Shadow Knights - König der Finsternis - Dave Rudden - E-Book

Shadow Knights - König der Finsternis E-Book

Dave Rudden

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Beschreibung

Denizen und die anderen Schattenjäger haben sich auf ihrer Festung Tagesanbruch versammelt, als sie erfahren, dass ein Großangriff auf sie geplant ist, und die Schattendämonen Tagesanbruch erobern wollen. Die Schattenjäger treten in einem erbitterten Kampf mit offenem Ausgang. Und auf Denizen wartet eine Aufgabe, von der nicht nur seine, sondern die Zukunft aller Menschen abhängig ist. Der letzte Band von Dave Ruddens fulminanter »Shadow Knights«-Trilogie: atemberaubende Spannung in einer fesselnden phantastischen Welt!

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Seitenzahl: 474

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Dave Rudden

Shadow Knights – König der Finsternis (Bd. 3)

Aus dem Englischen von Claudia Max

FISCHER E-Books

Inhalt

Für meine ElternFür meine Eltern»In den letzten Jahren [...]PrologScharnier1 Vertrautes TerrainEtwas früher2 Ein anderes Land3 Der Sinn von Leuchttürmen4 Das schreckliche Geheimnis der Abigail Falx5 Eine bessere Frage6 Anforderungen7 Schlachtfeld8 Ein anderes Gefängnis9 Kompromittiert10 Ein-Mann-Armee11 Einblick12 Wenn der Rost eindringt13 Gespenstergeschichten14 Der Rückschwung vor dem Schlag15 Die Zähnchen des Zahnrads16 Abgeschiedenheit17 Schicksalsgemeinschaft18 Eines der Dinger ist nicht wie die anderen19 Wir begraben uns selbst20 Oben wie unten21 Flugbahn22 Raubtiere23 Unvermeidlich24 Das Ende des Krieges25 Die Wende26 Die ganze Sippe27 Kleine Königreiche28 Es braucht ein Dorf29 Niemandsland30 Wer sonst?31 Vertreiber32 Der unendliche König33 Fähig34 Geborgte Dunkelheit35 BereitEpilog SonnenaufgangEin letztes Geheimnis über Schriftsteller …Lexikon Ein NamensglossarPersonenBestiarium

Für meine Eltern

»In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts hätte niemand geglaubt, dass Intelligenzen, größer als die menschliche und doch ebenso sterblich, diese Welt neugierig observierten […] Niemand verschwendete einen Gedanken daran, dass von den älteren Himmelskörpern im Weltraum den Menschen Gefahr drohen könnte […] Doch betrachteten Geister, uns etwa so überlegen wie unser Verstand demjenigen des Viehs, gewaltige, kalte, gefühllose Verstandeskräfte […], diese Erde mit neidischem Blick und schmiedeten so langsam wie beharrlich ihre Pläne gegen uns.«

H.G. Wells, Der Krieg der Welten

 

 

Wir sind, was wir vortäuschen, und deshalb müssen wir bei dem, was wir vortäuschen, vorsichtig sein.

Kurt Vonnegut, Mutter Nacht

 

 

Lang lebe der König.

Anonym

Prolog

Scharnier

»Und sie waren glücklich und zufrieden, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.«

Theo klappte das Buch schwungvoll zu und strahlte sein Publikum an. Sein breites Lächeln wurde nicht erwidert.

Das Schweigen zog sich qualvoll in die Länge. Theos Lächeln begann in den Mundwinkeln zu zittern. Der schreckliche Hunger in den Augen dieser Kinder hatte dafür gesorgt, dass er es die meiste Zeit seines Lebens genossen hatte, wie sie in seiner Gegenwart auf den Boden starrten.

Bis …

Hör auf damit, dachte er und unterdrückte den Gedanken, bevor er Gestalt annehmen konnte. Keines der Kinder war älter als vier, ihre über die Stuhlkante baumelnden Beine gaben dieses nervige Quietschen von Babyspeck auf Plastik von sich.

Die Stühle sahen lächerlich aus. In diesem Raum war alles entweder zu klein oder lächerlich überdimensioniert. Theo für seinen Teil konnte in einem dreißig Zentimeter langen Bleistift jedenfalls keinen erzieherischen oder unterhaltsamen Wert erkennen. Auch für derart viele Wachsmalkreidefarben sah er keinerlei Veranlassung. Warum verlangten die Lehrer von den Kindern nicht einfach, nur blaue Sachen zu malen? Oder graue Sachen? Dann bräuchte jeder nur einen Bleistift. Genau. Er hatte dem Waisenhaus gerade Unsummen erspart.

Die Kinder starrten immer noch vor sich hin.

»Was ist?«, fragte Theo und schwenkte das Buch in der Luft. »So war es.«

Einer meldete sich. »Bis sie dann doch gestorben sind.«

Das Grinsen der Plüschtiere im Regal zog sich unheilvoll bis zu ihren Reißverschlüssen. Theos Mund wurde trocken. »Wie?«

»Mr. Colford sagte, früher habe es anders geheißen«, warf ein zweiter ein. »Sie lebten glücklich und zufrieden, bis sie irgendwann gestorben sind.«

»Er sacht, Genauichkeit is wichtich«, nuschelte ein weiterer.

Ich bin von Idioten umgeben, dachte Theo, und dabei waren diese halbgaren Grünschnäbel vor seiner Nase noch nicht einmal die Schlimmsten.

»Und recht hat er«, erwiderte Theo, wobei das immer tiefer rutschende Lächeln wie eine Öllache auf einem Ententeich über sein grimmiges Gesicht glitt. Es war nicht wichtig. Entscheidend war, dass er es versuchte. Er hatte es jeden Tag versucht, seit –

»Genauigkeit. Richtig. Sehr gut.«

»Schweine leben nicht besonders lang«, murmelte eine der Kreaturen – nein, eines der Kinder –, und plötzlich brach eine angeregte Diskussion los, ob redende Tiere dasselbe wie magische Tiere waren, und ob die Magie sie länger leben ließ oder nicht.

»Ja«, sagte Theo, sein Gesicht war mittlerweile so erstarrt, dass es schon weh tat. »Faszinierend! Ihr solltet ein Bild zu diesem Thema malen!«

Er zwirbelte sich aus dem lächerlich kleinen Stühlchen und stolzierte an Miss O’Keefe vorbei, die die Diskussion mit einem leisen Lächeln auf dem faltigen Gesicht beobachtet hatte.

»Soll ich dir die Bilder hinterher ins Büro hochschicken lassen, Theo?«, fragte sie im Vorbeigehen.

Direktor Theodore Ackerbys Lächeln zuckte. »Ich bitte darum.«

Er musste sich sehr zusammennehmen, beim Hinausgehen nicht die Tür zuzuknallen.

Es war deine eigene Idee, rief er sich in Erinnerung, als er durch die Korridore des Crosscaper-Waisenhauses lief. Und so war es in der Tat. Seine beruhigend grünen und beigen Flure waren einem wilden Durcheinander aus quietschbunten Wandbildern gewichen, die die Schülerinnen und Schüler gemalt hatten – dessen ungeachtet, ob sie Talent besaßen oder nicht. Jede Tür war in einer anderen Farbe gestrichen, die Fenster mit Aufklebern vollgekleistert – die sich nie wieder entfernen ließen. Sein einziger Trost war, dass die Kinder die ganze Arbeit erledigt hatten und er ihnen keinen Cent dafür hatte zahlen müssen.

Die Luft war vom trockenen Surren der Leuchtstoffröhren erfüllt. Teurer Leuchtstoffröhren. Keiner der Lehrer hatte nachgefragt, warum jemand, der ansonsten so … sparsam war, mit einem Mal beschlossen hatte, jeden Winkel des ehemals so düsteren Waisenhauses mit Lampen auszustatten, von den überdimensionierten Scheinwerfern im Hof ganz zu schweigen. Wenn alle eingeschaltet waren – und das wurden sie, jeder von ihnen, jede Nacht –, gab es innerhalb der Waisenhausmauern kein Fitzelchen Dunkelheit mehr.

Nur so ließen sich die Kinder zum Schlafen bewegen.

»Theo!«

Er hatte es fast in sein Büro geschafft. Die Stimme gehörte Mr. Gilligan, dem Physiklehrer, dessen breites, dämliches Grinsen seinen messerscharfen Sinn für Humor tarnte. Ackerby seufzte und wappnete sich.

»Theo, ich habe gerade überlegt … Ja, entschuldige bitte, Theo, ich habe gerade überlegt: dieses neue Notensystem, das ich vielleicht einführen möchte, Theo, ich dachte, es wäre gut, wenn …«

Mr. Gilligans Stimme verhallte zu einem Rauschen, allerdings viel zu oft unterbrochen von Ackerbys Vornamen. Er hatte ihn zur gleichen Zeit preisgegeben, in der er seine Anzüge gegen bunte, kratzige Pullover eingetauscht hatte und die beruhigende Strenge seiner Flure gegen tausend Zirkusfarben.

Vertrautheit, Sicherheit. Das war, was sie hier brauchten. Ackerby hatte Bücher zu diesem Thema gewälzt. Der ›Vorfall‹ hatte die Hälfte des Kollegiums in die Flucht geschlagen. Die Kinder waren vollkommen verängstigt gewesen. So viel Zerstörung, so viele Reparaturen, der Hof – er hatte sich umstellen müssen. So wie alle.

Aus diesem Grund war er nun Theo und trug ein Lächeln zu Schau, selbst wenn es Folter für seine Gesichtsmuskeln bedeutete.

»Ja«, sagte er, als das Bombardement nachließ. »Was immer du für am besten hältst. Und jetzt, wenn du nichts dagegen hast –«

Das Licht an der Decke flackerte.

Es gab Momente, kaum sichtbare Momente, in denen das Leben wie an einem Scharnier hin und her schwang. Ein Radreifen, der auf Eis schlitterte, ein verpasster Flug, ein Fuß, der auf einer Treppenstufe ausrutschte, bevor er wieder Halt fand. Oder nicht. Diese Momente gab es in jedem Leben, sie warteten wie der verborgene Makel in einem Diamanten, etwas bislang Sicheres konnte mit einem Schlag zerbrechen und herunterfallen.

Ackerby hatte es schon einmal erlebt, nur war er damals nicht schlau genug gewesen, um es zu erkennen. Nun würde er jedoch alles tun, damit es ihm oder seinen Schutzbefohlenen nie wieder passierte.

Mr. Gilligans Stimme spülte ungehört, unbeachtet über ihn hinweg. Die Leuchtstoffröhre über ihren Köpfen zitterte. Nicht so, als sei der Strom ausgefallen, oder als sei sie kurz vorm Durchbrennen, sondern als wäre sie … überfallen, oder von einem winzigen Stückchen Nacht infiziert worden.

»Da ist es wieder«, flüsterte Ackerby.

»Was?«, fragte Mr. Gilligan. »Wovon redest du –«

Die klappernden Zähne des Physiklehrers schlugen aufeinander, als Ackerby sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Seine Wirbelsäule protestierte. Der ›Vorfall‹ hatte ihn gebeugt, durchgerüttelt und seine Schultern zu diesem schwächlichen Buckel verkrümmt, den nun jeder Idiot hochklettern konnte.

Nun gut. Nicht schon wieder.

»Mr. Gilligan!« Seine Stimme ließ die Farbe aus den Wangen des Lehrers weichen. Ein winziger, zufriedener Teil von Ackerby stellte sich vor, wie jedem Kind in Hörweite das Lächeln vergehen würde. »Trommeln Sie die anderen Lehrer zusammen. Räumen Sie die Klassenzimmer. Bringen Sie die Kinder in den Bunker hinunter –«

Ein pompöser Name für einen Keller, doch er hatte Betonwände und eine dicke Tür, und er befand sich unter der Erde, das war schließlich entscheidend.

»– und Sie werden sie unter Einsatz Ihres Lebens verteidigen. Unter Einsatz all Ihrer Leben. Haben Sie mich verstanden?«

Mr. Gilligan war die Kinnlade heruntergeklappt. »Aber Theo –«

Ackerbys Knurren hätte das Meer zum Verstummen gebracht. »Direktor.«

Mr. Gilligan flitzte davon.

Kurz darauf setzte sich das Waisenhaus in Bewegung. Der Direktor hatte sie schließlich lange genug gedrillt, und trotz ihrer Mittelmäßigkeit hatten sie ihre Lektion gut gelernt.

Was nicht weiter überraschend war. Bestimmte Albträume vergaß man einfach nicht.

Als die Türen aufflogen, schwollen die Rinnsale von Kindern mit weit aufgerissenen Augen zu einer abwärts drängenden Flut an. Der Direktor marschierte gegen den Strom, unterwegs funkelte er jeden Lehrer und jede Lehrerin an, als wolle er ihnen seine Befehle in die Köpfe tätowieren. So sehr sie ihm auch auf die Nerven gingen, er wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte, sie waren schließlich geblieben. Die anderen …

Widerwärtig.

Theo hatte sein ganzes Leben an Orten wie diesem zugebracht. Man ließ Schutzbefohlene nicht einfach im Stich, wenn es schrecklich wurde. Schließlich gab es diese Orte nur, weil es manchmal schrecklich wurde.

Plötzlich wackelten die Leuchtstoffröhren in ihren Fassungen, der Gang pulsierte in einer Palette ungesunder Farbtöne. Die Kinder rannten los, doch der Direktor ging ihnen erst hinterher, als das letzte von ihnen um die Ecke verschwunden war.

Obwohl sich beim Vorbeilaufen keine einzige Tür bewegte, verfolgte ihn das Knurren von zuknallendem Holz. Die Teppichhaare unter seinen Füßen waren hart wie Nadeln. Hätte der Direktor auch nur eine einzige Uhr in den Mauern von Crosscaper zugelassen, wäre sie jetzt falsch gegangen, da war er sicher.

Die Scheinwerfer. Als das Grauen über diese Gänge gekommen war, hatte sich der Direktor als Hasenfuß erwiesen, und da er davon ausgehen musste, dass dies wohl immer noch so war, hatte er den erforderlichen Mut auf das Umlegen eines einzigen Schalters reduziert.

Diese Dinger bewegten sich in der Dunkelheit. Sollten sie nun am Licht ersticken.

Die Türen zu seinem Büro standen offen. Sie standen sonst nie offen. Er wollte stehen bleiben, doch die Schwungkraft aus Adrenalin und Angst trieb ihn über die Türschwelle, bevor seine alten Knochen anhalten konnten. Draußen vor den Fenstern weinte der Himmel, die Regentropfen trommelten gegen die Scheibe, als wollten sie unbedingt flüchten.

Hinter seinem Schreibtisch stand eine Gestalt.

»Nein«, flüsterte Ackerby. »Das darf nicht wahr sein. Nicht … nicht du.«

Denizen Hardwick antwortete mit einem schwachen, freudlosen Winken.

»Direktor. Ich brauche Ihre Hilfe.«

1Vertrautes Terrain

Etwas früher

Sie näherten sich aus der Luft.

Die Wolken vor dem Flugzeug teilten sich wie Wellen vor einem Schiffsbug; Denizen Hardwick presste seine lange Nase gegen das Fenster. Irgendjemand schien während seiner Abwesenheit das Land gestohlen zu haben. An seiner Stelle hob sich ein zweiter Sternenhimmel ihrem Sinkflug entgegen.

Lichter. Tausende und Abertausende winziger Lichter. Sternbilder waren für Denizen immer eine Wunschvorstellung gewesen – die Leute wollten in den Millionen von Kilometern auseinanderliegenden Sternen Bilder erkennen. Das Muster unter ihm hingegen wies tatsächlich eine Ordnung auf, eine ausgedehnte organische Ordnung, das mit Punkten angedeutete Skelett einer unsichtbaren Bestie.

Eine Stadt.

Mauern und Türme und enge Straßen, die in einem Wirrwarr über einen großen Berggipfel drapiert und von glitzernden Korallenkolonien aus Gold eingefasst waren. Das Flugzeug zitterte beim Anflug und Denizen stellte fest, dass er dieses Leuchten kannte. Es gehörte mittlerweile seit fast einem Jahr zu seinem Leben.

Kerzen. Wie viele mussten es sein, dass wir sie vom Himmel aus sehen können?

Diese Stadt sah aus wie aus einem Märchen. Kein modernes Phantasiegebilde, von aller Dunkelheit saubergeschrubbt, mit Tierbegleitern und schauderhaften Musikeinlagen. Dies hier war ein Märchen mit Zinnen, Schießscharten und Mörderlöchern, eine Geschichte, bei der der Boden unter dem Fallgitter blutverschmiert war.

In den alten Geschichten wurde man von Schurken umgebracht. In den alten Geschichten wurden die Kinder von Elfen entführt.

Und auf dem Gipfel des Berges … ein Umriss. Eine Zitadelle, dunkel inmitten des Lichts.

Denizens Mutter beugte sich über ihn.

»Willkommen im Zuhause der Schattenjäger, Denizen. In unserer ersten Festung. Unserer letzten Festung. In dem Haus, das wir immer verteidigen werden.«

In Vivians Stimme lag eine seltene Ehrfurcht.

»Willkommen auf Tagesanbruch.«

 

»Nie wieder steige ich in ein Flugzeug.«

Simon Hayes taumelte aufs Rollfeld. Er war weiß wie ein Briefumschlag, und seine langen Beine knickten wie bei einem Reiher nach hinten – offenbar fürchtete er, eines könnte von den langsamer werdenden Propellern abgehackt werden.

»Du wirst ja wohl kaum nach Hause laufen wollen«, bemerkte Denizen trocken, obwohl er nicht leugnen konnte, dass auch er eine Woge der Erleichterung verspürt hatte, als seine Füße wieder festen Boden berührten.

»Ich fasse es nicht, dass du besser damit klarkommst als ich«, sagte der größere Junge, doch sein Grinsen nahm seinen Worten jede Bösartigkeit. »Du kommst doch sonst nie mit irgendetwas besser klar.«

Denizen warf ihm einen pseudo-finsteren Blick zu. »Stimmt doch gar …« Er überlegte einen Moment. Seit dem Waisenhaus, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatten, und der düsteren Villa in der Seraphim Row, in der sie nun lebten, waren die Jungen nie länger als fünf Wochen getrennt gewesen. Simon wusste mehr über Denizen als Denizen selbst. »Na gut. Wurde aber auch mal Zeit.«

Er warf die Tasche über die Schulter und blickte sich auf dem verlassenen Flugplatz um, der aus nicht viel mehr als einer Rollbahn und ein paar Schuppen bestand, die sehr klein aussahen im gewaltigen Schatten des Monte Inclavare, des einzigen Gipfels in Adumbral. Selbst wenn er ihm den Rücken zudrehte, spürte Denizen den Druck des Berges. Er war wie eine Flutwelle, kurz bevor man unterging.

Die Risse in seinem Eisenauge juckten.

Die Allianz hatte dieses Land für sich beansprucht, als es noch kein Land war – sondern nur ein Bergtal in den Apenninen, ein Ort, den die Welt längst vergessen hatte. Oder ermutigt worden war zu vergessen. Die Schattenjäger hatten wenig Zeit für die Kriege der Menschen, und Denizen konnte sich gut vorstellen, dass Könige, die es nach diesem Land gelüstet hatte, an eisernen Lippen und eisernen Worten abgeprallt waren: Lasst uns in Frieden.

Abigail schwang sich geschickt aus der Kabinentür und landete leichtfüßig auf der Rollbahn.

»Das hat Spaß gemacht«, sagte sie und lachte über Simon, der alles andere als enthusiastisch aussah.

Der Monte Inclavare wurde von der Stadt Adumbral gekrönt, in deren Mitte eine Festung namens Tagesanbruch emporragte. Diese Tatsache war nur wenigen bekannt. Genau wie die Existenz der Schattenjäger, die diese Festung ihr Zuhause nannten. Denizen und Simon hatten dreizehn Jahre, eine Beinahe-Apokalypse und das gewaltsame Erwachen ihrer eigenen magischen Fähigkeiten gebraucht, um von der Allianz der Schattenjäger zu erfahren. Anders als Abigail Falx, die immer gewusst hatte, dass ihr Schicksal hier lag.

»Und was glaubt ihr, wer es sein wird?«, fragte sie und band sich die dunklen Haare hoch. »Also der Meister der Neulinge. Es ist ja jedes Jahr ein anderer Schattenjäger. Es gab Gerüchte, dass Gedeon in Rente geht, aber er bleibt bestimmt in Russland, um einen Lehrling auszubilden. O nein, aber wenn es wirklich Gedeon ist –«

Sie wippte beim Sprechen leicht auf den Fersen, ihr Pferdeschwanz durchschnitt die Luft, und wie ihre Fäuste ausholten, war in Denizens Augen perfekte Technik. So wie eigentlich immer. Abigail neigte nicht zur Verschwendung, wie man auch an ihrem dreizehnjährigen Vorsprung erkennen konnte.

Simon starrte immer noch missmutig auf das Flugzeug.

»Wenn es wenigstens eine der großen Maschinen gewesen wäre. Also die Art Flugzeug, bei dem man gar nicht mehr weiß, dass man sich in einem Flugzeug befindet. Mehr verlange ich doch gar nicht. In einer Metallröhre zu reisen, die nur oben bleibt, weil sie zu schnell ist, um herunterzufallen, ist eine Sache –«

»Ganz so funktioniert das nicht –«

»Danke, Darcie«, unterbrach er das zweite Mädchen, das gerade aus dem Flugzeug stieg. Sie trug diese höfliche Grimasse vor sich her, die sie immer aufsetzte, wenn jemand ungenau war. »Aber wenn die Röhre erst herumwackelt und dann wieder ruhig wird, weil ihr auf einmal einfällt, dass sie ein Flugzeug ist, ist das echt eine andere Hausnummer.«

Abigail zuckte mit den Schultern. Sie hatte die Turbulenz mit dem unerschütterlichen Grinsen hingenommen, mit dem sie normalerweise allem begegnete. Als sie gelandet waren, hatte Denizen einen kurzen Moment der Erleichterung auf ihrem Gesicht wahrzunehmen gemeint, aber vermutlich lag es nur daran, dass der Vierstundenflug der längste Zeitraum war, den sie je stillgesessen hatte.

»Für Flüge nach Adumbral besteht keine große Nachfrage. Hier kommen nur Schattenjäger her.«

Denizen konnte die Gelegenheiten, bei denen Darcie Wright ihre Brille in der Öffentlichkeit abgenommen hatte, an fünf Fingern abzählen, doch nun ließ sie sie selbstvergessen in einer Hand baumeln und zeigte ihre hellen, silbrigen Eisenaugen.

Die erste und wichtigste Waffe eines Schattenjägers war die Quelle unersättlichen Feuers, das wie Blut durch seine Adern pulste und von einer unheimlichen Sprache namens Canti geformt wurde. Auch wenn es demjenigen, der es einsetzte, jedes Mal ein Stück von sich stahl – und ihn in schwarzes, hartes und kaltes Metall verwandelte – wollte das Feuer genutzt werden.

Der Tribut. Macht hatte immer einen Preis, und wenn Denizen im letzten Jahr eines gelernt hatte, dann, dass mancher Preis sichtbarer war als andere.

»Ich erinnere mich noch an mein erstes Jahr hier«, murmelte Darcie und fuhr sich mit der dunklen Hand durch die ebenholzschwarzen Locken. »Aber dann geht man weg, und die Zeit vergeht, und die Erinnerung redet einem ein, dass es nicht so groß gewesen sein kann. So spektakulär. Man schrumpft es sich klein, damit es in die Welt passt, die man kennt.« Sie lächelte. »Doch sobald man zurückkehrt, ist alles wieder da. Wie ein Sonnenaufgang. Man erinnert sich wieder daran, dass ausgerechnet hier die Regeln der Welt nicht gelten.«

Sie schob die Brille in ihre Jackentasche. »Ich liebe es, hier zu sein.«

Denizen, Abigail und Simon lächelten sich verstohlen an und streiften ebenfalls die schwarzen Handschuhe ab, unter denen matte Eisenhände zum Vorschein kamen.

»Es könnte trotzdem einen Bus geben«, nölte Simon gespielt grummelig. »Und Moment mal … ist Adumbral« – er deutete mit der Hand auf den Berg – »nur das hier?«

Darcie nickte. »Ein Stadtstaat.«

»Und Tagesanbruch ist die Festung auf dem Gipfel?«

Sie nickte noch einmal.

»Und warum sind wir dann nicht gleich mit der Kunst der Apertura auf die Spitze hoch? Hätte doch keinen großen Unterschied gemacht. Kalter Schweiß, zusammengekniffene Augen, drohende Todesgefahr –«

»Der Unterschied, Simon Hayes, besteht darin, dass wir, um ein bisschen Reisekrankheit zu vermeiden, nicht einfach grundlos ein Loch ins Universum reißen.«

Malleus Vivian Hardwick stieg aus dem Flugzeug. Ihre Bewegungen waren ebenso abgemessen und tödlich wie die sich immer langsamer drehenden Propeller.

»Es ist ein langer Krieg. Und wir haben nur eine begrenzte Menge Haut.«

Ein Blick auf die ranghöheren Schattenjäger der Allianz genügte, um sich von der Brutalität des Krieges zu überzeugen; bei Vivian war es noch deutlicher als bei den anderen. Ihr Empfehlungsschreiben war in Narbengewebe und dem Tribut geschrieben, den sie bezahlt hatte, ihr Berufsleben ein Sammelsurium aus Schlachten und Opfern, die weltweit berüchtigt waren.

Zumindest in den geheimen Garnisonen der Allianz. Denizen hatte während des Fluges viel darüber nachgedacht, vor allem über die Frage, was das für ihn bedeutete.

Von Vivians Taille baumelte ein langstieliger Hammer – er war das Symbol ihres Ranges und hatte sie durch ebenso viele Höllen begleitet, wie Denizen Stirnrunzelvarianten hatte.

»Sehr wohl, Malleus«, erwiderte Simon wie aus der Pistole geschossen.

Jeder von ihnen hatte auf die eine oder andere Art Haut geopfert. Anfangs war der Tribut, den Denizen gezahlt hatte, nur ein Tintenklecks in seiner Handfläche gewesen. Mittlerweile reichte er jedoch – schwarzen Handschellen ähnlich – über die Handgelenke hinaus, und auch in sein linkes Auge hatten sich Bruchstücke verirrt. Das Eisen war nicht wie bei Darcie ein Zeichen heiliger Pflicht, sondern eine Erinnerung, dass die Macht in seinem Herzen die Freiheit höher schätzte als die Person, die sie beherbergte.

Wenn er sein rechtes Auge zuhielt, verwandelte sich die Welt in ein Bleiglasfenster aus Grau, Indigo und Blau. Schattenjäger besaßen die angeborene Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, doch seit dem Sommer fand Denizen es ein wenig leichter, stattdessen das Dunkle in Dingen zu sehen.

Selbst im Licht.

Kümmert Ihr Euch um Euer Haus, ich werde mich um das meinige kümmern.

Er sperrte den Gedanken weg. An dieser Fähigkeit hatte er hart gearbeitet. Vivian hatte sogar erklärt, dass er gute Fortschritte mache, was bei Denizens Mutter einem Festumzug gleichkam. Als sich ihre Blicke begegneten, milderte sich Vivians Gesichtsausdruck, der normalerweise das grimmige Versprechen eines entgegenkommenden Zuges hatte, und sie lächelte schwach.

»Es fühlt sich gut an, zu Hause zu sein«, erklärte sie.

Denizen hatte dieses Lächeln in letzter Zeit immer häufiger gesehen. Und allmählich gewann er es lieb.

»Da steht unsere Mitfahrgelegenheit«, sagte Simon.

Schattenjäger führten ihren Kampf in der Dunkelheit, und ihre Vorfahren hatten sie mit dem Privileg des Intueor Lucidum beschenkt: der Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen. Denizen sah alles durch ein silbriges Filigranmuster – im linken Auge heller als im rechten –, und den schwarzen Jeep, der den Hang hinunter auf sie zukam, konnte er ohne Schwierigkeiten erkennen. Sein Anblick überraschte ihn fast. Da der oberste Anführer der Allianz nicht gerade innige Gefühle für die Hardwicks hegte, war Denizen davon ausgegangen, dass man sie den Berg hochlaufen lassen würde.

Als der Jeep näher kam, ließ ein warmer Wind Denizens Wangen schweißfeucht werden. An die Wärme werde ich mich erst gewöhnen müssen. Irland ragte wie ein Fuß unter einer Bettdecke in den Atlantik hinaus, aber nun waren sie weiter südlich, und Denizen war ungewohnt aufgeregt, an einem anderen Ort zu sein.

Er war noch nicht oft verreist. Im Sommer hatte es zwar diesen unvorhergesehenen, unfreiwilligen und unangenehmen Ausflug gegeben, aber von der Croit-Familie entführt und anschließend ihrer wahnsinnigen trauernden Göttin auf dem Silbertablett serviert zu werden, zählte wohl selbst nach den Maßstäben der Schattenjäger kaum als Urlaub.

Andererseits, dachte Denizen und starrte auf die gewaltige Größe des Monte Inclavare, zählte das hier?

»Ich. Kann. Es. Nicht. Erwarten.« Abigail eilte immer wieder voraus, machte dann jedoch mit vor Aufregung leuchtenden Augen wieder kehrt. »Wir sind endlich hier, und –« Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken, sie riss die Augen auf. »Nicht, dass wir Euer Training nicht zu schätzen wüssten, Malleus. Wir –«

Vivian winkte ab. »Ich verstehe das.« Ihr Lächeln wurde noch ein wenig breiter. »Jetzt beginnt euer wirkliches Training.«

»Das sagt sie ständig«, brummte Simon Denizen zu. »Warum wiederholt sie das immer wieder?«

In Anbetracht der Tatsache, dass Vivian sie schon auf Herz und Nieren geprüft hatte, war es eine wirklich entmutigende Feststellung. Denizen schwante allerdings noch Schlimmeres.

Damals in Crosscaper waren Hausarbeiten oder Sport ihre größten Sorgen gewesen. Doch seit dem Beitritt zur Allianz waren diese dem erbarmungslosen Krieg gegen extradimensionale Gestaltwandler namens Tenebrae gewichen. So wenig Denizen erfreut gewesen war, Uhrwerkfrauen, Mörderkrähen und bei einer Gelegenheit einer lebenden Mülltonne entgegentreten zu müssen, in diesen Situationen war ihre einzige Sorge gewesen, dass sie sterben könnten.

Tagesanbruch hingegen war die sicherste Festung auf dem Planeten. Die Festung war rundum und absolut sicher, was bedeutete, dass er rundum und absolut sicher war, sich über andere Sachen Sorgen machen zu können. Zum Beispiel über:

Den Anführer der Allianz – und dass ich ihm nicht richtig traue. Hoffentlich würde Palatin Edifice Greaves wegen irgendetwas Wichtigem zur Abreise gezwungen, und sie müssten sich nie wieder in einem Raum aufhalten. Und zwar für den Rest ihres Lebens.

Was haben die anderen Neulinge über mich gehört? Denizen hatte es bereits schwierig gefunden, Freunde zu finden, als er noch Denizen Hardwick gewesen war: Bücherwurm, Rotschopf, mit Sommersprossen übersät und aus Prinzip skeptisch, vor allem sich selbst gegenüber. Doch nun war er Denizen Hardwick, der Sohn der respektierten Malleus, mit seiner eigenen Liste unschöner Zusammenstöße mit Feinden, aber auch mit Leuten, mit denen er auskommen sollte.

Was ihn geradewegs zum letzten Punkt brachte. Denizen vermied sehr bewusst jeden Gedanken daran. Er liebte Wörter, und von Vivian hatte er für ebendiese Situation einen passenden Militärterminus aufgeschnappt.

Zensur – Überarbeitung oder Zurückhaltung von Informationen aus Sicherheitsgründen. Generale schienen das ständig zu machen, um ihre Untergebenen zu schützen. Denizen war kein General, aber Vivian und er waren übereinstimmend der Meinung, dass bestimmte … Dinge besser weggesperrt wurden.

Und zwar egal, wie weh es tat.

Der Jeep hielt an und der Fahrer hielt ihnen die Türen auf.

Ganz ruhig, redete sich Denizen zu. Es ist nur ein Jahr. Du hast deine Freunde. Du bist an dem sichersten Ort, an dem du sein kannst. Das ist ein Neuanfang! Ja. Genau das ist es. Du wirst alle unpassenden Gedanken begraben und die Füße stillhalten. Was du am allerwenigsten brauchst, ist irgendwelcher Kram aus deiner Vergangenheit, der dich in den …

»O Gott.«

Darcies Ausruf ließ Denizen aufschauen, sein Blick begegnete einem vertrauten schiefen Lächeln.

»So schlimm?«

Es war Grey.

2Ein anderes Land

Eine ganze Weile fuhren sie schweigend.

Genau wie an dem Tag, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, verkniff es sich Denizen, Grey anzustarren. Nach dreizehn von Misstrauen angefüllten Jahren war er zu diesem Treffen mit einem Gefühl gegangen, das sich irgendwo zwischen Skepsis und verzweifelter Neugier bewegt hatte, der Welt überdrüssig, ohne die Welt wirklich zu kennen. Aber es sagte viel über Graham McCarron, dass Denizen nur eine halbe Stunde gebraucht hatte, um herauszufinden, dass er von seinen Freunden Grey genannt wurde.

Doch keiner von ihnen war noch der, der er einmal gewesen war.

Der Jeep fuhr die gewundene Straße hinauf. Abigails Blick wanderte zwischen Denizen und Grey hin und her. Darcies Hand lag fest auf Denizens Arm, und wenn Vivian – sowieso nie die Entspannteste – sich noch ein wenig aufrechter setzte, würde sie wie ein Gummiband zerreißen.

»Und wie läuft es so bei dir?«, erkundigte sich Simon höflich bei Grey, was ihn für Denizen in diesem Moment zum absoluten Helden machte. »Wir sind uns bisher ja nur mal … kurz begegnet.«

Selbst Simon zögerte an dieser Stelle. Nachdem sie deinen Verstand gekidnappt hatten, um uns in den Rücken zu fallen, konnte man einfach nicht schönreden.

»Du meinst, nachdem sie meinen Verstand gekidnappt hatten, um euch in den Rücken zu fallen?«

Darcie zuckte zusammen. Simon sah aus, als sei ihm, was er gerade hatte sagen wollen, blitzartig wieder in die Kehle zurückgerutscht. Vivian hingegen wirkte fast entspannt, sie schien den spitzen Unterton in Greys Worten nachvollziehen zu können.

»Die Ärzte finden, ich soll darüber reden.« In Greys Stimme lag eine merkwürdige, angespannte Distanz – als versuche er, in einer Sprache zu sprechen, die er jahrelang nicht benutzt hatte. »Ich habe viele Ärzte konsultiert. Sie sind alle derselben Meinung, das ist vermutlich ein gutes Zeichen.«

Er feixte, als er das sagte, und einen Moment lang erkannte Denizen seinen Mentor wieder, den sarkastischen und lächelnden Schattenjäger, der in den ersten Wochen dieses neuen und schrecklichen Lebens so nett zu ihm gewesen war. Doch dann verschwand das Lächeln, und eine andere Person saß vor ihnen. Sie sah aus wie das deprimierendste Magic-Eye-Bild, das je gezeichnet worden war.

Grey war immer schlank gewesen, doch nun war er besorgniserregend dünn, seine Wangenknochen waren nur notdürftig von Haut bedeckte Messerklingen. Seine ehemals langen Haare waren auf beiden Seiten entsetzlich kurzgeschoren, ein Auge wurde von Ponyfransen verdeckt. Statt der gewohnten maßgeschneiderten Anzüge trug er nun ein ausgewaschenes T-Shirt, auf den nackten Armen wölbten sich Muskeln und der fortschreitende Tribut. Obwohl er sich im einzigen Land auf der Welt befand, wo ein Schattenjäger nichts zu fürchten brauchte, steckten seine Hände in schwarzen Handschuhen.

»Was …« Darcies Stimme klang vorsichtig. »Was haben die Ärzte sonst noch so gesagt?«

Die Straße kletterte die Wirbelsäule des Monte Inclavare hinauf, die kahle Erde zu beiden Seiten war voller Kerzen. Bevor er antwortete, schluckte Grey erst einmal kräftig.

»Die Allianz ist nicht in der Lage, eine Spur des Uhrwerktrios in meinem Kopf zu finden, doch wenn man sich überlegt, dass wir bislang nicht einmal wussten, dass Tenebrae in die Köpfe von Menschen eindringen können, wissen sie allerdings auch nicht so recht, wonach sie suchen sollen.«

Der Mann in der Weste. Die Frau in Weiß. Der arme, unselige Phantomjunge. Drei der schlimmsten Tenebrae, die das Multiversum ausspucken konnte, fochten eine Vendetta gegen Denizens Mutter und waren zu fast allem bereit, um Genugtuung zu finden.

Denizen hasste die Tenebrae nicht, gegen die er kämpfte, doch für das Trio war der Tod durch Vivians Hand entschieden zu gnädig gewesen. Sie hatten Denizens Vater Soren getötet. Sie hatten Corinne D’Aubigny getötet, und ihren Ehemann Amboss-Jack in tiefe Trauer gestürzt.

Aus Grey hatten sie eine Marionette gemacht, ihn gegen seine Gefährten aufgehetzt und ihn dann so leer wie einen abgestreiften Handschuh zurückgelassen.

»Aber nun sind sie sowieso tot«, fuhr Grey mit aufgesetzter Fröhlichkeit fort. »Und diese Tür ist verschlossen. Die Ärzte haben verlangt, dass ich mir Wellnesspodcasts anhöre. Das wird schon wieder, da bin ich sicher.«

Er gluckste. Die anderen nicht.

»Aber genug von mir – wie ist es zu Hause? Wie …«

Er redete nicht weiter. Die Seraphim Row war für Grey viel länger ein Zuhause gewesen als für Denizen, und im Rückblick konnte er erkennen, wie das Echo von Greys Freundschaft mit Amboss-Jack und Corinne D’Aubigny in Simon und Abigail und ihm selbst widerhallte.

 

Das Fenster. Schau aus dem Fenster. Davor ragten die Stadtmauern auf, steil und brutal mit Zinnen. Um die Stille zu durchbrechen, wollte Denizen gerade etwas Belangloses fragen, wie hoch sie waren oder irgendetwas, als Darcie sich kerzengerade und zitternd auf ihrem Platz aufrichtete.

Es war nicht genau dasselbe, wie in die Zukunft zu blicken, das hatte Darcie mehrmals klargestellt. Aber so, wie man in Pfützen den ersten Regentropfen sieht, erkannte Darcie, wenn sie die Haut des Universums mit einem Stift in der Hand beobachtete, wo sich der nächste Riss auftun würde.

In diesem Moment waren es allerdings ihre Augen, die alles aufzeichneten, mit dem eisernen Anschlag einer Schreibmaschine schlugen sie links und rechts gegen die Augenhöhlen. Abigail hielt eine der wild gestikulierenden Fäuste der Lux fest. Denizen stieß einen Zischlaut aus, als sich Darcies Nägel in seine Haut bohrten und kratzten, als wolle sie damit zeichnen –

Ihre Stimme war tonlos und schleppend.

»Hierhierhierhierhier –«

Und dann spürte es auch Denizen.

Das Gefühl ähnelte dem, wenn man merkt, dass man verdorbenes Essen im Mund hat. Man könnte es vielleicht auch mit dem erschreckten Aufschrei vergleichen, wenn man sich die Haut an einem Nagel aufreißt und dann angewidert und fasziniert zusieht, wie das eigene Blut herausquillt.

Aber es war nichts dergleichen. Nicht exakt. Es war, was es war.

Ein Riss.

Das Kerzenfeld endete ein paar Hundert Meter weiter den Hang hinunter, und als der Jeep brummend anhielt, flackerte ein Streifen von Flammen auf, als habe eine unsichtbare Hand gewedelt. Hinter dem Feldrand stieg Staub auf. Die Luft bog sich nach innen. Darcie sackte in sich zusammen.

Vivian war schon halb aus der Tür, als Grey sie am Arm packte.

»Warte.«

Der Tenebra breitete sich wie auf einer Autoscheibe kondensierender Frost aus, vorausgesetzt, Frost wäre schwarz und stumpf und wimmelnd wie Maden, vorausgesetzt, Nervensysteme bestünden aus schmutziger Kohle. Aus dem aufsteigenden Staub wölbten sich winkende Ranken mit verschwommenen Muskeln, Haut und Wirbelsäulen und einem Schädel, der sich vor ihren Augen knurrend öffnete –

Dann der Knall zerrissener Luft, eine Schotterkaskade aus dem Schädel des neugeborenen Monsters, und plötzlich vibrierte hinter ihm ein langer Speer aus schwarzem Stahl in der Erde.

Einer würde vielleicht nicht ausreichen. Menschen waren Systeme – komplex, verzahnt, zerbrechlich – Tenebrae hingegen waren schwarzes Öl und Schrott, zusammengeplündert in den Welten, in die sie eindrangen. Denizen hatte Erfahrung, was genau nötig war, um einen Tenebra zu schlagen.

Das Monster starb beim fünften Speer und zerfiel mit einem immer schwächer werdenden klagenden Schrei. Der ganze Schlagabtausch hatte nur einige Sekunden gedauert, aber nun war Denizen klar, dass der Bergrücken des Monte Inclavare aus gutem Grund kahl war.

Es gab keine Bäume zwischen hier und den Festungsmauern. Keine Pflanzen. Keine Deckung.

Ein Schlachtfeld.

»Ihr habt Pech gehabt«, sagte Grey ruhig und ließ den Wagen wieder an. »Manchmal benutzen sie die Raketenwerfer.« Als der Jeep wieder weiterfuhr, hatten die Augen des Schattenjägers etwas Gehetztes. »Es tut mir leid – Darcie, alles gut mit dir?«

Die Lux nickte, eine Träne schnitt einen Pfad von dunklerem Schwarz in ihre Wange.

»Alles gut. Der Schleier zwischen den Welten ist dünn hier. Deshalb ist alles –«

Das Adrenalin ließ Denizens Herz pochen und übertönte Darcies Worte. Mit jedem Schlag verteilten sich goldene Rinnsale in den Rissen und Spalten in ihm, suchten nach Freiheit. Canti schwebten durch seinen Kopf, sehnten sich danach, mit Flammen gefüllt zu werden, die Welt zu zerbrechen und zu brennen –

und mit der durch Übung entstandenen Leichtigkeit hielt Denizen sie fest und errichtete in seinem Kopf eine Gedankenfestung aus imaginiertem Eisen und dichtem, unschmelzbarem Eis. Das Inferno wimmerte wie eine gefangene Katze, aber Denizen und Vivian hatten monatelang an dieser Technik gefeilt, hatten über Karten von Burgen und Ingenieurhandbüchern gebrütet, über jeden Trick in Belagerungsangelegenheiten.

Lustige Themen, um sich näherzukommen.

»Darcie, du hättest zu Hause bleiben sollen«, bemerkte Vivian. Ihre Stimme klang vor Sorge ganz gepresst. »Dies ist der einzige Ort auf der Welt, der keine Lux braucht. »Du hättest –«

»Ich verabschiede mich von meinen Freunden«, erwiderte Darcie sanft, und trotz der unvermindert in seinem Kopf bettelnden Canti musste Denizen grinsen, als er sah, dass Vivian sich abrupt aufrechter setzte. »Die Welt wird schon für ein, zwei Tage klarkommen. Und ich auch.«

»Nun gut«, Vivian räusperte sich und wandte sich an Grey. »Man sollte doch annehmen, dass die Tenebrae gelernt hätten, dass sie hier nichts zu suchen haben.«

»Lernen?« In Greys Stimme schwang eine für ihn untypische Grausamkeit mit. »Tenebrae lernen nicht. Sie kommen entweder durch einen Riss heraus und müssen die Mauern überwältigen, oder sie zerfließen vor den Kerzenfeldern der Stadt wie Wasser von einer Windschutzscheibe. Und stehen dann vor den Mauern.«

Vor ihnen ruckelte das Tor auf, das ebenso hämatomschwarz war wie Denizens Handflächen. Es stöhnte wie etwas Prähistorisches, das im Teer versank. Hätte Denizen nicht gewusst, dass man Mauern umgehen konnte, sogar beeindruckende Schutzwälle wie diese, hätte ihn die bloße Größe beruhigt.

Tenebrae konnten die Mauern durchbrechen, die unser Universum von ihrem trennten – wie Ratten, die sich durch Rohre zwängen, oder Feuchtigkeit, die sich in einem Holzboden festsetzt. Mauern hatten das Uhrwerktrio nicht davon abgehalten, vor zwölf Jahren Denizens Vater zu töten, oder letztes Jahr zurückzukommen, um einen offenen Krieg zwischen der Menschheit und dem Unendlichen König der Tenebrae heraufzubeschwören.

Mauern hatten auch Grey nicht gerettet.

Als sie unter den Schatten der Zinnen durchfuhren, spürte Denizen Blicke. In den Steinschlitzen glitzerten gespannte Pfeile. Auf der anderen Seite des Tors waren Barrikaden errichtet. Selbst, wenn es einem Feind gelang durchzubrechen, würde er schlicht in einen Pferch rennen und der Gnade der Bogenschützen über ihm ausgeliefert sein.

»Bisschen übertrieben«, flüsterte Simon, als habe er Angst, jemand könne ihn belauschen.

Falls Grey darauf antwortete, ging es im Klirren des sich schließenden Tors unter.

Innerhalb von Adumbrals Mauern wurde die gepflasterte Straße sogar noch steiler. Die Gebäude klebten wie Vögel auf einer Leitung aneinander, die Straßen bestanden aus scharfen Ecken und engen, schmalen Steigungen. Wenn Dublin eine alte Stadt war, dann war dieser Ort uralt. Alles schien sich an merkwürdigen Stellen zu wölben oder durchzuhängen – wie Soldaten nach einem langen, anstrengenden Marsch. Und überall waren Kerzenfelder – sie schimmerten auf Fensterbänken, spannten sich wie prähistorische Weihnachtsbeleuchtung über den Eingang von Gassen und hielten die Fäulnis vom Eindringen ab.

»Nur die Mauern sind bemannt, oder?«, fragte Abigail mit gedämpfter Stimme. »In Adumbral lebt niemand mehr?«

»Nicht mehr«, lautete Vivians knappe Antwort.

»Oh, du hast es noch nicht gehört?«, fragte Grey leichthin. Sie musterte ihn scharf, aber er kümmerte sich nicht darum. »Die Mitglieder der Allianz haben sich nicht immer im Schatten versteckt und die gemieden, für die sie ihr Leben geopfert haben. Nein … es gab eine Zeit, da haben auch wir versucht, ein Leben zu haben.«

Behandschuhte Finger trommelten einen Eins-Zwei-Rhythmus aufs Lenkrad. Denizen starrte sie an, als wären sie Schlangen.

»Grey«, setzte Vivian an, »wir werden ausreichend Zeit haben, um zu …«

»Das ist nun ihr Zuhause«, erwiderte Grey etwas kurzangebunden, als der Jeep den extrem steilen Hügel hinaufkeuchte. Am überfüllten Horizont ragte etwas auf, aber um es erkennen zu können, hätte sich Denizen in den Schlagabtausch einmischen müssen, den sich Vivian und Grey lieferten. Außerdem wollte er die Geschichte hören.

»Adumbral, die erste Stadt der Allianz«, fuhr Grey fort. »Ein Ort, an dem wir den Tribut nicht verstecken mussten, ein Ort, an dem wir uns frei äußern konnten, ein Ort, wo wir uns nicht verstellen mussten.«

Darcie drehte unablässig ihre Brille in den Händen. Die Stille der Stadt war greifbar. Sie erinnerte Denizen an Eloquenz – jene entlegene, zerfallende Burg, wo der Croit-Clan seit Jahrhunderten vor sich hin gärte.

Mauerbrüstungen wie geschürzte Lippen, Säulen rund wie blanker Knochen: Es war nicht so offensichtlich wie Architektur, und es war auch nicht so subtil wie Zeit, trotzdem lag eine Verkehrtheit über allem, eine Eiseskälte.

»So viele Familien«, sagte Grey. »So viele Schattenjäger. Und du weißt ja, was passiert, wenn sich zu viele von uns an einem Ort treffen …«

Es war eine der ersten Lektionen gewesen, die Denizen gelernt hatte. Die Tenebrae durchbrachen die Grenzen zwischen den Welten, doch die Nähe von Schattenjägern und ihre Canti machten sie durchlässig. Aus diesem Grund hatte die Allianz die Kerzenfelder erfunden. Ansonsten würden die Wände zwischen den Welten zu dünn werden …

Denizen wurde blass. »Die Tenebrae sind eingedrungen.«

Als Grey ihm im Rückspiegel einen scharfen Blick zuwarf, wurde Denizen bewusst, dass es seine ersten Worte seit ihrem Wiedertreffen waren.

»Wie immer«, stellte der Schattenjäger schonungslos fest. »Je länger wir hier lebten, desto durchlässiger wurde die Schranke. Menschen verschwanden. Anfangs nur einige, später Dutzende. Sie fielen einfach aus der Welt.« Seine Stimme war grimmig. »Oder sie wurden entführt. Und dann, eines Tages … eines Tages kamen sie. Aus jedem Schatten. Aus jeder Ritze. Und verbogen die Stadt, um ihre Knochen daraus zu formen.«

Das war, was mit den Häusern nicht stimmte. Wie hatte Denizen es übersehen können? Die schiefen Winkel, die anzüglich grinsenden Lücken … Die Tenebrae hatten versucht, sie für sich zu beanspruchen, so wie das unselige Geschöpf, das kurz zuvor Staub als Fleisch hatte ausgeben wollen. Trotzdem stand Adumbral noch, erstarrt in seiner Fast-Verwüstung. Eine Totgeburt von Stadt, die sich hartnäckig aufrecht hielt.

»Wie …«

»Wir haben die Kerzenfelder erfunden«, erklärte Vivian in einem Ton, der zwischen ihrem ›So schlimm ist es nicht‹ und ihrem ›Diese Diskussion ist beendet‹ mäanderte. Die eine Variante beherrschte sie entschieden besser als die andere. »Sie haben Adumbral vor dem Zusammenbruch bewahrt und uns gelehrt, dass ein gewisses Maß an … Abstand nötig ist. Damit unsere Lieben sicher sind.«

»Und funktioniert das nicht prima für uns alle?«

Greys Worte waren wie bitteres und brackiges Eiswasser. Abigail zuckte zurück. Denizen hatte noch nie gesehen, dass sie sich so vor einem Schlag wegduckte. Simon machte große Eulenaugen.

Darcies Stimme war sanft. »Grey … Es war nicht deine Schuld.«

»Das weiß ich«, erwiderte Grey knapp. »Alle wissen das. Und alle geben sich große Mühe, mir in die Augen zu schauen und so zu tun, als habe es keine Bedeutung. Aber Menschen sind tot.«

Die weitere Fahrt verlief schweigend. Grey hielt vor etwas, das ein Lagerhaus hätte sein können, hätte denn noch jemand in Adumbral gelebt, der Waren hatte. Nun stellte die Allianz ihre Fahrzeuge dort ab, Reihen von Jeeps, die genauso aussahen wie der, aus dem sie gerade ausstiegen.

Denizen zermarterte sich das Hirn, was er sagen könnte, irgendwas, doch alles, was ihm einfiel, war irgendwie zweideutig. Und so nahmen sie wortlos ihre Taschen und wollten gerade losgehen, als Grey einen langen, rasselnden Seufzer ausstieß.

»Entschuldigung. Entschuldigung. Das braucht ihr nicht. Wer braucht das schon?«

Vor ihnen ragte eine Festung auf.

»Es wird noch genug Prüfungen geben.«

3Der Sinn von Leuchttürmen

Die Schattenjäger taten nie etwas ohne Grund. Das konnten sie sich nicht leisten. Der Tribut machte sie alle zu Geizhälsen, und das hatte sich auf ihr Training übertragen, ihre Traditionen, selbst auf die Gefühle, die sie sich zustanden. Doch trotz aller eisernen Kontrolle bestand die Allianz nach wie vor aus Menschen, und so hatte auch eine schlichte, düstere Poesie Raum gefunden.

Nach acht Schritten den Hang hinauf begannen Denizens Waden zu brennen. Kein Wunder, dass noch nie eine menschliche Armee versucht hatte, Tagesanbruch einzunehmen. Wozu auch? Allein der Gedanke, sich durch die Schlachtfelder vorwärtszukämpfen, durch die Mauern, steile Straßen hinauf, die fünf Krieger gegen hundert verteidigen konnten … bloß um hierherzugelangen.

Vor dem kahlen Gipfel des Monte Inclavare dünnten sich die Häuser von Adumbral aus wie die zerzauste Tonsur eines Einsiedlers. Drei Seiten nahm die Stadt ein, leblos und golden und so reglos wie eine Totenmaske. Die vierte war eine wer-weiß-wie-tiefe senkrechte Klippe bis zum Fuß des Berges hinunter.

Und dazwischen …

Tagesanbruch war ein Leuchtturm. Was sonst. Denizen war nicht etwa ein Experte – in seinem ganzen Leben hatte er noch nie einen aus der Nähe gesehen. Das war schließlich der Sinn von Leuchttürmen. Sobald man sich in der Nähe eines solchen befand, bewegte man sich in die falsche Richtung. Denizen schloss es auch nicht aus der Umgebung – es gab keine Schiffe, die gewarnt werden mussten, keine Felsen, wo man auf Grund laufen konnte, kein Meer, in dem man ertrinken konnte.

Doch, das gab es, oder?

In der frischen Luft und weit weg von den Kerzenfeldern und ablenkenden traumatischen Wiedertreffen konnte Denizen es spüren: einen Schauder am Rande seiner Wahrnehmung – die ständige Erinnerung daran, dass es sich bei dieser Welt um eine Insel handelte, die in einem tiefen schwarzen Meer trieb, in der die Allianz der einzige Lichtfleck war.

Tagesanbruch ragte vorwurfsvoll in den Himmel, riesig wie ein Hochhaus, mit einer trotzigen Faust aus Stein und Glas auf der Spitze. Denizen erwartete fast, einen weißen Strahl aus diesen Platten peitschen zu sehen, der die Schatten ringsum vertreiben würde, doch die riesige Laterne blieb verschlossen, ein Geheimnis wie die Allianz selbst.

»Das würde Uriel gefallen«, stellte Simon fest, und Denizen neben ihm bejahte.

Hätte der jüngste Croit-Sohn sich nicht gegen die Doktrin aufgelehnt, die ihm seine Familie mehr oder weniger das ganze Leben eingebläut hatte, säße Denizen höchstwahrscheinlich immer noch dort im Verlies. Dass Uriel dafür hatte bezahlen müssen, war eine Schuld, die Denizen weiterhin den Schlaf raubte.

»Ich wünschte, wir hätten ihn überzeugen können, sich uns anzuschließen«, erwiderte Denizen traurig. »Aber –« Er runzelte die Stirn. »Moment – woher willst du eigentlich wissen, dass ihm das hier gefallen würde?«

Simon erstarrte. »Oh, habe ich mir bloß so … ähm …«

Dieses Stottern war ebenso uncharakteristisch wie vertraut. »Wir haben … gemailt.«

»Oh«, sagte Denizen.

Dann: »Oh«, antwortete Denizen.

»Richtig«, fuhr Denizen fort, so was von froh, dass alle den Leuchtturm anstarrten, denn so knallrot, wie er war, hätte er die Schiffe vermutlich höchstpersönlich warnen können. »Hey«, sagte er. »Das ist ja super! Ich wollte sagen … cool. Cool. Muss ich … irgendwas tun?«

»Als Erstes könntest du den Mund schließen«, sagte Simon mit verlegenem Lächeln. »Nein, du brauchst nichts zu tun – wir können später darüber reden. Ist ja keine große Sache, verstehst du?«

»Genau! Nein – natürlich nicht!« Als Denizen bewusst wurde, dass er sein Okaysein so wild fuchtelnd und manisch rüberzubringen versuchte, dass er es damit womöglich weniger okay machte, und darüber hinaus auch noch eine Gefahr für niedrig fliegende Flugzeuge darstellte, redete er nicht weiter.

»Los komm«, sagte Simon. »Schauen wir uns unser neues Zuhause an.«

Die Mädchen drehten sich um, allerdings nicht zu ihnen, sondern zu der Garage, wo Grey geparkt hatte. Abigails Gesichtszüge verzogen sich zu einem Stirnrunzeln. Darcie sah einfach bloß traurig aus.

»Sollen wir … Sollen wir auf ihn warten?«

»Nein.« Vivians Stimme klang weich. »Gebt ihm Zeit.«

 

Das Tor von Tagesanbruch – dick und hoch und mit dem Hand-und-Hammer-Emblem versehen – lag im Schatten von noch mehr Schießscharten und Pechnasen für siedendes Öl. Es hätte Denizen nicht überrascht, wenn es auch noch unsichtbare verborgene Hightech-Abwehrmaßnahmen gegeben hätte. Wenn es um den Schutz ihres Eigentums ging, hatten die Schattenjäger kein Problem damit, mechanische und mittelalterliche Techniken mit Magie zu mischen. Bei diesem Krieg konnte der Feind aus jeder Richtung kommen.

Simon wandte sich an Abigail, die mittlerweile vor Aufregung vibrierte.

»Du bist hier.«

Abigail packte ihn am Revers. »ICH. WEISS.«

»Autsch.«

»Tut mir leid.«

Vivian zog einen langen eisernen Schlüssel aus der Tasche und schob ihn in das große Schloss des Tores. Mit einem unbehaglichen Blick auf die scharfen Spitzen des Fallgitters schlurfte Denizen ein wenig näher.

»Wir schließen uns einfach selbst auf?«

»Wir schließen uns einfach selbst auf.«

»Das ist aber irgendwie ein bisschen … enttäuschend.«

Als sich das Tor mit einem Klonk öffnete, das auf industrielle Fertigung schließen ließ, warf Vivian ihm nur einen Blick zu.

»Hast du einen Butler erwartet?«

Vielleicht.

Die zwei Männer im Vorraum konnten kaum als Butler bezeichnet werden, außer, man gebrauchte das Wort im Sinne von Artemis Fowl. Auf Holzstühle gefläzt, beobachteten sie, wie Vivian und die anderen hereinkamen. Wären nicht ihre Augen gewesen, hätte man sie fälschlicherweise für desinteressiert halten können.

Das Foyer – hatten Festungen Foyers? Denizen entschied, das später nachzuschlagen – war ein langer, kahler Raum. Es gab nicht einmal den herumliegenden Schutt und die Verzierungen, die Seraphim Row von einer Gruselvilla in eine von Menschen bewohnte Gruselvilla verwandelte. An den Wänden hing keine Kunst, vielmehr waren die Wände die Kunst, denn in jeder davon war ein Kriegsmosaik eingelassen.

Es erinnerte Denizen an Abgeschiedenheit, den Zufluchtsort der Allianz. Doch während dort die Schattenjäger beim Marschieren gezeigt wurden, befanden sich die Krieger hier im Schlachtengetümmel. Reale Schlachten – auf den Schildern darunter waren in schwungvoller Schrift Namen und Daten vermerkt.

Es war irgendwie logisch. Man hätte jeden einzelnen Schattenjäger, der je gelebt hatte, in Abgeschiedenheit einmeißeln können, und sie hätten trotzdem nicht einmal eine Wand bedeckt. Vielleicht war es wichtig für die verlorenen Seelen, die dort eingesperrt waren, sich die Allianz eher als Armee denn als wenige entschlossene Seelen vorzustellen.

Hier auf Tagesanbruch stand der Feind fest. Tenebrae waren aufgrund ihrer Natur schwer darzustellen, doch die Künstler hatten ihr Bestes gegeben – helle Steinsplitter in seltsamen Winkeln, um die Reflektion zu verzerren, Wasser, das hinter durchscheinendem Glas floss, so dass die Figuren tanzten und zuckten. Keine glich der anderen, sie wanden sich vor Wut, oder Vergnügen, oder Schmerz.

Sosehr er es auch versuchte, er konnte nicht aufhören, die verkrümmten Silhouetten nach einer aus Mondstein und Saphiren und Silber abzusuchen.

Schluss damit.

Vivian führte sie eine Treppe hinauf. Denizen ertappte sich bei dem Gedanken, dass sich Tagesanbruch – trotz gelegentlicher Begegnungen mit einem Schattenjäger auf den Fluren – eigentlich wie die Seraphim Row anfühlte, jedoch auf eine Art, die nichts mit Tenebris zu tun hatte.

»Wie viele Schattenjäger leben hier?«, erkundigte er sich.

»Es gibt eine feste Garnison von einhundert«, antwortete Darcie, »die im jährlichen Turnus ausgewechselt wird. Außer Training, Archivierung und der Instandhaltung der Abwehr gibt es hier nicht viel zu tun. Die Schattenjäger bleiben eine Zeitlang, dann ziehen sie weiter.«

Das war der Grund. Trotz seines Alters, der finsteren Vornehmheit seiner Form und den sorgfältigen Details in jeder Mosaiktafel fühlte sich Tagesanbruch … provisorisch an. Man spürte Anzeichen, dass Menschen hier gewesen waren, aber weder ihre Persönlichkeit noch ihre Seele hatten Spuren hinterlassen.

Wie bei einem Flughafen oder einem Bahnhof – ein Ort, den man nur aufsucht, um ihn wieder zu verlassen.

»Ich würde verrückt werden«, erklärte Abigail, während sie jede einzelne Tafel las. »Deshalb beschränken sie es auf ein Jahr. Jeder will irgendetwas tun, und hier ist bloß –«

»Es ist eine Möglichkeit, der Allianz zu dienen«, erklärte Darcie, und obwohl ihre Stimme überhaupt nicht streng klang, senkte Abigail leicht den Kopf. Darcies Talente waren zu kostbar für die Front, aber sie hatten gerade gesehen, welchen Preis ihre Pflichten forderten. »Jeder auf seine Art.«

Sie blieben unter einem gewaltigen Torbogen stehen. Denizen fiel auf, dass die Mosaiken hier aufhörten, die schon zuvor ruhigen Gänge waren nun menschenleer. »Und da wir gerade dabei sind«, sagte Darcie ein wenig verlegen, »hier werde ich euch verlassen.«

Sie drehten sich überrascht um.

»Die Luces haben andere Unterkünfte«, erklärte Darcie. »Sie sind …«

»Schicker?«, hakte Simon unschuldig nach.

»In einem anderen Teil der Festung«, beendete Darcie den Satz. »Wir werden vor Ort benötigt, nicht hier. Aber wenn einer von uns nach Hause kommt, machen sie deshalb gern ein bisschen Aufhebens.«

»Die Abläufe hier«, unterbrach Vivian, »werdet ihr vielleicht als … Umstellung empfinden.« In den Worten knisterte eine Warnung. »Wir sind nicht mehr in der Seraphim Row.«

Wohl wahr. Vivian stand nicht auf Zeremonien. Sie trat sie eher mit den Füßen. Zuhause sah die Rangfolge folgendermaßen aus:

Vivian.

Alle anderen.

Es war einfach. Aber hier galten andere Regeln.

Darcie schien so sehr das Gefühl zu haben, sich entschuldigen zu müssen, dass sie Denizen richtig leidtat.

»Hey, wir verstehen das. Wann fahrt ihr denn nach Hause?«

»Morgen Abend«, antwortete Vivian. »Ich habe noch ein paar Besprechungen, und dann nehmen wir den letzten Flug von hier.«

»Ich versuche, morgen mal bei euch vorbeizuschauen«, sagte Darcie. »Aber falls ich es nicht schaffe …«

Sie drückte alle fest an sich. Denizen war verblüfft, wie fest. Andererseits hatte er sie noch nie ohne ein Buch gesehen, das nicht mindestens fünfhundert Seiten dick war. Das schien den Oberkörper zu kräftigen.

»Meldet euch«, murmelte sie beim Drücken. »Gebt mir Bescheid, wie ihr klarkommt. Simon, nimm nicht immer die Hände runter, bevor du zu einem hohen Tritt ansetzt. Sonst wissen alle Bescheid, was kommt. Und Abigail … sei nicht so streng mit dir. Versprochen?«

»Wie meinst du das? Ich –«

Darcie trat ein wenig zurück, ohne die Hände von den Schultern der anderen zu nehmen.

»Und Denizen …«

Denizens Wangen färbten sich rot. »Was?«

Selbst wenn sie die Augen eines Menschen gehabt hätte, wäre Darcies Starren durchdringend gewesen.

»Pass auf dich auf.«

Er nickte, und sie sah ihn noch einen Moment an.

»Viel Glück.«

Sie blickten ihr ernst hinterher. Darcie war die Erste gewesen, mit der Denizen in der Seraphim Row geredet hatte. Sie war unerschütterlich lieb und fürsorglich gewesen und hatte sie geführt und unterrichtet, obwohl sie eine Bürde trug, die der Rest von ihnen kaum nachvollziehen konnte.

Es ist bloß ein Jahr.

Es war ein Jahr her, dass sie sich kennengelernt hatten. Und in einem Jahr konnte viel passieren.

Er würde sie wirklich vermissen.

»Das ist die Kemenate der Neulinge«, erklärte Vivian, als sie sie in einen großen siebeneckigen Raum mit Holztüren in den Wänden führte. »Frauenzellen, Männerzellen, Meditationszellen, die Bibliothek der Neulinge … Die Trainingskammern befinden sich zwei Stockwerke tiefer. Hier werdet ihr abends eure zugeteilte Freizeit miteinander verbringen –«

»Zugeteilter Spaß«, flüsterte Simon Denizen zu. »Voll mein Ding.«

Vivian warf einen Blick auf den Zettel in ihrer Hand. »Abigail, du wohnst in Zelle F12.« Sie schniefte. »Hmm. Ich war in Zelle F11. Falls du Gelegenheit dazu hast, neben dem Bett sollte mein Name eingeritzt sein.«

Denizens Hirn mühte sich ab, das Bild einer dreizehnjährigen Vivian zu liefern, war aber schlicht nicht in der Lage dazu. Ihre Narben, ihr Tribut, ihre Aura von kontrollierter Entschlossenheit und Wut – hatte sie sich je Sorgen gemacht, ob sie Freunde finden würde? Oder ob sie der Aufgabe gewachsen war, die sie geerbt hatte?

»Wo sind denn alle?«, erkundigte sich Simon, während er sich in dem menschenleeren Raum umsah.

»Schlafen vermutlich ein bisschen«, antwortete Vivian, und mit einem Mal wurde Denizen bewusst, wie spät es war. »Und das solltet ihr auch tun. Euer erstes Training findet morgen früh um sieben in der Haupttrainingskammer statt. Ruht euch aus. Prägt euch die Regeln ein. Bei der Allianz wird niemandem das Händchen gehalten – ihr seid nun Neulinge der Stufe zwei, und von euch wird ein entsprechendes Benehmen erwartet.«

»Es gibt Regeln?«, fragte Simon panisch.

»Es gibt Stufen?«, fragte Denizen ähnlich verängstigt. »Ich wusste nicht, dass es Stufen gibt. Warum wusste ich nicht, dass es Stufen gibt?«

»Neulinge der ersten Stufe sollen sich keine Gedanken über Hierarchien machen«, erwiderte Abigail leichthin. »Und natürlich gibt es Regeln. Pünktliches Erscheinen, keine Jungs in den Mädchenzellen, solche Dinge.«

Simon runzelte die Stirn. »Moment. Warum nicht?«

Vivian zog mit eisiger Miene eine Augenbraue hoch.

Denizen wurde vor Verlegenheit heiß und kalt gleichzeitig. Die Erkenntnis kam ihm, dass sie immer auf so engem Raum gelebt hatten, dass Denizen irgendwie vergessen hatte, dass Abigail ein … na ja. Ein Mädchen war und so.

»Ach ja, richtig«, sagte Simon kleinlaut.

»Einige der Regeln sind ein wenig altmodisch«, erklärte Denizens Mutter – eine beeindruckende Feststellung von einer Frau, die einen Kriegshammer trug. »Andere gelten jedoch aus sehr gutem Grund.«

Sie nickten. Abigail schien unentschieden, ob sie respektvoll oder extrem amüsiert schauen sollte.

»Gute Nacht, Jungs«, sagte sie. Vivian nickte ihr ernst zu.

»Abigail. Es war …«

Abigail riss die Augen auf.

»Eine Ehre«, beendete Vivian ihren Satz. »Und ein Vergnügen. Deine Eltern werden sehr stolz sein, wenn sie meine Beurteilung lesen.«

»Es gibt Beurteilungen?«, fragten Simon und Denizen wie aus einem Mund, während Abigail wie eine Sonneneruption strahlte.

»Oh. Danke. Wow. Ähm. Gute Nacht!«

Sie schwebte buchstäblich in ihre Zelle.

»Nun denn«, sagte Vivian. Ihre Stimme klang mit einem Mal etwas verunsichert. Im Raum herrschte plötzlich tödliche Stille.

»Ja«, erwiderte Denizen. »Ähm …«

»Zelle M17«, sagte Simon mit schief gelegtem Kopf, um den Zettel lesen zu können, den Vivian nachlässig in der Hand hielt. »Ich lasse euch ein bisschen –«

Vivian machte einen Satz nach vorn.

Denizen war nicht der geborene Krieger, aber ein ganzes Jahr machte einen großen Unterschied, vor allem unter der Anleitung von Vivian Hardwick. Er brauchte kaum eine Sekunde, um das plötzliche aber nicht unerwartete Inferno zu unterdrücken und eine Kampfhaltung einzunehmen –

– Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Malleus Vivian Hardwick seinem besten Freund die verlegenste Umarmung angedeihen ließ, die Denizen je gesehen hatte. Sie zog sich ebenso schnell wieder zurück, was Simon leicht auf den Fersen schwankend zurückließ.

Auf Vivians Wangen zeigte sich ein winziges Tröpfchen Rot.

»Du bist ein guter Junge«, nuschelte sie mit gepresster Stimme. »Passt aufeinander auf.«

»Hmm«, brachte Simon heraus. »Ähm. O.k. –«

»Gute Nacht, Simon«, sagte Vivian. Er verschwand.

»Ich bringe dich auf dein Zimmer«, erklärte sie, als sie allein waren. Die Vorstellung, dass es – bis auf ungefähr drei Wochen letztes Jahr – das erste Mal sein würde, dass sein bester Freund und er in getrennten Zimmern schliefen, verursachte Denizen ein seltsames Magenflattern.

Als Vivian die Tür aufstieß, zwang er sich zu einem Lächeln.

»Darfst du überhaupt in den Jungszellen sein?«

Sie warf ihm einen Blick zu. »Ich bin deine Mutter.«

Auch wieder wahr. Auf der anderen Seite des langen Flurs reihte sich Tür an Tür, in jede davon waren drei Spalten eingemeißelt. Denizen betrachtete sie eingehender. Namen, die lange zurückreichten. Generationen von Jungen, die genau hier für den Krieg trainiert hatten.

Und hier stand er. Am Ende des Flurs.

Denizen Hardwick

Tja, scheint wohl offiziell zu sein.

Die Tür öffnete sich auf seine Berührung, dahinter waren ein einfaches Bett, ein Kleiderschrank und ein kleiner Schreibtisch, über den ein Blatt getackert war. Die Regeln, vermutete Denizen. Manche waren fettgedruckt. Und unterstrichen.

»So«, sagte Vivian.

»Jep«, antwortete Denizen.

Das Schweigen dauerte an. Ob man seinem Gesicht ansah, dass er keine Ahnung hatte, was er sagen sollte? Ob Vivian bewusst war, wie eindeutig man es ihrem Gesicht ansah? Irgendwann räusperte sie sich einfach.

»Greaves wird sich nicht offen gegen dich stellen, nicht nach diesem Sommer.« Ihre Stimme war leise. »Aber vielleicht denkt er immer noch, er könnte dich überreden, bekehren. Aber du durchschaust seinen Charme ja mittlerweile. Gehe ihm aus dem Weg. Verhalte dich unauffällig.«

Vor einem halben Jahr wäre Denizen von ihrem plötzlichen Sinneswandel von Freund zu Feind noch genervt gewesen, doch nun konnte er es nachvollziehen – sie war einfach so. Allerdings war es eine Sache, wenn der Palatin persönliche außergewöhnliche Fähigkeiten mit den Canti auszubeuten versuchte, solange man in Dublin war, und eine ganz andere, wenn man quasi vor seiner Tür stand.

Und es war nicht das Einzige des letzten Jahres, was Greaves ausbeuten wollte.

»Denizen? Alles in Ordnung mit dir?«

Denizen nickte. »Ja. Wirklich alles gut. Die Festungsübungen funktionieren hervorragend. Ich habe alles im Griff. Ja.«

Vivians Lippe verzog sich. »Und … die andere Sache?«

»Zensiert«, erklärte Denizen und nickte entschlossen.

»Gut«, lobte Vivian. »Weiter so.« Sie seufzte und glättete ein wenig das Raue in ihrer Stimme. »Tut mir leid. Ich brauche dir nicht zu erklären, wie wichtig es ist, dass wir uns von … Vorfällen in der Vergangenheit distanzieren. Zu unserer eigenen Sicherheit.«

»Ich weiß Bescheid«, erklärte Denizen.

Sie blickte anerkennend auf die dicken Steinmauern. »Und hier wirst du sicher sein. Sie hat keine Chance, mit dir Kontakt aufzunehmen.«

»Ich weiß«, sagte Denizen. Und wie er das wusste. Nicht dass sie es versucht hätte. Seit dem Sommer. Keine einzige Nachricht. Kein Wort.

Das Feuer ballte die Fäuste in seinem Magen, und Denizen zerrte seine Gedanken weg.

Zensiert. Was für ein nützliches Wort.

»Gut«, sagte Vivian. »Melde dich, falls du noch etwas brauchst, und ich bin sofort da.«

Denizen lächelte sie matt an. »Greaves wird entzückt sein, wenn du einfach so auftauchst.«