Sehnsuchtige Herzen - Barbara Cartland - E-Book

Sehnsuchtige Herzen E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Valeda, die jüngste Tochter Sir Roderick Alcesters, lebte nach dem Tod der Mutter lange Zeit mit dem Vater allein im Herrenhaus, das sie nach seinem Ableben - trotz aller finanziellen Schwierigkeiten - so gut wie möglich alleine weiter verwaltet. Ihre sehr schöne ältere Schwester Hermoine wurde nach ihrer Hochzeit die Countess of Eltsley, die Ballkönigin der Londoner Gesellschaft. Nach dem Tod ihres Mannes ist sie sehr reich, aber sie will weiter in den sozialen Schichten aufsteigen und sucht einen geeigneten Kandidaten. Diesen findet sie im gutaussehenden und reichen Marquis de Silvala. Um ihn für sich zu gewinnen, will sie mit ihrer jungen Tochter Mirabelle nach Madrid reisen. Da die Gouvernante ihrer Tochter sehr kurz vor der Abreise gekündigt hat, überredet sie ihre Schwester Valeda unter falschem Namen mitzureisen. Valeda trifft in Madrid nicht nur den Marquis de Silvala, sondern auch König Alfonso XI. und dessen Gemahlin. Valeda erfreut sich an Madrids Kunstschätzen und besichtigt mit Mirabelle den Prado, wo die beiden auch die Jungfrau mit Kind von Luis de Morales sehen. Der Marquis trifft dort auf die beiden Engländerinnen und bemerkt, dass Valeda der Jungfrau sehr ähnlichsieht. Wird Hermoine ihr Ziel erreichen, und den Titel der Marquesa de Silvala tragen?

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Seitenzahl: 164

Veröffentlichungsjahr: 2025

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1 ~ 1880

»Gott, was für ein Endspurt!« Dieser Ausruf kam von der Tribüne des Jockey-Clubs, als die Pferde in die Zielgerade einbogen.

Trumpeter, der dem Marquis von Rakemoore gehörte, galt als der Favorit des Rennens.

Die Menge begann bereits mit den Anfeuerungsrufen, wie immer, wenn die Pferde des Marquis an einem Rennen teilnahmen. »Rake! Rake! Rake!«

Trumpeter lief Seite an Seite mit Ladybird, die dem Herzog von Cumberworth gehörte.

Die beiden Pferdebesitzer beobachteten das Rennen von der ersten Tribünenreihe aus. Der Herzog bebte vor Aufregung. Er presste seine Lippen zusammen, um nicht Gefahr zu laufen, selber mit lauten Rufen sein Pferd anzufeuern. Den Marquis hingegen schien nichts aus der Ruhe bringen zu können. Sein Gesicht trug den leicht spöttischen Ausdruck, für den er bekannt war, und noch nicht einmal seine Augen zeigten Anzeichen einer besonderen Erregung. Nur wer ihn gut kannte, konnte den verstärkten Puls an seiner Halsschlagader bemerken.

Es war ein unerwartet aufregendes Rennen, da jedermann angenommen hatte, dass Trumpeter es mit Leichtigkeit gewinnen würde. Doch so, wie es jetzt aussah, konnte sich Ladybird, die im letzten Moment an der Außenseite herangekommen war, an seiner Seite behaupten.

Jemand rief atemlos: »Da passt kein Blatt mehr dazwischen!« Dann wurde der Lärm der Menge ohrenbetäubend. Sie favorisierte eindeutig den Marquis, der normalerweise die Rennen gewann und sicher der aufsehenerregendste Besitzer hier auf der Pferderennbahn war. Er war über sechs Fuß groß, und mit den breiten Schultern und den schmalen Hüften wirkte er außerordentlich stattlich. Nur zuweilen erschienen zynische Züge auf seinem Gesicht. Oder es drängte sich eine Spur von Sarkasmus in seine Stimme, wenn er mit einer schönen Frau sprach.

Sein Äußeres passte zu einem Teil seines Namens Rake, Lebemann. Alle seine Freunde riefen ihn nur so. So zutreffend dieser Name auch sein mochte, ihn verlangte nicht danach, genusssüchtig zu sein.

»Der Ärger mit dir ist, dass du zu viel hast und dass es nur wenige gibt, die sich mit dir vergleichen können«, sagte einer seiner Freunde zu ihm.

»Ich weiß nicht, was du damit meinst«, antwortete der Marquis, war sich jedoch bewusst, dass sein Freund durchaus recht hatte.

Alles war ihm zugeflogen. Die Herausforderung, die so wichtig für einen Mann seines Alters war, hatte ihm bisher gefehlt. Mit nahezu dreißig glaubte er schon alle gesellschaftlich erstrebenswerten Glanzpunkte erreicht zu haben. Dasselbe galt für den sportlichen Bereich, in dem er ebenso unumstritten herrschte.

Jetzt musste sein Spitzenjockey, hier in dem großen Rennen von Epsom, unerwartet sein Können unter Beweis stellen.

Die Ziellinie war greifbar nahe.

Der Marquis konnte sehen, wie sich der Jockey streckte, sich konzentrierte und sein Pferd nach allen Regeln der Kunst antrieb, um an Ladybird vorbeizuziehen.

Die Anfeuerungsrufe der Menge wurden lauter.

Als dann die beiden Pferde die Ziellinie passiert hatten, entfuhr es dem Herzog fast wie ein Schrei: »Verdammt, ein totes Rennen!«

»Ich glaube, Sie haben recht«, stimmte ihm der Marquis mit beherrschter, leiser Stimme zu.

Für einen Moment konnte der Herzog nicht antworten. Doch dann siegte der Sportsmann in ihm: »Nun, Rakemoore, habe ich Ihnen nicht ein gutes Rennen für Ihr Geld geboten?«

»Es war das beste Rennen, das ich seit langer Zeit gesehen habe!«

»Das denke ich auch!« sagte der Herzog. »Ladybird ist außergewöhnlich. Und wenn wir sie als Zuchtstute nehmen und von Ihrem Hengst decken lassen, dann könnte daraus der berühmteste Champion aller Zeiten hervorgehen.«

Der Marquis lächelte. »Das ist sicher eine gute Idee!«

»Die einzig vernünftige, unter der Voraussetzung, dass unsere beiden Rennställe gemeinsame Sache machen«, fuhr der Herzog fort. »Ich möchte Ihnen noch einen Vorschlag unterbreiten.«

»Und der wäre?« fragte der Marquis, während sie die Loge verließen, um dabei zu sein, wenn ihre Jockeys auf die Waage mussten.

»Meine dritte Tochter ist noch unverheiratet, und selbst wenn nichts anderes Sie und Lavinia verbinden sollte der Pferdeverstand ist ihnen beiden gemeinsam.« Der Herzog lachte, als hätte er sich einen Spaß erlaubt.

Doch der Marquis erstarrte, und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich. Schnell eilte er voraus, um keine Antwort auf dieses Ansinnen geben zu müssen. Während er dem Sattelplatz zustrebte, fuhr ihm durch den Sinn, dass das typisch für den Herzog von Cumberworth war!

Nur er konnte in solch einem Moment daran denken, seine Tochter zu verheiraten.

Warum, zum Teufel, können mich die Leute nicht in Ruhe lassen? fragte sich der Marquis und hob den Kopf. Aufmerksam betrachtete er eine sehr attraktive Dame, die auf ihn zukam.

Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Gratuliere, Rake! Ich wusste, Sie würden gewinnen«, sagte sie mit weicher, verführerischer Stimme.

»Ich schätze, ein halber Sieg ist besser als nichts!« antwortete der Marquis im Vorbeigehen.

Als er endlich sein Pferd erreichte, hatte er mindestens ein Dutzend Mal seinen Hut gezogen.

Aufseufzend klopfte er dem Pferd den Hals, als sein Jockey zu ihm trat und sagte: »Ich habe mein Bestes getan, Mylord! Aber . . . von dieser Ladybird habe ich noch nie gehört!«

»Dann kennen Sie sie jetzt! Und zweifelsohne werden wir auch in Zukunft noch viel von ihr hören!« bemerkte der Marquis. Während er sprach, warf er einen abschätzenden Blick auf die Stute des Herzogs. Er musste blind gewesen sein, um nicht schon vor dem Rennen ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten erkannt zu haben.

Der Herzog selbst strahlte verständlicherweise über den Erfolg von Pferd und Reiter und nahm die Glückwünsche seiner Freunde hocherfreut entgegen.

Besser als der Marquis konnte keiner einschätzen, welch große Leistung die Stute vollbracht hatte, als sie Trumpeter fast geschlagen hatte.

Er konnte den Verdacht nicht loswerden, dass hier eine richtige Konkurrenz für seinen Rennstall heranwuchs.

Wir haben die Dinge schleifen lassen, tadelte er sich. Und irgendwie war das auch sein Fehler gewesen.

Die Mitglieder des Jockey-Clubs umringten inzwischen den Herzog. Man sah ihnen an, dass sie dachten, es sei endlich einmal an der Zeit für so ein Ereignis gewesen.

Nachdem der Marquis zugesehen hatte, wie sein Jockey gewogen wurde, ging er langsam auf die Rennbahn zurück.

Allmählich füllte sich der Rennplatz wieder. Doch der Marquis sagte sich, dass es nur verschwendete Zeit sei, zu bleiben und dem Rennen zuzuschauen. Sein Stallmeister würde das Rennen aufmerksam beobachten und ihm einen Bericht darüber liefern, wie Pferd und Reiter abgeschnitten hatten.

Er beschloss, nach London zurückzukehren.

Ohne sich zu verabschieden, ging er geradewegs zu seinem Zweispänner und kletterte auf den Kutschbock.

Die Kutsche wurde von seinen schnellsten Pferden gezogen. Sie waren schwarz wie das Gefährt, dessen Räder und Polster jedoch gelb leuchteten. Gelb und schwarz waren auch seine Rennfarben.

Während er das Gespann auf das Tor zu lenkte, lüfteten viele Männer ihre Hüte, und Frauen winkten ihm mit ihren Taschentüchern zu.

Da der Marquis das Rennen früh verlassen hatte, kam er gut voran, denn der Verkehr ließ nach, sobald er sich einige Kilometer vom Rennplatz entfernt hatte.

Die Pferde liefen nun so schnell, wie er es wünschte. Seine Gedanken wandten sich wieder dem Ereignis des Rennens zu.

Seinem Stallmeister, den Pferdeknechten und den Jockeys musste er Zunder geben. Sie sollten sich gefälligst anstrengen und die Leistungen bringen, die er von ihnen erwarten durfte.

Er hatte noch nie ein großes Rennen verloren, seine Pferde waren immer als erste durchs Ziel gelaufen.

Und ein totes Rennen hatte es noch nie gegeben!

In Rekordzeit erreichte er London.

Er fuhr schwungvoll die Auffahrt zu seinem Haus in der Park Lane hoch und zügelte überrascht die Pferde, als er eine Kalesche in der Auffahrt erblickte.

Seines Wissens hatte er keine andere Verabredung als das Dinner mit Lady Wisbourne, auf das er sich schon freute.

Muriel Wisbourne war eine außergewöhnliche Schönheit, und sie war nur eine der vielen attraktiven Damen, mit denen der Marquis in Zusammenhang gebracht wurde. Für den Marquis war es ein leichtes, dem Klatsch ständig neue Nahrung zu geben.

Zwei Pferdeknechte, die seine Ankunft erwartet hatten, nahmen sich sogleich der Pferde an. Der Marquis sprang vom Sitz seines Zweispänners und schritt den roten Teppich hinauf in die Halle.

Der Butler, eine würdevolle Gestalt mit weißem Haar, kam ihm entgegen.

»Ich hoffe, Eure Lordschaft hatten einen guten Tag!«

»Sehr gut!« bemerkte der Marquis kurz. »Wer ist hier?«

»Captain Brentwood, Mylord.«

Erleichtert atmete er auf. Für einen Moment hatte er schon gedacht: Wieder nur einer, der mich entsetzlich langweilen wird!

Er händigte Reithandschuhe und Hut einem Diener aus und folgte dem Butler in die Bibliothek.

Sein Freund, Peregrine Brentwood, saß bequem in einem der Sessel und hielt ein Glas Champagner in der Hand.

»Hallo, Perry! Ich habe dich nicht erwartet!« begrüßte ihn der Marquis.

»Und du bist früh dran! Hast du gewonnen?«

»Es gab ein totes Rennen mit der Stute von Cumberworth.«

»Ich kann es kaum glauben! Die Wetten im White’s Club waren so miserabel, dass ich mein Geld nicht verwetten wollte!«

»Da hast du den richtigen Riecher gehabt! Aber ich muss gestehen, Cumberworth’ Ladybird ist unglaublich gut. Ich hätte es schon vor dem Start wissen müssen!«

Peregrine Brentwood lachte. »Es ist doch sonst nicht deine Art, dich als Schlafmütze überraschen zu lassen!«

»Das habe ich mir schon selbst gesagt«, bemerkte der Marquis mit leicht verkrampftem Lächeln. Er nahm den Champagner aus dem silbernen Eiskühler, goss sich ein Glas ein und ging dann zum Kamin. »Bist du gekommen, weil du etwas Bestimmtes willst?«

»Du kannst Gedanken lesen, wie immer! Meine Antwort ist. . . ja!«

Der Marquis setzte sich. In einem ganz anderen Ton fragte er: »Was ist passiert?«

»Ich befürchte, ich muss dir etwas sagen, das dir nicht gefallen, ja dir sogar unangenehm sein wird.«

»Unangenehm?« Neugierig horchte der Marquis auf. Ob Lord Wisbourne ihm Ärger machen wollte? Hegte er den Verdacht, dass er eine zu enge Beziehung zu seiner Frau unterhielt?

Nein, bei Lord Wisbourne bestand eigentlich keine Gefahr. Einen solchen Skandal in seinem Alter konnte er sich nicht erlauben. Natürlich konnte man sich dessen nie ganz sicher sein, denn wer wusste schon, wie weit ein Mann gehen würde, wenn seine Ehre auf dem Spiel stand?

Peregrine saß unerklärlicherweise still da.

»Nun, heraus mit der Sprache! Ich bin auf das Schlimmste gefasst«, forderte ihn daher der Marquis auf.

Peregrine stellte sein Champagnerglas ab. »Du weißt, Rake, dass mein Onkel Großkämmerer und damit Vorsteher des Hofes ist?«

»Ja, sicher«, antwortete Rake und fragte sich, was die Frage wohl mit ihm zu tun haben könnte.

»Ich kann ihn gut leiden«, fuhr Peregrine fort. »Und als meine Eltern starben, haben er und seine Frau mir ein Heim gegeben.«

Daran hätte ich eher denken sollen, überlegte der Marquis. Doch als Peregrine noch zu der Leibwache gehörte, hatte er kasernenartige Quartiere bewohnt. Daher hatte er ihn gedanklich nie in Verbindung mit Windsor Castle gebracht.

»Gestern Abend habe ich, da ich keine andere Einladung hatte, die mich besonders interessierte, und du schon mit Muriel Wisbourne verabredet warst, mit meinem Onkel diniert.«

Der Marquis fragte sich immer mehr, worauf das Gespräch hinauslaufen würde.

Doch Peregrine fuhr unbeirrt fort: »Nach dem Essen erzählte mir Onkel Lionel, dass die Königin heute nach dir schicken wollte. Sie hätte es schon gestern getan, wusste aber, dass du beim Rennen sein würdest.«

»Die Königin will mich sehen? Warum?«

Peregrine sah ihn an und sagte bedächtig: »Die Prinzessin Greta von Sachsen-Coburg wird dieses Wochenende in England eintreffen.«

Der Marquis starrte seinen Freund verblüfft an. »Was hat denn das mit mir zu tun?«

Da Peregrine nach einer Weile immer noch keine Antwort gab, fragte er schließlich ungläubig: »Du kannst doch nicht. . . nein, es ist unmöglich!«

»Sie ist eine entfernte Cousine des verstorbenen Prinzgemahls, und der Königin liegt viel daran, sie standesgemäß zu verheiraten.«

»Standesgemäß!« rief der Marquis aus. »Ich will keine langweilige deutsche Frau oder sonst jemanden heiraten, nur um die Königin zufriedenzustellen!«

»Ich habe meinem Onkel gleich gesagt, dass du kein Verlangen danach hast, zu heiraten.«

»Und? Was hat er dazu gesagt?«

»Er sagte, Ihre Majestät sei schon seit geraumer Zeit der Meinung, du brauchtest eine Frau. Wörtlich soll sie gesagt haben: Es wird Zeit, dass er vernünftig wird.«

»Du lieber Gott! Wie kann sie so etwas sagen?« explodierte der Marquis.

Doch konnte er von der Königin etwas anderes erwarten?

Emsig verheiratete sie ihre Verwandten, und seit dem Tode von Prinz Albert bemühte sie sich auch sehr um seine Familie.

Der Marquis wusste aber auch, dass man ihm niemals erlauben würde, ein wirklich bedeutendes Mitglied der königlichen Familie zu heiraten.

Er bildete sich ein, es könnte ihm nichts Schlimmeres passieren, als mit einem schwerfälligen deutschen Fräulein verheiratet zu werden. Sie konnten nichts gemeinsam haben. Wenn er aufrichtig sein wollte, musste er zugeben, dass er die Deutschen nicht mochte. Diejenigen, die er bisher kennengelernt hatte, ließen jede Art von Humor vermissen.

»Es tut mir leid, Rake. Ich wusste, es würde dich verstimmen! Aber ich hielt es trotzdem für besser, dich zu informieren, bevor du munter und vergnügt nach Windsor Castle fährst.«

»Wenn du denkst, ich lasse mir von der Königin Vorschriften machen, die meinen privaten Lebensbereich betreffen und die mir vorschreiben, wen ich heiraten soll, dann hast du dich geirrt«, antwortete der Marquis scharf.

»Genau das habe ich meinem Onkel auch gesagt. Doch er meinte lakonisch, du hättest keine andere Wahl. Die Einladung wird ein königlicher Befehl sein!«

Der Marquis stand auf und füllte erneut sein Glas mit Champagner, was um diese Tageszeit sehr ungewöhnlich bei ihm war.

Plötzlich erinnerte er sich wieder daran, dass die Königin seine Taufpatin war.

Der Marquise von Rakemoore, die königliche Kammerzofe war, widerfuhr die große Ehre, dass die Königin bei ihrem Sohn Pate stand…

»Es tut mir leid, Rake.«

»Ich muss einen Weg finden, um mich dieser Pflicht entziehen zu können! Weißt du denn keinen Ausweg, Perry?«

»Den ganzen Tag denke ich schon darüber nach.«

»Hast du die Frau gesehen?«

»Nein, aber dafür ihre Schwester, die einen Franzosen geheiratet hat, einen Comte . . . Dingsdag. Die beiden habe ich letztes Jahr in der französischen Botschaft kennengelernt.«

»Und? Wie sah sie aus?«

»Genauso, wie du es vermutest! Groß, dick und nichtssagend.«

Unruhig wanderte der Marquis quer durch den Raum zum Fenster und wieder zurück. »Ich werde es nicht tun! Eher gehe ich ins Ausland, als dass ich diese Frau heirate!«

Er dachte an die Makellosigkeit und Schönheit seiner Besitztümer, doch im Besonderen an Rake, das Schloss seiner Vorfahren.

»Hilf mir, Perry. Es muss einen Ausweg aus diesem Dilemma geben! Würde es nicht helfen, mit deinem Onkel zu reden?«

Peregrine schüttelte den Kopf. »Ich habe Onkel Lionel schon gefragt. Er schätzt dich als großen Sportsmann. Aber er glaubt, da ist nichts zu machen. Ich glaube, er bedauert es, dass dir auf diese Art und Weise die Ehefesseln angelegt werden sollen. Die genauen Worte meines Onkels waren: Als einzig mögliche Ausrede für den Marquis, dem Befehl der Königin nicht zu folgen, oder ihn abzulehnen, wäre allein akzeptabel, wenn er entweder schon verheiratet oder zumindest verlobt wäre.«

Für einen Moment herrschte Schweigen.

Dann erinnerte sich der Marquis plötzlich wieder an die Worte des Herzogs im Jockey Club. Gott allein wusste, dass er niemanden zu heiraten wünschte! Doch jetzt ging es nur um die Frage, ob er ein deutsches Mädchen heiraten sollte, mit dem er nichts gemein hatte, oder ein englisches! Der Herzog hatte doch gesagt, zumindest eins hätte er mit seiner jüngsten Tochter gemeinsam: die Liebe zu den Pferden! »Ich werde es tun!« sagte er laut.

»Was tun?«

»Die Tochter des Herzogs von Cumberworth heiraten!«

Peregrine starrte ihn an. »Wovon redest du?«

»Heute Morgen, nachdem unsere beiden Pferde zusammen die Ziellinie passiert hatten, hat mir der Herzog den Vorschlag gemacht, mit Ladybird und Trompeter eine neue Zucht zu beginnen, einen hoffnungsvollen Nachwuchs zu zeugen.«

»Das ist sicherlich eine gute Idee!« unterbrach ihn Peregrine.

Der Marquis ignorierte den Einwurf und fuhr fort: »Weiter meinte er, ich sollte seine jüngste Tochter heiraten. Wir hätten wenigstens ein gemeinsames Interesse die Pferde!«

»Dass er noch eine dritte Tochter hat, habe ich ganz vergessen. Aber wenn sie nur ein wenig Ähnlichkeit mit den beiden anderen hat, dann ist sie hübsch… und sie ist Engländerin.«

»Genau das habe ich auch gedacht!« stimmte ihm der Marquis zu.

»Wenn es wirklich dein Ernst ist, dann musst du dich beeilen. Nach allem, was wir wissen, können die Befehle schon heute Abend eintreffen. Mein Gott, sie könnten sogar schon jetzt hier sein!«

»Das lässt sich herausfinden«, sagte der Marquis. »Aber wenn sich das alles als Scherz herausstellen sollte und ich mich grundlos aufgeregt habe, dann drehe ich dir den Hals um!«

»Ich kann dir nur sagen, dass es wirklich ernst ist. Ich würde dich nie so erschrecken!«

Der Marquis gab keine Antwort. Er wartete darauf, dass sich die Tür öffnete. Dann, als der Butler vor ihm stand, fragte er: »Gibt es eine Nachricht vom Buckingham Palast?«

»Es ist gerade ein Brief eingetroffen, Mylord, kurz nach Ihrer Rückkehr. Ich habe auf die erste günstige Gelegenheit gewartet, Eurer Lordschaft den Brief zu übergeben.«

Während er sprach, streckte er dem Marquis ein goldenes Tablett entgegen, auf dem ein großer Umschlag lag. Man konnte erkennen, dass er aus dem Büro des Großkämmerers kam. Der Marquis nahm den Brief vom Tablett. Nachdem er seinen Namen darauf gelesen hatte, warf er ihn in Peregrines Schoß. »Öffne du ihn! Da ich weiß, welche Nachricht er enthält, verführt er mich nur zum Fluchen!«

Peregrine öffnete also den Brief, dessen Umschlaglasche nicht allzu fest verschlossen war. Als er ihn gelesen hatte, sagte er: »Es ist so, wie wir erwartet hatten: Ihre Majestät wünscht dich morgen um zwei Uhr dreißig in Windsor Castle zu sehen.«

Vom Marquis kam kein Kommentar. Er ging zum Fenster und sah mit leerem Blick hinaus in den Garten, der auf der Rückseite des Hauses lag.

Der Marquis schwieg lange. Schließlich sagte er mit harter, kalter Stimme: »Ich werde dem Herzog schreiben, dass ich seinen Vorschlag überdenken und ihn morgen früh um elf Uhr aufsuchen werde, um die Angelegenheit zu besprechen.«

Nach einem Moment des Nachdenkens fragte Peregrine: »Ist Cumberworth denn in London?«

Der Marquis, der inzwischen an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, sah seinen Freund erstaunt an. »Du meinst, er könnte auf dem Land sein?«

»Ja, das glaube ich, denn dort hält er sich die meiste Zeit auf.«

»Daran habe ich gar nicht gedacht.«

Einen Moment lang überlegte der Marquis noch, bevor er sagte: »Ich fahre sofort nach Rake! Mein Abendessen mit Muriel Wisbourne muss ich absagen! Und du ... du kommst besser mit mir, sonst könnte es passieren, dass ich mich in den See stürze.«

Peregrine lachte. »Wenn du ins Wasser gehen willst, vergiss es! Dafür schwimmst du zu gut! Nun komm schon, Rake, es wird sicher nicht so schlimm werden, wie es dir jetzt erscheint!«

»Nein, es kann nur noch schlimmer kommen!« lautete die lakonische Antwort des Marquis.

Peregrine stand auf. »Wenn du Rake noch vor dem Abendessen erreichen willst, dann müssen wir sofort aufbrechen. Morgen früh nach dem Frühstück triffst du dich mit dem Herzog, und danach willst du sicher gleich nach London fahren.«

»Es klingt fast so, als ob ich die ‚Grand Tour‘ mache!« beschwerte sich der Marquis.

»Das tut mir leid, Rake, wirklich! Aber ich versichere dir, die Tochter des Herzogs ist das kleinere von zwei Übeln!«

»Das ist das richtige Wort«, sagte der Marquis bitter. »Ich werde meine Braut von dem Moment an, in dem ich ihr den Ring auf den Finger stecke, verabscheuen.«

2

Sie fuhren in einem Tempo, das nur der Marquis schaffte, und so erreichten sie das Anwesen Rake schon kurz nach acht Uhr abends.

Als das Haus in Sicht kam, rief Peregrine: »Eins ist h sicher, Rake, du hast dein Gefühl für Pferde nicht verloren!«

Doch er hätte sich verwünschen können dafür, dass es ihm herausgerutscht war. Wie konnte er nur so taktlos sein! Besagte das, was er da von sich gegeben hatte, nicht, dass Rake bei der Wahl seiner Braut nicht so erfolgreich abschnitt? Er überspielte seine Bemerkung und erzählte einen Scherz, über den der Marquis lachen musste.

Oben auf der Treppe erwartete sie der Butler, während zwei Diener gerade den roten Teppich ausrollten.