mit warmer Stimme. "Die Tews-Kate stammt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und ist die älteste erhaltene Räucherkate in der Region." Er führte uns zunächst um das Gebäude herum und erklärte die Besonderheiten der Konstruktion. "Beachten Sie, dass kein Schornstein vorhanden ist", wies er uns an. "Das ist typisch für eine Räucherkate. Der Rauch vom Herdfeuer zog durch den Raum und entwich durch kleine Öffnungen im Dach. Auf diese Weise wurden Schinken und Würste geräuchert, die unter dem Dach hingen." Das Fehlen eines Schornsteins hatte ich nicht bemerkt, aber jetzt, wo Herr Petersen darauf hinwies, verstand ich die Funktionsweise dieses alten Hauses besser. Es war nicht nur ein Wohngebäude, sondern gleichzeitig eine Produktionsstätte für haltbare Lebensmittel – eine kluge Kombination in Zeiten ohne Kühlschränke
und moderne Konservierungsmethoden. Wir betraten die Kate durch eine niedrige Tür, und ich musste den Kopf einziehen, um nicht anzustoßen. Im Inneren empfing uns der charakteristische Geruch alter Holzbalken und Lehm. Der Hauptraum war überraschend geräumig, mit einem großen offenen Herd in der Mitte, über dem Kochutensilien aus verschiedenen Epochen hingen. "Bis 1967 wurden hier tatsächlich noch Schinken und Mettwurst für den Eigen-und Fremdbedarf geräuchert", erklärte Herr Petersen. "Ursprünglich stand die Tews-Kate in der Godenbergstraße, wurde aber 1969 hierher umgesetzt, um sie vor dem Abriss zu bewahren." Während wir durch die verschiedenen Räume gingen, erzählte unser Führer von dem harten Leben der Landbevölkerung in vergangenen Jahrhunderten. Die einfachen Möbel, die schmalen Betten und die spärlichen persönlichen Besitztümer zeugten von einer Zeit, in der Überfluss ein Fremdwort war. Besonders beeindruckte mich die Küche mit ihren alten Geräten und Werkzeugen. Butterformen aus Holz, handgeschmiedete Pfannen, Milchkannen und Butterfässer – all diese Gegenstände erzählten von der mühsamen Arbeit, die die Nahrungszubereitung einst erforderte. "Die Kate beherbergt heute das Heimatmuseum von Malente", fuhr Herr Petersen fort. "Wir sammeln und bewahren hier Gegenstände und Geschichten, die von der Vergangenheit unseres Ortes zeugen." In einer Vitrine entdeckte ich alte Fotografien von Malente aus dem frühen 20. Jahrhundert. Es war faszinierend zu sehen, wie sich der Ort im Laufe der Zeit verändert hatte, und doch erkannte ich einige
Gebäude und Straßenzüge wieder, die ich in den letzten Tagen selbst gesehen hatte. Nach der Besichtigung der Innenräume führte uns Herr Petersen in den angrenzenden Garten. "Neben der Tews-Kate haben wir einen eiszeitlichen Gesteinsgarten angelegt", erklärte er. "Die Schautafeln informieren über den Weg der Findlinge von Skandinavien nach Norddeutschland." Ich erinnerte mich an den Findlingsgarten, den ich auf meiner Liste der zu besichtigenden Orte hatte, und beschloss, ihn bei nächster Gelegenheit zu besuchen. Als die Führung zu Ende ging, blieb ich noch eine Weile im Museum und studierte die Ausstellungsstücke genauer. Ein altes Schulheft mit sorgfältiger Sütterlinschrift, Werkzeuge für verschiedene Handwerke, Trachten und Alltagsgegenstände – jedes Stück erzählte seine eigene Geschichte. Eine ältere Dame, die ebenfalls an der Führung teilgenommen hatte, gesellte sich zu mir. "Faszinierend, nicht wahr?", sprach sie mich an. "Zu sehen, wie die Menschen früher gelebt haben." Ich nickte zustimmend. "Es lässt einen die
eigenen Annehmlichkeiten mehr schätzen." "Ich bin hier aufgewachsen", erzählte sie. "Nicht in einer Kate, natürlich, aber meine Großeltern hatten noch einen Hof ohne fließendes Wasser. Als Kind habe ich die Sommerferien dort verbracht und beim Buttern und Brotbacken geholfen." Sie lächelte bei der Erinnerung. "Damals fand ich es mühsam, heute würde ich es als authentisches Erlebnis vermarkten." Wir lachten beide, und sie stellte sich als Frau Schmidt vor, eine gebürtige Malenterin, die nach Jahrzehnten in Hamburg in ihren Heimatort zurückgekehrt war. "Wenn Sie sich für die Geschichte der
Region interessieren, sollten Sie unbedingt auch die Thomsen-Kate besuchen", empfahl sie mir. "Sie liegt nicht weit von hier und hat einen wunderschönen Bauerngarten." Ich bedankte mich für den Tipp und fragte sie nach weiteren Empfehlungen für meinen Aufenthalt. "Haben Sie schon von der Bräutigamseiche gehört?", fragte sie mit einem Augenzwinkern. Als ich verneinte, erzählte sie mir die Geschichte dieses besonderen Baumes im Dodauer Forst bei Eutin, nur wenige Kilometer von Malente entfernt. "Es ist eine über 500 Jahre alte Eiche mit einem Postfach im Stamm. Seit Jahrhunderten dient sie als Briefkasten für Liebende. Man schreibt einen Brief an einen unbekannten Empfänger, und wer weiß – vielleicht findet man so seine große Liebe." Die Vorstellung eines Baumes als Vermittler von Liebesbeziehungen fand ich charmant und beschloss, auch diesen Ort auf meine Liste zu setzen. Nach dem Gespräch mit Frau Schmidt machte ich mich auf den Weg zur Thomsen-Kate, die nur einen kurzen Spaziergang entfernt lag. Der Regen hatte inzwischen ganz aufgehört, und die Sonne schien durch die Wolken, was die frisch gewaschene Landschaft in ein besonderes Licht tauchte. Die Thomsen-Kate war, wie Frau Schmidt versprochen hatte, ein weiteres architektonisches Juwel. Erbaut um 1740, war sie ebenfalls ein typisches Beispiel für die regionalen Fachwerkhäuser mit Reetdach. Im Gegensatz zur Tews-Kate, die als Museum diente, wurde die Thomsen-Kate heute als Trauzimmer des Standesamtes und für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Was die Thomsen-Kate besonders auszeichnete, war der Garten, der sich hinter dem Gebäude erstreckte. Es war ein klassischer Bauerngarten, wie man ihn früher bei vielen Häusern fand: In Buchsbaum eingefasste Wege führten zwischen Blumenbeeten, Nutzpflanzen, Obstbäumen und Kräuterbeeten hindurch. Die Vielfalt der Pflanzen und die durchdachte Anordnung zeugten von großer gärtnerischer Kenntnis und Liebe zum Detail. Ich schlenderte durch den Garten und entdeckte Pflanzen, die ich aus dem
Garten meiner Großmutter kannte – Ringelblumen, Malven, Phlox und Rittersporn – neben Kräutern wie Salbei, Thymian und Lavendel. Der Duft der Kräuter und Blumen erfüllte die Luft, und das Summen der Bienen und das gelegentliche Flattern eines Schmetterlings schufen eine friedliche Atmosphäre. Auf einer Bank am Rand des Gartens saß ein älterer Herr, der konzentriert in einem Notizbuch zeichnete. Neugierig trat ich näher und sah, dass er eine detaillierte Skizze einer Pflanzengruppe anfertigte. Er bemerkte mein Interesse und hielt mir das Notizbuch hin. "Ich dokumentiere die Pflanzen des Gartens", erklärte er. "Ein persönliches Projekt. Ich war Biologielehrer und finde, dass diese alten Bauerngärten ein wichtiges kulturelles und botanisches Erbe darstellen." Seine Zeichnungen waren beeindruckend detailliert, mit präzisen Linien und sorgfältigen Beschriftungen der Pflanzenteile. "Haben Sie schon lange dieses Hobby?", fragte ich. "Seit meiner Pensionierung vor zehn Jahren", antwortete er.