Sie werden Dich holen - Roland Breckert - E-Book

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Roland Breckert

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Beschreibung

Sie werden Dich holen von Roland Breckert In Sie werden Dich holen entfaltet sich eine düstere Horrorgeschichte um ein grausames Monster, das in menschlichen Wirten lebt, sich von innen heraus regeneriert und schließlich ausbricht, um seine blutigen Triebe zu stillen. Jan Goldschmitt, ein 36-jähriger Polizist, wird in einen brutalen Fall hineingezogen, als verstümmelte Leichen auftauchen, die auf grauenhafte Weise getötet und teilweise gefressen wurden. Der scheinbare Erfolg bei der Zerstörung eines der Wesen wird schnell zur Täuschung, als Jan herausfindet, dass das Monster seine Wirte nutzt, um Nachwuchs zu züchten – und dass es nicht nur einen von ihnen gibt. Zusammen mit seiner Kollegin Elena kämpft er sich durch den Schrecken, doch das Monster scheint immer einen Schritt voraus zu sein.

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Titel: Sie werden Dich holen

Autor: Roland Breckert

Biografie:

Roland Breckert wurde 1982 in Hamburg geboren und entwickelte bereits in jungen Jahren eine Faszination für das Dunkle und Unheimliche. Schon als Kind begeisterte er sich für Schauergeschichten und las mit Vorliebe Werken von Edgar Allan Poe, HP Lovecraft und Stephen King. Diese frühen Einflüsse prägten Breckerts einzigartige Art, Horror zu schreiben: tiefgründig, atmosphärisch und oft mit einem Hauch von psychologischem Schrecken.

Nach seinem Studium der Literaturwissenschaft in Heidelberg arbeitete Breckert zunächst als Journalist und Redakteur, bevor er sich dem Schreiben eigener Geschichten widmete. Sein literarisches Debüt gab er mit der Kurzgeschichtensammlung Schatten im Spiegel , die von Kritikern als gelungene Mischung aus klassischem und modernem Horror gelobt wurde. Mit seinem ersten Roman Sie werden Dich holen gelang ihm der Durchbruch. Das Buch faszinierte Leser mit seiner intensiven Atmosphäre, komplexen Charakteren und einer unvergesslichen, schaurigen Prämisse.

Breit gefächerte Einflüsse – von klassischer Literatur bis hin zu aktuellen Filmproduktionen – spiegeln sich in Breckerts Werk breiter. Er ist dafür bekannt, Horror nicht nur als Genre, sondern auch als Mittel zur Auseinandersetzung mit menschlichen Abgründen zu nutzen. Seine Geschichten beleuchten die Ängste, die tief in der menschlichen Psyche verwurzelt sind, und konfrontieren Leser mit der Frage, wie weit sie für ihr eigenes Überleben gehen würden.

Heute lebt Roland Breckert mit seiner Familie in einer kleinen Stadt an der Nordsee. Wenn er nicht schreibt, verbringt er seine Zeit mit Spaziergängen am Strand, wo er oft Inspiration für neue Geschichten findet. Neben seiner Tätigkeit als Autor hält Breckert regelmäßig Lesungen und Workshops, in denen er seine Liebe zum Horrorgenre mit anderen teilt.

Mit Sie werden Dich holen und weitere geplante Projekte gilt Roland Breckert als einer der aufstrebenden Sterne am Himmel der deutschsprachigen Horrorliteratur. Sein Name steht für Spannung, Nervenkitzel und die unheimliche Art, Leser in die Gründe der menschlichen Seele zu entführen.

Kapitel 1: Ein grausamer Fund

Es war ein düsterer Novembermorgen, als Jan Goldschmitt zum ersten Mal mit dem Schrecken konfrontiert wurde. Der Himmel hängt tief und schwer über der Stadt, als wolle er die Welt in einer grauen Decke ersticken. Nebel kroch über die Straßen, verdunkelte das Tageslicht, das nie ganz durchdrang. Der feuchte, kalte Wind zerrte an den Trümmern der verlassenen Häuser, die wie Gespenster aus der Vergangenheit wirkten. Es war dieser typische Novembertag, an dem alles still und leer zu sein schien. Und doch, genau an diesem Morgen, sollte Jan entdecken, dass die Stille trügerisch war.

Er war gerade auf dem Weg zur Arbeit, als das Telefon klingelte. Ein neuer Einsatz. Jan stöhnte auf, als er die Nummer auf dem Display sah. Es war der Dienststellenleiter, der nach einem „Routineeinsatz“ fragte – ein Satz, der bei Jan immer Alarmglocken schrillen ließ. Routineeinsätze waren oft die schlimmsten. Als er dem Gespräch entgegennahm, konnte er den besorgten Unterton in der Stimme seines Vorgesetzten hören.

„Jan, du musst sofort nach Altenheim an der Eichstraße. Ein weiterer Mord. Es ist... es ist ziemlich hässlich. Du weißt schon, was ich meine.“

Jan wusste genau, was gemeint war. „Verstanden, ich bin unterwegs“, antwortete er und legte auf. Er griff nach seiner Mütze, zog sie tief ins Gesicht, bevor er in seinen Streifenwagen stieg. Der Motor sprang mit einem Knurren an, als er die verlassene Straße entlangfuhr. Der Regen hatte inzwischen begonnen, auf dem Autodach zu trommeln, als wolle er den Tag selbst ertränken. Doch nichts schien Jan so sehr zu bedrücken wie das Gefühl der Vorahnung, das ihn seit einiger Zeit verfolgte.

Es war nicht das erste Mal, dass er zu einem Mordfall aufgerufen wurde, sondern etwas an diesem war anders. In letzter Zeit häuften sich die brutalen Morde. Junge Frauen, alle auf schreckliche Weise verstümmelt, ihre Körper von blutigen Fetzen bedeckt, als hätte ein Raubtier sie zerfleischt. Doch die Polizei hatte keine Spuren, keine Hinweise auf den Täter. Die Ermittlungen führen ins Nichts. Immer wieder stießen sie auf Mauern, und Jan konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas Unheimliches, etwas Abnormales im Gange war.

Als er das Altenheim erreichte, war der Ort von Polizisten und Sanitätern überflutet. Das Gebäude, einst ein Heim für Senioren, hatte in den letzten Jahren an Glanz verloren. Es lag wie ein morbides Relikt aus einer besseren Zeit in der tristen Landschaft. Jan parkte den Wagen, zog sich die Jacke enger um den Körper und trat durch die Hintertür, wo er von einem Kollegen erwartet wurde.

„Chef, da drüben“, sagte der Polizist mit blassem Gesicht und deutete auf die Treppe, die in den Keller führte.

Jan nickte und ging in die Richtung, die ihm gezeigt wurde. Als er die Treppe hinabstieg, war der Geruch von Blut und Verfall allgegenwärtig. Der Kellergang war schummrig, nur schwaches Licht sickerte aus den Lampen, die an den Wänden hingen. Der Boden war mit dunklen Flecken übersät. Er sah den Tatort, bevor er ihn wirklich spürte. Es war, als würde sich der Boden unter ihm zusammenziehen. Die Luft war dick und schwer, schnell erstickend.

Im Raum, der als Abstellkammer genutzt wurde, lag das Opfer – eine junge Frau, Anfang zwanzig, ihre blonden Haare blutgetränkt und zerzaust. Ihr Körper war in einem schrecklichen Zustand, als hätte man ihn in Stücke gerissen und dann wieder zusammengesetzt. Ihre Haut war blass, fast gräulich, und die Augen... Jan konnte den Blick nicht ertragen. Das eine war weit aufgerissen, das andere geschlossen – doch das offene Auge war... gelb. Ein grelles, reptilienartiges Gelb, das im schummrigen Licht der Lampe schimmerte.

„Was ist das für ein... für ein Ungeheuer?“, murmelte Jan und trat näher, sein Herz pochte in seiner Brust wie ein dumpfer Schlag.

Der Kollege stand abseits, sichtlich mitgenommen, und wischte sich über die Stirn. „Wir haben keine Ahnung, was das war. Keine Waffe, keine Hinweise, keine Spuren von Gewalt. Und das Auge... das... es ist einfach... unheimlich.“

Jan kniete sich neben den Leichnam und inspizierte den Körper. Die Verletzungen waren eindeutig – keine typischen Messerstiche oder Schusswunden. Es war, als hätte jemand mit messerscharfen Klauen zugegriffen, tiefe, klaffende Wunden an den Gliedmaßen, das Gesicht entstellt. Doch die Klauen, die tiefe Hautrisse hinterlassen hatten, waren nicht von einem Menschen. Es war, als hätte ein Tier... nein, etwas anderes, Unmenschliches, hier zugeschlagen.

„Was haben wir hier, Kumpel?“ Jan sah zu dem Kollegen auf, der zu ihm trat. „Kein Tier, keine menschliche Tat.“ Das ist... irgendetwas anderes.“

„Du hast recht“, stimmte der Polizist zu und wirkte nun noch nervöser. „Und da ist noch etwas, das du dir ansehen solltest.“ Er griff nach einem Notizbuch und Jan eine Zeichnung. Es war eine Skizze des Opfers. Aber was die Zeichnung besonders gemacht hat, war das Auge, das genau gleich aussah wie das der Leiche. Gelb. Reptilienartig.

„Ich hab' das schon bei den anderen gesehen“, murmelte der Kollege. „Die anderen Opfer hatten auch dieses Auge... das hier.“ Jan stand auf, sein Körper starr vor Anspannung. Ein Schauer lief ihm über den Rücken.

„Wie viele Opfer?“

„Drei bisher. Aber... wir haben es niemandem gesagt. Wir dachten, es sei einfach... Zufall. Nur dieses eine Auge...“

Jan starrte auf die Leiche, den Blick auf das gelbe, reptilienartige Auge gerichtet. Er wusste, dass dies kein Zufall war. Irgendetwas Dunkles und Unvorstellbares war hier am Werk. Etwas, das nicht in die Welt passt, wie sie sie kannten.

„Das hier ist kein Zufall“, sagte Jan leise, mehr zu sich selbst als zu seinen Kollegen. „Und es wird nicht bei diesem einen Opfer bleiben.“ Er atmete tief ein, der kalte Luftzug kroch in seine Lunge, als wolle er ihn von innen heraus erfrieren. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass dieser Fall ihn weit über das hinausführen würde, was er sich je vorgestellt hatte.

Ein neues Kapitel der Angst hatte begonnen, und Jan war derjenige, der es aufschlagen musste.

Kapitel 2: Gedanken im Nebel

Zurück im Büro lehnte Jan sich in seinem Stuhl zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. Das schwache Licht seiner Schreibtischlampe erhellte den Raum nur spärlich, und die Schatten an den Wänden schienen zu tanzen, als würden sie sich über ihn lustig machen. Vor ihm lagen die Fotos des Tatorts, jede Einzelheit dokumentiert. Doch je länger er sie ansah, desto weniger konnte er die Details begreifen. Das gelbe Auge starrte ihn förmlich von den Bildern an, und ein Schauer kroch seinen Rücken hinauf. Es fühlte sich an, als würde ihn das Opfer immer noch ansehen, als wollte es ihm etwas sagen.

Er nahm einen tiefen Schluck von seinem kalten Kaffee, der auf dem Schreibtisch stand. Bitter. Wie der Tag. Wie die Gedanken, die ihm nicht aus dem Kopf gingen. Die Verstümmelungen, das unmenschliche Muster der Wunden – das alles passte nicht zusammen. Es war ein Puzzle, dessen Teile nicht zu existieren schienen. Doch was ihm am meisten Sorgen bereitete, war dieses Auge. Er hatte in all den Jahren als Polizist vieles gesehen, aber das war anders. Es fühlte sich falsch an, auf einer Ebene, die er nicht erklären konnte.

Sein Blick schweifte durch das Büro. Es war spät, und fast alle Kollegen waren nach Hause gegangen. Nur wenige waren geblieben, und die gedämpften Geräusche von Tastaturen und Telefonen klangen wie ferne Echos. Jan spürte, wie die Müdigkeit an ihm zog, aber der Gedanke, nach Hause zu gehen, war ebenso erdrückend. Zu Hause würde er allein sein mit seinen Gedanken. Und die schienen immer lauter zu werden.

Schließlich zwang er sich, die Akten in seinen Rucksack zu packen und das Büro zu verlassen. Draußen hatte der Regen zugenommen. Er prasselte auf den Asphalt und verwandelte die Straßen in spiegelnde Oberflächen, die das flackernde Licht der Laternen zurückwarfen. Der Nebel hatte sich wieder verdichtet und lag schwer in der Luft, wie eine unsichtbare Decke, die die Stadt einhüllte.

Jan stieg in seinen Wagen, startete den Motor und fuhr langsam durch die stillen Straßen. Der Scheibenwischer kämpfte gegen die dichten Regentropfen an, doch die Welt blieb verschwommen. Auf dem Beifahrersitz lagen die Fotos und Berichte, und immer wieder wanderte sein Blick dorthin, als könnten sie ihm Antworten liefern.

Zu Hause angekommen, öffnete er die Tür seiner Wohnung und wurde von der vertrauten Stille empfangen. Er zog seine durchnässte Jacke aus, ließ sie achtlos auf einen Stuhl fallen und stellte sich kurz ans Fenster, um hinaus in die Dunkelheit zu blicken. Die Lichter der Stadt waren kaum sichtbar durch den Regen, und Jan fragte sich, wie viele Menschen dort draußen in Sicherheit schliefen, ohne zu wissen, was für ein Schrecken in ihrer Nähe lauerte.

Er hatte sich gerade hingesetzt und ein Bier geöffnet, als sein Handy klingelte. Der Name „Tom“ leuchtete auf dem Display auf. Jan runzelte die Stirn. Tom war einer der Kollegen, die heute am Tatort gewesen waren, und er wusste, dass auch er sich schwer tat, die grausamen Bilder aus seinem Kopf zu bekommen.

„Tom? Alles okay?“ fragte Jan, nachdem er den Anruf angenommen hatte.

„Nein, Mann, überhaupt nicht“, antwortete Tom mit rauer Stimme. „Ich kann einfach nicht aufhören, an diesen Fall zu denken. An das... Auge. Es ist, als hätte es mich angestarrt, Jan. Ich weiß, das klingt verrückt, aber... irgendwas stimmt da nicht.“

Jan seufzte. „Ich weiß, was du meinst. Es fühlt sich an, als hätten wir es mit etwas zu tun, das nicht in unsere Welt gehört. Aber wir können uns jetzt keine Spekulationen erlauben, Tom. Wir brauchen Beweise, Fakten.“

„Beweise?“ Tom lachte kurz, ein nervöses, gebrochenes Geräusch. „Was für Beweise, Jan? Dieses Ding, was auch immer es ist, hinterlässt nichts. Keine Spuren, keine Zeugen – nur diese... diese Verdammnis, die wir fühlen.“

Jan schwieg. Er wollte Tom nicht widersprechen, weil er selbst das Gleiche empfand. Doch er wusste, dass er jetzt stark bleiben musste – für sich selbst und für seine Kollegen. „Geh nach Hause, Tom“, sagte er schließlich. „Versuch zu schlafen. Wir werden das morgen zusammen angehen.“

„Ja... vielleicht hast du recht“, murmelte Tom und legte auf.

Jan legte das Handy beiseite, lehnte sich zurück und rieb sich die Schläfen. Die Müdigkeit war wie ein bleierner Schleier über ihm, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Stattdessen drangen die Bilder des Tatorts immer wieder in seine Gedanken, und die gelben Augen verfolgten ihn in der Dunkelheit.

Es war spät, als er die Haustür hörte. Bianca, seine Freundin, trat herein, den Regenschirm in der einen Hand, die nassen Schuhe in der anderen. Sie war eine willkommene Ablenkung von den düsteren Gedanken, die Jan in den letzten Stunden heimgesucht hatten.

„Hey, du bist noch wach?“ fragte sie mit einem Lächeln, als sie ihre Schuhe abstellte und ihn ansah.

„Ja“, murmelte Jan. „Konnte nicht schlafen.“

Bianca trat näher, legte ihm die Hände auf die Schultern und beugte sich zu ihm hinunter. Ihre langen, dunklen Haare waren noch feucht vom Regen, und ihr Duft erfüllte den Raum – ein beruhigender Kontrast zu der bedrückenden Stimmung, die Jan mitgebracht hatte.

„War’s schlimm heute?“ fragte sie leise, während sie sanft seinen Nacken massierte.

„Schlimmer als sonst“, gab Jan zu und ließ den Kopf hängen. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es war... grausam. Unnatürlich.“

„Du arbeitest zu viel, Jan“, sagte sie und setzte sich auf seinen Schoß. „Du brauchst einen Ausgleich. Du kannst nicht die ganze Welt retten.“

„Ich weiß“, antwortete er, doch seine Stimme klang schwer.

Bianca strich ihm mit den Fingern durch die Haare, sah ihm tief in die Augen und lächelte verschmitzt. „Weißt du, ich könnte dir helfen, ein bisschen zu entspannen“, sagte sie leise und näherte sich seinem Ohr.

Jan zog eine Augenbraue hoch. „Oh ja? Wie denn?“

Bianca grinste breit, beugte sich näher und flüsterte: „Du hast nicht gerade zufällig Zeit und Lust auf einen Blowjob?“

Er konnte nicht anders, als kurz zu lachen, die Spannung in seinem Körper ließ ein wenig nach. „Du bist unglaublich, weißt du das?“

„Ja, das weiß ich“, antwortete sie spielerisch und begann, ihn zu küssen.

Für einen Moment ließ Jan die dunklen Gedanken los und gab sich dem Trost und der Wärme hin, die Bianca ihm bot. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass der Schrecken, den er am Tatort gesehen hatte, nicht so leicht verschwinden würde.

Kapitel 3: Die Stille der Nacht

Jan wachte am nächsten Morgen mit einem dumpfen Gefühl der Erschöpfung auf. Der Wecker klingelte, und der spärliche Sonnenaufgang, der durch die Vorhänge sickerte, schien die Dunkelheit nicht vertreiben zu können, die in ihm lastete. Der gestrige Abend, in dem Bianca versucht hatte, ihm mit Nähe und Zärtlichkeit zu helfen, hatte ihn zwar für einen Moment abgelenkt, doch die Bilder aus dem Fall verfolgten ihn immer noch. Der grausige Anblick der Leiche, das gelbe, reptilienartige Auge – all das war zu einem Albtraum geworden, der nicht verblassen wollte.

Bianca hatte sich schon längst auf den Weg zur Arbeit gemacht, ohne zu wissen, wie tief der Fall in Jan gegraben hatte. Sie hatte ihm ein kurzes Kuss auf die Wange gedrückt und ihm geraten, sich nicht zu sehr in den Fall zu verbeißen. Doch das war leichter gesagt als getan. Jan war ein Polizist durch und durch, und sein Job ließ ihm wenig Raum für Abschalten oder Entspannung. Der Fall hatte ihn in einem Griff, den er nicht lösen konnte, und der Gedanke an das, was er gesehen hatte, verwehrte ihm den klaren Kopf.

Er schälte sich aus dem Bett und trat in die Dusche. Das heiße Wasser brannte auf seiner Haut, doch es half ihm nicht, die innere Kälte zu vertreiben. Nach der Dusche fühlte er sich nur wenig besser. Er zog sich an, goss sich hastig einen Kaffee ein und starrte aus dem Fenster. Die Welt draußen war nach wie vor in graue Nebel gehüllt, die Straßen menschenleer. Es war der perfekte Tag, um über den Fall nachzudenken.

Doch als er sich in seinen Wagen setzte und die Strecke zur Dienststelle fuhr, wurde er von einer anderen Art von Stille umhüllt. Diese Stille, die auf den Straßen lag, war nicht von der beruhigenden Art, wie sie oft am frühen Morgen vorkam. Nein, sie war bedrohlich, wie das Schweigen vor einem Sturm. Jan konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass der Fall etwas Größeres und Unheimlicheres war als nur ein Mord. Irgendetwas stimmte nicht – und das, was da auf ihn zukam, war längst nicht vorbei.

Im Büro angekommen, wurde er sofort von seinem Kollegen Markus in den Fall verwickelt. Markus war ein alter Hase, einer, der bereits viele grausame Verbrechen gesehen hatte, aber auch er war sichtbar beunruhigt. „Jan, du weißt doch, dass ich solche Sachen schon oft gesehen habe, aber das hier... das fühlt sich nicht richtig an“, sagte er, als er sich mit einem großen Stapel von Fotos auf Jan’s Schreibtisch setzte.

Jan nickte nur, nahm ein Foto in die Hand und starrte darauf, als könnte es ihm endlich den Schlüssel zum Fall liefern. Doch es waren nur weitere Bilder von der Leiche, immer dasselbe, das gleiche verstümmelte Bild. Die Augen. Das gelbe Auge. Immer und immer wieder.

„Es gibt immer noch keine Spuren, die auf den Täter hindeuten“, fuhr Markus fort. „Kein DNA-Material, keine Fingerabdrücke... Nichts, was darauf hindeutet, dass ein Mensch dahintersteckt. Aber die Wunden... diese Klauen.“ Er fuhr sich über das Gesicht und seufzte tief. „Ich habe mit den anderen Kollegen gesprochen. Einige von ihnen haben von dem gleichen Gefühl berichtet, das du hast. Es ist, als würde uns dieser Fall in eine Richtung treiben, in die wir nicht wollen.“

„Weißt du, was ich mir immer wieder frage?“ Jan sah auf, seine Augen waren schmal. „Warum immer junge Frauen? Warum diese Brutalität?“