SEGEBERG ANNO DOMINI 1534 - Rolf Sievers - E-Book

SEGEBERG ANNO DOMINI 1534 E-Book

Rolf Sievers

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Beschreibung

EIN GENIALER DOKTOR!

EINE SELBSTBEWUSSTE FRAU!

EIN DESERTIERTER LANDSKNECHT!

EINE GROSSE BURG!

EINE VERHEERENDE KATASTROPHE!

Norddeutschland Anno Domini 1534.

Zwischen der Hanse und Holstein herrscht die »Grafenfehde«!

Holstein unterstützt den rechtmäßigen König Christian III.

Die Hanse jedoch will dessen verbannten Bruder Christian II. wieder auf den Thron bringen.

In dieser unruhigen Zeit gelingt es Freischärlern aus dem holsteinischen Segeberg, einen für die Hansestadt Lübeck bestimmten Warentreck zu erbeuten.

Drei Passagiere des Trecks, ein Doktor, seine Frau sowie ein desertierter Landsknecht, werden von den Segebergern zunächst gefangen genommen und von diesen »genötigt« mit nach Segeberg zu kommen, da sie für die Stadt von Nutzen sein könnten.

In Segeberg angekommen erhalten sie ein Angebot der Stadt, welches sie nicht ausschlagen können.

Doch diese Entscheidung wird ihr Leben drastisch verändern.

Denn schon kurz darauf kommt es zur Katastrophe!

Der berüchtigte Lübecker Bürgermeister »Wullenwever« hat Rache für den Überfall geschworen und lässt Segeberg angreifen und belagern.

Aber die Stadt hat einen enormen strategischen Vorteil!

Seine bis dahin unbezwungene Burg auf einem über hundert Meter hohen Berg, dem heutigen Kalkberg, und seine mutigen Bewohner!

Eine Woche dauert die Belagerung! Ohne Erfolg!

Doch dann kommt es zu einer verhängnisvollen Entscheidung, welche die Stadt und ihre Bewohner für immer verändern wird.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Rolf Sievers

SEGEBERG ANNO DOMINI 1534

Historischer Roman

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Bevor es losgeht.

Bad Segeberg Kalkberg-Arena. Anno Domini 29.06.2019.

Kurz nach der Premiere der Karl May Inszenierung

-Unter Geiern-.

»Na Peter, wie fandest du die Aufführung? Hat es dir auch so gefallen wie mir?«

»Also ich muss schon sagen Rolf, es war noch besser als erwartet! Ich werde nächstes Jahr sicherlich wieder kommen! Weißt du schon, was dann gespielt wird? Du wohnst ja schließlich hier in Segeberg und weißt das sicherlich … Oder?«

»Äh, Moment, ich glaube, die spielen dann, Der Ölprinz!«

»Das hört sich gut an! Ja das werde ich mir sicherlich auch angucken. Allein schon wegen der tollen Atmosphäre hier und der wirklich grandiosen Freilichtbühne! Wenn ich ehrlich bin, so etwas habe ich hier gar nicht erwartet! Da könnt ihr Segeberger stolz drauf sein! Seit wann gibt es eigentlich schon die Karl May Spiele in Segeberg?«, wollte Peter jetzt wissen.

»Da muss ich mal kurz überlegen … hm …? Ach, jetzt fällt es mir wieder ein. Die Uraufführung war im August 1952 und es wurde das Stück Winnetou gespielt.«

»Interessant! Sehr interessant!« Peter war sichtlich beeindruckt.

»Aber das ist ja noch nicht alles. In der Freilichtbühne, wir nennen sie die Kalkberg-Arena, finden auch viele Konzerte namhafter Künstler, wie zum Beispiel von Peter Maffay statt. Früher bin ich immer gerne hierhergekommen und habe die Oldiekonzerte von Radio Nora genossen!«

Rolf schwelgte in Erinnerungen, wie Peter unschwer erkennen konnte. Doch sein Wissensdurst war noch nicht gestillt! »Sag mal, ich habe gesehen, dass da oben auf der Spitze des Berges ein Aussichtspunkt ist, da würde ich auch gerne mal rauf gehen!«

»Nun das geht leider, aus Sicherheitsgründen, im Moment nicht!«, erwiderte Rolf. »Die Spiele eben.«

»Schade! Aber eine andere Frage, wie ist diese Bühne hier eigentlich entstanden, Rolf?«

»Nun du befindest dich auf historischen Boden, mein Lieber! Denn früher thronte hier, wo jetzt die Arena ist eine imposante große Burg. 1134 begann man mit dem Bau der sogenannten Siegesburg. Daher kommt auch der Name Segeberg! Bis zum Dreißigjährigen Krieg wachte sie über Segeberg, dann wurde sie von den Schweden im Jahre 1644 in Brand gesetzt und zerstört.1654 wurde die Burgruine dann endgültig beseitigt. Danach wurde auf dem Gelände der ehemaligen Burganlage und des Kalkberges Gips und Kalk abgebaut. So ist also im Endeffekt die Kalkberg-Arena entstanden. Übrigens der Berg war früher wesentlich höher, als er es jetzt schon ist!«

»Was? ... Noch ... Höher?« Peter sah seinen Freund erstaunt an.»Oh ja! Als die Burg erbaut wurde, war der Felsen mehr als 110 Meter hoch!«

»Das muss ja eine riesige Anlage gewesen sein ... alle Achtung!« Während Peter das sagte, sah er ehrfurchtsvoll zum Aussichtspunkt hoch.

»Weißt du eigentlich, dass Segeberg 1534 von Truppen der Lübecker Hanse fast total zerstört wurde und kurz vor der Auslöschung stand?«

»Wieso denn das? Davon habe ich ja noch nie gehört!«

»Tja wenn den Lübeckern damals alles so gelungen wäre wie die sich das vorgestellt hatten, würde Segeberg heute nicht existieren und es würden wohl auch keine Karl May Spiele stattfinden! Schicksal und Glück ... manchmal liegt das eben ganz dicht beieinander!«

Ja Peters Freund verfügte tatsächlich über fundierte Kenntnisse aus der Geschichte Segebergs.

»Weißt du denn mehr über diese Ereignisse? Das finde ich nämlich durchaus interessant. Du weißt ja, Geschichte liebe ich!«

Rolf musste nun doch lachen! »Ja auf dem Gebiet, warst du schon in der Schule unschlagbar, alter Streber! Also wenn das so ist? Du möchtest also gerne wissen, was damals 1534 genau passiert ist?«

»Wenn du mehr weißt? Dann bitte, erzähl!«

»Nun gut, dann lass uns mal runter in die Stadt gehen, ein Bierchen zischen! Einverstanden? ...

Oh ich sehe gerade, dahinten im MORA-MORA, meinem Lieblingsrestaurant mit einer wirklich guten Küche, ist gerade ein Tisch frei geworden! Da haben wir aber richtig Glück! Komm schnell Peter, den schnappen wir uns!«

Einen kurzen Augenblick später saßen die beiden Männer an dem besagten Tisch, von wo aus sie auch einen tollen Blick über ganz Bad Segeberg hatten.

Kurz darauf hatte jeder von ihnen ein schönes kühles Bier vor sich stehen.

»Du möchtest also wissen, was damals 1534, genau passiert ist?« Rolf sah seinen Freund fragend an.

»Ja auf jeden Fall!«

»Gut dann werde ich dir jetzt erzählen, was sich damals hier im Ort und auch auf der Burg zugetragen hat. Doch bevor ich beginne, sag ich erst einmal Prost mein Freund!« Rolf erhob sein Bierglas und stieß mit seinem langjährigen Freund aus der Schulzeit an! »Auf Segeberg!«

Nachdem beide Männer dem Trinkspruch Folge geleistet hatten, begann Rolf zu erzählen!

Und Sie verehrter Leser sind nun eingeladen, an dieser wahren Geschichte teilzuhaben!

Folgen Sie dem Autor auf eine spannende aber auch traurige Zeitreise zu den Monaten Mai und Juni Anno Domini 1534!

Prolog.

1533.

Der Beginn der sogenannten Grafenfehde. Am 3. April 1533 starb König Friedrich I. Sein Sohn, Christian III. (1503-1559), sollte ihm auf den Thron folgen. Doch der katholisch dominierte Reichsrat weigerte sich, den Lutheraner Christian III. zum König zu wählen. So blieben Dänemark und Norwegen für ein Jahr ohne König. Es entbrannte ein Streit, wer rechtmäßiger Nachfolger des verstorbenen Königs und Landesherrn in den Herzogtümern sei: Christian III. Oder sein Vetter, der entthronte Christian II. In diese Grafenfehde mischte sich auch die Hansestadt Lübeck ein. Zunächst unterstützte sie Christian III. bei seinen Bemühungen, König zu werden. Doch dieser schlug die Hilfe aus, um die Länder unter der dänischen Krone von der Handelsvormacht der Hanse zu befreien. Christian der III. versuchte sogar, die Vormachtstellung Dänemarks auf der Ostsee zu erlangen. Genau in diese Zeit fällt der Niedergang der Hanse durch die Veränderung der Verkehrs-ströme in Richtung Westen, nach Amerika.

Quellen:

E.Opitz, Schleswig-Holstein, das Land und seine Geschichte U.Lange, Geschichte Schleswig-Holstein

C.Degn, Schleswig-Holstein eine Landesgeschichte

J.C.Hein, aus Segebergs Vorzeit

1534.

Der vom Thron vertriebene Christian II. bat die Lübecker um Kriegshilfe zu seiner Befreiung. Nach einer Handwerker-Revolte 1533 wurde Jürgen Wullenwever (1492-1537) zum Bürgermeister der Hansestadt Lübeck gewählt und griff in die Grafenfehde ein. Er hoffte, bei einer anderen Thronentscheidung günstigere Handelsbedingungen für die niedergehende Hanse herausschlagen zu können.

Ohne Kriegserklärung überfielen im Mai 1534 Lübecker Söldner unter dem Stadthauptmann Marcus Meyer die zum Besitz des dänischen Königs gehörenden Ortschaften Trittau und Eutin. Beide wurden ohne Gegenwehr von den Lübeckern eingenommen.

Die Segeberger trafen daraufhin Vorbereitungen, einen möglichen Angriff der Lübecker abzuwehren.

Am 27. Mai, Mittwoch vor Pfingsten, marschierten dann tat-sächlich die Lübecker mit ihrem Stadthauptmann Marcus Meyer von Oldesloe an und wollten im Handstreich die Segeberger Burg erobern.

Quellen:

Dr.Kuß, die Stadt Segeberg in der Vorzeit

J.C.Hein, aus Segebergs Vorzeit

Dr. H. Tschentscher, die Stadt Bad Segeberg

Dr. K. Jürgensen, in: 850 Jahre Segeberg

Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte.

Teil 1 Der Handstreich.

Freitag, 8. Mai. Irgendwo zwischen Lübeck und Segeberg.

Nur langsam kam der aus neun schwer bepackten Wagen bestehende Wagenzug vorwärts. Vor drei Tagen war man in Hamburg aufgebrochen, um dringend benötigte Waffen, Nahrung und auch den in Lübeck so beliebten Rotwein genannt Lübecker Rotspon, zu den Hansestädtern zu bringen. Doch leider machte das Wetter der Planung einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Seit einigen Tagen schon herrschte eine für den Monat Mai enorme Hitze! Und von Tag zu Tag wurde es unerträglicher! Die schon unter normalen Verhältnissen schwer zu befahrende enge Handelsstraße hatte sich mittlerweile in einen trocknen, verstaubten Feldweg verwandelt. Erschwerend kam hinzu, dass frühere Fahrrinnen nun zu steinharten Rillen geworden waren, die das Vorwärtskommen immens erschwerten. Mensch und Tier litten gleichermaßen. Und dabei befand man sich nun kurz hinter Reinfeld, doch fast schon am Ziel! In wenigen Meilen Entfernung ragten schon unübersehbar die sieben Kirchtürme der stolzen Hansestadt Lübeck auf. Heute jedoch, das war dem erfahrenem Treckführer, Gregor Martens unmissverständlich klar geworden, könnte man Lübeck auf keinen Fall mehr erreichen! Die Hitze forderte unbarmherzig ihren Tribut! Es nützte alles nichts, aber man musste jetzt einfach eine Zwangspause einlegen!

Erschwerend kam noch hinzu, dass bei dem dritten Planwagen, der von vier Saumtieren gezogen wurde, soeben das linke Hinterrad gebrochen war, als der Wagenführer einen Moment nicht auf den Weg geachtet hatte! Daher also fuhr der von einer großen Staubwolke umgebene Treck jetzt an den Wegesrand. Hier schlug man nun sein Lager auf, so gut es eben möglich war. Für Mensch und Tier eine willkommene Pause!

Durch das plötzliche Anhalten jedoch wurde im vorletzten Wagen ein Pärchen abrupt in seinem Liebesspiel unterbrochen.

Ein rassiger, schöner Kerl mit langen schwarzen, schulterlangen Haaren und Augen wie Bernstein, schaute seine zwei Jahre ältere Gespielin lächelnd an und löste sich dann aus der innigen Umarmung der nackten Schönheit ... Sehr zu deren Bedauern!

»Bitte warte hier Agnes, ich bin gleich wieder da! Ich werde mal sehen, warum wir gehalten haben!« Er sprang nun behände vom Wagen und strich sich seine schöne und bestimmt nicht billige Kleidung glatt. Dann machte sich an den anderen Wagen des Trecks vorbei auf zur Spitze des Wagenzuges. Er wollte den Treckführer mal fragen, warum man denn so plötzlich angehalten hatte.

Dieser fluchte laut vor sich hin, als er das zerbrochene Rad, das vor ihm im fast schon gelben Gras des Wegrandes lag, ansah. Fuhrmann Martens war ansonsten ein ruhiger und besonnener Mann von beachtlicher Größe, den so schnell nichts aus der Bahn werfen konnte. Doch hier und jetzt? Er hatte die Schnauze voll! Und durchgeschwitzt wie Sau fühlte man sich einfach beschissen! Mist, Wetter, Elendiges! Gott sei verflucht dafür! Und dann noch dieses Malheur! Missmutig starrte er nun den blasierten stolzen Kerl an, der ihm jetzt genauso strahlend wie die vermaledeite Sonne entgegenkam. Was hatte der Sack denn hier zu suchen?

Der Mann stand nun unmittelbar vor ihm, zog einen dämlichen schwarz-roten Hut, der zu allem Überfluss auch noch mit einer langen blauen Feder verziert war und machte einen galanten und gekonnten höfischen Knicks vor Martens!

Meine Fresse! Was bildete sich der Kerl ein, wo er war?, schoss es Martens durch den Kopf. Am Hofe des Kaisers etwa? Haha! Selten so gelacht! Ein wenn auch nur kleines spitzbübisches Lächeln bildete sich um die Mundwinkel des Treckführers. Aber was wollte der Kerl bloß von ihm?

»Seid gegrüßt Fuhrmann Martens! Wie ich soeben mitbekam, haben wir angehalten. Dürfte ich Euch bitten, mir den Grund mitzuteilen?« Der Mann schaute den zwei Kopf größeren Treckführer jetzt erwartungsvoll an.

Martens seinerseits musterte kritisch den komischen Kerl vor sich. Dieser ging ihm schon gleich vom ersten Augenblick an, wo er in Hamburg um eine Passage für sich und seine Frau nach Lübeck bat, gehörig auf die Nerven! Doch da dieser eine hohe Geldsumme, und zwar, ohne zu fragen, wie viel er denn für die Passage überhaupt zu entrichten hätte, hinlegte, entschloss sich Martens, den Passagier und seine verdammt hübsche Frau mit zu nehmen. Das Geld, welches in etwa dreimal mehr war als wie sonst üblich gezahlt wurde, konnte er natürlich gut gebrauchen. Besonders jetzt, nachdem er beim letzten Treck, den er vor sechs Wochen nach Lübeck gebracht hatte, von dessen Bürgermeister … Wullenwever ... über`s Ohr gehauen wurde! Der hinterhältige und gerissene Lump hatte nämlich nur etwas mehr als die Hälfte des vereinbarten Lohnes gezahlt!! Alles Zetern und Drohen von Seiten Martens hatte nichts gebracht! Entweder er gab sich mit dem wenigen angebotenen Geld zufrieden … oder? Wütend hatte er schließlich klein beigeben müssen. Doch ungeschoren sollte Wullenwever nicht einfach so davon kommen! Martens hatte relativ schnell einen, wenn auch immens gefährlichen Plan ausgeheckt, der dem Bürgermeister von Lübeck teuer zu stehen kommen würde.

Gott sei Dank war es eine gute Idee gewesen, einige Passagiere mitzunehmen. Dieses hatte sich im wahrsten Sinne schon bezahlt gemacht! Doch der erfahrene und mit allen Wassern gewaschene Fuhrmann nahm bei Leibe nicht jeden Passagier mit! Er wollte immer genau wissen, mit wem er es denn zu tun hatte. Ja, seine jetzigen Passagiere waren keine armseligen Bauerntölpel, keine versoffenen Handwerker, keine knauserigen Kaufleute, sondern der junge Mann, der nun vor ihm stand, war ein

... »Italienischer Dottore« …!

Nun ... so ein Passagier könnte ja eventuell mal nützlich sein. Also? Warum nicht!

Doch wer war der Dottore überhaupt?

Und wer seine zwei Begleiter?

Dottore Luigi Petronelli.

Signore Luigi Petronelli ist der Sohn des Bürgermeisters von Udine im Norden Italiens. Geboren im Februar 1507.

Er sollte eigentlich das Tuchgeschäft seines Vaters leiten und später vielleicht sogar den Posten des Vaters als Bürgermeister übernehmen. Doch dazu hatte der junge Rebell absolut keine Lust! Er wollte doch lieber ein Dottore werden, was ihm dann auch mit Bravour gelang. Vor fünf Jahren hatte er sein Studium mit gerade Mal zweiundzwanzig Jahren an der Universität zu Florenz mit Bestnote abgeschlossen.

Doch in Udine bleiben und alten verhutzelten Marktweibern Furunkel aus den fetten Ärschen schneiden? Nein! Dazu war er nicht berufen. Ihn zog es ins Ausland ... Nach Deutschland.

Daher nahm er die Einladung eines guten Freundes an und machte sich auf den Weg nach Rothenburg ob der Tauber. Hier erwarb er 1532 ein kleines Haus und praktizierte dort fortan als Doktor.

Und er war gut! Sehr gut sogar! Seine Spezialität sind Knochenerkrankungen und Brüche aller Art. Des Weiteren ist er ein hervorragender Wundarzt.

So gelang es ihm schon nach relativ kurzer Zeit, sich einen guten Namen in der großen Stadt zu machen! Seine kleine Praxis florierte bestens!

Doch verflucht ...! Die Neider schliefen nicht!

Durch eine böse Intrige anderer Ärzte in der Stadt wurde er aus Rothenburg vertrieben. Man machte ihn, fälschlicherweise natürlich, für den Tod eines hohen Tieres aus dem Rat der ehrwürdigen Stadt verantwortlich! Frechheit!

Da er seine Unschuld jedoch nicht eindeutig beweisen konnte, verbannte man ihn mit Schimpf und Schande aus Rothenburg! Nun ja, immer noch besser, als am Galgen zu hängen!

Doch leider wurden, aufgrund der widrigen Umstände natürlich, sein Haus und das nicht unbeträchtliche Vermögen konfisziert! Harte Zeiten eben!

Aber all das warf den findigen Dottore natürlich nicht aus der Bahn! Dann eben auf zu anderen Ufern!

Wie das Schicksal es wollte, landete er im Winter 1533 in der schönen Stadt Lüneburg! Diese gefiel ihm gleich auf Anhieb! Und die Weiber dort erst! Eine Hübscher als die andere!

Es dauerte daher auch nicht lange und er verguckte sich in die Tochter seiner Zimmerwirtin.

Dieses bezaubernde, sinnliche Geschöpf, Agnes mit Namen, eine hervorragende Köchin, die ihm auch nicht abgeneigt war, verdrehte ihm sogleich den Kopf. Und so kam, was kommen musste! Nach nur drei Wochen schon heiratete er am dritten Januar 1534 die bildhübsche Tochter seiner Zimmerwirtin, einer in Lüneburg beliebten Apothekerin. Nun war das Glück vollkommen!

Und auch seine ärztlichen Künste wurden in Lüneburg durchaus geschätzt, besonders bei der Damenwelt! Sehr zum Leidwesen seiner holden Gattin! Na ja! Dottore Petronelli war eben durch und durch Italiener! Er flirtete einfach für sein Leben gern!

Aber nun war er verheiratet und ob man es glauben wollte oder nicht, er war treu! Er war nun vergeben. Finito mit Amore!

Und Agnes? Ja, sie hatte einen guten Fang gemacht!

Luigi ist aber auch ein verdammt tolles Mannsbild!

Am sechsten Februar neunundzwanzig Jahre alt geworden, sah er jedoch wesentlich jünger aus!

Schwarze Haare bis zur Schulter!

Braune, listig schauende Augen wie Bernstein!

Rank und schlank!

Gute Manieren!

Humorvoll!

Klug und intelligent!

Stets gut, sauber und vor allem elegant gekleidet!

Aber das Beste:

Luigi konnte küssen, dass einem als Frau schwindelig wurde!

Und seine Potenz erst!

Was für ein imposanter, toller Kerl!

Agnes Petronelli, geborene Thomsen, Köchin.

Geboren im August 1505, als einzige Tochter eines alteingesessenen Lüneburger Apothekerpaares, war es für sie schon früh klar, dass sie nicht in die Fußstapfen ihrer Eltern treten wollte!

Schon als kleines Kind hatte sie ein enormes Interesse am Kochen an den Tag gelegt. Und daher kam es, dass sie bereits mit zwölf Jahren eine Ausbildung zur Köchin absolvierte, und zwar bei einem französischen Koch, der für den Lüneburger Bürgermeister tätig war.

Hier blieb sie bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr in Lohn und Brot.

Doch dann verstarb der Vater und fortan half sie, wenn auch widerwillig, der Mutter in der Apotheke, bis sie eines Tages plötzlich Luigi gewahr wurde. Der Rest ist bekannt!

Agnes ist eine Schönheit, die den meisten Kerl das Blut in Wallung bringen kann!

Kess und frech!

Nicht auf den Mund gefallen!

Keine fünf Fuß groß!

Stahlblaue Augen!

Rote Haare bis zu den Schultern!

Nicht zu drall, nicht zu dünn!

Intelligent!

Humorvoll!

Kann Trinken wie ein Mann!

Flucht wie ein Waschweib!

Kurzum ... die ideale Frau für Luigi.

Peter Buss, ein bayerischer Landsknecht.

Zu guter Letzt gab es noch einen Passagier, der jedoch anders war als der Dottore und sein betörendes Weib.

Peter Buss ist fünfunddreißig Jahre jung und ... ein Deserteur! Doch das wusste natürlich niemand! Nach einem bösen Vorfall hatte er seinen Vorgesetzten, einen fiesen Hauptmann, in einem wüsten Handgemenge erstochen. Darauf stand natürlich die Todesstrafe! Aber im allerletzten Moment konnte er aus Augsburg entkommen und war nun, nach einer abenteuerlichen Flucht quer durch die Deutschen Lande, auf den Weg nach Lübeck. Dort, so hoffte er, könnte er hoffentlich eine Anstellung im Stadtregiment bekommen. Und wenn nicht? Egal! Dann müsste er eben wieder weiterziehen! Irgendwo würde er schon was Passendes finden! Nur südlich der Elbe, so viel war klar, sollte er sich so schnell erst mal nicht blicken lassen.

Buss hatte ein besonderes Talent, welches ihm sicher den Weg, den er nun zu gehen sich entschlossen hatte, erleichtern würde: Er war ein meisterlicher Stratege und begnadeter Armbrustschütze! Auf einer Entfernung von mehr als fünfundsiebzig Schritt gelang es ihm ... meistens jedenfalls ... mit seiner speziellen, in Italien angefertigten Armbrust einen Apfel zu pulverisieren! Oder wenn es denn sein musste, auch einen menschlichen Schädel!

Des Weiteren konnte er, wie der Dottore und dessen kluge Frau auch, lesen, schreiben und sogar rechnen!

Nun, um seine Zukunft machte er sich keine großen Gedanken! Er würde sich schon irgendwie durchschlagen. Hatte ja bisher auch gut geklappt!

Das also waren Fuhrmann, Gregor Martens Passagiere! Na ja, sie brachten natürlich auch Geld! Und Geld stinkt ja bekanntlich nicht!

Daher also setzte Martens jetzt seine freundlichste Miene auf und sagte dann zu Luigi: »Wie Ihr ja seht, werter Dottore, geht es im Moment nicht mehr weiter! Der Weg ist erst einmal nicht zu bewältigen, die Gluthitze hat die Fahrbahn zu stark ausgetrocknet und steinhart werden lassen! Mit den schweren Wagen schaffen wir es einfach nicht mehr weiter! Und zu allem Übel ist auch noch bei einem Fuhrwerk ein Rad gebrochen! Seht nur!« Martens zeigte bekümmert auf das zerborstene Rad, an dem drei Speichen zersplittert waren.

»Und nun?«, wollte Luigi wissen. »Was gedenkt Ihr jetzt zu tun?«

»Tja«? Martens kratzte sich nachdenklich an seinem Bart, »wir werden wohl oder übel erst mal das Rad reparieren lassen. Und das geht leider nur in Reinfeld. Dort ist ein Schmied, den ich gut kenne, dieser schuldet mir auch noch einen Gefallen! Der Wagenzug wird derweil hier lagern! Wenn das Rad wieder in Ordnung ist, sehen wir weiter! Doch jetzt? In Lübeck werden wir erst zwei oder drei Tage später eintreffen. Tut mir natürlich leid! Aber macht doch das Beste daraus und vergnügt Euch weiterhin mit Eurer holden Gemahlin werter Dottore!« Ein spitzbübisches Lächeln umspielte Martens Mundwinkel, denn ihm und vielen anderen war das wilde Treiben von Luigi und seiner Gespielin nicht verborgen geblieben.

Doch der Dottore ignorierte diese Bemerkung einfach.

Stattdessen sagte er zu Martens. »Nun, ich hätte da eine Idee, wie wir es doch schaffen könnten, früher nach Lübeck zu kommen!«

»Ihr? Ihr ... habt … eine Idee?« Martens fiel der Unterkiefer runter!

Erstaunt musterte er den feinen Pinkel! Na, da war er aber mal gespannt!

»Man könnte den Wagen hier, dessen Rad zerbrochen ist, entladen und die Ladung dann auf die anderen Fuhrwerke verteilen lassen! Ich glaube, auf dem defekten Wagen sind Felle und Pelze? Richtig?«

»Äh ... ja genau!« Martens sah den Dottore neugierig und mit großen Augen an!

»Das zerborstene Rad bindet ihr an einem Zugochsen fest an der Seite am besten und bringt es zu dem Schmied nach Reinfeld, während wir dann die Ladung umverteilen werden. Dadurch könnte man meines Erachtens spätestens heute Abend sich wieder auf den Weg nach Lübeck machen! Wir werden dann auch der Hitze entkommen. Wenn es dunkel wird, rasten wir, und denn Rest des Weges werden wir dann eben gleich morgen früh nach Sonnenaufgang in Angriff nehmen! Ich empfehle Euch, drei Männer mit dem Rad nach Reinfeld zu schicken, die dann nach erfolgter Reparatur später nachkommen könnten! Das ist ja auch nicht weiter schlimm, da die Ladung ja bereits auf dem Weg nach Lübeck ist. Die Kerle müssten also nur noch den leeren Wagen hinterher nach Lübeck bringen!«

Martens sah Luigi nun doch eher wohlwollend an und meinte dann: »Nun, ich muss schon sagen, nicht schlecht, der Vorschlag! Hat was!«

»Wird schon mein Lieber, vertraut mir«, sprach Luigi lächelnd und klopfte dem Fuhrmann auf die Schulter!

»Nun ... Äh ... Ja ... zu verlieren habe ich ja nichts! Also? Gut! Einverstanden! Wir werden es einfach mal so machen! Ich Danke Euch für Eure, wie mir scheint, doch gute Idee!«

»Dafür nicht! Gern geschehen! Keine Ursache! Wir ziehen doch schließlich alle an einem Strang oder?«, sagte Luigi und strahlte den Treckführer lächelnd an.

»Wie wahr, wie wahr!«, entgegnete schmunzelnd Martens.

Und, um ehrlich zu sein, der Vorschlag vom Dottore passte vorzüglich zu dem Racheplan, den sich Martens ausgedacht hatte! Zufrieden rieb er sich die Hände! Lief ja wie geschmiert! Nun musste er nur noch seinen Ziehsohn, Bertl, instruieren und diesen dann, still und heimlich natürlich, auf den Weg bringen.

Doch nun ... die Arbeit wartete!

Daher zögerte Martens nun auch nicht lange und gab sofort seine Kommandos zum Umladen und verteilen der Pelzwaren.

Da jeder seiner Leute wusste, was auf dem Spiel stand, fingen alle, selbst der Dottore, sein rassiges Weib und auch der Landsknecht an, die Ladung jetzt neu zu verteilen. Und, tatsächlich, nach nicht einmal einer Stunde, waren die edlen Pelze und Felle auf die übrigen acht Wagen umgepackt worden.

Agnes, Luigis rassiges Eheweib, staunte nicht schlecht! Wann sah man schon mal so viele Edle Pelze auf einem Haufen? Eigentlich gar nicht!

Die Pelze und Felle waren aber auch von einer erlesenen Qualität!

Zobel aus Nowgorod!

Hermelin von der Krim!

Bisam aus Ungarn!

Nerz aus Finnland!

Und zu guter Letzt noch zwölf Bärenfelle aus den Karpaten!

Oh ja! Den einen oder anderen Pelz hätte Agnes auch gern ihr Eigen genannt, aber so viel verdiente ein Dottore eben auch nicht! Diese edlen Pelze würden daher leider schon bald, die reichen Pfeffersäcke in Lübeck um ihre vollgefressenen Bäuche hüllen dürfen! Schade! Doch Agnes sollte sich irren!

Die Pelze würden Lübeck niemals erreichen!

Nur knapp zwei Meilen von dem Treck entfernt, versteckt in einem kleinen, aber dichten Buchenhain, der Schutz und Schatten vor der sengenden Hitze bot, sassen sechzehn verwegen aussehende Kerle auf dem warmen, moosbedeckten Waldboden.

»Segeberger Freischärler«!

Der jüngste war gerade mal vierzehn Lenze alt, der älteste vierundfünfzig! Alle Männer hatten gute Reitpferde und … wichtiger noch ... waren bis an die Zähne bewaffnet!

Ihr Anführer, Piet Hellmann, ein eher unscheinbarer Mann von siebenundzwanzig Jahren, besaß sogar eine der neumodischen Feuerwaffen, eine sogenannte Arkebuse!

Die anderen Freischärler jedoch hatten keine solche Waffe, da diese für sie alle einfach unerschwinglich war! Doch dafür verstanden sie es vorzüglich mit ihren normalen Waffen, die da waren, Katzbalger, Schwert, Stilett, Dolch und Speer umzugehen! Man sollte diesem verwegenen Haufen also lieber aus dem Wege gehen!

Hellmann schaute sich nun erwartungsvoll in der Runde der Mitstreiter um und sah zu dem kleinen Pfad, der zu ihrem Versteck in den Wald führte! Er erwartete jemanden! Doch dieser ließ auf sich warten! Wo verdammt, blieb denn Bertl bloß?

»Wenn Bertl nicht bald kommt, Leute sehe ich schwarz!« Hellmanns Laune ging nun langsam aber sicher den Bach runter! Seit fünf Tagen waren die Männer, die allesamt aus Segeberg kamen, nun schon von ihrer Heimatstadt entfernt und immer noch hatten sie keine Beute gemacht! Mist verflucht! Mit leeren Händen nach Segeberg zurückkehren? Nein! Das wäre eine Schande ohne gleichen! Schließlich hatten sie alle doch dem Bürgermeister versprochen reiche Beute zu machen. Denn das war ja schließlich auch ihre Aufgabe. Sie sollten Händlern auflauern, die auf den Weg in die verhasste Stadt Lübeck waren und diesen die Waren abnehmen! Zur Not eben auch mit Gewalt!

Doch seit der nun schon längere Zeit andauernden sogenannten Grafenfehde zwischen der vom dänischen Königreich verwalteten Grafschaft Holstein und der Hansestadt Lübeck, sowie deren mächtigen Verbündeten, war den Segebergern noch nichts Großes gelungen! Bei den bisherigen Scharmützeln konnte, wenn überhaupt, nur wenig erbeutet werden. Zu gut schützten die Lübecker die für sie bestimmten Warentransporte. Zu stark waren die sie begleitenden Eskorten, die vielfach aus guten und vor allem sehr kampferprobten Landsknechten, Stadtknechten und dubiosen Söldnern bestanden. Wenn man denen zu nahe kam, zog man garantiert den Kürzeren! Meistens mussten die Segeberger am Ende sogar die Flucht ergreifen!

Nur er selbst hatte schon mal richtige Kampferfahrung sammeln können, als ehemaliger Söldner im Dienst des dänischen Königs Christian III.! Damals hatte er auch gelernt mit Feuerwaffen, wie der von ihm manchmal, aber nicht immer, benutzten Arkebuse, umzugehen. Doch das alles war nun auch schon etliche Jahre her.

Jetzt jedoch hatte er andere Aufgaben! Es galt der verhassten Hansestadt Lübeck eine empfindliche Schlappe beizubringen!

Er und seine Spießgesellen würden schon bald erfolgreich sein! Sie mussten nur noch auf Bertl warten und dann könnte man endlich zuschlagen. Und diesmal würden sie die Sieger sein! Denn die Beute die er im Auge hatte, ein Treck der Hanse, bestehend aus neun vollbepackten Wagen, der sich auf den Weg von Hamburg nach Lübeck befand, fuhr ohne den gefürchteten Begleitschutz! Warum? Nun, er wusste genau weshalb! Martens hatte eben ganze Arbeit geleistet! Diesmal würden sie nicht mit leeren Händen nach Segeberg zurückkommen! Zufrieden grinste er vor sich hin und gönnte sich einen Schnaps aus seiner stets gut gefüllten Flasche, die er am Gürtel trug.

Währenddessen, die Umverteilung der wertvollen Ladung war fast beendet, rief Martens seinen Stellvertreter zu sich.

Dieser, Bertl Durkop mit Namen, war ein junger Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren, genau wusste auch er es nicht, der schon seit fast vier Jahren in Diensten Martens stand und ihm treu ergeben war. Schließlich hatte Martens Bertl dereinst vor dem Ertrinken in der Trave bewahrt und das hatte dieser bis heute nicht vergessen. Mittlerweile war Martens für Bertl sogar so etwas wie ein Vater geworden. Deshalb hatte es Martens auch nicht schwer gehabt, Bertl auf seine Seite zu ziehen, nachdem er vom Lübecker Bürgermeister betrogen wurde. Also machten beide jetzt gemeinsame Sache mit den Holsteinern, besser gesagt den Segebergern. Da Bertl hochintelligent, gewitzt und vor allem auch ein guter Kaufmann war, passten beide natürlich vorzüglich zusammen.

Nun endlich war es also soweit! Ihr Plan sollte schon bald in die Tat umgesetzt werden!

»Ich glaube, es ist an der Zeit!«, sprach nun flüsternd Martens und sah Bertl eindringlich an. »Du weißt also genau, wo Hellmann sein Versteck hat, und wirst ihn finden?«

»Auf jeden Fall! Kein Problem, er ist nur einen Ritt von nicht mal knapp einer Stunde von hier entfernt!«

»So dicht sind wir schon dran?« Erstaunt sah Martens Bertl an. »Dann mach dich auf den Weg! Wenn du bei Hellmann angekommen bist, erzähl ihm, was hier passiert ist. Sag ihm, dass wir heute Abend noch aufbrechen werden, aber nicht mit neun Wagenladungen, sondern nur noch mit acht. Er soll sich mit seinen Männern morgen früh an der Weggabelung hinter Hamberge, da wo der eine Weg nach Ahrensbök abzweigt, auf die Lauer legen. Ich sorge dann dafür, dass wir genau dort hinkommen. Die Leute im Treck werden nichts merken, da wir ja weiterhin auf dem Weg nach Lübeck sind. Den Umweg über Hamberge werde ich damit begründen, das wir dort die Tiere tränken und auch wir eine kurze Rast einlegen wollen.«

»Das richte ich Hellmann natürlich gerne aus. Der kriegt das schon hin!« Bertl nickte zustimmend.

»Aber ... sehr wichtig! Sag ihm, dass er sich unbedingt an die Vereinbarung hält, wonach keinem unserer Leute und auch nicht den drei Passagieren ein Haar gekrümmt wird!« Martens sah Bertl nun besonders eindringlich an!

»Keine Sorge, das ist auch in meinem Sinne, Gregor!«

»Na dann! Auf geht`s! Viel Glück! Wir sehen uns dann morgen früh!«

Martens gab Bertl nun noch einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, bevor dieser sein Pferd losband und davon ritt!

Ehe noch einer der Leute im Treck fragen konnte, was Bertl denn vorhätte, rief Martens ihnen zu: »Der Bertl reitet schon mal vor nach Hamberge! Er soll dort dafür sorgen das die Tiere ... und auch wir morgen früh genug zu saufen bekommen! Nicht das es im Gasthof Wilder-Keiler nachher noch heißt, sie hätten für uns nichts mehr übrig!«

Damit waren mögliche Fragen, so schien es zumindest, erstmal beantwortet.

Noch einmal ging Martens nun von Wagen zu Wagen und überprüfte penibel die einzelnen Ladungen. Alles bestens! Es konnte also jetzt losgehen! Er bestieg sein Pferd und setzte sich, wie es sich schließlich gehörte, an die Spitze der Kolonne. Dann drehte er sich noch ein letztes mal im Sattel um und sah zurück zu seinem Treck.

Einen Moment später hob er den rechten Arm und gab das Zeichen zum Aufbruch! Doch nur er und Bertl wussten, das der Treck niemals in Lübeck ankommen würde!

Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich nun in Martens Gesicht!

Morgen würde er endlich seine Rache bekommen!

»Da! Ein Reiter naht!«

Der Ruf des Wachtpostens alarmierte die Männer um Hellmann.

Doch dieser gab, nachdem er, aus seinem sicheren Versteck heraus, gesehen hatte, wer dort in schnellem Galopp auf sie zukam, Entwarnung. »Das ist Bertl! Wurde aber auch Zeit!«

Die Freischärler erhoben sich und sahen jetzt erwartungsvoll zu dem Reiter, der nur noch knapp 700 Schritt von ihnen entfernt war. Würde Bertl endlich die lang ersehnte, hoffentlich positive Botschaft, bringen?

Freudig erregt ging Hellmann auf Bertl zu, als dieser im Lager angekommen war und von seinem total verschwitzten Gaul stieg. »Sei gegrüßt Bertl! Bringst du uns endlich gute Kunde von Martens und dem Wagenzug?«

»Oh ja! Aber vorweg, wie wäre es mit einem Bier? Oder ist schon alles weggesoffen? Würde mich nicht wundern, ihr Suffköppe! Ich kenne euch schließlich genau!«

Die Bande um Hellmann brach in Gelächter aus.

»Nee, nee keine Sorge, davon gibt es noch genug, ist ja auch schmackhafter als schnödes Wasser!« Einer von Hellmanns Spießgesellen reichte Bertl feixend einen großen hölzernen Krug Dünnbier. »Lass es dir schmecken, du Milchbubi!«, sagte dieser, in Anspielung auf den zarten Flaum, der im Gesicht von Bertl sprießte.

Genüsslich schlürfte er nun das ihm dargebotene Bier, welches von erlesenem Geschmack war! Als er den Humpen ausgetrunken hatte, schaute er grinsend in die ihn erwartungsvoll anschauenden Gesichter und sagte dann, nachdem er sich den letzten Bierschaum von den Lippen gewischt hatte: »Morgen Leute könnt ihr sogar Wein saufen! Eine Wagenladung, voll mit Bier und Wein, sogar der gute Lübecker Rotspon, warten darauf, von uns verköstigt zu werden!«

Frenetischer Jubel brach aus!

Doch Hellman unterband diesen sofort und fragte Bertl: »Was erwartet uns außer Bier und Wein denn sonst noch?«

Bertl setzte sich auf einen Baumstumpf, dann begann er ausführlich zu berichten. »Es läuft besser als erwartet! Wie Martens dir ja schon versichert hat, wird die Ladung, neun Wagen voll, nein entschuldige acht nur noch, denn ein Rad eines Wagens ist gebrochen, nicht von Söldnern eskortiert. Wir werden also keinerlei Probleme haben uns die Fuhre zu schnappen!«

»Keine Eskorte? Keine Sau bewacht die Ladung? Na da hat Martens aber ganze Arbeit geleistet, meine Hochachtung! Weiß der Teufel wie er das wieder hingekriegt hat! Aber egal, besser für uns!« Hellmann schaute Bertl zufrieden nickend an. »Und die Leute im Treck? Wie sind die überhaupt bewaffnet? Bedeuten die eine Gefahr für uns? Was kannst du mir dazu sagen?«

»Nun da brauchen wir uns auch keine großen Sorgen zu machen! Überwiegend sind nur einfache Handlanger, Gespannführer und ein paar sie begleitende Weiber dabei! Wenn die einen Bewaffneten erblicken, nehmen die eh sofort die Beine in die Hand! Und ihre Waffen? Nun ... ja vier bis sechs von ihnen tragen ein Schwert, aber wie es aussieht, eher zur Zierde, als zur Verteidigung! Alles unerfahrene Tölpel, die wahrscheinlich noch nie eine Waffe eingesetzt haben! Von denen haben wir nun wirklich nichts zu befürchten!« Selbstsicher schaute sich Bertl in der Runde der Segeberger Freischärler um. »Allerdings, es gibt da drei Passagiere, die wir in Hamburg aufgegabelt haben ... komische Leute, aber ... hm? Nein! Auch die sollten für uns kein Problem darstellen!«

Doch Hellmann war ein vorsichtiger Mann, daher hakte er, sicherheitshalber, nach. »Komische Leute? Das erkläre mir mal genauer Bertl!«

Und so begann dieser die drei Passagiere … Agnes, Luigi und den Landsknecht ... so genau es eben ging, zu beschreiben.

Als er mit seiner detaillierten Beschreibung, ja so etwas konnte Bertl gut, fertig war, sah ihn Hellmann an und meinte dann, nach reiflicher Überlegung. »Nun ich glaube die drei, besser gesagt zwei, denn ein Passagier ist ja ein Weibsbild, ein schönes noch dazu, wie du sagtest, werden wir sicherheitshalber besonders gut im Auge behalten. Obwohl? Der italiensche Fatzke scheint ein Blender zu sein, aber man kann ja nie wissen ... Hm? Sorgen allerdings mache ich mir um den Landsknecht! Der hat garantiert Kampferfahrung und wird sicher nicht sofort mit eingeklemmten Schwanz davon laufen, wenn es brenzlig wird! Und der Knabe ist ein Meister mit der Armbrust, sagst du?«

»Oh ja!«, erwiderte Bertl. »Ich habe des Öfteren gesehen, wie gut der ist! Der schafft es, auf mehr als siebzig Schritt Entfernung, einen Apfel zu treffen! Und nicht nur dass! Er ist auch rasend schnell im Nachladen! So an die drei ... manchmal auch fünf Schuss, kann der Teufelskerl pro Minute ohne weiteres schaffen! Ein teuflisch guter Schütze eben.« Ja Bertl war durchaus beeindruckt, das musste er zugeben. Der Landsknecht durfte auf keinen Fall unterschätzt werden!

Das sah Hellmann genauso!

»Nun der Knabe bekommt eine Sonderbehandlung von uns! Ich glaube, Henrich, Gustav und Rolf«, er sprach nun drei finster dreinblickende Männer an, die in seiner unmittelbaren Nähe standen, »dass ist ein Fall für euch! Werdet ihr mir die Ehre erweisen und euch um den Landsknecht speziell kümmern, oder soll Frido euch zusätzlich noch zur Hand gehen?«

»Nee, geht schon klar Piet, den Sack schaffen wir schon allein!«, antwortete der ältere der drei angesprochenen, Gustav mit Namen und grinste seinen Anführer siegessicher an.

»Nun, wenn du es sagst? Dann ist das ja erledigt! Gut!« Hellmann nickte zufrieden. Jetzt wandte er sich wieder Bertl zu. »Nun, mein lieber Bertl, das Wichtigste! Was hat Martens uns denn für Beute zu bieten?«

Nachdem Bertl in allen Details berichtet hatte, woraus die umfangreiche Fracht des Trecks bestand, lief den Zuhören das Wasser im Munde zusammen! Wenn es ihnen gelänge, dass alles zu erbeuten und besser noch, unbeschadet nach Segeberg zu bringen? Unvorstellbar! Einige Minuten später begannen die Männer einen Angriffsplan zu entwerfen. Morgen früh würde man zuschlagen!

Martens erhob sich in seinem Sattel, sah nach hinten zu dem Treck und hob dann die rechte Hand. »Halt! Wir rasten hier.«

Augenblicklich kam der Wagenzug zum Stillstand. Jeder war froh, das jetzt pausiert wurde. Nur noch einmal in der Wildnis übernachten und morgen wäre man in Lübeck. Dort gab es feste Unterkünfte und besser noch eine Vielzahl von Wirtshäusern, Badehäusern und willigen Dirnen.

Doch nun ging man daran, sich für die Nacht vorzubereiten, denn spätestens in einer halben Stunde wäre die Sonne untergegangen. Die Fuhrwerke wurden, leicht versetzt, nebeneinander gefahren. Die Ladung noch ein Letztes mal kontrolliert. Kurz darauf brannten die ersten Lagerfeuer und schon bald war eine heimelige und gemütliche Atmosphäre entstanden.

Doch Martens musste den Schein wahren, und so vergaß er auch nicht, einige Wachen aufzustellen. Er hoffte insgeheim, das Bertl mittlerweile zu den Segebergern Freischärlernvorgedrungen war und diese bezüglich des morgigen Überfalls instruiert hatte.

Doch er wusste er genau, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, auf Bertl war eben Verlass!

Nun schritt er penibel an dem Treck vorbei, prüfte hier, korrigierte dort und gab noch einige letzte Instruktionen.

Als er zufrieden war, beschloss er sich noch mal um seine Passagiere, die alle drei an einem Lagerfeuer am Ende des Trecks saßen, zu kümmern.

»Guten Abend ihr Leute! Dürfte ich mich wohl für einen kleinen Plausch zu euch setzen?« Erwartungsvoll sah Martens die drei Passagiere an.

»Aber gern! Kommt, setzt Euch doch zu uns!«, sagte einladend Agnes und schaute ihn mit ihren verlockenden Augen an.

»Danke!« Martens hockte sich auf einen freien Schemel und griff dankbar nach einen Humpen Würzwein, den ihm der Landsknecht nun wortlos und unaufgefordert entgegenhielt. Verstohlen sah Martens zu Agnes und bedauerte, dass dieses Prachtweib schon in festen Händen war. Von der rassigen Schönheit hätte er sich auch gerne mal verwöhnen lassen. Aber leider! Das Weib war ja schon vergeben! Er beneidete, wohl oder übel, den Dottore.

Dieser fragte jetzt: »Sagt mal, stimmt es, dass Lübeck den Holsteinern nicht gerade wohlgesonnen ist und es sogar schon zu Scharmützeln gekommen ist?«

»So ist es, werter Dottore! Doch worum es genau geht? Ich habe keinen blassen Schimmer! Hängt mit Holland, Dänemark und Schweden zusammen. Aber was genau die oberen Herrschaften veranlasst hat sich nun die Köpfe einzuschlagen? Keine Ahnung, nicht im Geringsten! Ich weiß nur das die Schifffahrt von Lübeck in die Ostsee und umgekehrt zur Zeit zum Erliegen gekommen ist, weil Travemünde von Christian III. blockiert wird. Im Endeffekt geht es wohl um die Stärke der Hanse! Der Lübecker Bürgermeister ...Wullenwever ... jedenfalls ist extrem angefressen! Mir scheint, dass die Macht der Hanse langsam den Bach runter geht. Politik eben! Doch was kümmert es mich! Ich muss sehen, das ich meine Fuhren wohlbehalten nach Lübeck und Hamburg bekomme. Ist nicht leicht, geht nämlich meistens durch feindliches Gebiet. Überall könnten Banditen, gegnerische Truppen oder Freischärler es auf uns abgesehen haben!«

»Warum ist dann keine ausreichende Eskorte für die wertvolle Ladung dabei?«, wollte nun der Landsknecht wissen.

Martens biss sich fast auf die Lippen! Das war eine für ihn nicht ungefährliche Frage. Und der Landsknecht war sicher nicht dumm. Also tat er gut daran ihm gegenüber eine plausible Erklärung abzugeben. »Ihr habt natürlich Recht und fragst Euch, als erfahrener Landsknecht, wieso es keinen Begleitschutz gibt.«

»Genau, diese Frage lag mir schon länger auf den Lippen, also?« Buss sah Martens fragend an.

»Ganz einfach! Es haben zu der Zeit, wo wir von Hamburg aufgebrochen sind, keine freien Söldner zur Verfügung gestanden! Jedenfalls keine Bezahlbaren! Und da ich diese Wege nach Lübeck schon seit Jahren benutze, habe ich mich trotz allem entschlossen den Treck, auch ohne entsprechende Eskorte, was sicherlich besser gewesen wäre, nach Lübeck zu bringen. Natürlich befinden wir uns hier auf Holsteiner Boden, doch bisher waren die Leute mir hier nicht feindlich gesonnen. Ich kenne ja auch viele und wichtig, etliche von denen profitieren auch von meinen Transporten. Mir ist es nämlich egal, wer meine Waren kauft! Geld stinkt nicht. Aber, nun ja ... Lübeck selber zahlt natürlich besser, da die Bewohner ja im Moment ausgehungert werden!«

»Augenblick mal? Ihr sagtest, wir sind hier und jetzt, auf feindlichem Gebiet?« Agnes verlor nun doch alle Farbe aus ihrem hübschen Gesicht.

»Genau!«, erwiderte Martens, »aber Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, wir sind hier auf einem ehemaligen, kaum noch bekannten Schmugglerpfad unterwegs, abseits der Handelswege! Und außerdem, schon morgen gegen Mittag, schätze ich mal, sind wir alle in Lübeck, das packen wir auch noch!«

»Tja, aber ein hohes Risiko ist es trotzdem, was Ihr da eingeht«, bemerkte nachdenklich der Landsknecht.

Der Dottore nickte zustimmend.

Doch für Martens war die Angelegenheit jetzt erledigt und gewandt wechselte er das Thema. »Ihr Buss, so sagtet Ihr mir ja schon in Hamburg, seid also ein Landsknecht?«

Neugierig sahen nun auch Agnes und Luigi Buss an.

»So ist es, ja!«

»Und Ihr kommt aus Augsburg?«

»Genau, da habt Ihr Recht!« Lächelnd sah der Landsknecht Martens an. »Und?«

»Na ja, ich frage mich, was Euch vom fernen Augsburg hierher in den hohen Norden verschlagen hat!«

»Wenn Ihr es denn genau wissen wollt? ... Nun dann!« Das Lächeln aus dem Gesicht des Landsknechtes war urplötzlich verschwunden, als er sagte: »Ein Mord! Ich habe meinen Vorgesetzten, einen ehrlosen und fiesen Hauptmann, ein Stück Eisen in seinen dicken Wanst gerammt! Hat der miese Arsch nicht überlebt! Aber egal, er hatte es auch nicht anders verdient!«

Sprachlos starrten nun alle auf den Landsknecht! Was hatte dieser soeben gesagt? Er hatte jemanden ermordet?

»Ihr … habt einen Hauptmann … abgestochen?« Der Dottore war der erste, der seine Sprache wieder gefunden hatte.

»Aber … warum?«, wollte entsetzt Agnes wissen.

»Ganz einfach! Ich habe die Sau dabei erwischt, wie er meine Frau vergewaltigt hat! Musste es mit eigenen Augen mit ansehen. Doch was steht schon in der Bibel? … Genau! Auge um Auge! Zahn um Zahn! Ich habe mich nur an die Bibel gehalten. Trotzdem! Hätte man mich geschnappt, ich wäre sofort am nächsten Baum aufgehängt worden. Nun da hatte ich einfach keinen Bock drauf! Also hab ich mich unverzüglich aus dem Staub gemacht, bin doch nicht bescheuert und lass mich krallen! Nee!«

»Das ist ein starkes Stück! Ich muss schon sagen!« Martens fiel vor Staunen der Unterkiefer runter. Agnes und dem Dottore ging es ähnlich. Zu ungeheuerlich war das, was sie da soeben gehört hatten. Aber? Man musste zugeben, verstehen konnte man den Landsknecht durchaus.

»Und was wollt Ihr nun ausgerechnet in Lübeck?«, fragte Agnes, neugierig wie sie nun mal war.

»Ich hoffe, dort in der Stadtwache eine Anstellung zu bekommen. Ich glaube, dass die einen exzellenten Armbrustschützen wie mich dort sicherlich gebrauchen können. Aber mal sehen! Sonst versuche ich mein Glück eben woanders, ich bin nicht unbedingt wählerisch, solange die Bezahlung stimmt. Doch südlich der Elbe glaube ich, sollte ich mich so schnell nicht wieder blicken lassen!«

»Äh ... nein! Besser nicht!«, musste wohl oder übel auch Martens zugeben! »Ich wünsche Euch dann mal alles Gute! Hoffentlich klappt das mit Lübeck. Aber bei Euren Schießkünsten? Nun Wullenwever kann immer gute und talentierte Leute gebrauchen!«

»Wir sollten auf diesen Burschen hier«, Luigi zeigte auf Buss, »einen Trinkspruch erheben! Auf die Scheiß Offiziere! Mögen sie in der Hölle schmoren!«

Nun, da sagte keiner Nein! Selbst Agnes hob ihren Humpen und stieß zusammen mit den Kerlen an: »Haut weg, das Zeug!«

Sie war auch die Erste, die ihren Humpen geleert hatte ... auf Ex natürlich! Ein Teufelsweib eben.

Danach palaverte man noch eine geraume Zeit miteinander, trank noch das eine oder andere und bot sich zum Schluss, auf Vorschlag von Luigi natürlich, dass Du an.

Da die Müdigkeit nun nach Mitternacht ihren Tribut forderte, verabschiedete man sich jetzt und legte sich kurze Zeit später zur Ruhe!

Martens, der Dottore und seine Agnes, immer noch erstaunt über das, was ihnen der Landsknecht gebeichtet hatte, hatten doch leichte Schwierigkeiten einzuschlafen! Und das lag sicher nicht am vielen Bier und Wein!

Der Landsknecht hingegen legte sich seelenruhig auf sein spartanisches Lager, unter eines der Fuhrwerke. Dann rollte er sich in seine Decke ein, und schnarchte und furzte wenige Augenblicke später wie ein alter Bär. Er war froh seine Geschichte erzählt zu haben. Doch morgen würde er ja endlich in Lübeck sein und dann würde für ihn ein anderes Leben beginnen! Er sollte sich irren!

Samstag, 9. Mai.

Es würde auch heute wieder ein trockener, heisser Tag werden, denn die Sonne stand jetzt um sechs Uhr schon blutrot am Firmament und ließ nichts Gutes erwarten. Doch es half alles nichts! Man wollte schließlich spätestens am Nachmittag in Lübeck eintreffen. Also galt es nochmals alle Kräfte zusammen zu nehmen und in die Gänge zu kommen. Daher waren die Leute des Trecks auch schon seit sechs Uhr hoch und bereiteten nach einem kurzen Frühstück die Abfahrt des Wagenzuges vor.

Aber von all diesen Anstrengungen merkten der Dottore und seine Frau nichts! Sie schliefen fest wie die Murmeltiere und nichts und niemand störte ihren Schlaf! Nun gut! Man hatte auch eine anstrengende Nacht hinter sich und da zollte der Körper eben seinen Tribut!

Währenddessen war Martens schon voll damit beschäftigt, laute und bestimmende Anweisungen an seine Männer zu geben. Hier hatte man die Zugtiere noch nicht ordentlich eingespannt, dort war die Ladung nicht nach seinen Wünschen verstaut! Wieder und wieder schritt er die Wagenkolonne ab und korrigierte, wo es nötig war! Dann, endlich, kurz nach neun war es soweit! Es konnte losgehen! Martens setzte sich nun an die Spitze des jetzt nur noch aus acht Fuhrwerken bestehenden Wagenzuges und gab das lang ersehnte Aufbruchzeichen! Schwerfällig aber unaufhaltsam setzte sich der Tross daraufhin in Bewegung.

Mittlerweile waren auch der Dottore und seine holde Gattin erwacht. Aber Frühstück? Das hatten sie verpasst! Doch der Dottore hatte noch am Vorabend ein großes Stück Rauchfleisch ergattern können, das er jetzt genüsslich mit Agnes verzehrte. Besser als nichts!

Danach setzten die beiden sich neben den Kutscher ihres Wagens und sahen wenig später auch schon die Türme der Hansestadt Lübeck in der nun flirrenden Sonne greifbar nahe auftauchen.

»Entschuldigt, Meister, aber wann meint Ihr, werden wir Lübeck erreichen?», wollte Agnes von dem Kutscher wissen.

»Keine Ahnung», entgegnete dieser mürrisch.

Der Kerl, ein älterer, schmuddeliger und ungepflegter Mann mit nur einem Auge und einigen wenigen verbliebenen gelben Zähnen, hatte partout keinerlei Lust auf Konservation! Am frühen Morgen schon gar nicht! Blöde Passagiere! Warum sollte er nett sein zu den Leuten? Die waren ja eh etwas Besseres!

Doch der Dottore ließ sich von dem Griesgram nicht die gute Laune verderben! Kurzerhand sprang er nun vom Kutschbock und reichte dann Agnes die Hand. »Komm Agnes! Da vorne sitzt der Landsknecht! Lass uns zu ihm gehen. Ich glaube, der ist gesprächiger als dieser Grummel hier!« Dabei zeigte er missmutig auf den griesgrämigen Kutscher.

Nun, das ließ sich Agnes nicht zweimal sagen! Und so dauerte es auch nicht lange, bis beide neben dem Landsknecht Platz genommen hatten.

Dieser hatte absolut nichts gegen die Gesellschaft von Agnes und dem Dottore einzuwenden! Obwohl ... nur Agnes allein neben ihm? Wäre interessanter gewesen! Aber gut … ein schlechter Kerl schien der Dottore ja auch nicht zu sein! Wenige Minuten später war eine lebhafte Unterhaltung zwischen den Dreien in Gange gekommen.

Währenddessen lenkte der Wagenführer, ein hagerer, aber doch kräftiger Kerl, stumm sein mit Wein und Bier schwer beladenes, von zwei Zugochsen gezogenes Gefährt. Mit stoischer Ruhe ließ er seinen wachsamen Blick nicht von dem holperigen Pfad abwenden. Da man sich nun ja nicht mehr auf dem normalen Handelsweg befand, sondern auf einem alten, aber eben sehr engen Schmugglerstieg, könnte ein Fahrfehler verheerende Folgen haben. Denn würde auch nur ein Wagen, durch welche Gründe auch immer liegen bleiben, könnte der ganze Tross unweigerlich zum Stillstand kommen! So etwas hatte man ja gestern zu Genüge erfahren. Und das musste unbedingt vermieden werden! Ob das überhaupt eine gute Idee war, auf diesen engen Weg zu kutschieren? Nun, Martens hatte ja in seiner Ansprache erklärt, dass dieser Weg sie schneller nach Lübeck bringen würde, auch wenn es erst mal ein Umweg wäre! Aber das lag ja auch nicht in seiner Zuständigkeit! Martens würde schon wissen, was er tat. Der Treckführer hatte schließlich jahrelange Erfahrung! Also ... Was scherte es ihn! Er musste auf den Weg achten! Dafür wurde er schließlich gut bezahlt! Nun denn!

Durch ihre weibliche Neugier getrieben fragte soeben Agnes den Landsknecht: »Und, du hast wirklich den Kerl getötet, der deine Frau vergewaltigt hat?«

»Sicher doch! Oder glaubst du etwa, dass nur ein paar Schläge auf die Fresse den Lumpen zu einem frommen Knaben gemacht hätten?«

»Äh ... ich ...«, Agnes wurde jäh von Ihrem Mann unterbrochen.

Denn auch dieser hatte eine brennende Frage auf den Lippen. »Was ist mit deiner Frau Landsknecht? Warum ist sie denn nicht mit dir unterwegs?«, wollte er wissen.

»Weil sie ... Tod ist!« Die Miene des Landsknechtes wurde mit einem Mal hart und ernst.

»Tod?« Agnes schaute nun entgeistert den Landsknecht an.

Auch der Dottore war baff!

»Ja, Leute! Meine Sieglinde hat die Vergewaltigung nicht überlebt! Ich bin nur wenige Augenblicke zu spät gekommen! Meine gute Frau ist in meinen Armen elendig verblutet!«

Eine Zeit lang sprach keiner mehr ein Wort! Agnes und Luigi waren fassungslos!

»Furchtbar…! Grauenhaft ...!« Agnes hatte als erste wieder Worte!

»Das erklärt, vieles!«, ergänzte jetzt auch Luigi. »Ich weiß nicht, ob ich den Mut gehabt hätte, wenn man meiner Agnes so etwas angetan hätte?« Verschämt sah er nun zuerst zu Agnes, dann zum Landsknecht.

»Hat sich halt ergeben! Sollte so sein! Gottes Wille eben!« Der Landsknecht hatte schon wieder sein verschmitztes Grinsen aufgesetzt! »Ist Vergangenheit! Ich kann es nun auch nicht mehr ändern! Ich gucke nach vorn in die Zukunft! So kalt es auch klingen mag!«

Damit war auch das geklärt!

»Könnte ich mal deine Armbrust inspizieren?«, wechselte nun gekonnt Luigi das Thema.

»Sicher… warum nicht?« Buss griff hinter sich und holte die mehr als armlange Waffe unter einer Decke hervor. Stolz gab er sie Luigi in die Hand.

Dieser betrachtete ehrfürchtig die edle, aber auch todbringende Waffe. Sie bestand aus edlem Walnussholz und hatte diverse liebevoll geschnitzte Intarsien.

Anerkennend gab etwas später Luigi die Waffe an Buss zurück. »Eine beeindruckende Armbrust! Und du bist damit in der Lage, auf mehr als siebzig Schritt einen Apfel zu treffen? Mit einem einzigen Schuss?«

»Nicht immer, aber an guten Tagen, also … meistens auf jeden Fall! … Und nicht nur einen Apfel!«, fügte Peter nun grinsend hinzu und verstaute die Armbrust jetzt wieder unter der Decke.

Agnes und Luigi waren beeindruckt.

Doch Luigi wäre kein Kerl, wenn er nicht eine Bitte geäußert hätte! »Kannst du uns nicht mal beweisen, wie gut du mit dem Ding bist?«

Amüsiert sah Buss Luigi an: »Ich wusste doch, das ich nicht ungeschoren davon komme! Also gut!« Er griff erneut nach seiner Armbrust und einen Leinenbeutel, in dem sich einige Armbrustbolzen befanden.

Nun sprang er behände vom Kutschbock und sagte dann lachend zu Agnes und Luigi: »Wie wäre es mit einem kleinen Wett-Schießen? Dort ...«

Er zeigte auf eine kleine Wiese, die nur einige Schritte entfernt war.

So eine Gelegenheit sollte man sich natürlich nicht entgehen lassen! Daher sprangen jetzt auch Agnes und Luigi vom Kutschbock und folgten Buss auf die Wiese. Da der Wagenzug im Schritttempo vorausfuhr, würde es kein Problem sein, diesen später wieder einzuholen.

Jetzt befanden sich die drei auf der ebenen Wiese, auf der nur eine kleine, einsame Birke stand.

Und Buss wollte sich die Chance natürlich nicht entgehen lassen, dem Dottore zu zeigen, was er … Peter Buss … denn für ein toller Schütze ... und ... Kerl natürlich ... wäre! Ha! Und Agnes erst! Die würde gucken! Er zeigte jetzt auf den circa armdicken Stamm der Birke, die etwa fünfzig Schritt entfernt stand und sagte zu Luigi: »Ich wette mit dir, um zwei Schillinge, dass du den Baum aus dieser Distanz nicht triffst!«

Siegessicher übergab er die mittlerweile von ihm gespannte und mit einem Bolzen bestückte Armbrust an Luigi.

Doch dieser sah die ihm dargereichte Waffe nur perplex an und sagte dann kleinlaut: »Äh ... gut und schön, aber ich habe mit so einem Ding noch nie geschossen!«

»Macht nix! Ist wirklich einfach! Pass mal gut auf! Ich zeige es dir!« Buss nahm die gespannte Armbrust zurück, drehte sich um, legte an und betätigte, ohne großartig zu zielen, den Abzug! Mit einem kaum hörbaren Plopp schnellte der Bolzen los und blieb nach kurzem Flug im Stamm der Birke stecken!

»Brauchst nur zu zielen und dann musst du bloß noch den Abzug betätigen!« Lachend gab Buss die Armbrust, nachdem er diese erneut gespannt und mit einem Bolzen bestückt hatte, an Luigi zurück.

Dieser war sichtlich beeindruckt! »Das ist ... alles?« Staunend betrachtete Luigi die Waffe in seiner Hand.

»Ja! Das ist alles! Doch jetzt ... du bist dran! Der Baum dort ... den wirst du garantiert nicht treffen!« Buss grinste schelmisch!

Das waren doch nur wenige Schritte! Den mickerigen Baum würde er, Luigi schon noch treffen! Wäre doch gelacht! Er hob die Waffe an seine Schulter ... visierte die Birke exakt an, und als er sich sicher war, betätigte er den Abzug! Aber nix da! Verflucht … ! Der Bolzen landete fast zwei Fuß rechts neben der Birke, in der von der Sonne versengten Wiese! Mist, verdammt! Blamage! Das hatte sich der edle Luigi anders vorgestellt!

»Zwei Schillinge Dottore, wenn ich bitten dürfte! Pronto Signore Petronelli!« Grinsend hielt Buss dem geschlagenen Luigi seine riesige Hand entgegen! »Wette ist Wette! Her mit dem Zaster, auch wenn es dir schwerfällt!«

»Ja, ja schon gut!« Luigi entnahm seiner Geldkatze, leicht vergrätzt, zwei Münzen und gab sie Buss! »Hier deine Schillinge!«

Verlieren konnte er ja, der edle Dottore, musste Buss anerkennend zugeben und grinste Luigi keck an!

»Doch nun, Landsknecht, zeig uns doch mal, wie es wirklich um deine Treffsicherheit bestellt ist!«, feixte nun Agnes. »Zeig mal, was du kannst! Oder bisst du auch nur ein Sprücheklopfer?«

Nun das ließ sich der Landsknecht, der natürlich über jahrelange Erfahrung verfügte, nicht zweimal sagen!

Das schöne Frauenzimmer wollte eine extravagante Vorstellung? Nun ... die sollte sie bekommen.

Er nahm die Armbrust, maß nun annähernd an die fünfundsiebzig Schritte ab und stellte sich dann in Position!

Das wird der nie schaffen, dachte schadenfreudig Luigi. Das konnte doch nie und nimmer klappen!! Vielleicht drei bis fünf Treffer! Aber mehr? Niemals! »Ich wette! Diesmal um fünf Schillinge! Du wirst den Baum bei, ich behaupte mal zehn Schuss, höchstens fünfmal treffen! Also ... Zehn Schuss!« Luigi wollte unbedingt seine Wettschmach wieder gut machen! Diesmal würde aber er gewinnen! Garantiert!

»Nun, mein lieber Dottore, da sag ich doch nicht nein! Leicht verdiente Kröten! Ich danke dir schon mal im Voraus für den Geldsegen!«

»Angeber! Elendiger!« Der Dottore hatte nun doch Schwierigkeiten, seine Gefühle unter Kontrolle zu behalten!

Buss nahm jetzt zehn Bolzen aus dem Tragebeutel, spannte die Armbrust und steckte sich die restlichen Bolzen in seinen Gürtel. Dann stellte er sich erneut in Position ... und diesmal zielte er bewusst und ... langsam … sehr langsam!

Einen Sekundenbruchteil später sirrte der erste Bolzen los … und traf! Doch sofort folgte der zweite Bolzen, der nicht mal einen fingerbreit neben dem ersten ins weiche Holz klatschte! Die anderen Geschosse folgten unverzüglich in einem atemberaubenden Tempo!

Agnes und dem Dottore fiel vor lauter Staunen nichts mehr ein. Jeder der zehn Bolzen hatte sein Ziel getroffen!

»Noch Fragen ... die Dame … der Herr?« Zufrieden grinsend sah sie nun der Meisterschütze an! Natürlich hatte er schon wieder seine Pranke geöffnet, in die nun Luigis fünf Schillinge fielen!

»Da ... wird glücklich damit!«, schmollte der Verlierer! Aber er war doch sichtlich beeindruckt!

Agnes ebenfalls! Was für ein Kerl!

»Wo sind eigentlich unsere drei Passagiere abgeblieben? Ich habe die schon länger nicht mehr gesehen?«, wollte Martens vom Kutscher wissen, der allein den schweren Wagen über den holperigen Schmugglerpfad lenkte.

»Die sind vor einiger Zeit runter vom Bock und zurückgeblieben. Der Landsknecht wollte dem Dottore und seinem Weib seine Schießkünste mit der Armbrust zeigen! Aber bei unserem Tempo auf diesen elendigen Holperweg hier werden die uns sicher mit Leichtigkeit einholen! Und wenn nicht? Was schert es mich!« Der Kutscher schnäuzte sich hörbar in seine freie linke Hand und wischte sich den Nasenschleim in sein eh schon stark verdrecktes Wams.

»Nun gut! Wollte ich ja nur wissen! Habt Dank, Marko!«

Beruhigt ritt Martens nun wieder an die Spitze der langen Wagenkolonne, fehlte gerade noch, dass seine Passagiere verloren gingen! Aber die würden sich schon zu helfen wissen, schoss es ihm jetzt durch den Kopf. Außerdem war ja der Landsknecht bei dem Dottore und seinem hübschen, rassigem Weib. Egal! Er hatte jetzt schließlich Wichtigeres zu tun! Denn da vorne kam schon die Weggabelung, an welcher der geplante Überfall durch die Segeberger Freischärler stattfinden sollte. Aber noch war nichts Ungewöhnliches zu entdecken! Doch Martens wusste, dass jeden Moment rechts und links des von hohen Buschwerk umgebenen Schmugglerpfades die Freischärler hervorbrechen würden! Seine Unruhe stieg ins Unermessliche! Was, wenn der Plan fehlschlug? Nun ... die Leute des Wagenzuges wussten doch alle nicht, was er im Schilde führte, also? Jetzt waren es nur noch wenige Schritt bis zur Abzweigung!

»Da vorne ... links ab!«, rief Martens jetzt und drehte sich zu seinen Leuten um. Unmissverständlich zeigte er mit der linken Hand in die entsprechende Richtung.

Keiner seiner Gespannführer, geschweige denn die übrigen Leute des Wagenzuges hegten Verdacht! Warum auch! Martens war schließlich ein erfahrener Anführer! Die Leute vertrauten ihm blind!

Schon bogen die ersten beiden Wagen in den abzweigenden Weg ein, doch dann passierte es!

Ein lauter Knall zerriss urplötzlich die Stille!

Ein bedrohlich aussehender Mann stand jetzt plötzlich mitten auf dem Weg und versperrte dem Treck dadurch die Weiterfahrt! Unmittelbar zuvor war er, wie aus dem Nichts rechts des Weges aus dem Buschwerk gesprungen! In seiner linken Hand hielt er ein langes, eisernes Rohr, aus dessen vorderen Ende eine kleine weiße Rauchwolke aufstieg.

Von dem lauten Knall aufgeschreckt, gelang es dem ersten Wagenführer gerade noch rechtzeitig, die scheuenden Zugtiere zu zügeln. Auch die anderen Wagen kamen nun zum Stehen!

Was ... in Gottes Namen ...? Doch die Antwort ließ nicht lange auf sich warten!

Der unbekannte Kerl rammte seelenruhig eine metallene Gabel in den Boden vor sich und legte das eiserne Rohr auf die Auflage. Das Mündungsrohr zeigte nun unmissverständlich auf die ersten Leute des Wagenzuges! In der Hand hielt er eine glimmende Lunte, die er nun langsam an die Seite des Eisenrohres führte. Der Wegelagerer setzte ein hämisches Grinsen auf und erhob dann laut und bestimmt seine Stimme!

»Einen schönen Tag wünsch ich ihr Leute! Ich und meine Gefährtin hier, Bertha mit Namen«, er zeigte auf das mehr als armlange Eisenrohr, »welche ihr ja eben schon laut gehört habt, möchten euch nun höflichst bitten, uns die Ladung auszuhändigen! Die Lübecker Pfeffersäcke bekommen sie jedenfalls nicht mehr! Also … her damit!«

Zuerst war nichts zu hören ... kein Laut! Die Angehörigen des Wagenzuges waren einfach nur sprachlos! Der Fatzke da vorne wollte sie … überfallen? Allen Ernstes? Ein einziger Kerl?

Nun hatten sich die ersten Leute im Tross gefangen und ... fingen an zu lachen!

Der Kutscher des vordersten Wagens lachte ebenfalls lauthals prustend, dann sagte er in Richtung des Wegelagerers nur. »Sag mal, du Furz einer stinkenden Ratte, wer hat dir denn ins Hirn gepisst? Warst wohl zu lange in der Sonne, oder? Ich komme jetzt runter und dann poliere ich dir deine dämliche Visage! Du willst uns hier«, er zeigte hinter sich, auf die Menge der geschockten Trossleute, »ausrauben? Du allein? Nun ... Mut scheinst du ja zu haben!«

»Warte nur gleich hängen wir dich auf, du Knallkopf!«, grölte nun sehr bedrohlich ein anderer Mann und begann, gefolgt von neun Männern, auf den immer noch völlig ruhig da stehenden Wegelagerer zuzulaufen!

Doch dieser ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken! »Halt ... Leute! Das würde ich mir aber noch mal genau überlegen! Denn ich möchte euch allen gegenüber keine Gewalt anwenden. Keiner muss heute hier sterben oder verletzt werden, wenn ihr genau das macht, was ich sage ... Sonst allerdings!«

Die Lunte in seiner Hand näherte sich noch ein weiteres Stück dem Eisenrohr!

»Schnappt ihn euch Leute und dann an den Nächsten ... Ba ...«, doch weiter kam der erste Mann, der nun begonnen hatte, auf den Wegelagerer zu zustürmen, nicht mehr!!

Denn dieser hielt nun die brennende Lunte nah an das Eisenrohr ... und im Bruchteil einer Sekunde schoss eine circa armlange, orangerot aufleuchtende Flamme, vorne aus der Mündung! Unmittelbar danach knallte es erneut, wie schon beim Ersten mal! Die Folge war verheerend!

Eine etwa kirschgroße, eiserne Kugel, hatte die Waffe verlassen und schlug wenige Augenblicke später in den Oberkörper des wild auf den Wegelagerer zulaufenden Gespannführers!

Verblüfft sah dieser nun auf sein zerrissenes Wams. Aus diesem quoll zerfetzte Muskelmasse ... und ein Schwall hellroten Blutes! »Was ... zum … T?«, doch mehr konnte er nicht mehr sagen! Er brach zusammen und war tot, noch bevor er den Boden berührte!

Entsetzt starrten die Leute des Wagenzuges auf die Leiche des vor ihnen liegenden Weggefährten und dann auf den Wegelagerer, der neben dem rauchendem Eisenrohr stand und nun gebieterisch die Hand hob! »Ihr wolltet ja nicht hören! Also musste Berta euch Tölpeln leider den nötigen Respekt beibringen!« Kopfschüttelnd strich der Wegelagerer nun langsam und bedächtig, fast schon liebevoll, über das Eisenrohr. »Dieses Höllending hier ist eine Feuerwaffe, eine sogenannte Arkebuse und was man damit anrichten kann …? Nun, das habt ihr ja gerade selbst mit eigenen Augen gesehen! Doch ich hätte gern auf diese Vorführung verzichtet, aber ihr wolltet es ja nicht anders. Bedauerlich ... sehr bedauerlich!« Erneut schüttelte er seinen Kopf.