Seeland. Per Anhalter zum Strudelschlund - Anna Ruhe - E-Book

Seeland. Per Anhalter zum Strudelschlund E-Book

Anna Ruhe

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Beschreibung

Max hat einen Plan: Endlich raus aus dem öden Kaff Bittie Cross, und seinen Vater suchen, der seit Jahren verschwunden ist. Dass sich die seltsame Emma an seine Fersen heftet und ihn zwingt, in einen Brunnen zu klettern, passt Max gar nicht. Doch plötzlich reißt ein Strudel die beiden mit sich - und sie landen in einer unglaublichen Welt: Seeland! Hier gibt es Städte auf Stegen und Häuser wie Eisberge, kauzige Pilzsammler, Unterwasserpiraten, freundliche Riesenquallen und echte Meerjungfrauen. Und ausgerechnet in Seeland entdeckt Max eine Spur seines Vaters. Wie kann das sein? Zusammen mit Emma taucht Max ab in das größte Abenteuer seines Lebens.

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Seitenzahl: 307

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Anna Ruhe

SEELAND

Per Anhalter zum Strudelschlund

Illustriert von Max Meinzold

 

Anna Ruhe wurde 1977 in Berlin geboren. Nach einem Abstecher an die englische Küste verdiente sie sich ihr Grafikdesignstudium als Fotoassistentin. Seitdem arbeitet sie als Corporate Designerin und ist Mitgründerin einer Softwarefirma. Spannende Geschichten hatte sie schon immer im Kopf, mit dem Schreiben begann sie nach der Geburt ihrer zwei Kinder. Mit ihrer Familie lebt sie in Berlin. »Seeland« ist ihr Debüt.

Max Meinzold, geboren 1987, ist freischaffender Grafikdesigner und Illustrator. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Science-Fiction, Fantasy und der Kinder- und Jugendliteratur. Für seine moderne, innovative Buchgestaltung wurde er bereits für zahlreiche Preise nominiert. Er lebt und arbeitet in München.

 

Für Luk und Milo

 

 

 

 

 

1. Auflage 2015 © Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten Cover und Illustrationen: Max Meinzold, München ISBN 978-3-401-80455-2

www.arena-verlag.dewww.annaruhe.de

»Der einzige Weg, einen Freund zu haben, ist der, selbst einer zu sein.«

Ralph Waldo Emerson

AUF-WASSER

1

Max spähte hinauf zu den dichten Wolken, die der Sonne den Blick auf Bittie Cross verwehrten. Unter seinen Füßen quietschten die Sohlen seiner Turnschuhe. Er presste entschlossen die Lippen aufeinander und lief den Fußweg neben der Steinmauer entlang, vorbei an einem verrotteten Schuppen. Biccas Haus lag schon weit zurück und vor ihm schlängelte sich die einzige Straße, die durch das Dorf führte. Hier fuhr so gut wie nie ein Auto vorbei, aus keinem Fenster drang Musik und die leer gefegten Gehsteige erinnerten an eine Geisterstadt. In Bittie Cross war es still. Stiller als still.

Ein bisschen mies kam sich Max ja schon vor. Ihm war klar, dass es nicht sehr nett war, einfach so abzuhauen, und Bicca sollte sich wirklich nicht dafür verantwortlich fühlen, wenn er sich aus dem Staub machte. Seine Großmutter konnte schließlich nichts dafür, dass jeder ohne Hörgerät oder künstliche Zähne in Bittie Cross an Langeweile starb.

Der nächste Linienbus fuhr erst wieder nachmittags und so entschied sich Max, den ausgetretenen Schleichweg am See zu nehmen, um dort die Zeit totzuschlagen. Er führte ein Stück durch den Wald, am Rand des Dorfes entlang. Dick wuchs das Moos an den Stämmen und am Boden durchbrachen die Wurzeln den Sand. Nirgends lag auch nur eine Tüte oder ein leer getrunkener Pappbecher herum.

Hier ist es so idyllisch wie auf einem Friedhof, schoss es Max durch den Kopf. Keine Ahnung, warum seine Mutter glaubte, in Bittie Cross mehr Erfolg mit ihrer Malerei zu haben. Welcher Fischer gab schon Geld für Bilder mit leeren Vasen und Kannen in Neonfarben aus? Er wollte nicht ihre Bilder schlechtmachen. Ihm gefiel, was seine Ma malte. Aber wo sollte sie die hier schon ausstellen? Außerdem verdiente man als Kellnerin in einer der Dorfkneipen ganz bestimmt noch weniger als in einem Londoner Café. Sie bräuchte nur eine zweite Chance, war ihr einziges, völlig unlogisches Argument dagegen und bei Oma Bicca fiel ja auch die Miete weg.

Genervt stieß Max die Luft zwischen seinen Lippen hindurch. Egal. Er für seinen Teil würde einfach wieder zurück nach London fahren und seinen Vater suchen. Den Mann, von dem angeblich keiner wusste, wo er steckte. Wenn das mal stimmte. Ab heute würde er der Sache selbst auf den Grund gehen. Jetzt hatte er seine Adresse und das veränderte alles. Ganz sicher. Außerdem konnte seine Mutter ihn nicht ernsthaft zwingen, mit ihr in dieses Nest zu ziehen. London war sein Zuhause, seit er denken konnte, und in Bittie Cross gab es außer ein paar Wiesen und einer ach so malerischen Steilküste gar nichts: kein Kino, keinen Fußballplatz, nicht mal Internet. Und wer bei Bicca einen Fernseher suchte, schaute wortwörtlich in die Röhre.

Bislang hatte Max seine Großmutter ja immer ganz gern besucht, auch wenn in dem Steinhaus die Wasserleitungen rumorten, es manchmal eiskalt durch die Fenster zog und die Heizung nur sporadisch ansprang. Solange es sich um einen Besuch handelte, konnte man es in Bittie Cross schon aushalten. Aber hier wohnen? Für immer? Das war echt etwas anderes. Nicht mal die Touristen, die brav jedes Dorf in Cornwall abklapperten, kamen hierher. Und in den letzten drei Wochen hatte er wirklich genug Landluft geschnuppert.

Über Max raschelten die Blätter im Wind und der Himmel blitzte kaum durch die Baumkronen hindurch. Plötzlich stolperte er über eine dieser bescheuerten Wurzeln und landete fluchend auf allen vieren. Mist! Jetzt war auch noch sein rechtes Hosenbein zerrissen und das Knie darunter brannte. Als er sich wieder hochrappelte, stockte er. Da war noch jemand, ebenfalls auf dem Boden. Ungefähr zehn Schritte von ihm entfernt lagen zwei dünne Beine mitten auf dem Pfad. Den Rest des Körpers bedeckte ein Busch am Ufer.

Max spürte seinen Herzschlag am Hals pulsieren. Während er zögernd auf die zwei Beine zuging, plätscherte irgendetwas im See hinter den Sträuchern. Als er nur noch einen Schritt entfernt stand, räusperte er sich. Sofort kam Bewegung in den Körper. Max atmete erleichtert aus – immerhin war dieser Jemand am Leben.

Ein Mädchen kroch unter dem Uferbusch hervor und baute sich vor ihm auf, während sie den Sand von ihrer ausgebeulten Jeans klopfte. Das T-Shirt unter ihrer grünen Kapuzenjacke war vor Dreck schon ganz starr und der Blumenaufdruck darauf etwa so modern wie Biccas Nachthemden. Das glatte rotbraune Haar auf ihrem Kopf reichte ihr gerade bis unter die Ohren. Komischer Haarschnitt, dachte Max. Außerdem glänzte es im Licht, als wäre es feucht. Sie war dünn und ziemlich groß, zumindest für ein Mädchen.

»Was glotzt du so?«, blaffte sie und warf dabei den Kopf nach hinten. Die Sommersprossen auf ihrer hellen Haut lagen so dicht beieinander, als hätte sie jemand mit Farbe bespritzt.

»Ich glotze überhaupt nicht. Ist nur komisch, wenn sich jemand einfach so unter einen Busch legt.«

Statt einer Antwort hievte das Mädchen einen Eimer mit Wasser und ein kleines Fangnetz hinter den Sträuchern hervor und stellte beides mitten auf den Weg. »Nicht dass es dich was angeht, aber ich fange Kaulquappen!« Sie funkelte ihn aus ihren dunklen Augen an.

Aha. Kaulquappen. Was man halt so machte in einem Kaff wie Bittie Cross. »Na dann noch viel Spaß damit. Darf ich mal vorbei?«

Das Mädchen hob eine Augenbraue »Also, so viel steht mal fest, von hier bist du nicht. So wie du aussiehst, tipp ich mal auf London. Stimmt’s?« Sie grinste spöttisch, während sie seine Kleider und die zerrissene Jeans musterte. »Bist du etwa hingefallen? Ist ja auch eine echt gefährliche Gegend hier, was?«

»Oh Mann, lass mich einfach in Ruhe.«

Sie gluckste immer noch, als Max sich an ihr vorbeidrückte. »Pass auf, dass dich auf dem Weg kein Grashalm attackiert!«, rief sie ihm hinterher.

Max verdrehte nur die Augen und ging weiter. Weil er nicht wirklich wusste, wohin er eigentlich sollte, lief er zur Bushaltestelle. Er lehnte sich gegen das Schild mit den Abfahrtszeiten, das ihm nur sagte, was er bereits wusste: In den nächsten vier Stunden hielt hier kein einziger Bus.

Über ihm schwebten die grauen Wolken wie eine zu niedrige Zimmerdecke und natürlich fing es jetzt auch noch an zu nieseln. Max zog sich die Kapuze seines Pullovers über den Kopf. Wie sollte er nur die nächsten Stunden rumkriegen? Im Haus seiner Großmutter zu warten, wäre zu riskant. Seine Ma war zwar gerade in den Nachbardörfern auf Jobsuche, doch Bicca würde merken, dass er irgendwas vorhatte. Mit ihrem sechsten Sinn spürte sie immer sofort, wenn etwas nicht mit ihm stimmte. Dann quetschte sie einen so lange aus, bis sie mit der Antwort zufrieden war. Und sie anzulügen, das wusste Max jetzt schon, würde er sowieso nicht schaffen. Sobald Bicca ihn über ihre dicke Hornbrille hinweg ansah, würde er ihr alles gestehen. Keine Ahnung, wie sie das anstellte. Seine Großmutter war eigentlich in einem Alter, in dem die meisten schusselig wurden, aber Bicca war eben Bicca. Und gemütlich zu Hause auf dem Sofa rumhängen, bis der Bus kam – das konnte er mit ihr direkt vergessen.

Es regnete immer stärker, bis das Wasser nur noch so vom Himmel hinabstürzte. Natürlich gab es in diesem Kaff nicht mal eine überdachte Bushaltestelle. Max’ Pullover hing schwer und nass an ihm herunter. Er spurtete los. Vor dem verfallenen Schuppen gab es einen Brunnen mit einem Blechdach darüber. Max setzte sich auf den Steinrand – hier war es zwar nicht bequem, aber wenigstens trocken.

In seiner Hosentasche beulte sich der dicke Briefumschlag. Vorsichtig zog Max ihn hervor und strich mit dem Finger darüber. Er fühlte sich seltsam weich an, fast ein bisschen klebrig. Das war kein normales Papier, sondern ein hauchdünnes Gummimaterial. Die Adresse seines Dads schimmerte bläulich, wie eine Tätowierung, die jemand mit Nadel und Tinte in das Material gestochen hatte. Mortensen Hickmans, stand da. Holdeener Steg 71543, Distrikt Emptern, Milmar.

Der Umschlag stammte aus Biccas Haus. Genauer gesagt, hatte ihn Max heute Morgen auf dem Boden des Raumes gefunden, der an diesem ganzen verdammten Umzug schuld war: dem Atelier seiner Mutter, in dem schon Dutzende Farbeimer, Pinsel und zerschnittene Pappkartons darauf warteten, einen Platz zu bekommen.

Erst hatte Max den Umschlag nur aufheben und auf den Tisch zurücklegen wollen, aber dann war ihm der Name seines Vaters aufgefallen und er hatte für einen Moment das Atmen vergessen. Mortensen Hickmans, dieser völlig Fremde, der sich kurz vor seiner Geburt aus dem Staub gemacht hatte und von dem seither jedes Lebenszeichen fehlte. Normalerweise dachte Max nur wenig über seinen Vater nach. Jemanden, den man nicht kannte, vermisste man für gewöhnlich auch nicht. Doch plötzlich wirbelten tausend Fragen in seinem Kopf herum.

Der Briefumschlag war bereits geöffnet gewesen. Eine Brille mit schwerem Metallgestell steckte darin. Und ein ausgeblichenes Farbfoto. Auf einer blühenden Wiese unter einem Apfelbaum stand ein Mann und hielt seine Mutter im Arm. Sie trug ein Kleid, das an eine Spitzengardine erinnerte, und sah unheimlich glücklich aus.

Über den kantigen Gesichtszügen des Mannes wuchs schwarzes, üppiges Haar. Ein gut aussehender Typ, der so breit lachte, dass er sich dabei fast in die Ohren biss. Als Max das Foto umgedreht hatte, war ihm ganz flau geworden. Hochzeit, Lynn & Mortensen stand in blauer Tinte darauf. Bislang existierte in seinem Kopf nur eine vage Vorstellung von seinem Vater, die er sich aus den ausweichenden Erzählungen seiner Mutter zusammengereimt hatte. Warum verheimlichte sie ihm dieses Bild?

Er ähnelte ihm, seinem Vater – mit den schwarzen, dichten Haaren, die sich kaum bändigen ließen, und den buschigen Augenbrauen. Genau wie er war auch Mortensen nicht besonders groß. Ob Max selbst später mal so aussehen würde? Bisher war ihm sein Aussehen immer recht durchschnittlich vorgekommen. Das einzig Besondere an ihm waren seine verschiedenfarbigen Augen. Das linke war grün, während das rechte einen leichten Blauschimmer hatte.

Behutsam drehte Max den Umschlag in seinen Händen. Das war alles, was von seinem Vater übrig war. Na ja, fast. Bis auf diese seltsame Brille. Als Max nach ihr griff, musste er grinsen. Dick und rund wie Bullaugen waren die Gläser. Entweder war Mortensen echt altmodisch oder halb blind. Auf dem Foto mit seiner Mutter trug er allerdings keine Brille.

Das zerkratzte klobige Metallgestell lag schwer auf Max’ Nase. Wozu brauchte man diese extradicken Brillengläser? Er sah durch die Brille genau so scharf wie ohne sie.

Was für ein albernes Ding. Aber vielleicht konnte er seinen Vater bald selbst fragen, was es damit auf sich hatte. Wenn er erst einmal in London war, würde er ihn sicher finden...

Plötzlich rannte das Mädchen von eben direkt auf den Brunnen zu. Ihr Haar klebte in nassen Strähnen an ihren Wangen und aus dem Eimer in ihrer Hand schwappte das Wasser. Fluchend zwängte sie sich neben Max unter das Blechdach auf den Brunnen. Hastig nahm er die Brille wieder ab.

»Mistwetter!« Mit ihrem roten Halstuch wischte sie sich über ihr nasses Gesicht. »Bist du eigentlich dieser Max, Biccas Enkel?«

»Woher weißt du das?«

Das Mädchen zuckte nur die Schulter. »Hier weiß jeder alles.«

»Aha. Und wer bist du?«

»Emma Leeves.«

»Ich hab dich hier noch nie gesehen.«

»Wir sind erst seit letztem Winter in Bittie Cross. Wir wohnen in dem Cottage am Ortsausgang.«

»In der alten Bruchbude?«

Emma schnaubte bloß und schüttelte genervt den Kopf. Die Unterhaltung schien für sie beendet. Über ihnen trommelte der Regen auf das Blechdach, als wollte er mit aller Kraft die unangenehme Stille übertönen.

2

Was war das da eigentlich gerade auf deiner Nase?« Emma sah Max schräg von der Seite an. »Ist das gerade schick in London, mit einem Uralt-Sehgestell für Halbblinde durch die Gegend zu rennen?«

»Das geht dich gar nichts –« Noch bevor Max zu Ende sprechen konnte, hatte Emma ihm schon die Brille aus der Hand gerissen und hielt sie sich vors Gesicht.

»Sieht ja komisch aus.«

»Gib sie sofort zurück!« Max versuchte, ihr die Brille wieder abzunehmen. Doch jedes Mal, wenn er danach griff, zog Emma sie nur weiter weg. Schließlich sprang sie auf und Max blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. »Du musst dich hier ja echt zu Tode langweilen, so nervig, wie du drauf bist.«

Emma schien ihn gar nicht richtig zu hören. »Das ist überhaupt keine richtige Brille! Wer braucht so was?«

Max verfolgte Emma, aber sie war immer einen Schritt voraus, während sie um den Brunnen herumliefen. Jetzt reichte es! Entschlossen zog Max an ihrer Jacke, damit sie endlich stehen blieb.

»Hey, spinnst du …« Der Ruck bremste Emma mitten in der Bewegung, sie taumelte seitwärts Richtung Brunnenrand – während die Brille mit Schwung durch die Luft flog. Im nächsten Moment war ein dumpfes, klatschendes Geräusch zu hören.

Gleichzeitig beugten sich beide über den Rand und starrten ins Dunkle.

»’tschuldigung«, nuschelte Emma schließlich kleinlaut.

Max kochte. »Verdammt! Die Brille gehört mir nicht mal. Danke! Echt, vielen Dank!«

»Warum hast du auch so an mir gezogen? Ich hätte sie dir schon wieder zurückgegeben.«

»Klar, jetzt bin ich auch noch selbst schuld!«

Emma seufzte und sah hinunter in den Brunnen. »Was meinst du, wie tief es da runtergeht?«

Max lugte in die Dunkelheit. Am Grund war es so finster, dass er nicht mal erahnen konnte, wo die Brille gelandet war. »Keine Ahnung. Fünf oder zehn Meter. Ist doch auch egal.«

»Warte kurz, bin gleich wieder da.«

Bevor er auch nur den Kopf heben konnte, rannte Emma schon davon. Als sie wenige Minuten später wieder zurückkam, holperte eine Schubkarre vor ihr her. »Glück gehabt«, rief sie mit einem triumphierenden Lächeln. »Mein Dad schließt den Schuppen sonst immer ab. Los, fass mal mit an.«

»Was soll das denn jetzt werden?«, fragte Max und starrte misstrauisch zur Strickleiter, die Emma aus der Schubkarre wuchtete.

»Der Brunnen wurde schon vor Ewigkeiten stillgelegt.« Sie knotete die Strickleiter an einem der Metallringe des Brunnens fest und ließ sie hinabfallen. Prüfend rüttelte sie an den Seilen.

»Du willst jetzt nicht ernsthaft da runterklettern?«, stieß Max ungläubig hervor.

»Wieso nicht?«

»Das ist viel zu gefährlich! Was, wenn du abrutschst?«

Aber Emma ignorierte Max, klemmte sich eine Taschenlampe in ihren Hosenbund und stieg rückwärts auf die schlingernde Leiter.

»Bist du verrückt? Das kannst du nicht machen!« Reflexartig griff Max nach den Seilen der Strickleiter, unsicher, ob sie Emma halten würden. »Sei vorsichtig!« Entweder war sie lebensmüde oder total irre.

»So tief ist der Brunnen auch wieder nicht. Mach dir nicht gleich ins Hemd, Großstadtjunge.«

Bevor Max noch etwas sagen konnte, war Emma schon losgeklettert. Max umklammerte die Seile und starrte über den Brunnenrand. Wenige Augenblicke später hörte er ein schmatzendes Geräusch, gefolgt von einem unterdrückten Fluch.

»Emma?«

»Alles klar! Es ist nass, es ist stinkig, aber ziemlich überschaubar hier unten!«

Von oben konnte Max dem Schein der Taschenlampe folgen, mit der Emma den Brunnengrund absuchte.

Max unterdrückte einen erleichterten Seufzer und beugte sich noch weiter vor. »Pass auf, dass du nicht auf die Brille trittst!«

»Echt? Darauf wäre ich jetzt nicht gekommen«, hallte ihre Stimme zu ihm empor.

»Und?«

Emma jubelte. »Jep! Hab sie.«

»Super, dann komm wieder hoch!«

»Ja, gleich. Warte mal kurz!« Max folgte dem Lichtstrahl ihrer Taschenlampe. Plötzlich hörte er einen gedämpften Schlag und der Schein erlosch.

»Was war das?«, rief Max. »Alles okay bei dir?«

Emma gab keine Antwort.

»Emma?!« Max starrte in die Dunkelheit. »Wenn das ein Witz sein soll, ich find’s nicht lustig! Echt nicht!«

Nichts.

Panik stieg in ihm auf. Ohne lange nachzudenken, griff Max nach der Strickleiter und kletterte hinab. Sofort stieg ihm ein modriger Geruch in die Nase. Die Mauern um ihn herum waren mit Moos bewachsen. Er schlingerte bei dem Versuch, Emma irgendwo in der Finsternis unter sich zu entdecken. In seiner Aufregung verfehlte er eine Sprosse und rutschte ein gutes Stück die Strickleiter hinab.

Am Ende der Leiter spürte Max kaltes Wasser an seinem Schuh. Schnell verdrängte er jede Vorstellung an alles, was hier unten wohl leben mochte. Einfach nicht dran denken. Erst als er bis zu den Oberschenkeln in der dunklen Brühe versank, spürte er den Grund unter seinen Füßen. Selbst seine direkte Umgebung erkannte er nur schemenhaft, also tastete sich Max vorsichtig an den klammen Mauern des Brunnens entlang.

Von Emma keine Spur.

»Das ist echt der Wahnsinn!«, drang plötzlich ihre gedämpfte Stimme zu ihm herüber.

Max zuckte kurz zusammen, als die Taschenlampe wieder den Brunnen erhellte und ihm direkt ins Gesicht schien.

»Los, komm her, das musst du dir angucken!«, rief Emma ihm entgegen.

In dem Moment, als das Licht ihn nicht mehr blendete, entdeckte Max, weshalb Emma so aufgeregt war. Dort war ein breiter Spalt in der Mauer.

»Sag mal, spinnst du?«, stieß er atemlos aus. »Wieso hast du nicht geantwortet? Ich hab gedacht, dir ist hier unten sonst was passiert!«

»Ich bin nur auf den Stein dahinten geklettert. Dann hat er nachgegeben und auf einmal war da dieses Loch. Jetzt komm schon!«

Mit Mühe quetschte sich Max Emma hinterher, die bereits im Spalt verschwunden war, und fand sich mit einem Mal in einem düsteren Gang wieder. Sie standen nun nicht mehr bis zu den Oberschenkeln im Wasser, sondern nur noch in einer Pfütze, dafür tropfte es jetzt von der Decke. Emma ließ den Lichtpunkt der Taschenlampe über die dunklen Felsmauern wandern. Vor ihnen erstreckte sich ein Gang wie eine kugelrunde Röhre ins schwarze Nichts. Ein schimmliger Geruch hing in der Luft.

»Was glaubst du, wohin das führt?« Emmas Stimme klang wie elektrisiert vor Aufregung.

»Keine Ahnung, ist mir auch egal. Ich will raus aus diesem Loch.« Max wartete erst gar nicht auf eine Reaktion. Kurzerhand nahm er Emma die Brille ab und drückte sich durch den Spalt zurück in den Brunnen.

»Bist du nicht wenigstens ein bisschen neugierig, wo der Gang hinführt?«, rief Emma ihm hinterher.

Max schüttelte entschlossen den Kopf. London. Er würde zurück nach London gehen. »Nein.«

»Vielleicht ist das ja ein Geheimgang!«

»Von mir aus kann dein Tunnel nach Atlantis führen. Ich bin echt nicht scharf drauf, durch schleimige Gänge zu marschieren.« Max griff nach der Leiter und machte sich an den Aufstieg.

»Langweiler.« Emma schob sich ebenfalls zurück in den Schacht und Max konnte spüren, wie sie sich hinter ihm an die Leiter hängte. Gott sei Dank. Nur raus hier!

Max hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als es einen plötzlichen Ruck in den Seilen gab. Hektisch versuchte er, sich irgendwo festzuhalten, doch es war zwecklos. Im nächsten Moment rutschte er an der Mauer des Brunnens entlang und fiel klatschend zurück ins Wasser, wobei er halb auf Emma landete.

Prustend und spuckend versuchte Max, wieder auf die Beine zu kommen. Er schmeckte fauliges Wasser. T-Shirt, Pullover, Jeans – alles klebte nass an ihm. Verdammter Mist! »Emma? Alles okay?«

»Ja, geht schon.« Neben ihm ruderte Emma mit ihren Armen ziellos im Wasser herum – wahrscheinlich auf der Suche nach der Taschenlampe.

»Warum hast du nicht einfach gewartet, bis ich oben bin?«, wetterte er und wischte sich irgendetwas Schleimiges aus den Haaren.

»Normalerweise hält so eine Strickleiter auch locker zwei Leute aus.«

»Normalerweise?« Max betastete sein schmerzendes Knie. »Machst du so was öfter, oder was?«

Plötzlich wurde die Dunkelheit von einem Lichtstrahl durchschnitten. Emma nestelte an der Taschenlampe herum. »Super, geht noch!«

Echt super. Max blickte in den hellen Kreis über ihren Köpfen. »Hallo!«, rief er, so laut er konnte. »Wir sind hier unten. Haaalooo!«

»Hör schon auf damit.« Emma leuchtete ihn an. »Da oben ist doch niemand, wer soll dich denn hören? Bei dem Wetter kommt hier so schnell keiner vorbei.«

3

Nachdem sich Emma und Max eine Zeit lang nur ratlos angeschwiegen hatten, drückte sich Max kurz entschlossen wieder durch den Spalt.

»Was hast du denn jetzt vor?«

Max straffte seine Schultern. »Was wohl? Nach einem Ausgang suchen!«

»Ach was. Auf einmal hast du nichts mehr gegen den Tunnel?«

»Ist ja nicht so, als hätten wir eine Wahl. Hier versauern will ich jedenfalls nicht.«

Emma kicherte. »Wer weiß? Vielleicht führt uns der Gang ja geradewegs in die Kanalisation. Du weißt schon, zu Ratten, Spinnen und –«

»Für wie bescheuert hältst du mich eigentlich? Dass ein Trinkwasserbrunnen keinen Tunnel hat und schon gar keinen, der in die Kanalisation führt, davon hat sogar der schon gehört.« Max stapfte durch das dunkle Wasser. »Aber vielleicht ist es ja wirklich ein alter Geheimgang …«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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