Sekunde durch Hirn: Ein unheimlich schnell rotierender Roman - Vischer, Melchior - kostenlos E-Book

Sekunde durch Hirn: Ein unheimlich schnell rotierender Roman E-Book

Vischer, Melchior

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The Project Gutenberg EBook of Sekunde durch Hirn, by Melchior VischerThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.netTitle: Sekunde durch Hirn       Ein unglaublich schnell rotierender RomanAuthor: Melchior VischerRelease Date: June 14, 2010 [EBook #32814]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SEKUNDE DURCH HIRN ***Produced by Jens Sadowski

MELCHIOR VISCHER

SEKUNDE DURCH HIRN

Ein unheimlich schnell rotierender Roman

PAUL STEEGEMANN VERLAG HANNOVER LEIPZIG / WIEN / ZÜRICH

„. . . Kunst ist, wenn schon nicht ein Vorurteil, so doch immer eine Privatansicht, stolzierte mir dieser bedenkliche Gedanke bedeutend durch das wirre Straßennetz meines wassersüchtigen Hirns, ehe ich in und durch Sumpf sank und mich übel vergurgelte . . .“

„Versteck, du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn . . .“

(Nietzsche)

PRO UND EPILOG

Ein unheimlich schnell rotierender Roman, steht unter dem Titel. So mag es, obwohl nichts besonders unterstreichend, bei Tag unter gewissen Blickpunkten erscheinen.

Gut denn: Roman. Doch unter den betäubenden Strahlen einer Mitternachtssonne gelesen, scheint es erst zeitlich, dann über-, zuletzt unzeithaft, schnittig, Stahl: Epos.

Und endlich unter dem embryonalen, ja komischen Gelicht des ausgedörrten, beinah gekreuzigten Monds kriecht es vielleicht höchst lächerlich als abgekicherter Schwank hervor.

Gescheit und blöde, erlogen und wahr, schief wie ein lauter lungenblutender Traum, erhaben toll und toll erhaben, ganz närrisch: Fastnachtsspiel. Bei der schreienden Fackel der Selbstverbrennung jedoch, beweihraucht, martervoll ein Tedeum, geschrillt in den katholisch ehrfürchtigen Ausklang eines Gassenhauers: Aschermittwoch.

Aber Aschermittwoch mit Sonnenblumen.

Ich opfere dieses astronomische Punktierbuch, auch Bibel, geschrieben in Prag zu einer Zeit, die molluskenhaft, ich mathematisch wirklich nicht bestimmen kann, es sei denn mittels ultravioletter Geometrie, jenen, von denen Karl Einstein in Bebuquin sagt: „Zu wenig Leute haben den Mut vollkommenen Blödsinn zu sagen. Häufig wiederholter Blödsinn wird integrierendes Moment unseres Denkens“, darum sage ich einmal wieder einen andren, durchaus neuartigen Blödsinn.

In fünfzig Jahren oder in fünfzig Minuten ist dieser mein guter Blödsinn bestimmt apodiktische Weisheit.

DER ROMAN

Jörg Schuh stand breit am Baugerüst, lachte zugleich mit dem kreischen Ton des Stichels, kaute sein Brot und wußte, daß er Stukkatör. Scharf war Wind in dieser Vogelperspektive. Mit einem Aug am Gesims ornamentierend, mit andrem aufs Pflaster vierzig Stock tief hinabblinzelnd auf sonnbeklexten Asfalt, der grell herauf schrie. Trotzdem straßerasendes Gemensch sehr winzig unten wimmelte, sah er dennoch den großen Busen der Magd Hanne aus dem Wolkenkratzer gegenüber Nr. 69.

Der Busen, der Bubusen ist prächtig plastisch, als hätte ihn ein Stukkatör geformt! entriß sich ekstatischer Satz aus Jörgs bewundernder Kehle mit oberhalb geilen Glotzaugen, die überkegelten, Planke schaukelte, Kopf, Füße wankten quer durcheinander, Wind pfiff . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

(kroloscho su krolo su su suuuuu huih — — — iiihh! die Ewigkeit! in die Ewigkeit! Fahr mr Euer Gnadn? grüßte spiegliger Zylinder gelbblauen Mannes einladend, billig, der Kilometer drei Halsbrüche und neun Tode. Ich bin Ekstatiker aufm Kubus, im letzten Leben war ich Mathematikprofessor und da auf der großen Milchstraßn bin ich jetzt Droschkenkutscher. Also fahr mr Euer Gnadn? — Nein ich danke, ich nehme prinzipiell nur Taxameter! — Aber ich hab Gummireifen an den Radln, oh Marke „Gigant“. — Gehns in ein Bordell! — Bittäähh!

Guten Abend Jörg, lachte es an sein eines Ohr, als er apollenähnlich, kraftschenklig durch raketenhaft erleuchteten Spiegelraum mit seitlichen Flüster- und Zeugungsecken schritt, nun das gertenschlanke Mädchen eng an den Neger gedrückt sah. Komm Jörg, schau zu, wie Du gemacht wirst, roch es betrunken, wie nun Schwarz und Weiß in kleines diwangeschmücktes Gemach torkelten, und das Weib sich seufzend an den muskelharten Lenden des Mohrenathleten rieb, so ein Mysterium abkeuchte. Auch die Porzellanteller, die Zinnkrüge waren sehr schön.

Siehst Du, Jörg, das ist es. Schwarz traf ins Weiß. Darum ist auch Dein andres Ohr schwarz. Das weiße ist dumm wie der Acker Europa, hört nichts. Das schwarze hingegen hört alles: Vergangnes und Zukünftiges, bis sich der Kreis schließt. Es hört so genau, daß es weiß. Und vernimms: es gibt keine Gerade, was grad deucht, ist Stück vom Kreis. Darum ewiges Symbol die Schlange, deren Kopf den Schwanz beißt, so sich frißt. Aber laß die Filosofie, Jörg, die ist nur ein Käsezuber. Im besten Fall. Denn sonst fehlt auch der Käse.

Als sie akterschöpft halb schläfrig lag, hüpfte der Nigger hinaus, tanzte im elektrischen Lichtgewog vor bezechten Ministern, griechischen und tschechischen Dirnen wilden Tanz, daß alle im Halbkreis ineinanderverbogen den Urwald brüllen hörten. Staunen goß über Fallobus herab: der Neger, der hier nackt trampelte, daß ihm Schweiß bächefloß. Das war Parföm für die schnuppernden Nasen der geilen Huren. Und sie griffen sich selbst. Denn die Minister hatten ihre Klemmer verloren. Fallobus wuchtete Beine durch Luft, trat klitschend aufs Parkett, ließ Muskel, Geschlecht zucken, war und verhieß: Stärke, Zeugung, Koloß, Kraft zur höchsten Potenz. Und wieder brüllte Urwald.

Drinnen lag die Begattete und schlief fast glücklich.

Urwaldtanz und Urwaldsang umwob die ersten werdenden Zellen Jörgs. Auch blökte der Kriegsminister wie ein Schaf. Ein Schampanjerglas klirrte und löste seine Scherben in Wohlgefallen über einen fraulichen Unterleib aus, der entblößt herrlich gurrte. Damit nur nichts passiert, schrie der Kriegsminister. Dann lassen sie halt ihre Kanone los.

Auf einen Flaschenrund leuchteten imaginäre Haare zwischen Fleisch herab Warum grüßen denn nur die Pferde so devot? Und man hörte einen Bach rieseln.

Der Nigger grinste bleckend Zähne.

Nun schaute Jörg zu, wie er in Finsternis Zelle an Zelle setzte: So ward. Überbald im siebenten Monat zerbrach sie das gläserne Gefäß und die Bäurin stieß Frau mit Keim hinaus. Nun kam durch die Nacht der rotschlitzige Sklavenaufseher und striemte mutterndes Weib, bis sich ihr Blut mit dem Salz ihrer Tränen vermischte. So ward endlich der Maure gerührt und barg über die Blasse den Mantel. Immerhin freute der Heide sich bald über die dreizehn Füchse, die sich gülden in seiner Hand drehten, als der Portugiese doldige Frau wegschleppte.

Dann saß er dabei und hauchte der Mutter wärmend auf die Scham, als er auf einer andalusischen Barke im Hafen Lissabons zur Welt sich schrie. Drei Matrosen, wütend, weil aus heißem Kartenspiel gerissen, stießen herbei, sahen kreischendes Weib, das sich in Blut suhlte. Man griff Jörg, dann die Mutter, die schon Augen geschlossen, steif gekrampft so erkaltete. Schnell warf einer die Tote über die Reeling. Der große Steuermann setzte Jörg die Bulle an, ersoff ihm erstes Geschrei im Branntwein.

Die zwei Andern lachten endlos über die Scheckigkeit der Ohren des Neugebornen: das eine weiß, das andre schwarz.