Seewölfe - Piraten der Weltmeere 288 - Frank Moorfield - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 288 E-Book

Frank Moorfield

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Beschreibung

Hasard und seine Männer hatten bereits die ersten riesigen Felsbrocken erreicht, da brach urplötzlich, wie ein Gewitter aus heiterem Himmel, das Inferno über sie herein. Das Krachen und Aufblitzen von Pistolen- und Musketenschüssen zerriß jäh die Stille, die über der Insel gelegen hatte. Hinter den Felsen, die den Sandstrand säumten, tauchten wie aus dem Boden gewachsen wüste verluderte Gestalten auf, die laut brüllend und waffenschwingend auf die Handvoll Seewölfe zustürzten. Den Männern der "Hornet" war augenblicklich klar, daß sie in einen Hinterhalt getappt waren. Das bedeutete für ihren kleinen Trupp einen Kampf auf Leben und Tod...

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Impressum© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.ISBN: 978-3-95439-685-6Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Seit Tagen war in der malerischen Bucht von Concarneau der Teufel los. Harte Seegefechte und erbarmungslose Nahkämpfe, die sich zum Teil drüben an der zerklüfteten Küste abspielten, versetzten die Bewohner der kleinen Hafenstadt und der winzigen Fischerdörfer immer wieder aufs neue in Angst und Schrekken. Auch jetzt, in dieser kühlen Novembernacht des Jahres 1592, kroch das Verderben über die kabbelige, fast schwarze Wasserfläche der Bucht.

Es war kühl, vom Atlantik wehte eine frische Brise herüber. Der Mond hing wie eine einsame, vergessene Laterne am Himmel und wurde zeitweise von den dunklen Wolken, die wie zerfetzte Tücher an ihm vorüberzogen, verdeckt. Doch es gelang ihm immer wieder, sein fahles Licht über Concarneau, die Bucht und die wilde Landschaft der Bretagne auszubreiten.

Die Besatzung der englischen Dreimast-Galeone „Hornet“, die mit gefährlichen Lecks im Achterschiff und beschädigtem Ruder wie ein dunkler, gespenstischer Schatten durch die Bucht trieb, befand sich in höchster Gefahr. Und das nicht nur wegen der Wassermengen, die bereits in die unteren Räume des Achterschiffs eingesickert waren und mit hartem Einsatz gelenzt werden mußten, sondern in erster Linie wegen der mordlüsternen Gestalten, die von ihrer Pinasse aus an Bord der „Hornet“ geentert waren – unbemerkt von den Seewölfen, die zum größten Teil fluchend an den Pumpen standen.

Erst ein lauter Alarmschrei, der selbst noch unter Deck zu hören war, ließ Old Donegal Daniel O’Flynn, der während der Abwesenheit des Seewolfs das Kommando an Bord übernommen hatte, sowie Big Old Shane und die übrigen Männer heftig zusammenzucken. Fast zur selben Zeit dröhnten drei Musketenschüsse durch die Nacht. Sie mußten oben, an Deck, abgefeuert worden sein.

„Was, zum Teufel, hat das nun wieder zu bedeuten?“ stieß der alte O’Flynn wütend hervor. Dabei stieß er mit seinem Holzbein auf die Planken.

„Der Schrei – das war Hasard“, stellte Big Old Shane, der ehemalige Waffenschmied auf Arwenack-Castle in Falmouth, fest. „Er klang wie ein Warnruf“, fügte er noch hinzu. Seine grauen Haare und der dichte, graue Bart verliehen ihm im Schein der Tranlampe ein wildes, beinahe furchteinflößendes Aussehen.

„Dann nichts wie raus aus diesem Wasserloch!“ rief Old O’Flynn. „Ich habe das verdammte Gefühl, daß wir oben gebraucht werden.“

Augenblicklich verließen die Männer die Pumpen, mit denen sie zumindest einen Teil des eingedrungenen Wassers wieder außenbords befördert hatten.

Der alte O’Flynn, ein rauhbeiniger Mann, der samt seinem Holzbein aus Granit und Eisen zu bestehen schien, sollte sich nicht getäuscht haben. Auf dem Vordeck ging es bereits rund. Und es schien der Teufel persönlich zu sein, der da zum Tanz aufspielte. Zumindest sah der bucklige Bursche, der einen schwarzen Umhang trug und wild schreiend seinen Degen schwang, wie der Leibhaftige aus.

Pistolenschüsse krachten, und das Mündungsfeuer stach grell in die Nacht. Dazwischen hörte man das Klirren von Hieb- und Stichwaffen, begleitet von lauten Flüchen und anfeuernden Rufen.

Jeff Bowie, Sam Roskill und Bob Grey, drei Seewölfe, die zur Besatzung der „Hornet“ gehörten, befanden sich auf der Kuhl. Sie waren es auch gewesen, die auf den Warnruf ihres Kapitäns Philip Hasard Killigrew rasch reagiert hatten. Blitzschnell waren sie herumgewirbelt und hatten ihre Musketen abgefeuert – mitten hinein in die Schar der heimtückischen Angreifer, die wie lautlose Schatten heranhuschten. Und gerade noch zeitig genug, um zu verhindern, daß ihnen die dunklen Gestalten in den Rücken fielen.

Jeff Bowie, der stämmige Mann aus Liverpool, der anstelle der linken Hand eine spitzgeschliffene Hakenprothese trug, weil vor langer Zeit Piranhas über seine Hand hergefallen waren, wütete auf der Kuhl wie ein Berserker.

„Verdammtes Gesindel!“ fluchte er laut und ließ den Eisenhaken durch die Luft zischen. Wo immer diese gefährliche Prothese traf, hinterließ sie deutliche Spuren – ganz davon abgesehen, daß sie Umhänge, Hemden und andere Kleidungsstücke innerhalb von Sekunden in traurige Fetzen verwandelte. In der gesunden Rechten schwang Jeff Bowie ein Messer, das um ein Haar einem der Angreifer, einem hageren Kerl mit spitzem Rattengesicht, zum Verhängnis geworden wäre.

Doch Jeff stieß ins Leere, weil der Bursche urplötzlich, wie vom Blitz getroffen, zusammensank. Die Ursache war nicht schwer festzustellen. Arwenack, der Bordschimpanse der Seewölfe, hockte zähnefletschend und laut keckernd auf der Schmuckbalustrade des Achterkastells. Und er schwang noch immer den Belegnagel hin und her, mit dem er dem hageren Kerl einen Scheitel gezogen hatte.

Flink wirbelte Jeff Bowie herum, um sich dem nächsten Gegner zuzuwenden. Es handelte sich um jenen merkwürdigen Buckligen mit dem schwarzen Umhang, der gerade mit seinem Degen nach Sam Roskill stieß. Sam wich dem wuchtigen Stoß jedoch geschickt aus, indem er rechtzeitig zur Seite glitt.

Dennoch sollte Jeff Bowie immer noch nicht zum Zuge kommen, denn in diesem Augenblick tauchte Big Old Shane, der zusammen mit Old O’Flynn und den anderen Männern das Unterdeck verlassen hatte, wie ein Riese aus grauer Vorzeit aus der Dunkelheit auf.

Der rechte Fuß des ehemaligen Schmieds zuckte hoch und traf den Buckligen, der offenbar der Anführer der mordlüsternen Bande war, mit unheimlicher Wucht. Aber nicht, wie beabsichtigt, am Achtersteven, sondern – am Bukkel!

Der Kerl stieß einen lauten Schrei aus, und dann, o Wunder, löste sich die häßliche Mißbildung von seinem Rücken und polterte in Form eines merkwürdig aussehenden Holzgestells auf die Planken. Als sich der Bucklige in Windeseile vom Deck hochstemmte, hatte er keinen Buckel mehr, sondern stürzte sich vielmehr rank und schlank ins Kampfgetümmel.

Dem alten O’Flynn blieb für einen Moment die Spucke weg, als er diesen Vorgang im spärlichen Mondlicht mit ansehen mußte.

„Beim heiligen Patrick und allen seinen Kollegen!“ stieß er hervor. „Jetzt hat der Teufel seinen Buckel verloren. Den erkennt ja nicht einmal mehr seine eigene Großmutter, wenn er in die Hölle zurückkehrt!“ Daß man sich ein Holzbein anschnallen konnte – nun ja, das war Old Donegal geläufig. Aber ein Buckel aus Holz – bei allen Wassermännern und Windsbräuten – das schlug doch dem Faß den Boden aus!

Aber dem rauhbeinigen Alten blieb nicht die Zeit, sich weiteren Gedanken über das merkwürdige Geschehen hinzugeben. Mit Wucht hieb er einem kleinen, dicklichen Kerl, der mit dem Enterbeil auf ihn losgehen wollte, seine Krücke um die Ohren. Der Angreifer ließ mit einem Schmerzensschrei die Waffe fallen und griff sich jammernd an den Kopf.

Trotzdem hatte Old Donegal die Verblüffung über jenen wundersamen Bukkel noch nicht verdaut.

„Da wird man so alt wie eine Seekuh und lernt trotzdem noch dazu“, murmelte er, bevor er erneut in Aktion trat.

Ähnliches mußte auch der Kutscher gedacht haben. Der Koch und Feldscher der Seewölfe hätte sich den eigenartigen Holzbuckel liebend gern einmal näher angesehen, doch der wieselflinke und spindeldürre Bursche, der mit einem Degen auf ihn eindrang, schien dafür absolut kein Verständnis zu haben.

Der Kutscher, selbst mit einem Degen bewaffnet, parierte geschickt die Hiebe und Stöße des Dürren, der seine Angriffe stets mit lauten Verwünschungen in französischer Sprache begleitete. Da plötzlich mußte der Pirat seine große Chance erkannt haben. Blitzschnell stieß er zu, um dem hageren Engländer den Degen in die Brust zu bohren.

Aber auch der Kutscher war sehr beweglich. Im letzten Augenblick gelang es ihm, den tödlichen Stoß abzuducken, so daß sich die Waffe des Angreifers in das Holz des Schanzkleides bohrte. Und der Dürre sollte es auch nicht mehr schaffen, den Degen aus dem Holz zu ziehen.

„Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert sterben“, sagte der Kutscher mit einer Mischung von Bitterkeit und Bedauern in der Stimme. Dann stieß er zu. Der Dürre sank mit verzerrtem Gesicht auf die Planken des Achterdecks. Wie es aussah, würde er niemals mehr heimtückisch über andere herfallen.

Philip und Hasard junior, die zwölfjährigen Zwillingssöhne des Seewolfs, waren mit flinken Händen damit beschäftigt, die Musketen und Pistolen, deren sie habhaft werden konnten, aufzuladen. Wenn sich dabei für sie die Gelegenheit ergab, einem der Galgenstricke ein Bein zu stellen, dann taten sie das nicht nur mit Vergnügen, sondern auch mit äußerster Präzision.

Noch während der Kampf Mann gegen Mann auf dem Achterschiff in vollem Gange war, enterte Philip Hasard Killigrew mit den Männern seines Aktionstrupps an Bord der „Hornet,“ Darunter befanden sich Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, Edwin Carberry, der bullige Profos mit dem gewaltigen Rammkinn und dem Narbengesicht, und Batuti, der Gambia-Mann aus dem fernen Afrika.

Die Männer waren mit den erbeuteten Einmastern, einer Schaluppe und einer Pinasse, längsseits gegangen, um den hart bedrängten Kameraden zu Hilfe zu eilen. Dabei war dem Seewolf auch Lucille, die blonde Hafenhure, in die Hände gefallen. Von ihr, die eigentlich in der Pinasse hatte Wache stehen sollen, hatte Hasard erfahren, was da an Bord der „Hornet“ geplant war. Und so hatte er gerade noch rechtzeitig einen Warnruf ausstoßen können.

Als Albert, der „Bucklige“, den Seewolf erkannte, fuhr ihm der Schreck durch sämtliche Glieder. Mit dieser Verstärkung hatte er wohl doch nicht gerechnet. Zumindest war das plötzliche Auftauchen des Seewolfs und seiner Männer nicht in seinen Plan einkalkuliert worden. Er hatte sich die Sache wesentlich einfacher und erfolgreicher vorgestellt, als er mit seinem Trupp von Galgenstricken von Quimper zur Bucht vor Concarneau aufgebrochen war.

In einer Blitzaktion hatte er die Crew der „Hornet“ niedermetzeln wollen, um dann die Frachträume des Schiffes in aller Ruhe durchsuchen zu können und sich die fette Beute, die der Seewolf seiner Meinung nach mit sich führen mußte, anzueignen. Daß die Engländer jedoch auf dieser Mission, die sie im Auftrag ihrer Königin, Elisabeth I., durchführten, weder Gold noch Silber geladen hatten, war dem Buckligen nicht bekannt.

Im Moment sah er sein Vorhaben jedoch stark gefährdet, und im stillen verfluchte er Lucille, die Hure aus Quimper, die auf der Pinasse zurückgeblieben war. Warum hatte sie nicht rechtzeitig Alarm gegeben? Das verdammte Weibsstück hatte sich, wie es aussah, von diesem Seewolf überrumpeln lassen. Wie sonst konnte der plötzlich mit einer Horde gefährlich aussehender Männer an Bord der „Hornet“ auftauchen?

Irgend jemand brüllte ein lautes „Ar-we-nack“, den Schlachtruf der Seewölfe, als sich Hasard mit seinen Männer über das Schanzkleid schwang.

„Siehe da, unser lieber Freund Albert!“ knurrte Edwin Carberry beinahe erfreut. „Ho, das bucklige Rübenschwein werde ich eigenhändig von seiner Hucke befreien!“

„Nicht mehr nötig, Ed“, gab der Seewolf zurück. „Wenn mich nicht alles täuscht, hat der Kerl keinen Buckel mehr.“

„Was, wie?“ schnaubte der Profos. „Hat er ihn schon wieder verloren? Na warte, dann werde ich diesem einhöckrigen Kamel eben die Haut in Streifen von seinem karierten Affenarsch abziehen, und zwar schön langsam und mit …“ Der Rest seiner gefährlich klingenden Prophezeiung ging im Kampflärm unter.

Bereits kurze Zeit später wischte Edwin Carberry mit einem der Galgenvögel das Achterdeck auf. Wehe denen, die unter seine gewaltigen Fäuste gerieten! Wo der Profos seine Pranken hinsetzte, da wuchs vorerst kein Gras mehr.

Auch Hasard und Ferris Tucker hatten inzwischen alle Hände voll zu tun. Der Seewolf hatte sich Albert, den Kerl mit dem falschen Buckel, vorgeknöpft, und Ferris setzte gerade einem bulligen Kerl die Faust unter das unrasierte Kinn. Daß der Bursche dabei einige Yards zurückgeschleudert wurde und Batuti gewissermaßen in die Hände fiel, war sein Pech. Jedenfalls sah er außer dem Mond plötzlich noch eine ganze Menge Sterne am nachtschwarzen Himmel aufleuchten. Und dann sah er überhaupt nichts mehr.

Hasard war es mittlerweile gelungen, Albert den Degen aus der Hand zu schlagen. Und ohne Waffe war der „Bucklige“, plötzlich hilflos. Seine Augen weiteten sich vor Angst, als ihn der Seewolf bis zum Schanzkleid zurückdrängte und ihm dabei die Degenspitze an die Kehle setzte.

„Nein – bitte nicht!“ röchelte er. „Nicht töten! Bitte!“

„Du Mistkerl hättest es wahrhaftig nicht besser verdient“, sagte der Seewolf mit einem drohenden Unterton in der Stimme. Der Blick seiner eisblauen Augen jagte Albert einen Schauer über den Rücken. „Hör auf zu winseln, ich denke nicht daran, meinen Degen an dir zu beschmutzen.“

Sekunden später mußte Albert seine Schnapphähne zurückpfeifen, und damit war der Kampf an Bord der „Hornet“ entschieden. Ein Kampf, den der Bucklige sich so ganz anders vorgestellt hatte. Der Lärm ebbte ab, und die Seewölfe begannen, einen Kreis um die gefangenen Piraten zu bilden.

Der einzige an Bord der englischen Galeone, der das ganze Geschehen gewissermaßen von einer höheren Warte aus mitverfolgt hatte, war Sir John, der karmesinrote Aracanga-Papagei der Seewölfe. Er war die ganze Zeit über aufgeregt auf der Vormarsrah, seinem Lieblingsplatz, hin und her getrippelt und hatte hin und wieder einen erbosten Fluch ausgestoßen, weil man ihn in seiner Nachtruhe gestört hatte. Nun aber, da die größte Gefahr gebannt war, steckte er seinen vorlauten Schnabel wieder ins Gefieder, um seinen Schlaf fortzusetzen.

Das Gesicht Alberts wirkte im fahlen Mondlicht bleich und verzerrt. Jetzt, da er sich durch den erneuten Verlust seines „Buckels“ enttarnt fühlte, unterließ er es auch, wie ein Irrer zu lallen und zu stammeln.

Er starrte vielmehr zähneknirschend auf die drei toten Männer, die bei dem heimtückischen Überfall auf die Besatzung der „Hornet“ auf der Strecke geblieben waren. Alle drei hatten zu seiner Bande von Schnapphähnen gehört. Statt der Belohnung, die er ihnen für ihren Angriff auf die „Hornet“ versprochen hatte, würden sie für immer in den kühlen Fluten des Atlantiks verschwinden.

Ja, der „Bucklige“ hatte sich den Verlauf seiner Aktion völlig anders vorgestellt, als er in Quimper die Hure Lucille sowie später einen Trupp verluderter Kerle für seinen Plan begeistert hatte. Er, der in Quimper, Concarneau und einigen anderen Küstenorten als Verbindungsmann zu dem spanischen Spion Lucio do Velho und dem französischen Piratenführer Yves Grammont fungierte, hatte im Überfall auf die „Hornet“ seine große Chance gesehen, sich die legendären Schätze der Seewölfe unter den Nagel zu reißen. Jetzt aber stand er als Gefangener am Schanzkleid der englischen Galeone und bettelte bei deren Kapitän, Philip Hasard Killigrew, um sein Leben.

Die sieben übrigen Galgenstricke warfen ihrem Anführer vernichtende Blikke zu. Auch sie hatten sich eingebildet, bei ihrem Überraschungsangriff leichtes Spiel zu haben. Statt dessen hatten sie sich blutige Köpfe geholt, denn die Engländer hatten unheimlich schnell reagiert und dann wie die Teufel gekämpft. Außer einigen Beulen, Schrammen und Kratzern hatten diese Seewölfe nichts abgekriegt. Da hatte auch der Trick Alberts nichts genutzt, das Heck der Galeone anzubohren.

Old O’Flynn, der bis zum Auftauchen des Seewolfs die Verantwortung an Bord getragen hatte, war bezüglich des Ablenkungsmanövers der Piraten längst ein Licht aufgegangen. Während seine Krücke genau auf Albert zeigte, sagte er zu Hasard: „Es müssen diese verlausten Ziegenböcke gewesen sein, die während des Gefechts unser Schiff angebohrt und auch für den Ruderschaden gesorgt haben. Wenn du mich fragst, Sir, würde ich diese Schnekkenfresser an die Rah hängen, jawohl, das würde ich!“

Der Seewolf lächelte.

„Deinen Eifer in Ehren, Donegal“, sagte er. „Die Kerle hätten es bestimmt verdient, daß man ihnen die Hälse langzieht. Aber ich schätze, daß uns unser buckelloser Freund, der da mit vollen Hosen am Schanzkleid steht, lebend von größerem Nutzen sein wird.“

„So ist es, Sir“, pflichtete ihm Ed Carberry bei. „Ein solches katzbuckliges Rübenschwein kann man unmöglich aufhängen und dann über Bord werfen. Da würden in dieser schönen Bucht sämtliche Fische verrecken. Und von was sollen die armen Fischer, die da drüben an der Küste wohnen, dann leben, was, wie?“ Im selben Atemzug wandte sich der Profos an den alten O’Flynn. „Und kannst du Stint mir mal erzählen, wie diese Buschgespenster überhaupt an Bord gelangt sind, he? Hast du ihnen vielleicht die Jakobsleiter ausbringen lassen, Mister O’Flynn?“

So schnell es sein Holzbein erlaubte, fuhr Old O’Flynn herum.

„Was soll das heißen?“ fragte er scharf. „Willst du mir etwa Versäumnisse vorwerfen? Du kannst ja mal ins Achterschiff abentern und dich an den Pumpen austoben, wenn du meinst, daß wir hier geschlafen haben! Vielleicht gelingt es dir, das Schiffchen festzuhalten, damit es nicht absäuft.“

Der Profos trat einen Schritt auf den alten O’Flynn zu.