Sheylas trauriger Start ins Leben - Gabriele Islak - E-Book

Sheylas trauriger Start ins Leben E-Book

Gabriele Islak

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Beschreibung

Sheyla ist eine zierliche Golden-Retriever-Hündin und kam unter ganz traurigen Umständen zu uns ins Haus. Eigentlich war sie damals mehr tot als lebendig: Bis auf die Knochen abgemagert, mit Durchfall, tränenden Augen und total verängstigt, kaufte mein Sohn Deniz sie einem Mann ab, der auf der Straße lebte und den Hund für unsere Begriffe misshandelt hatte. Mit 50 Euro rettete Deniz der kleinen Hündin vorerst das Leben. Doch was dann kam, war ein Leidensweg, der uns immer wieder an den Rand der Verzweiflung brachte und der für Sheyla gleich mehrmals einen Kampf ums Überleben bedeutete. Hoffen, bangen, weinen… Hat sich all das am Ende für uns und Sheyla gelohnt?

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Seitenzahl: 169

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Ähnliche


Meinen Söhnen

Deniz und Sven mit Familien, sowie meinem Enkelsohn Tobias in Liebe.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 1

Sheyla kam zu uns als ein kleines Häufchen Elend: krank, abgemagert, voller Angst. Wir mussten uns immer wieder große Sorgen um sie machen, denn innerhalb kürzester Zeit ist sie gleich zwei Mal dem Tod von der Schippe gesprungen.

Hier ist ihre Geschichte:

Es war Mitte August 2006 an einem wunderschönen sonnigen Vormittag. Ich hatte es mir auf dem Balkon mit einer Tasse Kaffee und meinem Frühstück gemütlich gemacht. Danach wartete jede Menge Arbeit: Einkaufen, Wäsche aufhängen – der liebe Haushalt eben. Als ich gerade meinen letzten Schluck Kaffee trinken wollte, klingelte das Telefon. Mein Sohn Deniz war dran. Total aufgeregt. „Mama, du musst unbedingt runter nach Frankfurt kommen", rief er in den Hörer und ließ mich gar nicht zu Wort kommen. Nun war ich aber erst am Vortag bei ihm gewesen. Ich konnte gar nicht verstehen, warum ich schon wieder nach Frankfurt fahren sollte. „Was ist passiert?“, wollte ich von Deniz wissen. Eine Antwort kam nicht, nur nochmals das drängende: „Bitte, bitte. Komm, es ist was passiert! Ich brauche dich hier!" Oh Gott, dachte ich, was kann das nur sein. Ich hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt, um was es gehen könnte. Mit solch einer Ungewissheit kann ich überhaupt nicht umgehen. Wenn meine Kinder mich um Hilfe bitten und ich würde einem solchen Hilferuf nicht nachkommen, würde ich mir ewig Vorwürfe machen. Also fuhr ich mit ganz gemischten Gefühlen los. In meinem Kopf ratterte es unentwegt. Ich fragte mich hundert Mal: Was kann es sein, was wird mich wohl erwarten? Letztendlich hatte ich mich vor lauter Grübeln so hochgeschaukelt, dass ich kaum mehr einen klaren Gedanken fassen konnte. So rief ich vom Auto aus noch meinen Mann Mehmet an und sagte ihm, ich sei auf dem Weg nach Frankfurt zu Deniz. Jetzt waren wir schon zwei, die grübelten und sich den Kopf zerbrachen. Ich sollte meinen Mann dann aber sofort Bescheid geben, was Sache ist. Natürlich. Was sonst, dachte ich. Mehmet würde vor Sorge bis zum Abend ja sonst noch halb verrückt werden. Mir kam diese Autofahrt ewig vor. Sie nahm einfach kein Ende. Ich hatte das Gefühl, niemals bei meinem Sohn anzukommen. Aber irgendwann war ich dann doch da. Mein Herz schlug wie verrückt, ich glaubte schon, es würde mir jeden Moment aus der Schädeldecke raus schießen.

Ich gab meinem Sohn per Handy ein Klingelzeichen, so wie wir es immer tun. Es dauerte nicht lange, da kam Deniz auch schon runter. Ich sah aus der Entfernung, dass er eine Jacke auf dem Arm trug. Er hatte aber auch eine Jacke an. Also dachte ich erst einmal, „ach, er will mir bestimmt eine Jacke für den Schneider mitgeben“. Als er so auf mich zukam, versuchte ich krampfhaft in seinen Gesichtszügen zu lesen was denn nun Sache war, konnte es aber nicht deuten. Ich sah nur, er war ziemlich blass. Am liebsten wäre ich ihm vor Neugier entgegen gelaufen. ENDLICH war er bei mir, und er küsste mich wie immer auf die Wange. Ich sah ihm in die Augen und fragte ganz unruhig: „Was gibt es denn so Dringendes, und warum hast du mich so im Ungewissen gelassen? Junge, ich bin fast vor Sorge um dich gestorben.“

Nun blickte Deniz mir in die Augen ohne ein Wort zu sagen. Dabei schlug er seine Jacke auf, und mir verschlug es den Atem. Mir fiel regelrecht die Kinnlade herunter. Ich konnte im ersten Moment nichts mehr sagen. Zwei verklebte, traurige, ängstliche und doch ganz entzückende braune Knopfaugen schauten mich an. Ich war hin und weg. Als die Jacke meines Sohnes ganz auf war, sah ich einen winzigen, zitternden und verschmutzten kleinen Welpen. Mir schmerzte mein Herz, dieser Anblick ging mir unter die Haut. Ich werde diesen Augenblick und Anblick in meinem ganzen Leben niemals vergessen. Mein Sohn sah mich mit großen feuchten Augen an, die mir mehr als alle Worte dieser Welt sagten. Wir gingen erst einmal an mein Auto. Dort nahm ich den kleinen Hund in den Arm, streichelte und küsste ihn. „Was hast du armes Wesen in deinem so jungen Leben schon alles durchmachen müssen?“, dachte ich bei mir.

Deniz erzählte mir, wie er zu dem kleinen Bündel gekommen war. Er sei gerade auf dem Weg zu seinem Hausarzt gewesen. Es war ein Tag wie jeder andere auch, doch was dann kam, sollte sein Leben und das unsere total verändern. Deniz muss von seiner Wohnung aus erst eine kurze Strecke mit dem städtischen Bus zum nächsten Stadtteil fahren und muss dann zu Fuß weiter gehen. Als er in die Straße, in der sein Arzt die Praxis hat, einbog und diese entlang ging, wurde seine Aufmerksamkeit von einem Bündel geweckt, das vor dem Haus seines Hausarztes lag. Er konnte aus der Entfernung aber noch nicht erkennen, um was es sich bei diesem Bündel handelte. Während Deniz immer weiter auf das Ärztehaus zuging, versuchte er krampfhaft zu erkennen, was dieses Etwas sein könnte. Doch dann vernahm er auf einmal ein Geräusch. Auch das konnte Deniz nicht wirklich zuordnen. Oder aber, er wollte nicht glauben, was er da zu hören bekam. Mein Sohn legte einen Schritt zu, da ihn seine Neugier schier verrückt machte. Er wollte unbedingt wissen, um was es sich bei dem undefinierbaren Bündel handelte und ob es eventuell das war, was er vermutet hatte. „Ich hatte gehofft, dass ich mit meiner Vermutung Unrecht hatte“, erklärte er mir. Deniz kam am Haus seines Arztes an, und was er da sah, wollte er eigentlich überhaupt nicht sehen und glauben. Vor der Haustür kauerte ein kleines Etwas mit einem Strick um den Hals. Es weinte und schrie fürchterlich, als auf einmal die Haustür aufgerissen wurde und, na sagen wir mal, ein auf der Straße lebender Mann Namens Hans (Name geändert) diesen Strick nahm und derart ruckartig immer und immer wieder daran zerrte, dass das Etwas sich gleich zwei Mal überschlug. Der Mann brüllte das Bündel dabei noch so laut an, dass es plötzlich unter dem kleinen Wesen nass wurde und sich ein wässriger Kot auf dem Gehweg breit machte.

Mein Sohn lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Aber er stand in diesem Moment kurz vor einer inneren Explosion, und es hatte Deniz eine große Überwindung gekostet, diesem Menschen nicht das Gleiche anzutun, was dieser dem kleinen Wesen angetan hatte. Gottlob hat er in diesem Moment einen klaren Kopf bewahrt und das einzig Richtige getan. Deniz fragte Hans, der vielleicht 28 Jahre alt war, ob dieses kleine Wesen seines sei, was der mit einem kurzen „Ja“ beantwortete. Auf die Frage, wo er den Hund denn herhatte, sagte er: „Den Köter hat meine Alte mitgebracht, der pisst, scheißt und kotzt mir alles voll. Ich weiß gar nicht, was in die Alte gefahren ist und was ich mit dem Vieh soll. Dem Köter hab ich heute früh mein Rest Essen von gestern gegeben und er hat alles wieder rausgekotzt. Dem scheiß ich heute was mit Fressen.“

Der Adrenalin-Pegel war bei meinem Sohn am höchsten Punkt angekommen, und er hatte echte Mühe, sich zu bremsen. Er überlegte fieberhaft, was er machen könnte. Er wollte versuchen, egal wie, dieses kleine Wesen, das zweifelsfrei ein Hundewelpe war, zu retten. Der Kleine machte einen sehr schlechten Eindruck auf Deniz. „Ich wusste, wenn ich den Welpen nicht aus den Klauen dieses Mannes bekomme, ist der Hund verloren und wird sterben“, erzählte Deniz mir. Dann sagte mein Sohn zu Hans: „Komm, gib mir das Vieh, ich gebe dir auch 50 Euro dafür. Dann kannst du zum Bahnhof fahren und dir was Schönes gönnen, und du bist die Last mit dem Vieh los. Deiner Frau kannst du sagen, sie soll bloß nie wieder mit einem Tier bei dir ankommen.“

Das war offensichtlich Musik in den Ohren von Hans. Seine Augen leuchteten regelrecht. Er war mit diesem Geschäft sofort einverstanden. Mein Sohn hielt Hans die 50 Euro hin. Der nahm sie und ging ohne ein Wort zu sagen davon, drehte sich nicht einmal mehr um.

Dann nahm mein Sohn das kleine Wesen in seine Arme, löste den Strick vom Hals, streichelte ihn und redete ganz leise mit dem kleinen Welpen, der ein Golden Retriever war. „Ich musste mich zusammenreißen, damit ich nicht das große Heulen bekommen habe“, gab er mir gegenüber zu. „Ich war einfach nur überglücklich, den Kleinen aus den Händen dieses Kerls gerettet zu haben.“ Und dann standen die beiden vor der Arztpraxis und Deniz fragte sich: „Und nun?“ Er griff zum Telefon und wählte meine Nummer.

*

Ich kochte vor Wut. Ja, ich hätte mich beinahe vor lauter Wut sogar übergeben müssen. Je mehr mir mein Sohn erzählte, desto fester hielt ich die Kleine, die ein Knochengestell war (in der Zwischenzeit hatte ich festgestellt, dass es ein Mädchen war), in meinen Armen, und ich wusste, die kleine Maus lassen wir nie mehr gehen. So saßen wir nun im Auto und beratschlagten, was wir machen sollten. Während wir also nach einer Lösung suchten, fragte mich Deniz, ob wir mal an den Main runter fahren sollten, damit die Maus eventuell Pipi machen kann. Ich fand das auch eine gute Idee, und so startete ich den Motor und wir fuhren zum Main. Zusammen setzten wir die Kleine auf die Wiese. Doch sie wurde dabei immer kleiner und schaute ganz nervös hin und her. Im nächsten Moment wussten wir, nach was sie geschaut hatte. Sie flitzte auf ein dorniges, dichtes Gebüsch zu, sie wollte einfach nur flüchten und sich verstecken. Mein Sohn hinter ihr her. Da sie nicht dumm und auch noch sehr schnell war, hatte sie es erst einmal bis zum Gebüsch geschafft. Deniz hat Blut und Wasser geschwitzt. Doch er war ebenso schnell. Bevor die Kleine im Gebüsch verschwinden konnte, erreichte er sie und konnte sie wieder auf seine Arme nehmen. Der Schreck saß bei uns beiden ganz schön tief, denn ich weiß nicht, ob wir sie da wieder raus bekommen hätten. Wahrscheinlich hätten wir ein Buschmesser gebraucht. Aber egal, wir hatten sie wieder bei uns. Die Kleine zitterte wie Espenlaub konnte sich gar nicht richtig beruhigen. Da mit Pipi machen nichts drin war, nahmen wir sie und setzten uns auf eine Bank, als Deniz dann mit seiner Idee rüber kam. Ich wusste von meinem Sohn, dass er sich schon lange einen Hund zulegen wollte und fragte mich: „Muss es ausgerechnet dieses Etwas sein?“ Es kam, wie es kommen musste. Er wollte die Kleine gerne behalten, aber so wie ihr jetziger Zustand war, traute er sich das nicht zu. Er hatte große Angst, etwas falsch zu machen. Sie war ja noch so unwahrscheinlich klein und dünn, von dem Krankheitsbild, das ihr aus den Augen schaute, mal ganz abgesehen. Meine Söhne sind zwar mit einem Hund groß geworden, und Deniz hat auch eigentlich große Erfahrung mit Hunden, aber das war einfach zu viel des Guten. Der Anblick der Kleinen schmerzte ihn zu sehr.

So bat er mich also, die Kleine aufzupäppeln, ärztlich versorgen zu lassen und sie ihm danach „bitte, bitte“ wieder zurückzugeben. Er wollte auch jede Woche zu uns zu Besuch kommen und sich mit der Kleinen beschäftigen, damit der Kontakt zu ihr nicht abbrach. Also gesagt, getan. So wollten wir es machen.

Wir mussten noch zu einer Zoohandlung, da ich ja kein Welpenfutter zu Hause hatte, und dabei kam dann der zweite Schock. Wir standen am Auto, während mein Sohn die Kleine zwischen seine Füße setzte, weil er mir etwas geben wollte. Im gleichen Moment war die Maus auch schon wieder weg. Oh Schreck. Mein Sohn ist wie ein Torpedo abgegangen, rannte und suchte sie überall. Dann plötzlich schmiss er sich auf den Boden und schaute unter das Auto. Da kauerte sie und die Angst stand buchstäblich in ihren kleinen Augen. Deniz holte sie dort raus, nahm sie auf seinen Arm, und unser zweiter Schock war gottlob glimpflich zu Ende gegangen. Jetzt rannte ich schnell in die Zoohandlung, besorgte im Eiltempo die Dinge, die ich für die Kleine brauchte, und nichts wie wieder ab zum Auto. Ich wollte endlich nach Hause fahren, damit die Kleine zur Ruhe kommt. Ich fuhr Deniz zu seiner Wohnung, verabschiedete mich von ihm, legte der kleinen Maus ein Tuch in den Beifahrer-Fußraum und setzte sie darauf. Ich streichelte sie, versuchte sie zu beruhigen und sprach ganz sanft zu ihr. Sie beobachtete mich total misstrauisch und versuchte ständig meiner Hand auszuweichen. Ich habe es dann dabei belassen, machte den Motor an und schaute dabei zu ihr. Sie erschrak total und machte sich noch kleiner, als sie sowieso schon war. Ich blieb mit laufendem Motor noch einen Moment stehen, versuchte ihr gut zuzureden, damit sie etwas ruhiger wurde. Dann fuhr ich langsam los.

*

Während ich so unterwegs war, gingen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Unter anderem überlegte ich, wie ich sie wohl nennen sollte, und im gleichen Moment (ich weiß nicht wieso oder weshalb) kam mir der Name Sheyla in den Sinn. Der Name hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen und so beschloss ich, der Kleinen diesen Namen zu geben.

Jetzt, nachdem sich bei mir etwas Ruhe einstellte, fiel mir plötzlich wieder mein Mann ein, der ja sehnsüchtig auf Antwort von mir wartete. Aber ich überlegte hin und her, was ich machen sollte. Wenn ich Mehmet nun anrufen würde, wie sollte ich ihm diese Geschichte am Telefon erklären? Ich weiß heute nicht mehr ganz genau, ob ich ihn dann doch anrief oder ihm eine SMS schickte. Auf jeden Fall gab ich ihm die Nachricht, dass nichts Gravierendes passiert sei, er sich keine Sorgen machen brauchte und ich ihm alles erzählen würde, sobald ich zu Hause war. Zwischenzeitlich war er aber schon daheim angekommen, während ich noch unterwegs war. Die kleine Sheyla hat während der ganzen Fahrt keinen Mucks von sich gegeben, sie blickte mich nur immer wieder mal mit ihren ängstlichen Augen an.

Als ich daheim ankam, atmete ich erst einmal tief durch und ging dann ins Haus - ohne Sheyla. Mein Mann saß im Wohnzimmer, wo ich ihn begrüßte und sagte, er möchte doch bitte mal mit zum Auto kommen. Das Erste, was Mehmet mich fragte (so was kann nur ein Mann fragen): „Hast du das Auto geklatscht?“ Ich sah ihn an und sagt nur: „Mann, NEIN!“ Als wir zum Auto gingen, fragte mich mein Mann nach unserem Sohn. „Was war denn los?“ Worauf ich ihm antwortete: „Das ist es ja, warum du mit zum Auto kommen sollst.“

Ich ging vor dem Auto herum zur Beifahrertür und machte die Tür auf. Da saß die kleine Maus unverändert da, schaute uns mit ihren traurigen Augen an, dass es uns förmlich das Herz zerriss. Mein Mann blickte auf sie und sagte nur: „Mein Gott, was ist denn das?“ Er beugte sich zu ihr runter, sprach mit ihr und nahm sie auf seinen Arm. Ich hätte heulen können bei diesem Anblick. Mehmet war so hin und weg von der Kleinen, dass ich dann nur noch Nebensache war, ist ja auch begreiflich.

Bevor wir ins Haus gingen, setzten wir die Süße bei uns noch einmal auf die Wiese, da wir dachten, dass sie eventuell doch einmal Pipi machen würde. Aber sie wollte nur wieder flüchten. Ich rief meinem Mann zu, er solle sie festhalten, da sie große Panik hätte und nur flüchten wolle, um sich zu verstecken. Er holte sie dann wieder und wir gingen ins Haus, wo er sie erst einmal auf dem Schoß behielt. Nun erzählte ich ihm die ganze Geschichte und er war genauso zornig und voller Wut wie mein Sohn und ich es auch waren. Leider hat die kleine Sheyla dann durch uns auch noch einen Schock bekommen. Aber wir mussten sie baden. Sie war so verdreckt und voller Ungeziefer, dass uns nichts anderes übrig blieb. Beim Baden merkte ich erst einmal richtig, wie dünn sie war. Sie bestand ja wirklich nur aus Haut und Knochen. Ich konnte nur schwer einschätzen, wie alt sie war, aber älter als 6 bis 7 Wochen war sie auf keinen Fall. Nach dem Baden wog ich sie, sie brachte sage und schreibe nur 3600 Gramm auf die Waage. Benny, unser Golden-Retriever-Rüde, kam mit 8 Wochen zu uns und wog damals 6700 Gramm. Welch ein Unterschied das war, Wahnsinn.

Jetzt wollte ich ihr natürlich etwas zu fressen geben und machte eine Dose Welpenfutter auf. Bei dem Geruch wurde die Maus halb hysterisch und fing an zu schreien. Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen oder gehört. Ich stellte ihr den Napf auf den Boden und während ich noch meine Hand am Napf hatte, knurrte sie, biss um sich und schmiss sich regelrecht auf den Napf drauf. Mir kamen die Tränen, ich konnte es nicht fassen, dass so ein kleiner Hund solch einen Hunger leiden musste. Ich hatte ihr nicht so sehr viel Futter in den Napf getan, weil ich Angst hatte, dass sie zu viel auf einmal frisst. Das wollte ich verhindern. Nachdem der Napf schon lange leer war, schleckte sie ihn trotzdem weiter ab und schob ihn in der Küche umher. Ich glaube, sie hätte am liebsten den Napf gleich mit gefressen.

Nachdem die kleine Maus was gefressen hatte (wer weiß, wann sie das letzte Mal etwas bekommen hatte), ging der Tag auch schon seinem Ende zu. So bauten wir ihr ein schönes Nachtlager. Direkt neben unserem Bett und legten uns schlafen. Schlafen?? Können vor Lachen…

Kapitel 2

Ich weiß gar nicht mehr, wie lange wir versucht haben, Sheyla zu trösten und zu beruhigen. Auf jedem Fall hing der Arm meines Mannes die ganze Nacht in ihrem Nachtlager. Nicht unbedingt bequem für ihn. Wir wollten die Maus nicht noch mehr verschrecken, aber ins Bett sollte sie auch nicht. Ich konnte mich nur zu gut an unseren Berry erinnern, ein Langhaardackel. Den hatten wir nie mehr aus unserem Bett raus bekommen. Deshalb hatten wir uns geschworen, der nächste Hund, den wir uns anschaffen würden (das wurde dann unser Benny), durfte weder ins Bett, noch durfte er am Tisch betteln. Das war damals mit unserem Dackel manchmal dermaßen lästig und auch teilweise sehr peinlich gewesen.

Zum Beispiel wenn wir zum Essen gegangen sind und neben uns dann ein gieriger und vor Speichel triefender Hund stand. Manchmal hatte sich der kleine Dackel quer in unser Bett gelegt, so dass für uns kaum noch Platz war. Und somit haben wir uns schweren Herzens an diesen Schwur gehalten. Auch bei der Maus. Aber um es vorab schon einmal zu sagen, es hat super geklappt und es funktioniert auch heute noch einwandfrei bei unseren beiden Hunden, da sie es nicht anders kennen. Wenn wir beim Essen sitzen, kommen sie nicht einmal an den Tisch um zu schnuppern. Und wenn es zum Schlafen geht, kommen sie zwar mit in unser Schlafzimmer, und liegen bei uns, einer rechts, einer links oder beide auf einer Seite, neben den Betten und schlafen. Sie müssen beide mit ins Schlafzimmer gehen, denn sie wollen unsere Nähe spüren, sonst sind sie nicht glücklich. Aber das dürfen sie ja auch liebend gern machen.

Bis ich am Vormittag des nächsten Tages zum Tierarzt fahren konnte, hatte sich Sheyla schon mehrere Male erbrochen und Durchfall gehabt. Der Tierarzt untersuchte sie ganz besonders gründlich, nachdem ich ihm die ganze Situation geschildert hatte. Er meinte, die Maus könnte eventuell ja auch aus dem Ausland gekommen sein. Wie sollte sonst ein Mensch wie Hans so günstig an solch einen Hund herankommen? Daran hatte ich bis dahin noch gar nicht gedacht. Als der Tierarzt die Maus abgehört hatte, rumpelte es fürchterlich in ihrem kleinen Bäuchlein, aber er meinte: „Wir bekommen das schon hin.“ Höchstwahrscheinlich hatte die Kleine ja auch keine Impfung erhalten. Damit wollte er noch etwas warten, bis sie zumindest ihren Durchfall los wäre. Er gab Sheyla zwei Spritzen, und mir gab er diverse Medikamente mit. Außerdem sollte ich die Maus noch mit Diätfutter füttern. Das Diätfutter bekam ich vom Arzt mit. Zudem holte ich ihr auch noch Welpenmilch, weil ich dachte, das kann ihr eigentlich nur gut tun.