Silebia - Karin Steinlechner - E-Book

Silebia E-Book

Karin Steinlechner

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Beschreibung

Die Geschichte Die junge Studentin Onu lebt in der hochtechnisierten Stadt Silebia, geschützt vor der Außenwelt durch eine riesige Glaskuppel. Hier gelten die Regeln des Stillen Knigge. Es gilt ein striktes Sprechverbot und sonstige Geräusche sind auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Überwacht und kontrolliert werden die Menschen durch die Regierung. Bevor die Menschen durch die Große Stille erlöst wurden, gab es überall auf der Welt Kriege, Hungersnöte und Elend. Die Gehörten waren dabei die Wurzel allen Übels. Die Gehörten benutzten ihre Stimmen, um die Menschen zu verzaubern und in ihren Geist einzudringen. Die technische Entwicklung wurde durch die Gehörten nicht beschnitten. Durch die fortschreitende Technologie war es einigen Rebellen möglich, sich im Geheimen zu organisieren und Pläne für den Umsturz zu schmieden. Durch absolute Kontrolle jedes einzelnen Menschen wurden die Gehörten besiegt. Die Menschen sind heute über ihr persönliches Nofagem mit dem Netz von Silebia verbunden. Die Kommunikation und das täglichen Lebens finden online statt. Es herrscht Zufriedenheit in der Bevölkerung. Jeder ist versorgt und die freie Zeit wird im Netz verbracht. Die technische Revolution hat die Magie besiegt. In diesem Glauben ist Onu aufgewachsen. Bis ein mysteriöser Fremder erscheint und ihr geordnetes Dasein gehörig auf den Kopf stellt. Sie muss erkennen, dass nichts so ist wie es auf den ersten Blick scheint und sie sich nicht mehr auf ihr Wissen verlassen kann. Was hat es mit den Gehörten und deren Magie wirklich auf sich? Auf ihrem Weg lüftet sie ein furchtbares Geheimnis über die Vergangenheit. Onu erkennt, dass sie ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen muss. Wird sie ihr Schicksal akzeptieren und erfüllen können?

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Seitenzahl: 283

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Hauch der Stille

Fantasy-Roman

Texte:

© 2025 Copyright by Karin Steinlechner

Umschlaggestaltung:

© 2025 Copyright by Karin Steinlechner

Verlag:

Karin Steinlechner

Kepplerburg 8

51491 Overath

[email protected]

Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Für Micha

Mein Ein und Alles,

bei dem mein Lieblingsplatz´l ist.

Zwei wie wir können sich nie verlier´n

Inhalt

Die Stille Prophezeiung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Über die Autorin

Die Stille Prophezeiung

Ein gehauchtes Wort wird genügen, um die Herrscher zu entmachten.

Ein gehauchtes Wort wird die Welt in die Verdammnis stürzen.

Ein gehauchtes Wort bedeutet das Ende aller Tage.

gez. ein Beobachter

Prolog

Inschrift am Platz der Stille

SILEBIA

Die Große Stille war die Erlösung.

Durch sie wurde alles Böse verbannt.

Wer das Schweigen bricht, öffnet ein Tor für die unsäglichen Übel, die außerhalb unseres Horizontes lauern.

Die obersten Herrscher wachen über die Menschheit und die Stille.

Und sie hören alles.

Kapitel 1

Es war still.

Das war nichts Ungewöhnliches, sondern der Normalzustand. Und eigentlich machte Onu die Stille nichts aus, im Gegenteil, sie genoss diese in vollen Zügen. Manchmal meldete sich allerdings eine hartnäckige Stimme in ihrem Inneren, die ihr seltsame Dinge ins Ohr flüsterte.

„Worte müssen gesprochen, nicht geschrieben werden!“

„Schrei so laut du kannst!“ „Benutze Sie!“

Sie hatte deswegen schon ein paar Nachforschungen im Netz durchgeführt, diese waren aber nicht von Erfolg gekrönt gewesen, da ihr Nofagem sie lediglich auf einige verschlüsselte Seiten verwies, zu denen ihr der Zugang verweigert war. Es handelte sich also um ein heikles Thema, soviel stand fest. Nur die schlimmen Dinge wurden verschlüsselt zum Schutz, damit sich die Menschen damit nicht belasten mussten. Das war Aufgabe der Regierung. Onu hatte leider keine Kontakte zur Regierung und selbst wenn sie über diese verfügt hätte, war sie sich nicht sicher, ob sie diese genutzt hätte. Sie fühlte sich bei dem Gedanken unwohl, ihren „Defekt“ anderen Leuten mitzuteilen. Sie hatte es so schon schwer genug, da wollte sie sich nicht noch mit weiteren Psychologen befassen müssen. Innerlich seufzend schlug Onu ihre Augen auf. Schlaf würde sie heute keinen mehr finden. Ihr Berührungswecker würde erst in zwei Stunden anspringen. Genug Zeit also um sich eine ausgiebige Dusche mit anschließendem Frühstück zu gönnen. Sie schickte mit einem Anflug von schlechtem Gewissen wegen der frühen Uhrzeit eine Nachricht per Nofagem an das Küchenpersonal, schnappte sich ein paar frische Klamotten aus ihrem Kleiderschrank und verschwand ohne ein Geräusch verursacht zu haben im Bad. Darauf war sie stolz, denn es war gar nicht so einfach die Etikette und Regeln einzuhalten. Jegliche Geräusche die man verursachte wurden registriert und ins Netz eingespeist. Es wurde zwischen absichtlich verursachten, vermeidbaren und natürlichen Lauten unterschieden. Sie hatte sich in den letzten 10 Jahren keinen einzigen Fehltritt geleistet, was eine akzeptable Leistung war in den Augen ihrer Lehrer und ihrem Mindestanspruch genügte. Es war der Zeitraum ihres gesamten Erwachsenendaseins. An ihre Kindheit dachte sie nicht gerne zurück, zumal ihre Erinnerungen nur bruchstückhaft waren. Sterile weiße Räume mit Sensoren in allen Ecken, die jede Regung und jeden Laut aufzeichneten. Jedes Geräusch wurde bestraft in Form von Entzug von Essen und Isolation von den anderen Kindern. Und sie erinnerte sich an die Schmerzen in ihren Ohren und in ihrem Kopf. Doch auch mit diesen Erinnerungen schien etwas nicht zu stimmen, denn niemand anderes den sie angeschrieben hatte, konnte sich an solche Dinge erinnern. Sie hatten zwar auch Erinnerungen an schlechtere Zeiten, Misserfolge und dergleichen, aber nicht an so drastische Strafen wie es bei Onu der Fall war. Laut ihren Professoren verfügte sie schon immer über ein Übermaß an Fantasie, so dass es ihrer Meinung nach keine Erinnerungen in dem Sinne waren, sondern die Hirngespinste eines kleinen Mädchens, das Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Onu hatte diese Erklärung letztlich akzeptiert, aber es blieb dennoch ein ungutes Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimmte, bei ihr zurück. Onu tippte den Befehl zum Starten der Dusche in ihr Nofagem und wartete einen kurzen Moment, bis das Wasser die richtige Temperatur erreicht hatte. Dann schlüpfte sie aus ihrem Nachthemd und hinein in das warme Nass. Sie unterdrückte einen tiefen Seufzer, der ihr zu entschlüpfen drohte. Das Prasseln der Wassertropfen wirkte derart beruhigend, ja fast hypnotisierend auf Onu, dass es schwer für sie war, die Geräusche die dadurch verursacht wurden, als unschicklich zu betrachten. Sie war einfach von jedem Laut fasziniert, die kleinen dumpfen Aufschläge der Tropfen auf ihrer Haut hörten sich so gut und richtig an. Doch das bedrohlich wirkende rote Aufleuchten der Geräuschsensoren holte sie schnell wieder in die Wirklichkeit zurück. Es dauerte zwar nur zwei Sekunden, bis der Abgleich zwischen Netz und Nofagem erledigt war und das grüne Aufleuchten die Geräusche als unvermeidbar und natürlichen Ursprunges eingestuft hatte, dennoch war die gemütliche und private Atmosphäre gründlich zerstört. Onu machte ein säuerliches Gesicht, da sie sich ertappt fühlte auf eine Weise, die sie nicht erklären konnte. Schließlich war ja alles in Ordnung und ihre Gedanken gehörten, Gott sei Dank, immer noch ihr und konnten nicht gescannt werden. Die ständigen Kontrollen hinterließen einfach einen bitteren Nachgeschmack bei ihr, auch wenn sie mit dieser Empfindung scheinbar alleine dastand.

Fünfzehn Minuten später saß sie alleine an einem reichlich gedeckten Frühstückstisch. Das Hauspersonal hatte mal wieder einen hervorragenden Job gemacht, alles war nach ihren Vorlieben angerichtet worden. Und wieder hatte sie niemanden zu Gesicht bekommen, bei dem sie sich persönlich bedanken konnte. Wenigstens einmal wollte sie ihren „fleißigen Bienen“, wie Onu die Angestellten heimlich nannte, zulächeln und sich persönlich bedanken für die ganzen Mühen. Aber das sah die Etikette nicht vor. Sie war eine Privilegierte und hatte auch hart für diesen Status gearbeitet. Nur diejenigen, die die Prüfungen mit Auszeichnung bestanden, durften danach an der Universität in Silebia studieren. Um sich ein wenig von ihren trüben Gedanken abzulenken, benutzte Onu den integrierten Touchscreen des Küchentisches. Sie brauchte nur wenige Augenblicke bis sie sich zu den Nachrichten navigiert hatte. Möglichst leise kauend, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, begann sie die aktuellen Meldungen zu studieren. Viel Neues gab es nicht zu lesen. Die Kriminalitätsrate war nochmals gesunken auf ein historisches Minimum von gerade einmal 0,1 Prozent. In Silebia gab es keine Arbeitslosigkeit, der Beschäftigtenstatus belief sich auf 100 Prozent. Lediglich die Geburtenraten ließen zu wünschen übrig, doch laut den Herrschern war es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch dieses Problem gelöst war. Für Onu wurde es Zeit sich auf den Weg zur Universität zu machen. Sie leerte ihren Teller und hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie die Reste des üppigen Frühstückes einfach so stehen ließ, aber sie musste sich sputen, damit sie pünktlich ankam. Sie schlüpfte in ihre weich gepolsterten Turnschuhe, die extra so entworfen worden waren, dass man beim Auftreten, auch wenn man etwas schneller unterwegs war, kaum ein Geräusch verursachte. Sie liebte das weiche Gefühl bei jedem Auftreten, denn sie musste sich nicht immer wieder ins Gedächtnis rufen möglichst leise zu gehen. Das erledigten ihre Schuhe von ganz alleine. Onu erreichte die Schwebebahn nach gut fünf Minuten. Es herrschte kaum Betriebsamkeit auf den Straßen, die meisten Menschen gingen nur hinaus, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Die alltäglichen Arbeiten ließen sich dank der fortgeschrittenen Technik allesamt von zu Hause aus regeln. Normalerweise konnte Onu ihre Studien ebenfalls von ihrem Heim aus nachgehen, jedoch war ihr Zugang von dort aus eingeschränkt. Es gab im Netz einige Wissenssektoren, die unter strenger Beobachtung standen und zu denen man nur unter Aufsicht Zugang erhielt. Dieses Privileg hatte sie sich durch ihre hervorragenden Noten verdient. Und genau diese Aussicht auf Zugang zu den geheimen Bereichen war der Grund für Onu gewesen, sich für die Universität zu interessieren. Sie war schon immer sehr neugierig und wissbegierig gewesen, aber im Grunde genommen ging es ihr um die geheimen Dinge, die es zu entdecken galt. Diese übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft und Faszination auf sie aus, was sie offiziell natürlich nicht zugeben würde. Denn die Zielsetzung der Studien deckte sich mit Sicherheit nicht mit ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen. Sie wollte die Geschichte ihrer Zeit erforschen, wollte Wissen erlangen, zu dem die meisten Menschen niemals Zugang erhalten würden. Dafür musste sie sich als würdig erweisen. Und würdig bedeutete in diesem Fall eine perfekte Anpassung an die Vorschriften. Sie war auf einem sehr guten Wege, dass hatte ihr Professor Taro auf eine zwar sehr unkonventionelle Art und Weise zu verstehen gegeben, aber darüber konnte sie hinwegsehen. Er hatte ihr eine handgeschriebene Notiz zukommen lassen, dass sie nur noch ihre Meisterarbeit abschließen musste. Danach würden ihr alle Türen innerhalb der Universität offenstehen. Onu wunderte sich zwar, warum Professor Taro ihr diese positiven Nachrichten auf eine so altmodische Weise hatte zukommen lassen, aber ihre Freude war einfach zu groß, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Vielleicht war es ein Zeichen seiner besonderen Wertschätzung für sie und ihre Fortschritte, da Papier sehr wertvoll war in einer Welt, die fast ausschließlich digital funktionierte. Außerdem brauchte sie nun all ihre Konzentration, um sich auf ihre Meisterarbeit zu fokussieren. Ihr durfte kein Fehler unterlaufen, sonst wären alle Bemühungen umsonst gewesen. Ganz in ihren Gedanken versunken sah Onu der beinahe lautlos heran schwebenden Bahn entgegen. Sie zog ihr Nofagem aus der Tasche und hielt es an die kleine Anzeige rechts neben der Schiebetür, sobald der Zug zum Stehen gekommen war. Geräuschlos glitten die Türen auseinander, sobald der Scanvorgang abgeschlossen war. Onu konnte nicht umhin zu bewundern, wie leicht es war, mithilfe des Netzes und der Nofagem den Alltag zu bewältigen. Alles wurde vollautomatisch gesteuert. Ihr persönlicher Code wurde ausgelesen und per Netz erfolgten die nötigen Transaktionen. Sie musste sich keine weiteren Gedanken machen und konnte sich auf die wichtigen Dinge des Lebens konzentrieren: ihre Studien. Onu stieg in die Bahn und setzte sich auf einen der zahlreichen freien Sitzplätze. Verstohlen musterte sie die anderen Fahrgäste. Diese waren allesamt mit ihren eigenen Nofagem beschäftigt, so dass sie die Köpfe gesenkt hatten. Onu war das ganz recht, denn so hatte sie ausgiebig Gelegenheit mit ihren Beobachtungen fortzufahren, ohne sich ertappt zu fühlen. Für die Menschen war es normal über das Netz zu kommunizieren, die sozialen Treffpunkte innerhalb des Netzes waren meistens vollkommen ausgelastet, es kam bei den beliebtesten Seiten sogar teilweise zu Warteschleifen. Hier konnten die Menschen ihren Gefühlen Ausdruck verleihen und mussten nicht befürchten, dass sie dabei versehentlich verbotene Geräusche von sich gaben. Für Onu hatte diese Tatsache einen faden Beigeschmack. Sie empfand es als nicht richtig. Doch ihren Freunden und Bekannten machte es nichts aus, sie nahmen es als normal hin und hinterfragten ihre Vorgehensweise auch nicht. Sie kannten es schließlich nicht anders und waren so aufgewachsen. Die Regeln wurden befolgt. Onu hatte bereits diverse Diskussionen per Chat hinter sich, in denen sie ihren Zweifeln Ausdruck verlieh. Jedoch schien sie mit ihrer Meinung alleine dazustehen. Die anderen waren glücklich und zufrieden. Jeder den sie kannte, hatte einen Studienplatz, eine Arbeitsstelle oder war in einer sozialen Einrichtung untergebracht. Sie hatten weder Geldsorgen noch Hunger zu leiden und ihnen stand genügend Freizeit zur Verfügung, die sie in der virtuellen Welt verbringen konnten. Es schien alles perfekt zu sein. In ihren Studien hatte sich Onu bereits intensiv mit der geschichtlichen Vergangenheit der Menschen auseinandergesetzt. Bevor die Erlösung durch die Große Stille kam, gab es überall auf der Welt Kriege, Hungersnöte und Elend. Laut den Überlieferungen musste es die Hölle auf Erden gewesen sein in der damaligen Zeit zu leben. Die Gehörten waren dabei die Wurzel allen Übels. Durch ihre Gier nach Macht und Reichtum stürzten sie die Völker auf der ganzen Welt in immer heftigere und brutalere Kriege. Denn sie besaßen etwas, dass es ihren Untertanen unmöglich machte gegen sie aufzubegehren. Ihre dunkle Magie. Die Gehörten benutzten ihre Stimmen, um die Menschen zu verzaubern und in ihren Geist einzudringen. Sie machten sie zu ihren Marionetten, seelenlose Hüllen, die nur noch die Befehle ihrer Meister ausführten. Es gab zwar damals nur wenige Menschen, wenn man sie denn so nennen konnte, die diese dunkle Gabe besaßen, aber es reichte, um die Welt ins Chaos zu stürzen. Die Menschheit konnte sich glücklich schätzen, dass die Gehörten damals die technische Entwicklung nicht beschnitten, sondern diese im Gegensatz noch förderten, da sie glaubten, daraus Profit schlagen zu können. Sie konnten zu jener Zeit zum Glück aller nicht wissen, dass es eben jene Technik sein würde, die sie ein für alle Mal besiegen sollte. Durch die fortschrittliche Technik war es den Menschen möglich gewesen sich im Geheimen zu organisieren und Pläne für den Umsturz der grausamen Gehörten zu schmieden. Ihnen war klar, dass sie nur durch absolute Kontrolle jedes einzelnen Menschen auf Dauer Erfolg haben konnten. Denn ein einziges Wort aus dem Munde eines Gehörten reichte aus, um jahrelange Planungen zu zerstören. Die einzige Waffe, die die Menschen besaßen war ihr freier Wille. Leider war aus den Überlieferungen nicht bekannt, welchem genialen Geist die Idee der Nofagem zuzuschreiben ist. Es war jedoch unumstritten, dass nur durch diese Erfindung ein Kontrollsystem eingeführt werden konnte, dass alle Menschen umfasste. Wie genau allerdings damals die Gehörten überhaupt entmachtet worden sind, war unklar. Zumindest konnte Onu bei ihren Recherchen nichts darüber herausfinden. Im allgemeinen Volksmund war nur die Legende über die Große Stille bekannt. Die Menschen interessierten sich nicht sonderlich für die Vergangenheit, da sie im momentanen Leben im Grunde genommen keinen Grund zur Klage hatten. Sie genossen ihre Freiheit und ihren Wohlstand. Das Netz und die virtuelle Welt boten viel zu viele Vergnügungsmöglichkeiten, um bei den meisten überhaupt ein Gefühl dafür aufkommen zu lassen, dass sie eingeschränkt wurden. Wozu miteinander sprechen, wenn man genauso gut über das Netz miteinander schreiben konnte. Der Inhalt der Unterhaltung war derselbe. Diese Ansicht hatte Onu noch nie verstanden, aber sie war eben anders. Sie empfand es als falsch, dass die Welt so still war. Und wirkliche Freiheit sah in ihrer Vorstellung nun einmal so aus, dass man eben nicht immer darauf achten musste, ob man irgendein verdammtes Geräusch verursachte oder nicht. Es war ein Teufelskreis. Gerade Onu war es bewusst, warum es dieser zermürbenden Kontrollen bedurfte, da sie sich sehr wohl der grausamen Vergangenheit bewusst war. Nur so konnte man verhindern, dass sich eventuell die Gehörten ein weiteres Mal erhoben, um über die Menschheit zu herrschen. Das Kontrollsystem war über die Jahre dermaßen verfeinert worden, dass es unmöglich erschien, es zu umgehen. Diese Tatsache beruhigte Onu ungemein. Sie interessierte sich auf der einen Seite zwar für die Vergangenheit und fand es spannend die damaligen Zeiten zu studieren, aber auf der anderen Seite war sie viel zu klug um die Sicherheit, in der sie leben durfte, nicht zu schätzen zu wissen.

Lautlos kam die Schwebebahn an der Haltestelle vor der Universität von Silebia zum Stehen. Onu stieg aus und ging mit erhobenem Kopf und genau bemessenen Schritten in Richtung Haupteingang. Hier musste sie die Etikette unbedingt wahren. Sie gehörte schließlich zu den paar Glücklichen, die es geschafft hatten, einen Studienplatz zu erlangen. Diese Ehre brachte einige Formalitäten aber auch Annehmlichkeiten mit sich. Sie war jetzt ein Vorbild für andere Menschen, ihre Disziplin und ihr tadelloses Auftreten in der Öffentlichkeit waren die Grundpfeiler ihres Daseins. Ein falscher Schritt, ein Geräusch, und sie würde gnadenlos zerrissen werden im Netz. Wie Aasgeier sah sie schon von weitem die sogenannten Reporter der Klatschblätter an den Zäunen der Universität stehen, jeder von ihnen ausgerüstet mit einem speziellem Abhörgerät in der Hand, um jedes noch so kleine Geräusche abzufangen, dass die vorbeigehenden Studierenden eventuell verursachten. Sobald Onu nah genug war, wurden die ersten Zeilen in die Nofagem der Reporter eingetippt und waren somit innerhalb von Sekunden für jeden im Netz lesbar. Minutiös wurden die ein- und ausgehenden Studenten gelistet, jeder versehen mit der verursachten Lautstärke und einem Kommentar des jeweiligen Reporters, in dem er Dinge wie Auftreten, Haltung und Ausdruck beurteilte. Als Studierender konnte man froh sein, wenn man ein Liebling der Klatschpresse war. So bekam man im Allgemeinen gute Bewertungen. Diese wurden offiziell zwar nicht als Bewertungsgrundlage der Professoren bei der Beurteilung eines Studenten hinzugezogen, allerdings waren die Professoren auch nur Menschen und ließen sich bewusst oder nicht von der Meinung der Öffentlichkeit im Netz sehr wohl beeinflussen. Es war ein offenes Geheimnis, dass diejenigen mit positivem Netzhintergrund viel schneller zu den nötigen Prüfungen zugelassen wurden, um in der Hierarchie der Universität aufsteigen zu können. Onu gehörte zum Glück zum Favoritenkreis der Reporter. Sie setzte ihr schönstes vornehmes Lächeln auf und ging zielstrebig wie immer mit der nötigen Gelassenheit an den nur auf sie fixierten Reportern vorbei. Zum Glück waren es nur knapp einhundert Meter, die sie zu überbrücken hatte. Denn auch wenn Onu nach außen hin vollkommen ruhig und entspannt wirkte, so sah es in ihrem Inneren gänzlich anders aus. Ihr war es unangenehm dermaßen im Interesse der Öffentlichkeit zu stehen. Jedes Mal aufs Neue musste sie das flaue Gefühl in ihrem Magen zurückdrängen. Aber sie hatte jahrelang für ihren Studienplatz gekämpft, so dass sie diesen kleinen Preis gerne bezahlte. Hier konnte sie ihre Selbstbeherrschung weiter verfeinern, diese war für sie überlebenswichtig. Sie hatte gut Dreiviertel der Strecke gemeistert, als sie plötzlich eine innere Unruhe verspürte. Ihre Nackenhaare richteten sich auf. So unauffällig wie möglich ließ sie ihren Blick über die am Zaun aufgereihten Reporter gleiten. Alle schauten gebannt auf ihre Messinstrumente, tippten gleichzeitig in ihr Nofagem und beobachteten sie. Direkten Blickkontakt vermieden jedoch alle von ihnen. Sie war schließlich eine Privilegierte und stand gesellschaftlich weit über ihnen. Es war nichts Auffälliges zu entdecken, doch das ungute Gefühl blieb. Onu hatte schon lange Übung darin, ihre Instinkte zu unterdrücken also atmete sie einmal tief durch und behielt ihren gleichmäßigen Schritt bei. Eine Beschleunigung würde nicht unbemerkt bleiben. Die Stimme in ihrem Kopf kam dermaßen überraschend, dass es sich wie ein Hammerschlag anfühlte. „Ich weiß wer du bist, wie du denkst. Ich kenne dein Geheimnis, Ungehörte!“ Onu sog erschrocken die Luft ein und geriet unweigerlich ins Stolpern. Aus dem Augenwinkel sah sie einen dunklen Schemen an der Häuserecke gegenüber der Universität stehen. Wie unter Zwang drehte Onu ihren Kopf. Die Gestalt war in einen schwarzen Mantel mit Kapuze gehüllt und starrte sie direkt an. Sie konnte zwar kein Gesicht erkennen, da dieses in Schatten gehüllt war, war sich aber absolut sicher, dass er sie fixierte. Er war für die Stimme in ihrem Kopf verantwortlich, davon war sie überzeugt. Eine bisher nicht gekannte Wut brodelte in ihrem Inneren. Wie konnte es dieser Mann in Schwarz wagen, einfach in ihren Kopf einzudringen? Empört vergaß Onu alles um sich herum, dreht sich einmal um die eigene Achse und schritt schnell, aber immer noch geräuschlos den Weg wieder zurück. Dabei behielt sie die mysteriöse Gestalt die ganze Zeit im Blick. Sie passierte den Zaun und bog auf die Straße ab. Aus den Augenwinkeln nahm sie noch das aufgeregte Tippen der Reporter wahr, die ihr ungewöhnliches Verhalten natürlich sofort dokumentierten. Doch das war ihr in diesem Augenblick egal. Darum konnte sie sich später kümmern, wenn sie wieder bei klarem Verstand war. Zu ihrem Glück tauchte in diesem Moment Professor Taro im Eingangsbereich der Universität auf. Er war der mit Abstand beliebteste Professor, seine Popularität war fast schon beängstigend. In diesem Moment schickte Onu ein Dankeschön in Richtung des Professors. Sein Auftauchen sorgte nämlich dafür, dass die Reporter sich schnell von ihr abwandten und lieber ihm zuwandten. So konnte Onu ihren Weg nun weitgehend unbeachtet fortsetzen. Das war ihr nur Recht, denn sie war ziemlich durcheinander. Die erste Wut flaute bereits ab und sie war sich gar nicht mehr so sicher, was sie eigentlich genau tun sollte, wenn sie den Fremden erreichte.

Kapitel 2

Onu hatte den Fremden keine Sekunde aus den Augen gelassen, da war sie sich absolut sicher. Trotzdem hatte er sich vor ihren Augen einfach in Luft aufgelöst. Innerhalb eines Wimpernschlages war er verschwunden. Als sie die Häuserecke erreichte fand sie absolut gar nichts vor. Hier zweigte eine sehr schmale Gasse von der Hauptstraße ab, in der kaum zwei Menschen nebeneinander hergehen konnten ohne aneinander zu stoßen. Der kleine Durchgang lag zwar im Schatten, dennoch reichten die Sichtverhältnisse aus, um zu erkennen, dass sich niemand darin aufhielt. Die Gasse maß schätzungsweise knapp zweihundert Meter. Es war für einen Menschen unmöglich diese komplett innerhalb der paar Sekunden zu durchqueren, die Onu bis hierher gebraucht hatte. Geräuschloses Gehen war nur in einem bestimmten Tempo möglich. Beunruhigt blickte sie sich um. Vielleicht hatte sie sich die Stimme in ihrem Kopf nur eingebildet und der dunkle Schemen an der Häuserecke war tatsächlich nur ein weiteres Produkt ihrer Fantasie gewesen. Aber sie war sich so sicher gewesen, dass er tatsächlich echt gewesen war. Sie zog ihr Nofagem aus ihrer Tasche und machte sich einen Vermerk über den seltsamen Vorfall in ihrem digitalen Tagebuch. Später würde sie versuchen, sich an so viele Details wie möglich zu erinnern und diese aufschreiben. Sie hatte sich das Führen eines Tagebuchs auf Rat ihrer Ärzte und Professoren angewöhnt, da sie der Meinung waren, dass Onu damit ihre blühende Fantasie in den Griff bekommen könnte. Leider hatte das Niederschreiben nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Eigentlich sollte es ihr vor Augen führen, dass die Vorfälle nur in ihrem Kopf stattfanden und nicht der Realität entsprachen. Aber je mehr Onu sie analysierte, desto realer wurden sie für sie. Diese Erkenntnis behielt sie selbstverständlich für sich. Ihre Professoren waren beruhigt, wenn sie das Tagebuch führte und ließen sie mit weiteren Behandlungs- und Therapieideen in Ruhe. Onu ließ ihren Blick noch ein letztes Mal prüfend die enge Gasse entlang wandern. Dann durchfuhr es sie wie ein Blitz. Die Aufzeichnungen! Jeder Winkel von ganz Silebia wurde durch Geräuschsensoren überwacht. Mit diesen Daten konnte man mit dem richtigen Hintergrundwissen und Gerätschaften ein genaues Bild zeichnen, ob, wo und wann sich ein Mensch in der Gasse aufgehalten hatte. Onu verfügte dank ihrer Studien über genügend Grundkenntnisse, um solche Daten zu analysieren. Das Problem bestand lediglich darin, sich überhaupt erst einmal Zugang zu diesen zu verschaffen. Sie wusste, dass die Stadt in mehrere Gebietssektoren eingeteilt war. Da es eine riesige Datenmenge zu verarbeiten gab, waren innerhalb der einzelnen Sektoren mehrere Aufzeichnungszentren errichtet worden. Wenn sie ein paar Gefallen bei ihren Studienkollegen einforderte, erhielt sie Zugriff auf die Daten aus der kleinen Gasse. Onu verschwendete keine Zeit und nutzte ihr Nofagem, um mit Rao Kontakt aufzunehmen. Er war der erste der ihr in den Sinn kam und er erschien ihr für ihr Vorhaben die beste Wahl zu sein, da er sich im Grunde genommen ausschließlich auf seine Studien konzentrierte und kaum soziale Kontakte über das Netz pflegte. Und er liebte die Herausforderung. Sie fasste ihr Anliegen in kurze und prägnante Sätze zusammen und schickte die Nachricht auf einem persönlichen Kanal durchs Netz. Es war zwar ein Risiko, da das Netz überwacht wurde, jedoch war es im Augenblick der einzige Weg, mit ihren Nachforschungen zu beginnen. Es dauerte nur etwa fünf Minuten und ihr Nofagem blinkte auf um ihr anzuzeigen, dass eine neue Mitteilung für sie vorlag. Onu schaute auf das kleine Display und atmete auf, als sie die äußerst kurz gehaltene Meldung las. Wird teuer, wo und wann? Rao war ein Genie im Umgang mit dem Netz und stellte keine unnötigen Fragen, aber er wusste, dass er dafür ebenso seine Gefälligkeiten irgendwann eintauschen konnte. So funktionierte das nun einmal. Eine Hand wäscht die andere. Onu wollte gar nicht darüber nachdenken, was Rao als Gegenleistung verlangen würde. Im Moment zählte nur, dass sie ihrer Spur folgen konnte. Sie übermittelte ihm die benötigten Daten und wartete auf eine Antwort. Diese folgte sofort: DauertetwadreiStunden. Das war kürzer als sie sich insgeheim erhofft hatte. Genügend Zeit, um sich einen kleinen Imbiss zur Stärkung zu besorgen und einige Auffrischungen im Umgang mit der Auswertungstechnik zu gönnen. Aufgeregt trat Onu ihren Heimweg an und bemerkte die in schwarz gekleidete Gestalt auf dem Dach des Gebäudes nicht, die sie immer noch beobachtete.

Bo blickte der zierlichen Frau hinterher. Er war enttäuscht, denn so hatte er sich eine Auserwählte nun wirklich nicht vorgestellt. Ihre Sinne waren derart eingerostet, dass sie nicht den Hauch einer Ahnung hatte, dass er sich immer noch im Verborgenen in der Gasse aufgehalten hatte. Sie hatte zwar wie wild mit ihren Blicken die Straße abgesucht, aber genau wie jeder beliebige andere Mensch, konnte sie ihn durch seinen Schleier nicht entdecken. Obwohl sie dies eigentlich mit Leichtigkeit hätte erreichen müssen. Bo war sich im Gegensatz zu seinem Onkel nicht sicher, dass es sich bei dieser Frau um die Auserwählte handelte. Sie war das Idealbild eines Stadtbewohners von Silebia. Immer darauf bedacht, geräuschlos zu sein in all ihrem Handeln, kein Anzeichen von Widerstand war zu erkennen. Das Einzige was ihn beeindruckt hatte, war die aufblitzende Wut in ihren braunen Augen, als sie erkannt hatte, dass er seine Gedanken in ihren Kopf übertragen hatte. Das war aber nur ein kurzer Augenblick gewesen, bis ihr Denken wieder die Kontrolle über ihre Instinkte erlangt hatte. Dann hatte sie wieder die kalte Fassade der Überheblichkeit angenommen, die allen Stadtbewohnern zu eigen war. Das war sehr schade, denn Bo fand, dass sie mit diesen vor Wut blitzenden Augen wesentlich hübscher war, als mit diesem falschen Lächeln im Gesicht. Falls sie wirklich so clever war wie sein Onkel behauptete, dann würde er das bald feststellen können. Wie geplant hinterließ er absichtlich eine Nachricht für sie und verschwand mit dem nächsten Lufthauch. Für einen Außenstehenden hätte es so ausgesehen, als wenn er sich einfach im Nichts auflöste.

Onu ging nervös in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Irgendwie nagte das Gefühl an ihr, dass sie etwas Wichtiges übersehen hatte. Aber sie konnte diese unbestimmte Ahnung nicht klar in Worte fassen. Sie hatte sich in aller Eile für die Auswertung der Daten vorbereitet und wartete nur noch auf eine entsprechende Nachricht von Rao. Ungeduldig schaute sie auf die Uhr. Es waren bereits etwas mehr als drei Stunden vergangen und sie hatte noch nichts von ihm gehört. Vielleicht hatte sie ihn doch überschätzt. Gerade als ihre Zweifel stärker wurden, blinkte ihr Nofagem auf. Gebannt sah sie nach und tatsächlich hatte Rao es geschafft. Sie erhielt die Daten von einer unbekannten Adresse und ohne weitere Mitteilung. Dafür dankte sie Rao im Stillen, denn die Kontrollen über das Netz funktionierten hauptsächlich über die geschriebenen Wörter. So würden ihr im besten Fall erst einmal keine Nachforschungen seitens der Regierung drohen. Zumindest für ein paar Tage hatte sie Zeit, denn es war hinreichend bekannt, dass jegliche per Netz verschickte Nachrichten kontrolliert wurden, inklusive der Daten im Anhang. Mit ausreichend Zeit verfügte Onu allerdings über die Möglichkeit die Daten zu manipulieren. Sie konnte deren Inhalt umschreiben, sodass niemand mehr herausfinden würde, dass es sich dabei um Aufzeichnungsmaterial handelte, dass für die Öffentlichkeit eigentlich nicht bestimmt war. Jetzt bot sich ihr endlich einmal die Gelegenheit, ihr theoretisches Wissen in die Praxis umzusetzen. Onu atmete tief durch und begab sich an die Arbeit. Es gab viel zu tun.

Stunden später blickte Onu enttäuscht auf den vor ihr aufragenden Monitor. Sie hatte die Daten, die Rao ihr besorgt hatte, eingehend analysiert und hatte im Grunde nichts herausfinden können. Die einzige Geräuschsignatur, die nicht auf natürliche Ursprünge zurückzuführen war, war ihre Eigene. Es gab eine weitere Auffälligkeit, die ihr rückblickend seltsam vorkam. Die Analyse besagte, dass zu dem Zeitpunkt mehrmals ein kräftiger Luftstoß durch die Gasse gefegt sein musste. Daran konnte Onu sich beim besten Willen nicht erinnern. Sie war absolut sicher, dass es windstill gewesen war. Doch vielleicht hatte sie dies in ihrer Aufregung auch übersehen. Zumal ein Windhauch kein Indiz auf eine anwesende Person war. Es handelte sich lediglich um eine natürliche Ursache für ein Geräusch. Doch da war auch noch das Bewegungsmuster des Windes. Sie war zwar keine Expertin im Analysieren, doch es kam ihr äußerst seltsam vor, dass der Luftstoß nur an einer einzigen Stelle verzeichnet worden war. Darüber hinaus hattet er sich auch nicht waagerecht weiterbewegt, sondern senkrecht in die Höhe an den Häuserwänden entlang bis hinauf auf das Dach. Onu besaß keine Kenntnisse darüber, wie sich Windstöße in der Natur bildeten, aber vielleicht sollte sie sich noch einmal genauer in der Gasse umsehen und bei ihren Untersuchungen auch die Dächer der Häuser mit einbeziehen. Soweit sie sich zurückerinnerte, hatte sie dies bei ihrem ersten Aufenthalt versäumt, da sie keine Möglichkeit für einen Menschen gesehen hatte, in so kurzer Zeit und ohne Hilfsmittel die etwa fünf Meter hohe Fassade der Häuser zu erklimmen. Unzufrieden, dass sie sich auf solch spärliche Hinweise stützen musste, beschloss sie gleich am nächsten Tag mit ihrer Untersuchung fortzufahren. Heute war es zu spät, es wurde bereits dunkel draußen und es war nicht schicklich für eine Studentin der Universität zu solch einer Uhrzeit alleine in der Stadt gesehen zu werden. Und da sie ihre Nachforschungen alleine weiterführen wollte, blieb ihr nur bis morgen zu warten. Sie musste die Fassade aufrechterhalten und konnte es sich nicht leisten, unnötig die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit ihrem überstürzten Abmarsch hatte sie schon für genug Gesprächsstoff gesorgt. Glücklicherweise ließ sich dies einfach und schnell beheben, indem sie eine Nachricht auf ihrem persönlichen Profil im Netz hinterließ, dass es ihr gesundheitlich nicht gut ging und sie deshalb die Universität nicht besuchen konnte. Eine plötzlich aufkommende Übelkeit war der Grund gewesen für ihren überstürzten Abgang. Das verschaffte ihr mindestens zwei Tage Ruhe vor neugierigen Anfragen seitens der Reporter. Über solch banale Sachen schrieben diese Leute nicht gerne.

Kapitel 3

Früh am nächsten Morgen huschte eine ganz in weiß gekleidete Gestalt durch die engen Nebengassen von Silebia in Richtung des Universitätsgeländes. Sie glitt wie immer fast vollkommen geräuschlos durch die Straßen und gelangte unbemerkt an ihr Ziel. Für Onu war es nicht schwer sich so unauffällig wie möglich zu bewegen, schließlich lagen einige Jahre harten Trainings hinter ihr. Dennoch hätte sie lieber die Schwebebahn genommen, doch dann wären ihre Schritte allesamt zu leicht nachzuvollziehen gewesen. Ihr Nofagem speiste jegliche Aktivität ins Netz ein. Das konnte sie sich nicht leisten, denn sie wollte unentdeckt bleiben. So stellte sie sicher, das ihr Bewegungsmuster nicht sofort zu ihr zurückzuverfolgen war. Einer intensiven Ermittlung seitens der Regierung würde dieser kleine Kniff nicht lange standhalten, aber so fühlte sie sich zunächst einmal sicherer. Onu überzeugte sich noch ein letztes Mal davon, dass sie alleine war, dann ließ sie ihren Blick, wie schon gestern Abend, durch die Gasse schweifen. Ihr einziger Anhaltspunkt war das unnatürliche Verhalten der Luft. Also musste sie einen Weg auf die Dächer der angrenzenden Gebäude finden. Vielleicht hatte sie Glück und konnte durch einen ungesicherten Eingang in das Treppenhaus gelangen. Die Gegend um das Universitätsviertel