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Wenn Begierde und Angst kollidieren, ergreifst du die Flucht - oder gibst du dich hin?
Sierra Lopez kann es kaum fassen. Als eine von wenigen Auserwählten hat die Marketingstudentin einen Praktikumsplatz bei Spaniens größtem Juwelierimperium Luminia ergattert, um bei der Organisation für die Jubiläumsgala mitzuwirken. Gemeinsam mit ihrer neuen Teamkollegin Carla bezieht sie die nächsten Monate das exklusive Gästehaus der Familie und darf wertvolle Referenzen sammeln. Doch je mehr Zeit sie mit ihrer neuen Freundin verbringt, desto seltsamer verhält sich diese. Allem voran scheint sie den Juwelierserbe Felipe Luminia besser zu kennen, als sie zugeben möchte. Dass ausgerechnet der begehrteste Mann Spaniens Sierras neuer Mentor wird, passt ihr ganz und gar nicht, denn er ist arrogant, herablassend und viel zu attraktiv. Während sie mit allen Mitteln versucht, sich ausschließlich auf das Praktikum zu konzentrieren und dem Netz aus Geheimnissen und Lügen, das ihn umgibt, aus dem Weg zu gehen, zieht der mysteriöse Schönling jedoch auch sie immer mehr in seinen Bann. Bis Carla spurlos verschwindet und Sierra sich fragen muss, wem sie trauen kann.
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Wenn Begierde und Angst kollidieren, ergreifst du die Flucht - oder gibst du dich hin?
Sierra Lopez kann es kaum fassen. Als eine von wenigen Auserwählten hat die Marketingstudentin einen Praktikumsplatz bei Spaniens größtem Juwelierimperium Luminia ergattert, um bei der Organisation für die Jubiläumsgala mitzuwirken. Gemeinsam mit ihrer neuen Teamkollegin Carla bezieht sie die nächsten Monate das exklusive Gästehaus der Familie und darf wertvolle Referenzen sammeln. Doch je mehr Zeit sie mit ihrer neuen Freundin verbringt, desto seltsamer verhält sich diese. Allem voran scheint sie den Juwelierserbe Felipe Luminia besser zu kennen, als sie zugeben möchte. Dass ausgerechnet der begehrteste Mann Spaniens Sierras neuer Mentor wird, passt ihr ganz und gar nicht, denn er ist arrogant, herablassend und viel zu attraktiv. Während sie mit allen Mitteln versucht, sich ausschließlich auf das Praktikum zu konzentrieren und dem Netz aus Geheimnissen und Lügen, das ihn umgibt, aus dem Weg zu gehen, zieht der mysteriöse Schönling jedoch auch sie immer mehr in seinen Bann. Bis Carla spurlos verschwindet und Sierra sich fragen muss, wem sie trauen kann.
Sophia Como wurde 1996 in Flörsheim am Main geboren und war bereits als Kind begeisterte Leserin und Träumerin. Immer mehr in anderen Welten als der Realität unterwegs, kritzelte sie im Unterricht heimlich ihre Hefte mit Geschichten voll. Ihre Romane füllt sie mit eigenen Erfahrungen, Träumen und kleinen Besonderheiten, die ihr im Alltag begegnen.
Sophia Como
Sinister Nights
Wer du auch bist
Roman
reverie
Originalausgabe
© 2025 reverie in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH
Valentinskamp 24 · 20354 Hamburg
Covergestaltung von © Andrea Janas | andreajanas.com unter Verwendung von Motiven von Chenyang Lin, Patishop Art / Shutterstock, PCDKNU-277 / freepik, kjpargeter / Depositphotos
E-Book Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783745704808
www.reverie-verlag.de
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Liebe Leserinnen und Leser,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet ihr am Romanende eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler enthalten kann.
Wir wünschen euch das bestmögliche Erlebnis beim Lesen der Geschichte.
Eure Sophia und euer Team von reverie
Für P
Du weißt, warum
Liebe und Angst – Tanzpartner
In den tiefen Verästelungen des menschlichen Seins existiert eine untrennbare Verbindung zwischen Liebe und Angst. Tanzpartner, von denen ich bisher immer dachte, sie seien Endgegner: Die Liebe besiegt die Angst, oder andersherum. Mein Leben lang war ich der Meinung, sobald man in den schützenden Armen des Vertrauens liegt, ist dort kein Platz mehr für Furcht. Stattdessen wurde ich eines Besseren belehrt. Lernte auf bitterschöne Weise, wie eng sie miteinander verwoben sein konnten. Es war ein Tanz zweier Pole, die oft so nah beieinanderlagen, dass ihre Grenzen verschwammen.
So wie meine es taten, jedes Mal, wenn seine Blicke mich streiften, er mich auf jede erdenkliche Weise berührte und sich in mir festpflanzte. Grenzen aus klarem Verstand und konturloser Begierde, schauriger Angst und trotzigem Verlangen.
In dem Moment, in dem ich mich ihm hingab, verstand ich, was es bedeutete, sich wirklich zu fürchten. Und egal, wie angsteinflößend die Zeit mit ihm auch war, bereue ich keine einzige Sekunde.
Sierra
Mit nebliger Sicht blickte ich in den langen Korridor vor mir. Meine Atmung ging stoßweise. Warum, wusste ich nicht. Ich spürte nur dieses einschneidende Gefühl von Blicken auf meiner Haut, Augen, die mich durch die Dunkelheit anstarrten, das Geräusch von Schritten, bei denen ich nicht wusste, ob ich sie mir einbildete oder ob sie real waren. Ob irgendetwas hieran real war oder ich einfach nur langsam verrückt wurde.
Ich blickte mich um. Zu meinen Füßen ein samtiger roter Teppich, links und rechts gerahmte Porträts, die mich niederstarrten, daneben Kronleuchter mit gedimmten, lodernden Flammen, dessen Lichtzungen kaum bis in die dunklen Ecken reichten. In einem Moment strahlten mir die prunkvollen Skulpturen entgegen, im nächsten warfen sie bedrohliche Schatten.
Ein Schritt folgte dem nächsten. Nur langsam irrte ich durch den ewig langen Flur, ohne wirklich zu wissen, wo ich hinwollte. Wo ich war. Und wie ich hierhergekommen war.
Seinetwegen? Oder wegen ihr?
Etwas knarzte hinter mir, ich drehte mich schlagartig um. Meine Handinnenflächen waren schweißnass, als ich die Dunkelheit hinter mir betrachtete. Nichts. Kein Geräusch, kein bewegtes Bild. Nur das Flackern der Kerzen, die an den Wänden hingen und deren Schatten an den Stuckleisten tanzten. Es fühlte sich an, als würde der Raum selbst atmen, als wäre er lebendig.
Ich wagte mich einen Schritt vor, der Korridor schien sich zu dehnen, bereit, mich zu verschlingen. Dann hörte ich es wieder – Schritte, leise, fast unmerklich, aber doch da. Ein Hauch von Bewegung. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als plötzlich am Ende des Ganges ein goldener Schatten aufflackerte. Ein Kopf, ein heller Zopf, der in einen Raum huschte. Ich setzte einen Fuß vor den anderen, langsam, fast mechanisch, und betrat den Salon, in den er verschwunden war.
Er war leer. Kalt. Nur ein paar alte Möbel, die mit Staub bedeckt waren, und der schwache Lichtschein, der durch das schmutzige Fenster fiel. Ich kannte diesen Raum. Es war dasselbe Zimmer, in dem ich mich Nacht für Nacht schlafen legte, und tatsächlich zeigte ein Blick zum Bett, dass dort jemand war. Ich konnte nicht sehen, wer darin lag, weil die Decke bis zu ihrem Kopf hochgezogen war, dennoch durchströmte mich eine Ahnung. Der Stoff hob und senkte sich gleichmäßig, sie schien tief und fest zu schlafen. Ich wusste, wer dort lag.
Doch irgendetwas war anders. Keine Ahnung, weshalb es mich instinktiv zum Fenster statt zum Bett zog, doch im nächsten Moment legte ich meine Hände auf die kalte Scheibe und blickte hinaus. Der Garten war in tiefe Dunkelheit getaucht, der Rasen von unheimlichem Nebel umhüllt. In der Ferne, irgendwie weiter entfernt als sonst, das große luxuriöse Anwesen. Es wurde von Säulen geschmückt, in den großen Kreuzfenstern tanzten Schatten, die Efeuranken wie Fesseln, die es erdrückten. Es war, als würde es mich niederstarren.
Dann, in der nächsten Sekunde, durchzuckte eine Bewegung mein Sichtfeld. Dort auf dem Rasen inmitten der Dunkelheit hob sie sich beinahe bedrohlich hervor. Ihre Umrisse waren vage, irgendwie verschwommen und vom Nebel verwischt. Spätestens, als ihre Erscheinung wie ein Hologramm flackerte, wusste ich, dass ich träumte. Doch warum fühlte sich das alles hier dann so real an? Das Gefühl, niedergestarrt zu werden, mit einem Blick so brennend echt, Hände, die nach mir zu greifen schienen. Und dann eine Stimme. Obwohl sie von dort draußen kam, war sie laut und ganz nah an meinem Ohr. Mit jeder Silbe spürte ich ihren warmen Atem auf meiner Wange.
»Pass auf.«
Sierra
Wenige Wochen zuvor
AUSSCHREIBUNG
LUMINIA FEIERT JUBILÄUM
–
Spaniens führendes Diamantenimperium wird 100 Jahre alt. Um diesen geschichtsträchtigen Anlass gebührend zu feiern, organisiert Luminias Veranstaltungsfirma VivaEventos eine unvergleichliche Jubiläumsgala. Im Zuge dessen bietet die Universidad Camilo José vier ihrer Marketingstudent:innen die einmalige Gelegenheit, sich in Form eines Praktikums besondere Referenzen und Erfahrungen anzueignen. Setz deine Expertise bei der täglichen Eventplanung und Öffentlichkeitsarbeit ein und sei dabei, wenn sich der große Saal des Palacio Dorados im Herzen Madrids für die gefragtesten Persönlichkeiten des Landes öffnet.
Neugierig? Dann bewirb dich jetzt!*
*Teilnahmebedingungen liegen der Anlage bei
Ich hatte eine Schwäche für Illusionen.
Konnte nicht umhin, mich in einer von ihr zu verlieren, als mein Finger über eine Seidenrobe strich, ich aber nur kühlen Marmor darunter spürte und mich in dem Anblick einer so sanft und weich wirkenden Steinskulptur verlor. Es waren die Details, die mich faszinierten. Die feine Locke, die ihr knapp über der Stirn hing, die tiefen Grübchen in ihren Wangen, so lebendig und ergiebig wie der Knick in ihrer Robe, die hauchzart auf ihrem blassen Körper auflag. Dass etwas, das so zerbrechlich und empfindlich wirkte, gleichzeitig aus kaltem, hartem Gestein gefertigt war. Eine Illusion so schön, dass man sie nur lieben konnte.
Hinter mir knallte eine Tür und ich zuckte erschrocken zusammen.
»Darf ich mal?« Eine Dame in elegantem Hosenanzug schob sich an mir vorbei und trat ans Marmorwaschbecken. Schlagartig wurde mir wieder bewusst, wo ich war. Ich stand in der Gästetoilette des Palacio Dorados und hatte mich nach dem Händewaschen im Anblick all der Dinge verloren, die mir hier begegnet waren. Der Rahmen des großen Spiegels über den Waschbecken war golden mit detailreichen Verzierungen, die Blüten ähnelten. An der hohen, mit Stuck verzierten Decke hing ein Kronleuchter, während an beiden Seiten der schweren Holztür jeweils eine gewaltige Bodenvase prangte, aus denen der pure Frühling blühte.
Die Dame verschwand durch die Tür, ich blieb allein zurück. Einen Moment lang ließ ich alles auf mich wirken. Ich wusste, diese Toilette war lediglich ein kleiner Vorgeschmack auf das, was mich die nächsten Wochen hier erwarten würde. Und auch wenn ich froh war, diese einmalige Chance zu erhalten, hatte ich doch Angst. Angst davor, etwas falsch zu machen, Angst, zu versagen, Angst, keinen Anschluss zu finden. Angst, dass ich mich wieder zu sehr in einer Illusion verloren hatte.
Als ich vor über einem Monat den Aushang von meinem Dozenten in die Hand gedrückt bekommen hatte und ermutigt worden war, mich zu bewerben, hatte ich erst gezögert. Ich bin mir sicher, sie werden Sie sofort nehmen,hatte er gemeint, weil ich angeblich seine beste Studentin war. Doch selbst, wenn das stimmte, war ich mir nicht sicher, ob das hier nicht doch eine Nummer zu groß für mich war. VivaEventos war ein Traum von einer Marketingagentur. An einem so großen Event wie der Jubiläumsfeier von Luminia mitzuwirken, hätte mir eine Referenz einbringen können, die mich meinen Zielen näherbrachte. Natürlich wollte ich diese seltene Chance ergreifen. Gleichzeitig wusste ich aber nicht, wie. Schließlich war da noch immer mein Vater, dem ich beinahe täglich unter die Arme greifen musste, meine Mutter, die Überstunden machte, um seine Pflege zu bezahlen, und mein Job im Campuscafé. Ganz zu schweigen von dem Lernstoff, den Hausarbeiten und Vorlesungen, die täglich dazukamen.
Mamá
Ich wünsche dir ganz viel Erfolg an deinem ersten Tag, mi hija! Mach dir keine Sorgen um uns, wir sind so stolz auf dich.
Auch als nun eine Nachricht von meiner Mutter auf meinem Handy aufleuchtete, in der sie mir zum hundertsten Mal versichern wollte, dass ich mir keine Gedanken um sie und Papá machen musste, tat ich es dennoch. Noch immer wusste ich nicht, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, mich hierfür zu bewerben. Auch wenn ich von Beginn an Feuer und Flamme für diese Gelegenheit gewesen war, hatte es zwei Wochen gebraucht, bis ich mich aufgerafft, mit meinen Eltern und meiner Kollegin Selena aus dem Campuscafé mögliche Zeitpläne geschmiedet hatte für den Fall, dass ich angenommen wurde, und diese Bewerbung abgeschickt hatte. Große Hoffnungen hatte ich mir keine gemacht, umso größer war nun die Freude. Gleichzeitig aber auch das schlechte Gewissen Papá gegenüber. Das liegt nicht in deiner Verantwortung, Sierra,hatte er mehrmals gesagt, auch wenn es sich nach so vielen Jahren immer noch so anfühlte.
Obwohl mir dieses Praktikum und alles, was damit zusammenhing, Angst machte, freute ich mich aber auch mindestens genauso sehr. Ich sah es als Neuanfang, als die Chance, mein Leben und mein Umfeld neu zu lenken und zu gestalten. Und als Ablenkung. Denn die hatte ich momentan bitternötig.
Ein letztes Mal sah ich meinem Spiegelbild entgegen. Meine glatten braunen Haare endeten kurz über meinen Schultern in einem einrahmenden Bob, dessen einzelne Strähnen, die ins Gesicht fielen, ich mir hinter die Ohren strich. Dabei kamen meine kleinen goldenen Kreolenohrringe zum Vorschein, die ich von Mamá geschenkt bekommen hatte und immer zu besonderen Anlässen trug.
»Das kann nicht euer Ernst sein!« Die große Flügeltür, die in den Saal hinausführte, wurde erneut aufgeschlagen. Rein kam eine schlanke, wunderschöne Frau in meinem Alter, am Ohr ein iPhone, an dessen Hülle ein glitzernder Anhänger baumelte. Sie hatte blonde Haare, die ihr bis zur Brust reichten, und ein langer geschwungener Pony rahmte ihr rundes Gesicht ein. Sie trug eine Hemdbluse von Ralph Lauren und stylishe Shorts, die sie mit schwarzen Loafers kombinierte. Als sie mich entdeckte, klärte sich ihre verärgerte Miene überrascht, ehe sie mir etwas unsicher zulächelte. Weil mein Kopf noch immer ihr auffallend schönes Erscheinungsbild verarbeitete, lächelte ich erst verspätet zurück, was sie nicht mehr mitbekam, weil sie sich wegdrehte.
»Ihr habt echt alles gesperrt?«, fragte sie mit Entsetzen in der Stimme, nun etwas leiser. Ich beschloss, dass dies mein Stichwort war, um die Toilette endlich zu verlassen. Hastig griff ich nach meinem Koffer, der neben dem Marmorwaschbecken stand, und huschte hinaus in die große Eingangshalle.
Sierra
Der Palacio Dorado war überwältigend. In dem pompösen Palast, der an Wochenenden für Opern oder Ballettaufführungen zur Verfügung stand, fühlte ich mich, als wäre ich mitten in Pemberley gelandet und würde gleich Mr. Darcy höchstpersönlich kennenlernen. Nur die Räumlichkeiten der spanischen Königsfamilie waren noch nobler. Die kuppelartige Decke der großen Eingangshalle wurde geschmückt von viktorianischen Malereien voller Engel und weiterer Himmelsboten, und sowohl links als auch rechts führten riesige Doppeltüren in die Theatersäle. Eigentlich hatte die Marke Luminia rein gar nichts mit dem Theater zu tun, doch ich hatte im Internet gelesen, dass die Ehefrau des Gründers Alberto Luminia großer Fan der Oper war, weshalb er ihr zum Jahrestag diesen Palast geschenkt hatte – einfach so.
»Hey du!« Juan Alvarez stand mit einem weiteren Mitbewerber Pablo Pineda auf der anderen Seite der Halle und nickte mir auffordernd zu. Natürlich kannte ich die zwei von der Uni, sie hatten ein paar Kurse mit mir belegt. Und während Pablo mehr der ruhige Typ war, war Juan ein richtiger Sprücheklopfer und Frauenaufreißer, der zugegebenermaßen dennoch ordentlich Grips hatte, weshalb es mich nicht wunderte, dass auch er einer derjenigen war, die sich für das Praktikum qualifiziert hatten.
Ich checkte gleich drei Mal, ob er auch wirklich mit mir sprach, und sah mich im Saal um.
»Ja, du«, rief er noch mal, woraufhin ich etwas verhalten näher kam und mich zu ihnen gesellte.
»Gehörst du auch zum Veranstaltungskomitee oder bist du Besucherin?«
»Nein, ich studiere auch an der Camilo José.« Abwartend blickte ich zwischen den beiden hin und her. »Sierra Lopez … wir haben ein paar Kurse zusammen belegt.«
Pablo schien sich zu erinnern. »Stimmt, du sitzt meistens ganz vorn, oder?«
Ich nickte, während Juan nur ahnungslos lachte. »Da sitze ich selten …«
»Hast du noch weitere Infos über den Ablauf bekommen?«, fragte Pablo, an mich gerichtet. Juan sah mich ebenfalls aufmerksam an.
»Nur, dass wir um halb zehn hier sein und unser Gepäck dabeihaben sollen.«
Juan stieß ungeduldig die Luft aus und vergrub seine Hände in den Taschen seiner Jeans. Auch wenn die beiden nicht meinem Typ entsprachen, sahen sie in ihren eleganten Outfits, die sie für diesen Tag gewählt hatten, wirklich gut aus. Juan trug ein lockeres Hemd in einem dunklen Blau, das seine etwas längeren, zurechtgestylten schwarzen Haare betonte. Der braunhaarige Pablo hingegen wurde von schwarzen Chinon und einem lockeren Langarm-Shirt bekleidet.
»Es ist schon Viertel vor zehn«, meinte Letzterer und sah auf seine braune Armbanduhr. »Und waren es nicht eigentlich vier, die hierfür ausgewählt wurden?«
Auch ich sah mich erneut um, konnte aber niemanden entdecken, den ich von unserer Uni wiedererkannte. In dem Moment trat ein Mann mit zurückgegelten Haaren und in einen Dreiteiler gekleidet aus einer Tür an der gegenüberliegenden Seite des Saals und kam mit einem reservierten Lächeln auf uns zu.
»Meine Herren«, begrüßte er Juan und Pablo, ehe er mir zunickte, »werte Dame. Ich bin Señor Cordoba. Sie müssen Señora Lopez und Señores Alvarez und Pineda sein. Es ist mir eine Ehre, Sie empfangen zu dürfen.«
Seine hochgestochenen Worte und die Art, wie er mit uns umging, fühlte sich seltsam und gut zugleich an. Als wäre ich tatsächlich eine Señora und keine verlorene Studentin Anfang zwanzig, die ihre Jugend damit verbracht hatte, zu büffeln oder in ihrem Zimmer die Nächte durchzulesen.
Señor Cordoba notierte sich etwas auf dem Klemmbrett in seiner Hand, ehe er wieder lächelnd aufsah. »Ich bin Projektleiter bei VivaEventos und arbeite schon seit vielen Jahren mit der Familie Luminia zusammen. Dieses Jahr wird die Marke einhundert Jahre alt, weshalb in zwei Monaten, Ende Juni, die Jubiläumsfeier stattfinden wird. Aber das wissen Sie bereits, deswegen sind Sie ja hier.« Sein herzliches und gleichzeitig geschwollenes Lachen entlockte auch uns ein Schmunzeln. »Der Palacio Dorado und das Headquarter im Stadtinneren stellen für die nächsten Monate ihren Arbeitsplatz dar. Sie kommen im Gästehaus der Familie unter, werden je einem Mentor zugeteilt und erhalten einen detaillierten Arbeitsplan, an den Sie sich unbedingt halten sollten«, erklärte er mit einem strengen, aber freundlichen Unterton. »Dieses Praktikum wird Ihnen hoch angerechnet, ich erwarte daher Ihr Bestes.« Während er jeden Einzelnen von uns prüfend in Augenschein nahm, machte er eine Pause, um die Bedeutung seiner Worte zu unterstreichen.
Schließlich schaute er sich suchend im Saal um. »Haben Sie Señora Linares gesehen?«
Die Jungs und ich sahen uns fragend an, ehe Señor Cordoba schließlich sein Handy zückte und eine Nummer wählte. Langsam entfernte er sich ein paar Schritte von uns. Obwohl er im Flüsterton sprach, konnte ich dennoch ein »Ist sie da?« heraushören, bevor er nickte und sich wieder uns zuwandte.
»Perfekt, dann werde ich Sie nun ins Gästehaus führen. Hier entlang bitte.« Mit einer ausladenden Handbewegung deutete er in Richtung der Tür, aus der er eben gekommen war. Wir folgten ihm in einen mit Kieswegen angelegten Hinterhof, in dem zwei Golfcarts mit je einem Fahrer auf uns warteten. Dahinter breitete sich ein endlos wirkender Park mit majestätisch aussehenden Eichen, symmetrisch angelegten Blumenbeeten und üppigen Büschen aus. Ich verharrte einen Moment lang, sog die Ruhe auf, die man inmitten der Innenstadt von Madrid selten fand.
Ich wurde aus dem Staunen gerissen, als einer der Fahrer mich an der Hand berührte. Verwundert blickte ich in sein höfliches Lächeln, realisierte erst eine Sekunde später, dass er nach meinem Koffer griff.
»Darf ich?«
Hastig nickte ich und bedankte mich lächelnd, setzte mich anschließend in das noch freie Golfcart zu Señor Cordoba. Juan und Pablo fuhren in dem anderen vor, wir folgten. Der mit Kies ausgestreute Hinterhof mündete in einen Gartenweg aus fester Erde, der von sattgrünem und akkurat gemähtem Rasen begleitet wurde. Eine ganze Weile konnte man während unserer Fahrt durch den Park nichts als wunderschöne Flora, pompöse Steinbrunnen und idyllische Wasserstellen bewundern. Wir bogen ein in einen Weg, der direkt zu einem schmiedeeisernen Tor mit elegant geschnörkelten Zaunstäben führte, das links und rechts zwei Steinpfosten besaß, auf denen jeweils eine Skulptur thronte. Die linke trug eine Robe über der Schulter und blickte nachdenklich in den Himmel, die rechte war splitterfasernackt und posierte, als wäre sie Poseidon höchstpersönlich. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, sodass ich gar nicht bemerkte, wie das Tor für uns seine Pforten öffnete. Dahinter eine Allee mit geschwungenen Laternen, die den Eingang abends sicherlich in eine warme Atmosphäre tauchten. Und dann sah ich es.
»Vor Ihnen sehen Sie das Anwesen der Luminias.«
Es war eine dieser Villen, die ich nur von Pinterest, Filmen oder den Social-Media-Kanälen etlicher Stars kannte. Und doch war diese hier viel eindrucksvoller, viel spezieller und persönlicher. Die Fassade bestand aus beigem Stein und wurde von sattgrünem Efeu geschmückt. Zwischen den Blättern Kreuzfenster, die wahrscheinlich doppelt so groß waren wie ich, an der Unterseite eckig und an der Oberseite rund. Die dunkelblauen Dachziegel und antiken Steinsäulen, die jeweils an den Eingangsstufen, dem Balkon und den Ecken des Anwesens platziert wurden, verliehen dem Ganzen einen noch eleganteren Touch.
»Hier lebt Beatriz Luminia mit ihrem Sohn Felipe. Ich möchte Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Anwesen tabu für Sie ist und Sie die Familie nicht stören möchten.«
Im selben Moment trat besagter Sohn durch die breite Flügeltür des Eingangs und hetzte die Treppen hinab. Ich kannte Felipe. Im Grunde hatte ich all das, was Señor Cordoba momentan über die Familie, das Anwesen und die Marke erzählte, schon vor Wochen zur Vorbereitung recherchiert. Ich wusste, dass vor allem Königin Letizia oft mit den aufwendigsten Schmuckstücken, die Luminia zu bieten hatte, gesehen wurde, wusste, dass Beatriz Luminia eine enge Freundschaft zum Königshaus hegte und das Unternehmen ihres Großvaters mit Leidenschaft führte. Ich wusste, dass die Luxusmodemarke Vestura eine Tochterfirma von Luminia war, die von Beatriz’ Bruder geleitet wurde, und natürlich wusste ich, dass ihr Sohn Felipe immer präsent in den Schlagzeilen und bekannt für zahlreiche aufsehenerregende Frauengeschichten, Schlägereien und Skandale war. Er war der Schönling Madrids, wenn nicht sogar ganz Spaniens – ein Mann, dem Gerüchten zufolge angeblich auch die jungen Töchter des Königs, Leonor und Sofia, verfallen waren. Er trug ein weißes Hemd, das an seinen Schultern spannte, dazu eine schwarze lockere Anzughose und kombinierte das Ganze mit weißen Sneakern, die den Look casual abrundeten. Seine dunkelbraunen Haare waren oben etwas länger, eine einzelne Strähne hing ihm in die Stirn. Ich konnte es von hier aus zwar nicht erkennen, doch ich wusste von Fotos, dass er braune Augen und Grübchen hatte, wenn er lächelte. Dabei tat er das gerade nicht. Ganz im Gegenteil. Sein Blick schien düster, sein Gang gehetzt. Selbst als Señor Cordoba ihm ein »Guten Morgen, Señor Lumina« zurief, hatte er nicht mehr als einen ernsten Blick für uns übrig. Mit leicht zusammengekniffenen Augenbrauen sah er zuerst den Veranstaltungsleiter an, ehe sein Blick für eine Sekunde mich streifte. Dann nickte er und verschwand schließlich in seinem schwarzen Oldtimer-Porsche. Der Motor knallte, als wir bereits außer Sichtweite waren, und ich ließ seinen Ausdruck noch eine Weile in meinen Gedanken. Das Internet log nicht: Felipe Luminia war tatsächlich einer der attraktivsten und heißesten Männer, die ich kannte, und obwohl er mich nur einen Atemzug lang und aus weiter Entfernung angesehen hatte, bekam ich den Anblick seiner tiefdunklen Augen nicht mehr aus dem Kopf.
Ich versuchte dennoch, ihn entschieden abzuschütteln. Egal, wie attraktiv er auch war, die chaotische Welt, in der er lebte, würde ich niemals freiwillig betreten wollen. Felipe Luminia bedeutete mit hoher Wahrscheinlichkeit Ärger, mein Leben hingegen Sicherheit und Ordnung. Er war so weit von dem entfernt, was ich gerade brauchte, dass er auf mich beinahe wie eine Fata Morgana wirkte. Eine Illusion.
Dumm nur, dass ich bekanntlich eine Schwäche für Illusionen hatte.
Felipe
»Hast du das Geld?«
Cazador ließ sich breitbeinig in den Beifahrersitz fallen, nachdem ich in einer schmalen Gasse hinter einer verlassenen Fabrik zum Stehen gekommen war und er sich in meinen Wagen geschwungen hatte. Er und die Gegend, in der wir uns trafen, hatten eins gemeinsam: Sie gehörten zu den gefährlichsten Madrids.
Mit hochgezogenen Brauen nahm ich ihn in Augenschein. Er trug Jeans, dazu Lederboots und eine Lederjacke, alles ebenso schwarz wie seine Seele. Ich kannte seinen richtigen Namen nicht. Niemand kannte ihn. Aber das war auch nicht notwendig, solange er seine Arbeit machte – und das tat er, besser als jeder andere.
Im nächsten Moment fischte ich vom Rücksitz eine große Reisetasche von Louis Vuitton und platzierte sie auf seinem Schoß. Ein weit entferntes schwaches Fabriklicht, das das Nachtschwarz durchbrach, ließ mich erkennen, dass sein in die Jahre gekommenes Gesicht in Falten lag, während er den Inhalt beäugte. Schließlich hob er den Blick, sah mich angespannt an. In seinen Augen lag eine Kälte, die selbst für meine Verhältnisse eisig war.
»Wir hatten fünfzigtausend vereinbart.«
»Den Rest bekommst du, wenn der Job erledigt ist«, presste ich hervor, ohne ihn anzusehen, starrte stattdessen an die kahle Betonwand der verlassenen Fabrik vor uns. Aus meiner Hosentasche holte ich ein Foto hervor und reichte es ihm. »Ich will, dass du sie beschattest. Nicht mehr. Informier mich über alles, was du tust, und auch, was sie tut.«
Er beäugte das Bild mit einem widerlichen Grinsen. »Sie ist heiß.«
Die Wut, die schon seit Ewigkeiten in mir schlummerte, suchte sich ihren Weg nach draußen. Mit einem schnellen Handgriff packte ich ihn am Kragen und drückte ihn in den Sitz. »Du fasst sie nicht an. Ist das klar?«
Sein Lächeln wurde breiter. »Nimm deine schmutzigen Finger von mir, oder hat dir deine liebe Mamá nicht beigebracht, wie man mit Dienstleistern umgeht?«
Angespannt biss ich die Zähne zusammen, warnte ihn mit einem letzten eindringlichen Blick, ehe ich ihn in den Sitz drückte und schließlich losließ. Er schnalzte mit der Zunge, setzte sich auf und richtete seinen Kragen.
»Damit ich das richtig verstehe«, begann er ernst. »Du heuerst mich an, aber möchtest nicht, dass ich einschreite?«
»Nein«, antwortete ich und verlieh meinen Worten mit einem möglichst strengen Blick Nachdruck. »Noch nicht.«
»Was muss dieses Mädchen verbockt haben, dass du sie für so viel Geld beobachten lässt?«
Ausweichend schaute ich weg, biss mir auf die Innenseite meiner Wange, bis sie schmerzte. »Es geht nicht um sie.«
»Um was dann?«
»Das hat dich nicht zu interessieren«, knurrte ich. »Mach deinen verdammten Job und halt mich auf dem Laufenden.«
Als ich nun zu ihm rübersah, zeigte er mir ein gieriges Grinsen. In seinem Kiefer prangten ein paar Goldkronen und über seiner linken Augenbraue eine tiefe Narbe. Ein Arbeitsunfall.
»Wie Señor Luminia wünscht.«
Sierra
Das um einiges kleinere, aber dennoch pompöse Gästehaus stand etwas weiter in Sichtweite. Es begrüßte uns ein elegant gekleideter Señor namens Alfredo, der der Verwalter des gesamten Grundstücks war und uns aus Sicherheitsgründen zunächst unsere Handys abnahm, ehe er uns anschließend mit einigem Papierkram eindeckte.
»Das sind Hausregeln, Verschwiegenheitserklärungen, et cetera. Bitte lesen Sie sich alles in Ruhe durch und bringen mir die Dokumente unterschrieben in mein Büro zurück. Dieses finden Sie links neben dem Eingang. Nicht gestattet sind Aufnahmen des gesamten Grundstücks sowie der Familie und des Personals, zudem versteht sich von selbst, dass alle Informationen, die sie hier erhalten, streng vertraulich sind und nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen. Aber das steht alles noch mal im Einzelnen dort drin«, erklärte er und deutete auf die Mappen aus weichem Leder, auf denen das Logo der Marke prangte. »Sobald ich ihre Unterschriften habe, erhalten Sie Ihre Handys zurück.«
Nach Alfredos Einweisung verabschiedete sich Señor Cordoba von uns, woraufhin wir vom Ersteren in unsere Zimmer geführt wurden.
»Señora Lopez, Sie beziehen den Grünen Salon. Señores Alvarez und Pineda, Sie den Blauen. Hier Ihre Zimmerkarten. Sie haben nun eine Stunde Zeit, anzukommen, ehe Señor Cordoba Sie um elf Uhr einweist. Bitte seien Sie pünktlich zurück im Eingangsbereich. Bei Fragen wenden Sie sich an mich.«
Bei den vielen Informationen blickten wir drei uns kurz etwas überfordert an. Alles, was wir seit unserer Ankunft taten, war zu nicken, und auch diesmal bewegten sich unsere Köpfe wie mechanisch auf und ab.
Sobald Alfredo in seinem Büro verschwunden war, setzten sich Pablo und Juan in Bewegung und steuerten die breite Marmortreppe an, die uns hinauf in den ersten Stock bringen würde.
Ich trat auf den hellen Teppich, der die Stufen bedeckte, und sah mich um, während ich ihnen folgte. Am Treppengeländer rankten hüfthohe Blumenvasen, bestückt mit Lilien, neben der Treppe ein Spiegel, der so groß war, dass er bis zur Decke reichte. Als ich mich darin entdeckte, musste ich feststellen, dass egal, wie viel Mühe ich mir gab, ich hier wahrscheinlich niemals reinpassen würde. Das Gestein mochte beige und warm wirken, die Blumen einladend und wohlduftend, doch alles, was ich fühlte, war Kälte, und ich wusste nicht, ob das an der Einsamkeit lag, die in mir oder in diesen Gemäuern herrschte.
Im ersten Stock angekommen, sah ich, dass Juan und Pablo in einem Zimmer verschwanden, an dessen Holztür ein goldenes Schild mit dem Namen Blauer Salon hing. Direkt gegenüber entdeckte ich eins, an dem Grüner Salon stand. Ich atmete tief durch, ehe ich meine Zimmerkarte an einen schwarzen quadratischen Sensor hielt und die goldene Klinke herunterdrückte. Mein überrumpeltes Keuchen war das einzige Geräusch, das man hören konnte, sobald die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war. Eine gefühlte Ewigkeit lang blieb ich stehen und sog die Einrichtung in mir auf. An der Wand gegenüber prangte ein riesiges Doppelbett, geschmückt von cremeweißer Leinenbettwäsche und zahlreichen beige-braunen Kissen, die bestickt waren mit dem Wappen der Luminias. Unter mir dunkles Fischgrätenparkett, an den drei Meter hohen Wänden weiß verzierter Stuck und Wandleuchten, die warmes Licht spendierten. Auf der gegenüberliegenden Seite des Bettes entdeckte ich einen großen Flatscreen, umrandet von geschwungenen Stuckleisten. Daneben zwei einladende Sessel aus beigem Bouclépolster. Begleitet wurden sie von einem dunklen Beistelltisch aus Holz, auf dem Coffeetable Books platziert wurden, und einer geschwungenen Stehlampe. Rechts von mir registrierte ich eine beeindruckende Fensterfront. Vom Boden bis zur Decke erstreckten sich meterhohe Kreuzfenster, eines davon schien als Tür zu dienen und auf den angrenzenden Balkon zu führen, von dem aus man den riesigen Garten bestaunen konnte. Ich zog den weißen lichtdurchlässigen Vorhang zur Seite und warf einen Blick hinaus. In der Ferne, zwischen säulenartigen Zypressen, befand sich die Rückseite des Anwesens, wo eine helle Terrasse mit einem aufwendigen Pavillon zum Dinieren und ein Pool zum Erfrischen einluden. Zu sehen war niemand.
Hinter mir klickte die Tür und ich drehte mich schlagartig um. Weil ich am Eingang niemanden entdeckte, huschte mein Blick durch den Raum und blieb an der Tür links neben dem Bett hängen. Die blonde Frau, die ich erst vor weniger als einer Stunde auf der Gästetoilette gesehen hatte, trat aus dem Nebenraum, der, wenn ich richtig sah, das Badezimmer darstellte. Erst jetzt fiel mir der Koffer auf, der etwas versteckt hinter einer Wandsäule stand und die Initialen CL trug. Bevor sie mich entdeckte, atmete sie hörbar genervt aus, drückte etwas auf ihrem Handydisplay herum und steckte das Gerät in ihre Hosentasche. Dann traf ihr Blick den meinen, erst überrascht, bis so etwas wie Freude ihre in Falten liegende Stirn glättete.
»Hey«, begrüßte sie mich mit ruhiger, aber kratziger Stimme, als würde ihr etwas im Hals stecken, und kam auf mich zu. »Du musst Sierra sein. Ich bin Carla Linares.«
Das war also Señora Linares, nach der Señor Cordoba gesucht hatte. Ohne Vorwarnung schloss sie mich in ihre Arme und ich taumelte überrumpelt zurück. Als ich auch meine Hand auf ihren Rücken legte, wurde mir bewusst, wie lange es her war, dass ich von jemand anderem als meinen Eltern umarmt worden war. Um genau zu sein waren es über acht Monate. Und je fester sie mich drückte, desto mehr überkam mich das seltsame Gefühl, dass auch sie diese Umarmung brauchte.
»Sorry, ich bin manchmal etwas überschwänglich.« Sie lachte, sobald sie sich von mir gelöst hatte und mir entschuldigend entgegengrinste. Erst da realisierte ich, dass ich bisher noch keinen einzigen Ton von mir gegeben hatte.
»Hi, ich bin Sierra«, stammelte ich und versuchte mich an einem Lächeln. »Sorry, ich dachte, ich bin allein … Ich glaube, Señor Cordoba hat dich vorhin gesucht … Gehörst du auch zu den Praktikanten?«
Carla schnaufte lachend. »Ich weiß. Ich hab mich verlaufen. Alfredo hat mich gefunden und hergebracht, deswegen habe ich die Einweisung verpasst. Aber dafür konnte ich mich schon mal umschauen«, antwortete sie und wandte sich ab, um ihren Koffer zu öffnen. Ich fragte mich, weshalb sie mir bisher noch nie auf dem Campus aufgefallen war. Zugegeben, bei der Größe der Universität war es üblich, dass man nicht alle Gesichter kannte. Nur für mich nicht. Für mich, die immer überaus aufmerksam durch das Gelände streifte, zur Beschäftigung Gesichter studierte und viel Zeit bei der Arbeit im Campuscafé und in der Bibliothek verbrachte, war es nicht normal, dass eine Studentin wie Carla, die schon von Weitem auffiel, mir nicht bekannt war. Erst recht nicht, wenn sie denselben Studiengang belegte.
»Ich hoffe, es ist okay für dich, dass wir Zimmergenossinnen sind. Ich verspreche dir, ich schnarche auch nicht.«
Mein Herz wurde warm bei dem Lächeln, das sie mir schenkte. Ich kannte sie zwar nicht, dennoch gab sie mir direkt ein positives und sicheres Gefühl, das mein introvertiertes Ich im Kontakt mit Fremden selten kannte.
»Ich auch nicht«, gab ich mit einem Schmunzeln zurück, ehe ich mit meiner Tasche an die andere Bettseite trat, um meine Sachen auszuräumen.
Carlas Blick blieb an meinem Koffer hängen, ehe sie fröhlich zu einer Tür schlenderte, die neben dem Badezimmer lag, und sie öffnete. »Der Kleiderschrank ist hier.«
Langsam kam ich näher und nahm das geräumige und in warmem Gelbgold beleuchtete Ankleidezimmer in Augenschein. Während Carla bereits damit beschäftigt war, ihren Koffer auszuräumen und ein Kleidungsstück nach dem anderen ins Regal zu legen, kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus.
»Wir haben einen eigenen begehbaren Kleiderschrank?«
Kurz stockte meine neue Mitbewohnerin und schaute fragend auf, ehe sie einen zustimmenden Laut machte. Bei den vielen Designerklamotten, die sie dabeihatte, war das für sie vermutlich nichts Besonderes.
»Etwas übertrieben, oder?«, stimmte sie mir zu, zuckte aber mit den Schultern. »Na ja, andererseits wäre es bei so einem Anwesen aber auch seltsam, wenn wir keinen hätten, oder?«
Auch wieder wahr.
Nach einem letzten Blick auf die einzelnen Regale machte ich mich ebenfalls daran, meinen Koffer auszupacken. Während meine Seite des Schrankes nur halb gefüllt war, platzte ihre beinahe aus allen Nähten. Sie hatte zahlreiche Schuhe dabei, viele mit hohen Absätzen und von Marken, von denen ich mir nicht mal ein halbes Paar hätte leisten können. Ihre Kleider waren wunderschön luftig und pastellig, sie besaß mehrere Designerhandtaschen und auch ihre Accessoires und der Schmuck waren nicht weniger beeindruckend.
»Wow, hast du schöne Sachen«, meinte ich und blieb an einem schwarzen Satinkleid von Yves Saint Laurent hängen. »Das ist ein Traum. Ich besitze nur ein einfaches schwarzes Strickkleid von Zara.«
Carla lehnte sich in den Türrahmen, schmunzelte und wirkte gleichzeitig traurig. »Das meiste davon sind Geschenke von meinem Vater, lass dich davon nicht beeindrucken. Das bin alles nicht ich. Ich meine … ich bin es schon, ich liebe diese Kleider, aber … Ich möchte etwas Eigenes machen, mir etwas Eigenes verdienen.«
Während sie erzählte, fragte ich mich, was ihr Vater von Beruf sein musste, um seiner Tochter so aufwendige Geschenke zu machen.
»Verstehe«, antwortete ich und nickte. »Dann ist das Praktikum ja ein guter Anfang. Ich glaube, wir können hier die besten Referenzen sammeln.«
Sie blickte auf, traurige Überraschung lag in ihrem Ausdruck, ehe sie im nächsten Augenblick wieder verschwunden war. »Ja, da hast du recht.«
Das Handy in ihrer Hosentasche vibrierte, sie holte es heraus und schaute auf das aufleuchtende Display. Von jetzt auf gleich wirkte sie angespannt, ihr Kiefer zuckte, sie biss sich auf die Lippe.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte ich, weil eine unangenehme Stille entstand.
Sie schreckte hoch, als hätte sie vergessen, dass ich mit im Raum war, packte hastig das Telefon weg und lächelte mich etwas zu überschwänglich an.
»Ja, klar! Wollen wir los? Was meinte Señor Cordoba zu euch?«
Während sie etwas zu schnell zu ihrer Tasche hastete, trat ich aus dem Schrank und warf einen Blick auf meine Uhr. Wir hatten noch eine halbe Stunde.
»Es ist noch Zeit, bis –«
»Egal«, unterbrach sie mich, griff mit einem breiten Grinsen nach meiner Hand und zog mich zur Tür, »wir können uns schon mal etwas umsehen.«
»Ich weiß nicht, ob wir das dürfen. Alfredo meinte, wir sollen –«
»Ist doch egal, was Alfredo sagt. Wir machen ja nichts kaputt, sondern schauen uns nur ein bisschen in unserem neuen Heim um. Das kann er uns doch nicht verbieten.« Erneut schmiegte sich ein aufgeregtes Lächeln in ihre Züge, bei dem ich das ungute und gleichzeitig kribbelige Gefühl bekam, dass meine Zeit mit ihr viel Ärger bedeuten könnte.
Sierra
Carla zog mich durch den Gang weg von der Treppe und tiefer ins Innere des Gebäudes. Ein roter Teppich lag auf dem dunklen, glänzenden Parkett, links und rechts hingen mehrere goldgerahmte Gemälde. Ich war keine Kunstexpertin, mir aber dennoch sicher, dass jedes davon ein seltenes und kostspieliges Original darstellte. Am Ende des Flurs führte eine schwere Doppeltür in einen Salon. Unschlüssig blieb ich davor stehen und sah mich vorsichtig im Gang um.
»Carla, wir sollten hier nicht rumschnüffeln.«
Meine Zimmergenossin war bereits im Inneren verschwunden und steckte nun ihren Kopf aus der Tür. »Hier ist niemand«, versuchte sie mich mit einem Lachen zu beruhigen. »Jetzt komm!«
Ich sah mich ein weiteres Mal um, konnte aber weder etwas hören noch jemanden sehen. Wahrscheinlich waren wir mit Juan und Pablo wirklich die Einzigen in diesem Gebäude. Nur Alfredo musste unten in seinem Büro sein. Also trat ich langsam ein.
»Ich glaube, dieser Alfredo würde das Ganze nicht so locker sehen. Er hat unsere Handys eingesammelt, solange wir die Verschwiegenheitserklärungen noch nicht unterschrieben haben. Hat er dir deins nicht abgenommen?«
Ohne sich zu mir umzudrehen, hob sie kommentarlos ihr iPhone in die Höhe und betrachtete währenddessen die Fotos auf dem Kaminsims. »Nein, ich hab den Wisch direkt unterschrieben.«
Unsicher blieb ich im Türrahmen stehen und sah mich von Weitem um. Dass ich auch von diesem Raum beeindruckt war, konnte ich jedoch nicht verheimlichen. Auch hier gab es eine große Fensterfront, die hinaus auf einen Marmorbalkon führte und geschmückt von bodentiefen cremefarbenen Vorhängen war. Den Blickfang des Raums bildete der Kamin, vor dem zwei edle Designersofas prangten, links und rechts meterhohe Bücherregale und ein Flügel, der die hintere Mitte des Zimmers ausfüllte. Langsam folgte ich Carla, streifte mit den Fingerspitzen über die antiken Buchrücken und versuchte, jedes Detail aufzusaugen: die Fotos, die Deko, die Bücher, die Atmosphäre. Ich entdeckte die gesamte Sammlung von Jane Austen, Erstausgaben von Luis de Góngora und Kompositionen von Claude Debussy, kam an einem gerahmten Foto von Beatriz Luminia mit Königin Letizia vorbei und stieß auf eine Büste, die hinter Panzerglas ein diamantenbesetztes Collier von Luminia trug. Als ich an der Balkontür ankam, blieb ich an einer filigran ausgearbeiteten Skulptur eines weiblichen Torsos mit Engelsflügeln hängen. Der Rücken gebeugt und die Schultern hängend, beinahe, als würde sie sich für ihre Existenz schämen. Bewegung und Ruhe trafen aufeinander. Ihr Sein fügte sich perfekt in den Raum ein, war jedoch keineswegs aufdringlich. Wenn man sie länger betrachtete, bekam man das Gefühl, sie würde sich sogleich mit einem grazilen Flügelschlag erheben und eine schwere Leere hinterlassen. Ich erkannte sofort, dass es sich um Jura-Marmor handelte. Die Struktur war fein, war mit Geduld und säuberlicher Technik erarbeitet worden. Neugierig, welcher Künstler hinter dieser Arbeit steckte, suchte ich sie nach einer Signatur ab, konnte jedoch keine ausmachen. Stattdessen fiel mein Blick auf ein Bild, das hinter dem Gestein auf einer Anrichte stand. Langsam trat ich näher und erkannte den Sohn der Luminias. Felipe.
Vermutlich stammte das Porträt von einem Pressetermin oder einem Shooting mit dem persönlichen Familienfotografen. Er posierte in einer prächtigen Eingangshalle, trug einen dunkelblauen Anzug, hatte beide Hände in seinen Hosentaschen vergraben. Mir fiel auf, dass sich in keinem einzigen seiner Gesichtszüge auch nur die Andeutung eines Lächelns ausmachen ließ. Er wirkte grimmig, beinahe überheblich, schaute nur ernst in die Kamera, als würde er widerwillig in diesem Moment feststecken. Ich trat noch etwas näher heran und erkannte, wie dunkel seine Augen waren. Auf dem Bild wirkten sie beinahe schwarz, seine Haare erinnerten dafür mehr an Mahagoni, wie das Parkett zu meinen Füßen. Eine Strähne hing ihm gekonnt in die Stirn, der Rest war sorgfältig zurechtgestylt. Alles hatte seinen Platz und seine Ordnung.
»Er ist heiß, oder?«
Erschrocken zuckte ich zusammen, taumelte leicht zurück und stieß dabei gegen Carla, die sich lautlos hinter mich gestellt hatte.
Lachend lehnte sie sich gegen das Fenster.
»Aber ein absoluter Playboy. Ich würde die Finger von ihm lassen. Wirklich, Sierra«, sie schüttelte den Kopf, »halt dich am besten von ihm fern.«
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und setzte sich an den Flügel.
»Du tust so, als wäre es so einfach, ihm überhaupt nahekommen zu können«, meinte ich lachend, denn ganz egal, wie attraktiv der Erbe des größten spanischen Diamantenimperiums auch war, lag die Wahrscheinlichkeit, ihm über den Weg zu laufen, geschweige denn ihn kennenzulernen, so gut wie bei null. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mit einem arroganten Badboy wie Felipe Luminia nichts zu tun haben wollte, war er für Menschen wie mich – Menschen, die nicht zur Oberschicht gehörten und deren Leben sich nicht um Geld und Macht drehte –, schlichtweg unerreichbar. Wir lebten in komplett verschiedenen Welten.
»Na ja … ist es«, antwortete sie und zuckte mit den Schultern. »Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, sitzen wir gerade in seinem Gästehaus, und da werden wir die nächsten Wochen auch bleiben.«
Mein Blick schweifte hinaus in den Garten. Auch von hier aus konnte man das Anwesen und somit den Hauptwohnsitz der Familie erkennen – der Ort, an dem er jede Nacht zu Bett ging. Sie hatte also nicht ganz unrecht. Vielleicht würden wir ihm bei der Orga die nächsten Wochen das ein oder andere Mal begegnen, vielleicht lief er uns im Park über den Weg. Auszuschließen war es jedenfalls nicht.
»Außerdem bist du, glaube ich, genau sein Typ.«
»Ich?«, kam es mit einem ungläubigen Lachen aus meinem Mund, und eine stechende Erinnerung übermannte mich dabei. Es tut mir leid, aber du bist mir einfach zu langweilig,hallte es durch meinen Kopf. »Ich passe doch rein gar nicht zu dem Typ Frau, mit denen er immer wieder gesehen wird.«
Es war nicht so, dass ich mich als hässliches Entlein beschrieben hätte. Eher als graue Maus: farblos und unscheinbar. Die Frauen, die man wiederholt an Felipes Seite sah, spielten in einer ganz anderen Liga als ich. Sie waren selbstsicher, wussten, wie sie ihr Auftreten bestens in Szene setzen konnten, und besaßen Charisma. Während sie sich im Scheinwerferlicht wohlzufühlen schienen, hatte ich mich schon immer lieber im Hintergrund aufgehalten. Und das tat ich gern. Ich war gern unsichtbar, genoss die Ruhe und Ordnung in meinem Leben – jedenfalls hatte ich das, bis es als etwas Schlechtes dargestellt worden war.
Aufmerksam sah Carla auf, musterte mich einen Moment lang.
»Ja, du«, entschlossen stand sie auf, kam auf mich zu und legte ihre Hände an meine Schultern. Ihre Augen verengten sich, etwas Undefinierbares darin ließ mich denken, dass es Missbilligung sei, obwohl ihre Worte so positiv waren. »Du bist wunderschön, Sierra, und damit passt du ganz genau in sein Beuteschema. Obwohl du wahrscheinlich viel klüger als seine Affären bist.« Meine Wangen erröteten, weil ich ein solches Kompliment bisher nur von meinen Eltern bekommen hatte – und die fanden sowieso alles toll und schön, was ich machte. »Ich glaube, die meisten Frauen sind nur auf sein Geld und den Status aus. Im Gegenzug nutzt er sie als Accessoire oder um Luft abzulassen. Eigentlich kann er einem nur leidtun. Aber im ernst …«, bevor sie weitersprach, wurde ihr Ausdruck ganz streng, »halt dich fern von ihm.«
»Du sprichst von ihm, als würdest du ihn persönlich kennen.«
»Na ja …« Lachend wandte sie sich von mir ab und lief ein paar Schritte durch den Raum. »Nein, nicht wirklich. Man liest eben viel über ihn.«
Ohne mich anzusehen, strich sie mit dem Finger über das glänzend schwarze Holz des Flügels.
Panisch schreckte ich zusammen, als im Flur eine Tür klickte und schallendes Männerlachen ertönte. Juan und Pablo schienen aus ihrem Zimmer gekommen zu sein, ich warf einen Blick auf meine Uhr. Wir hatten noch fünf Minuten. Und ich hatte die Verschwiegenheitserklärung noch nicht unterschrieben.
Als ich aufsah, wirkte Carla alles andere als angespannt über die Stimmen da draußen, oder die Gefahr, erwischt zu werden. Stattdessen reckte sie den Hals, warf mir ein vielsagendes Lächeln zu und machte sich dann auf den Weg in Richtung Tür. Perplex und fasziniert, wie scheinbar furcht- und sorglos sie war, sah ich ihr nach.
Sobald ich ihr lautes »Hey, Jungs« hörte, folgte ich ihr.
Es wunderte mich nicht, dass Juan sie offensichtlich interessiert musterte. Carla war wunderschön und schaffte es auch jetzt, die Aufmerksamkeit ganz natürlich auf sich zu ziehen.
»Ich bin Carla«, stellte sie sich vor und ging auf die beiden zu, die bisher keinen Ton herausgebracht hatten. »Ich bin noch nicht so lange auf der Camilo José, aber wir werden die nächsten Wochen sicherlich viel Zeit miteinander verbringen. Wie heißt ihr?«
»Pablo, freut mich.«
»Ich bin Juan.« Freudig ließ er vom Treppengeländer ab und reichte Carla die Hand. »Auf welcher Uni warst du vorher?«
»Einer privaten«, meinte sie. »Aber da war es so langweilig. Hier gefällt es mir viel besser. Ich freue mich auf die gemeinsame Zeit!«
Felipe
»Warte, wann wurde das entschieden?«
Señora Herrero rückte ihre dick gerahmte Designerbrille zurecht und warf einen Blick auf das Klemmbrett in ihrer Hand, während sie gleichzeitig versuchte, die schwere Aktentasche unter ihrem Arm zu balancieren. Von Digitalisierung hatte die Frau anscheinend noch nie was gehört, auch wenn sie einer der bestorganisierten Menschen war. Gemeinsam mit Señor Cordoba war sie, seit ich denken konnte, für die Veranstaltungen von Luminia zuständig. VivaEventos stand in goldener Schrift unter ihrem Namen auf dem angesteckten Schild an ihrer Bluse. Die Ärmste hatte sich seit Wochen auf diesen Tag vorbereitet und ich musste ihr nun auch noch auf den letzten Metern beibringen, dass sie keine Mentorenrolle für die Praktikantinnen einnehmen würde. Ich hatte selbst wenig Bock, in meinem Büro zu stehen und dieses Gespräch mit ihr zu führen, hätte stattdessen lieber in meinem Cabriolet gesessen und den Fahrtwind all die Gedanken, die seit Jahren meinen Kopf zerstörten, fortwehen lassen. Doch es ging nicht anders. Es war lebensgefährlich, es nicht zu tun. Für sie.
»Gerade eben«, antwortete ich knapp, sah sie ernst an und ließ mir nicht anmerken, wie sehr mich das Thema seit Wochen beschäftigte. Stattdessen besann ich mich darauf, Distanz zu wahren, unbeeindruckt zu wirken und der gefühlskalte Geschäftsmann aus den Schlagzeilen zu sein, den alle erwarteten. Offensichtlich desinteressiert schaute ich aus dem Fenster und hoffte, dass Señora Herrero das Thema fallen lassen und einfach gehen würde.
Zugegeben, meine Antwort war gelogen. Eigentlich stand schon seit zwei Tagen fest, dass sich die Mentoringpläne geändert hatten und ich diesen beschissenen Job, von dem ich gar keinen Plan hatte, übernehmen würde. Doch da weder meine Mutter noch mein Onkel VivaEventos informiert hatten, blieb diese Scheiße nun mal wieder an mir hängen.
»Und wer soll die Betreuung stattdessen übernehmen?«
»Señora Cortez kümmert sich weiterhin nach Plan um die Praktikanten, ich übernehme die Betreuung von Señora Linares und Señora Lopez.«
Ich konnte den Schock und die Belustigung über meine Antwort deutlich in ihrem Gesicht lesen. Und ich meine, sie hatte recht: Es war lustig. Es war zum Schreien, dass ich einen Job übernehmen sollte, von dem ich keine Ahnung hatte. Die Gründe, die dahintersteckten, waren jedoch alles andere als amüsant.
»Entschuldigung, aber bei allem Respekt«, begann Señora Herrero sichtlich verärgert, stellte ihre Tasche auf dem überteuerten Designersessel neben der Tür ab, auf dem wahrscheinlich noch nie jemand Platz genommen hatte. »So läuft das nicht. Ich respektiere und schätze Ihre Arbeit, aber Sie besitzen nicht das Wissen und die Expertise, wenn es um die Eventplanung geht. Ich habe mich wochenlang auf diese Aufgabe vorbereitet und –«
»Ihre Arbeit bleibt dieselbe«, unterbrach ich sie und warf ihr einen entschiedenen Blick zu. »Das Einzige, das sich nun für Sie ändert, ist, dass Sie die Praktikantinnen und Praktikanten nicht anlernen müssen.«
Ich konnte beobachten, wie Señora Herrero ihre angespannte Haltung ein wenig lockerte, den Kopf senkte. Dabei fiel ihr ihr schwarzer Pony vor die Augen, die hochgekrempelten Ärmel ihres dunkelblauen Kostüms rutschten hinab. Als ich noch ein gefühlsduseliger und hormongesteuerter Teenager gewesen war, hatte ich Señora Herrero angehimmelt. Sie war heiß, wusste genau, wo es langging, war eine Powerfrau durch und durch. Heute konnte ich nur noch darüber lachen. Emotionen waren lächerlich, sie hemmten einen nur unnötig. Wenn ich mich auf Frauen einließ, dann lediglich für Sex, mehr nicht. Wenigstens ein Gefühl, das nicht ganz verschwunden war.
»Señora Herrero, Luminia schätzt Ihre Arbeit schon seit Jahren und wir sind glücklich, Sie auch bei diesem besonderen Projekt an unserer Seite zu haben. Aber die Pläne haben sich nun mal kurzfristig geändert, weswegen ich Sie bitten möchte, mir Ihre Unterlagen auszuhändigen und bei Rückfragen bereitzustehen. Ich werde mich um Señora Linares und Señora Lopez, so gut es mir möglich ist, kümmern. Mir wäre es auch lieber, Ihnen den Job zu überlassen, doch unausweichliche Umstände erfordern nun mal besondere Maßnahmen.«
Wie ich es verabscheute, so hochgestochen zu reden, doch Mamá verlangte es nun mal.
»Unausweichliche Umstände?« Ihre grünen Augen starrten mich nieder. Ich starrte ebenso scharf zurück, versuchte mit allen Mitteln, nicht zu zeigen, wie sehr mich jene Umstände wirklich mitnahmen. Mamá würde mich umbringen, würde ich das Geschäft mit auch nur einem Funken Emotion verunreinigen. Bei Luminia geht es um Diamanten, und Diamanten zerbrechen nicht.Ebenso wie wir. Niemals, hallten ihre Worte durch mein Inneres. Ich musste professionell bleiben.
»Bueno.« Entnervt hob sie die Arme, ehe sie ihre Tasche öffnete und eine Mappe hervorzog, die sie vor mir auf den Tisch knallte. »Wenn Señor Luminia das so möchte, soll es so sein.«
Mit einem reservierten und viel zu überschwänglichen Lächeln trat sie durch die Tür.
Meine Assistentin Alma erhob sich von ihrem Platz vor meinem Büro und kam auf mich zu. Sie arbeitete schon seit mehr als dreißig Jahren für unsere Familie, hatte jede Rezession, jede Problematik und jedes Tief mitbekommen. Obwohl unser Verhältnis distanziert und professionell war, schätzte ich ihre Anwesenheit und ihren manchmal mütterlichen Rat. Immerhin sah ich meine eigene Mutter im Schnitt vielleicht einmal pro Monat.
»Soll ich die Praktikantinnen informieren?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich erledige das. Sprechen Sie mit VivaEventos über die neue Verteilung. Und nicht vergessen: Es ist alles streng vertraulich. Niemand darf von den wahren Gründen erfahren.«
»Natürlich.« Mit einem Nicken verließ sie den Raum, den andere als Saal bezeichnen würden. Ein Büro, das mir gehörte und doch nicht meins war. Nichts in diesem Raum war ich. Nichts in diesem Anwesen war ich. Und erst recht nichts an diesem Job. Dennoch war ich ein Meister darin, in andere Rollen zu schlüpfen. Also würde auch das hier ein Kinderspiel werden.
Sierra
Zurück im Palacio Dorado führte uns Señor Cordoba ins oberste Stockwerk. Hier gab es mehrere Büros, in denen moderne Einrichtung auf schicken Altbau traf. In einem der größeren Besprechungsräume wartete eine schlanke Dame mit rotbraunem Haar und kurzem Bobschnitt auf uns. Ihre langen Beine steckten in einer eleganten Chinohose, kombiniert mit spitzen Absatzschuhen. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, lehnte sie am Besprechungstisch und lächelte uns verschmitzt zu, während wir den Raum betraten.
»Señoras y Señores«, begann Señor Cordoba und stellte sich neben die Dame. »Ich möchte Ihnen Señora Cortez vorstellen. Sie wird die Mentorin von Herrn Alvarez und Herrn Pineda sein und Sie vor allem in die Konzeptentwicklung und Logistik einweisen, während Señora Linares und Señora Lopez sich zunächst der Öffentlichkeitsarbeit widmen werden. Sie alle werden eine umfangreiche Einleitung in das Unternehmen sowie die Zusammenarbeit zwischen Luminia und VivaEventos erhalten, um uns die nächsten Monate bestmöglich unterstützen zu können. Wie Sie sich denken können, benötigt die Planung eines solch aufwendigen Events wie der Jubiläumsfeier viel Vorlauf. Die offiziellen Vorbereitungen begannen bereits letztes Jahr, es geht hier also nur noch um den Feinschliff und das Marketing.«
Juan hob den Arm, begann jedoch bereits zu reden. »Werden wir nur in einem Arbeitsbereich bleiben?«
»Nein, bei der Planung und Durchführung dieses Projekts gibt es viele verschiedene und stetig wechselnde Aufgabengebiete. Auch Sie werden in die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing einsteigen, während die Damen das organisatorische Management kennenlernen können. Einladungen, Catering, Entertainment, Social Media et cetera. Zweimal wöchentlich treffen Sie sich in einer großen Gruppe und besprechen Ihre Ergebnisse im Luminia Headquarter.«
Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. In den Bereichen Social Media und Online-Werbekampagnen war ich zwar nicht so erfahren wie andere in meinem Alter, dafür freute ich mich umso mehr auf die Konzeptentwicklung und die kreativen Aufgaben. Schon von klein auf besaß ich eine Schwäche für die Planung und Organisation von Events, hatte seit meinem achten Lebensjahr jeden Geburtstag meiner Familie selbst organisiert, war im Veranstaltungskomitee meiner Schule gewesen und sogar an der Planung der Hochzeit meiner Tante beteiligt gewesen. Das hier war genau mein Ding. Hier konnte ich voll und ganz ich selbst sein.
»Wissen Sie, wo Señora Herrero bleibt?«, hörte ich Señor Cordoba der Dame zuflüstern, die nur ahnungslos mit den Schultern zuckte und den Kopf schüttelte.
Einen Moment lang wirkte er angespannt und verärgert, fing sich aber mit einem professionellen Lächeln wieder, ehe er ein paar Bögen Papier vom Tisch nahm und sie uns reichte. Ganz oben prangte das Logo von VivaEventos.
»Dies sind Ihre Zeitpläne, Adressen und Ansprechpartner. Für die Mittagspause können Sie gern das Restaurant im Palacio Dorado oder im Headquarter nutzen. Beides steht Ihnen zur kostenfreien Verfügung. Sie können natürlich gern auch jederzeit außerhalb essen. Wenn Sie das Gelände verlassen möchten, geben Sie Ihren Fahrern ein kurzes Zeichen. Sie können auch zu Fuß gehen, bleiben dann aber bitte stets auf den Wegen. Herumstreunen auf dem Gelände ist nicht gestattet.«
Eigentlich sollte mich inzwischen nichts mehr wundern, trotzdem hob ich überrascht die Brauen. Wir hatten eigene Fahrer? Die Herren in den Golfcarts waren so etwas wie unsere persönlichen Kutscher?
Señor Cordoba sah sich noch mal im Raum um, rieb die Hände an seiner Anzughose, ehe er sich an Carla und mich wandte. »Ihre Mentorin Señora Herrero sollte gleich da sein. Sie hat sich bestimmt –«
Wie aufs Stichwort wurde in dem Moment die Tür geöffnet, Señor Cordobas Blick zuckte streng zum Eingang, ehe er sich klärte. Überrascht trat er einen Schritt zurück, denn es war nicht unsere Mentorin, die nun den Raum betrat.
»Señor Luminia?«
Die gesamte Gruppe drehte sich in Richtung Ausgang. Im Augenwinkel sah ich, dass sich der VivaEventos-Projektleiter und seine Mitarbeiterin aufrichteten, Juan und Pablo lösten überrumpelt ihre verschränkten Arme und Carla senkte den Blick. Wie konnte ein Mann mit seiner bloßen Präsenz auf andere so einschüchternd wirken?
»Es gab eine Änderung in der Mentoringverteilung«, sagte Felipe, ohne jemanden eines Blickes zu würdigen, und schnappte sich einen Bogen mit den Zeitplänen vom Tisch. »Ich habe Señora Herrero bereits informiert.«
Nun sah er der Projektleitung von VivaEventos einmal nickend in die Augen, ehe sein Blick Carla streifte und er im Anschluss mich ansah.
Ich schaffte es nicht lange, ihm standzuhalten, auch wenn ich es wollte. In echt sah er noch besser aus als auf all den Fotos, die im Internet kursierten. Er wirkte weiterhin kühl, distanziert und überheblich, doch als er sich wieder abwandte, blieb mein Blick dennoch an seinem Profil hängen. An seinen Wimpern, die so dicht waren, dass ich sie selbst aus der Ferne erkennen konnte, an seinem dunklen Bart, der definierten Kinnlinie und seinem dunklen Haar, das wild und gleichzeitig feinsäuberlich zurechtgestylt war. Er trug dasselbe wie vorhin – ein weißes Hemd von Moncler und eine schwarze Anzughose, in deren Tasche er lässig seine freie Hand sinken ließ. Die Ärmel waren hochgekrempelt, wodurch man die einzelnen Muskelstränge an seinem Unterarm erkennen konnte, und ich entdeckte eine silberne Uhr an seinem Handgelenk. Sein Aftershave vermischte sich mit der Luft im Raum, ich sog es auf, speicherte es ab und ertrank in dem Duft aus rauchigem Vetiver.
»Ich verstehe nicht ganz.« Señor Cordoba trat einen Schritt vor. An seinen Schläfen bildeten sich ein paar Schweißperlen, sein Gesicht färbte sich rot. »Ich weiß von keiner Änderung.«
»Ich werde die Betreuung von Señora Linares und Señora Lopez übernehmen. Jetzt wissen Sie es.« Erneut sah er erst Carla, dann mich an, erneut verkrampfte ich mich unter seinem Blick, blieb diesmal jedoch in seinen dunkelbraunen Augen hängen. Sein Ausdruck war düster, er wirkte gehetzt, schlecht drauf.
Mit einem großen Ausfallschritt trat er uns gegenüber, reichte Carla die Hand und schließlich mir. Sein Händedruck war fest und höflich distanziert.
»Felipe Luminia«, stellte er sich vor, als würden wir das nicht bereits wissen. »Freut mich, euch kennenzulernen.« Bevor ich etwas erwidern konnte, wandte er sich wieder ab, und ich bekam das starke Gefühl, dass er sich alles andere als freute. Mit zwei Fingern bedeutete er uns, ihm zu folgen, woraufhin ich einen Schritt in seine Richtung trat, gleichzeitig aber verunsichert stehen blieb und zwischen ihm und dem Chef der Eventagentur hin und her blickte.
»Wie kommt diese Änderung zustande? Weiß Ihre Mutter davon? Und –«
»Mal ganz davon abgesehen, dass ich Teil der Geschäftsleitung von Luminia bin und dementsprechend selbst Entscheidungen im Namen der Marke meiner Familie treffen darf«, begann Felipe streng und ging auf ihn zu, der sofort zustimmend nickte und den Kopf senkte, »weiß meine Mutter Bescheid, ja. Sie können gern alles Weitere mit ihr besprechen. Bis dahin würde ich vorschlagen, dass wir mit den Vorbereitungen beginnen. Schließlich gibt es viel zu tun, nicht wahr?«
»Natürlich. Wir fangen sofort an.«
Señor Cordoba wandte sich umgehend seiner Mitarbeiterin und Juan und Pablo zu, um sie einzuweisen.
Felipe drehte seinen Kopf in unsere Richtung. Während er Carla mit demselben abweisenden, genervten Ausdruck beäugte, der schon die ganze Zeit über an seinem Gesicht haftete, entspannten sich seine Züge etwas, als er bei mir landete. Grübelnd betrachtete er mich, ich konnte erkennen, dass er auf der Innenseite seiner Wange herumkaute. Schließlich nickte er uns zu, drehte sich zur Tür und lief los.
»Folgt mir.«
Sierra
Die ganze Zeit über lief Felipe mit einigen Metern Abstand vor uns her. Sein Tempo war so schnell, dass wir uns mit unseren um Weiten kürzeren Beinen hinter ihm abhetzen mussten. Ich hatte noch immer nicht ganz verstanden, was soeben passiert war, doch so langsam kristallisierten sich die wichtigsten Fragezeichen in meinem Kopf heraus.
Warum hatte es in letzter Minute eine Änderung gegeben, von der der Projektleiter nichts wusste? Warum kümmerte sich ein Luminia um uns, obwohl doch eigentlich die Eventagentur federführend war? Und warum war Carla, seit wir am Gästehaus aufgebrochen waren, so ungewohnt ruhig?
Ich warf ihr einen fragenden Blick zu, dem sie mit einem Schulterzucken begegnete.
Während wir durch die großen Eingangshallen des Palacio Dorados liefen und den Hinterausgang anpeilten, zu dem es auch zum Anwesen ging, begegneten wir ein paar Gästen, die den Palast besichtigten. Eine Gruppe tuschelnder Frauen erkannte den Erben des Imperiums und begann aufgeregt zu kichern. Erst da realisierte ich so richtig, mit wem ich gerade unterwegs war und wer die nächsten Wochen über mein Mentor sein würde. Noch fühlte es sich surreal an, diese Tatsache zu akzeptieren.
Wir passierten die Hintertür, landeten wieder in dem lichtdurchfluteten Hof, auf dem statt der Golfcarts nun ein schwarzer Porsche stand.
»Steigt ein«, forderte Felipe uns auf, während er an die Fahrertür trat und sie öffnete.
Unschlüssig blieb ich vor dem Wagen stehen. »Entschuldigung, aber … Ich meine … VivaEventos leitet doch dieses Praktikum, oder?«, fragte ich vorsichtig.
Felipe blieb stehen und sah mich perplex an. Auch Carla stoppte.
»Bitte?« Es war mehr ein Zischen als eine Frage.
Ich hasste mich dafür, dass ich nachfragte. Ein Teil von mir wollte einfach nur die Klappe halten, einsteigen und seinen Plänen folgen. Ein anderer drängte danach, etwas Ordnung in dieses Chaos zu bringen.
»Ich meine«, stammelte ich, warf Carla einen Hilfe suchenden Blick zu, doch sie hatte ihren nur zu Boden gerichtet, und kam einen Schritt näher. »Bei allem Respekt … Du bist sicherlich der Beste darin, uns mehr über Luminia zu erzählen, aber das Event …? Ich … ich möchte nur sichergehen, dass alles seine Richtigkeit hat, weil mir dieses Praktikum sehr wichtig ist. Ich meine, wir gehören offiziell eigentlich zu VivaEventos und nicht zu Luminia. Soweit ich weiß, liegt dein Aufgabengebiet doch ganz woanders.«
Einen Augenblick lang sah er mich angespannt an, ehe sich sein linker Mundwinkel hob und er einen schnaufenden Lacher von sich gab. »Soweit du weißt? Was weißt du denn noch alles über mich?« Langsam ließ er von der Tür ab, trat um die Motorhaube herum und kam auf mich zu. »Ich bin gespannt, mehr über mich zu erfahren.«
Ich zog ein Stück den Kopf ein, konnte den Blick dennoch nicht von ihm abwenden. Was sollte ich sagen? Ich habe dich gegoogelt und weiß alles, was die Presse je über dich oder deine Familie geschrieben hat. Auch wenn es bei einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens nichts Ungewöhnliches war, merkte ich nun, da ich ihm gegenüberstand, dass es doch einen eigenartigen Beigeschmack hatte, ohne seinen Konsens so viel über ihn zu wissen. Nach allem war er immer noch ein Mensch, dessen Privatangelegenheiten er sicherlich lieber für sich behalten und nicht auf der Titelseite eines Klatschblattes lesen wollte.