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"Sinn gesucht - Gott erfahren KIDS" nimmt erstmals das Potenzial einer kindgerecht gestalteten Erlebnispädagogik für die Arbeit mit Kindern von 8 bis 12 Jahren im christlichen Kontext in den Blick. Es gibt eine Einführung in das Thema sowie 38 in der Praxis erprobte Übungen. Beides schafft die Basis für neue Berührungspunkte zwischen Kindern und christlichen Inhalten. Neben Einzelübungen gibt es Reihen zu Josef, Psalmversen und Naturerlebnissen. "Sinn gesucht - Gott erfahren KIDS" eignet sich für die unterschiedlichen Kontexte und Formate in der Arbeit mit Kindern: von Kinderkirche über Jungschar und Freizeit bis Religionsunterricht. Fachleute aus diesen Kontexten haben die Übungen entwickelt. Entstanden ist ein inspirierendes Praxisbuch. Es richtet sich an alle, die Erlebnispädagogik als handlungsorientierten Ansatz und qualitative Methode der Verkündigung in der Arbeit mit Kindern einsetzen wollen.
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Seitenzahl: 284
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Die Herstellung dieser Arbeitshilfe wurde gefördert aus Mitteln des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS).
© 1. Auflage 2022buch+musik ejw-service gmbh, Stuttgart 2022
All rights reserved.
buch+musik ejw-service gmbh, Stuttgartwww.ejw-buch.deISBN Buch 978-3-86687-317-9ISBN E-Book 978-3-86687-318-6
Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluynwww.neukirchener-verlage.deISBN Buch 978-3-7615-6839-2ISBN E-Book 978-3-7615-6840-8
Lektorat: buch+musik – Tamara Müller, StuttgartUmschlaggestaltung: buch+musik – Daniela Buess, StuttgartSatzprogrammierung: X1-Publishing, StuttgartSatz Downloads: buch+musik – Daniela Buess, StuttgartBildrechte Umschlag: iStock, Halfpoint; Unsplash, Galeno ArelianoBildrechte Illustrationen: Simone Struve, Grafik+Illustration, RenningenBildrechte Autorenfotos: Link: anja kirschner photography – Jakob und Anja Kirschner GbR; Wahl: Ulrich Graf, Stuttgart; Westhauser: CVJM-Hochschule, Kassel; andere: bei den Autorinnen und Autoren
„Sinn gesucht – Gott erfahren“ geht weiter
Erlebnispädagogik im christlichen Kontext entwickelt sich ständig weiter. In den vorangehenden Bänden wurden Grundlagen für die Verknüpfung von Erlebnispädagogik und Glaube formuliert und viele konkrete Praxisideen zusammengestellt. „Sinn gesucht – Gott erfahren KIDS“ greift diese bewährte Kombination auf und entwickelt sie weiter. Die Herausgeber wagen sich an eine neue Zielgruppe, die bisher wenig Beachtung in der Literatur und in erlebnispädagogischen Settings findet.
Herausforderung „Erlebnispädagogik mit Kindern“
Viele Jahre waren sich Erlebnispädagoginnen und Erlebnispädagogen einig, dass erlebnispädagogisches Arbeiten mit Kindern nur sehr begrenzt möglich ist. Verständlich, wenn dabei primär an archaische Rucksacktouren, komplexe Problemlöseaufgaben oder selbstverantwortete Abseilmanöver gedacht wird. Doch nicht nur die „klassischen“ Handlungsfelder, auch die Reflexion stellt für Kinder oft eine Überforderung dar, zumindest wenn sie nicht kindgerecht aufbereitet ist.Doch in den letzten Jahren wurde das Verständnis erlebnispädagogischer Arbeit immer breiter. Viele neue Handlungsfelder und Zielgruppen kamen hinzu. So ist es naheliegend, dass der Fachausschuss Erlebnispädagogik im Ev. Jugendwerk in Württemberg, beheimatet in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit, endlich ein Buch mit konkreten Übungen und Ideen für die Arbeit mit Kindern auf den Markt bringt.
Von der Idee zum Buch
Neue Wege zu gehen, ist kein Selbstläufer. Erste Ideen führten zu einem mehrjährigen, deutschlandweiten Prozess. Dabei diskutierten Expertinnen und Experten förderliche Rahmenbedingungen für Erlebnispädagogik mit Kindern und erarbeiteten darauf aufbauend Übungen, die mit Kindern durchgeführt und reflektiert werden können. Herausgekommen ist ein hilfreiches und inspirierendes Praxisbuch. Sehr herzlich danke ich den Autorinnen und Autoren, insbesondere den Herausgebern, für ihren Mut, neue Wege zu gehen. Wieder einmal begeistern mich die fachliche Expertise, der Ideenreichtum und letztlich der Kraftaufwand, der nötig ist, dieses Buch nun in Händen zu halten.
Gott erfahren
Mithilfe dieses Buches können Gruppenleitungen Kindern wertvolle Erfahrungen ermöglichen und sie auf ihrem Lebensweg begleiten. Gott segne diese wichtige Arbeit und wirke durch sie!
Simon WöhrbachVorsitzender Fachausschuss Erlebnispädagogik im Ev. Jugendwerk in Württemberg
Titel
Impressum
Überblick
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Downloads zum Buch
Übersicht über die Übungen
Bibelstellenverzeichnis
Einführung: Erlebnispädagogik in der Arbeit mit Kindern
Welt der Kinder heute: Wie Kinder in Deutschland aufwachsen
Konsequenzen daraus für die Arbeit mit Kindern: Was Kinder brauchen
Erlebnispädagogik im christlichen Kontext mit Kindern
Ganz praktisch – eine kleine Handreichung
Übungen: Dynamisch und inspirierend
A band of misfits – ein seltsamer Haufen
Auf dem Weg sein
Aufbruch und Segen
Aus dem Vollen schöpfen
Ballast loswerden!
Connect – Bleibe im Gespräch mit Gott
Freundschaft, die trägt
Für alle Fälle gewappnet
Gott im Alltag hören
Gott passt auf mich auf!
Ich bin wertvoll!
Regelwidrig!?
Sei mutig und stark!
Verloren und gefunden
Wirf deine Sorgen weg
Wo ist David?
Übungen: Naturerlebnisse
Übungen: Naturerlebnisse – Einführung
Feuer und Licht
Genial gemacht
Naturbegegnung
Schöpfung im Detail
Schwarz-Weiß
Versteckt – Entdeckt!
Übungen: Die Josefs-Geschichte
Übungen: Die Josefs-Geschichte – Einführung
Übungen: Die Josefs-Geschichte – Theologische Einführung
Triff Josef
Küss mich
Träume (be-)greifen
Mit dem Zollstock durch die Wüste
Versöhnung ins Rollen und zum Ziel bringen
Versöhnungswege
Übungen: Psalmverse
Übungen: Psalmverse – Einführung
Übungen: Psalmverse – Theologische Einführung
Psalm 1 – Laufend entschieden
Psalm 8 – Wertvoll
Psalm 22 – (Nicht) enttäuscht
Psalm 23 – Behütet
Psalm 28 – Unterstützt
Psalm 50 – Ausweglos
Psalm 63 – Gehalten
Psalm 91 – Beschützt
Psalm 104 – Dankbar
Psalm 139 – Entscheidend
Anhang
Literaturempfehlungen
Die Herausgeber
Die Autorinnen und Autoren
Unter download.ejw-verlag.de und unter www.neukirchener-verlage.de/sinngesuchtkids können zur Durchführung der Übung notwendige Vorlagen als digitale Daten heruntergeladen werden. Der Kauf des Buches berechtigt zum Downloaden, Ausdrucken, Kopieren und Verwenden dieser Daten, sofern sie zur Vorbereitung und Durchführung der Inhalte dieses Buches verwendet werden. Eine Vervielfältigung, Verwendung oder Weitergabe darüber hinaus ist ohne Erlaubnis ausdrücklich nicht gestattet.
Übung
Art der Übung
Personen
Dauer in Minuten
Gelände
A band of misfits – ein seltsamer Haufen
Kooperation
Metaphorik
Problemlösung
Wahrnehmung
4 – 24
45
drinnen, draußen
Auf dem Weg sein
Kooperation
Vertrauen
4 – 20
35
großer Raum, große Freifläche
Aufbruch und Segen
Kooperation
Soloerfahrung
Wahrnehmung
8 – 30
90
großer Raum, große Freifläche
Aus dem Vollen schöpfen
Metaphorik
Wahrnehmung
8 – 30
40
große Freifläche
Ballast loswerden!
Metaphorik
Wahrnehmung
2 – 10
15
drinnen, draußen
Connect – Bleibe im Gespräch mit Gott
Kommunikation
Kooperation
2 – 10
20 – 45
drinnen, draußen
Feuer und Licht
Kooperation
Koordination
4 – 8
90
Außengelände mit Feuerstelle
Freundschaft, die trägt
Kooperation
Vertrauen
Wahrnehmung
7 – 28
20 – 45
langer Gang, große Freifläche
Für alle Fälle gewappnet
Metaphorik
Wahrnehmung
6 – 14
60 – 90
Freifläche mit Bäumen
Genial gemacht
Naturwahrnehmung
3 – 12
90
abwechslungsreiche Natur
Gott im Alltag hören
Kooperation
Wahrnehmung
12 – 36
30
großer Raum, große Freifläche
Gott passt auf mich auf!
Kooperation
Koordination
40 – 150
15 – 30
großer Raum, große Freifläche
Ich bin wertvoll!
Wahrnehmung
12 – 24
90
drinnen
Küss mich
Kooperation
Koordination
Problemlösung
4 – 30
60 – 90
drinnen, draußen
Mit dem Zollstock durch die Wüste
Kooperation
Koordination
Problemlösung
5 – 30
35
großer Raum, große Freifläche
Naturbegegnung
Metaphorik
Naturwahrnehmung
4 – 30
30 – 45
abwechslungsreiche Natur, Wald
Psalm 1 – Laufend entschieden
Soloerfahrung
1+
25
drinnen, draußen
Psalm 8 – Wertvoll
Soloerfahrung
2+
25
drinnen, draußen
Psalm 22 – (Nicht) enttäuscht
Soloerfahrung
1+
15
drinnen, draußen
Psalm 23 – Behütet
Kooperation
2+
30
großer Raum, große Freifläche
Psalm 28 – Unterstützt
Soloerfahrung
5+
25
drinnen, draußen
Psalm 50 – Ausweglos
Soloerfahrung
1+
20
drinnen, draußen
Psalm 63 – Gehalten
Soloerfahrung
3+
25
drinnen, draußen
Psalm 91 – Beschützt
Soloerfahrung
4+
25
drinnen, draußen
Psalm 104 – Dankbar
Soloerfahrung
1+
30
drinnen, draußen
Psalm 139 – Entscheidend
Soloerfahrung
1+
30
Wald, großer Raum
Regelwidrig!?
Kooperation
Wahrnehmung
7 – 10
45
drinnen, draußen
Schöpfung im Detail
Kooperation
Wahrnehmung
6 – 30
30 – 45
Wald
Schwarz-Weiß
Naturwahrnehmung
8 – 30
45
abwechslungsreiches Waldstück
Sei mutig und stark!
Kooperation
Vertrauen
3 – 20
45
draußen
Träume (be-)greifen
Kooperation
Metaphorik
Problemlösung
6 – 25
45
großer Raum, große Freifläche
Triff Josef
Kooperation
Metaphorik
9 – 30
45
großer Raum, große Freifläche
Verloren und gefunden
Metaphorik
Problemlösung
5 – 20
15 – 30
drinnen, draußen
Versöhnung ins Rollen und zum Ziel bringen
Kooperation
Problemlösung
4 – 30
45
drinnen, draußen
Versöhnungswege
Kooperation
Metaphorik
Problemlösung
Vertrauen
12 – 18
45
großer Raum, große Freifläche
Versteckt – Entdeckt!
Kooperation
Wahrnehmung
5 – 30
30 – 45
abwechslungsreiches Waldstück
Wirf deine Sorgen weg
Kooperation
Metaphorik
6 – 20
30 – 45
großer Raum, große Freifläche
Wo ist David?
Kommunikation
Kooperation
Problemlösung
6 – 30
30
großer Raum, große Freifläche
BIBELSTELLE
ÜBUNG
1. Mose 1,11-12
Schöpfung im Detail
1. Mose 1,31a
Schwarz-Weiß
1. Mose 12,1
Auf dem Weg sein
1. Mose 12,1-4
Aufbruch und Segen
1. Mose 37
Triff Josef
1. Mose 39
Küss mich
1. Mose 41
Träume (be-)greifen
1. Mose 42
Mit dem Zollstock durch die Wüste
1. Mose 43
Versöhnung ins Rollen und zum Ziel bringen
1. Mose 45
Versöhnungswege
2. Mose 2,1-9
Gott passt auf mich auf!
Josua 1,9
Sei mutig und stark!
Richter 7,15
Wo ist David?
1. Samuel 24,0
Wo ist David?
Psalm 1,5-6
Psalm 1 – Laufend entschieden
Psalm 8,5-6
Psalm 8 – Wertvoll
Psalm 18,36
Psalm 28 – Unterstützt
Psalm 18,17-18
Psalm 63 – Gehalten
Psalm 22,5-6
Psalm 22 – (Nicht) enttäuscht
Psalm 23,4
Psalm 23 – Behütet
Psalm 28,7
Psalm 28 – Unterstützt
Psalm 50,15
Psalm 50 – Ausweglos
Psalm 63,9
Psalm 63 – Gehalten
Psalm 91,2
Psalm 91 – Beschützt
Psalm 118,22
Psalm 8 – Wertvoll
Psalm 139,3.24
Psalm 139 – Entscheidend
Psalm 139,14
Genial gemacht
Matthäus 5,14-16
Feuer und Licht
Markus 2,1-12
Freundschaft, die trägt
Regelwidrig!?
Markus 10,46-52
Ich bin wertvoll!
Lukas 5,17-26
Regelwidrig!?
Lukas 15,3-7
Versteckt – Entdeckt!
Lukas 15,8-10
Verloren und gefunden
Lukas 24,13-34
Ballast loswerden!
Johannes 10,27
Gott im Alltag hören
Römer 1,20a
Naturbegegnung
2. Korinther 12,7-9
A band of misfits – ein seltsamer Haufen
Epheser 4,32
A band of misfits – ein seltsamer Haufen
Epheser 6,10-16
Für alle Fälle gewappnet
1. Thessalonicher 5,17
Connect – Bleibe im Gespräch mit Gott
1. Petrus 5,7
Wirf deine Sorgen weg
In der Beschäftigung mit Kindern ist es wichtig, einiges über ihre Lebenswelt zu wissen. Wie wachsen Kinder in Deutschland auf? Was bewegt sie? In welchen Lebensräumen bewegen sie sich und was spielt in ihrem Leben eine wichtige Rolle? All diese Themen spielen in die erlebnispädagogischen Übungen, insbesondere in ihre Reflexion und Auswertung, mit hinein.
Nichts ist im Leben von Kindern so wichtig wie ihre Kernfamilie. Sie zieht sich bei Kindern durch alle Lebensbereiche. Eltern sind nach wie vor die wichtigsten Bezugspersonen der Kinder.1 Je kleiner Kinder sind, desto mehr Zeit verbringen sie in ihrer Familie. Mit zunehmendem Alter nimmt die Zeit, die Kinder mit ihrer Kernfamilie verbringen, ab. Sie orientieren sich dann verstärkt auch an Menschen außerhalb ihres engeren familiären Umfelds.
Dabei hat sich Familie in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Hier geht es vor allem um die Frage, welche Form des Zusammenlebens als Familie gezählt wird. Neben der etablierten Vater-Mutter-Kinder-Familie innerhalb einer Ehe, die auch heute noch den Großteil der Formen des Zusammenlebens in Deutschland ausmacht (70%)2, sind eine Vielzahl anderer Formen entstanden. Dazu gehören Alleinerziehende, Paarbeziehungen außerhalb einer Ehe, gleichgeschlechtliche Beziehungen und Patchworkfamilien in vielen Varianten. Darum ist es wichtig, beim Begriff „Familie“ nicht direkt an eine Ehegemeinschaft mit Kindern zu denken, sondern an eine Vielfalt unterschiedlicher (familialer) Lebensformen, die jede für sich eine gewisse soziale Legitimität beansprucht.
Familie heute heißt auch, dass häufig beide Elternteile erwerbstätig sind, was in 68% der Familien in Deutschland der Fall ist. Dabei arbeitet in den meisten Fällen die Mutter in Teil- und der Vater in Vollzeit. Die meisten Kinder in Deutschland wachsen mit Geschwistern auf, lediglich jedes vierte Kind hat keine Geschwister. Die Wichtigkeit von Geschwisterbeziehungen für Kinder ist hier zu betonen: Beziehungen unter Geschwistern halten am längsten und gehören zu den intensivsten. Mit Geschwistern haben Kinder wichtige Mitstreiterinnen und Mitstreiter, Vertrauenspersonen, Rivalinnen und Rivalen, Hilfe und Vorbilder in einem. Auseinandersetzungen unter Geschwistern sind elementare Übungsfelder für den Umgang mit Konflikten.3
Weitere wichtige Bezugspersonen neben den Eltern und Geschwistern sind die Großeltern, da diese oft Ansprechpersonen für Fragen und Probleme sind, die Kinder zwar mit einer Vertrauensperson, nicht aber mit den Eltern besprechen wollen.4
Auch der Umgang innerhalb der Familien hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt: Eltern sind heute nicht nur Autoritätspersonen, sondern auch Partnerin und Partner der Kinder. Familien tauschen Erfahrungen aus, suchen Lösungen für Probleme gemeinsam und treffen Entscheidungen zusammen. So hat sich das Familienkonzept von einer „Vorgabefamilie“ zu einer „Verhandlungsfamilie“ gewandelt.5 Die Kinder unserer Gesellschaft sind es gewohnt, Entscheidungen mitzutragen und ihre Meinung kundzutun.
Neben den Eltern und Großeltern sind besonders Gleichaltrige wichtige Bezugspersonen für Kinder. Freundinnen und Freunde zu haben, ist nicht nur den Kindern selbst wichtig, sondern auch aus entwicklungspsychologischer Sicht elementar: Mit Freundinnen und Freunden redet man anders, lernt Konfliktfähigkeit, hat ein ebenbürtiges Gegenüber mit ähnlichen Interessen und lernt, Beziehungen aufzubauen und diese zu halten. Für Kinder in unserer Gesellschaft spielen Freundinnen und Freunde eine große Rolle: Weit über die Hälfte der 6- bis 11-Jährigen geben an, sechs bis zehn Freundinnen/Freunde zu haben,6 die sie auch gern und häufig treffen.7 Dabei ist interessant zu beobachten, dass bereits 20% der Kinder dieser Altersgruppe ihre Freundinnen und Freunde mehrmals in der Woche auch online treffen, Trend steigend.8 Dies heißt aber nicht, dass Kinder ihre Freundinnen und Freunde nicht mehr im realen Leben treffen; vielmehr ergänzen sich beide Varianten der Freundschaftspflege. Dass die Digitalisierung selbst vor Kindern nicht haltmacht und dies nicht nur negativ zu sehen ist, hat sich spätestens in den Pandemiejahren 2020/21 gezeigt: Wenn Homeschooling die Regel ist und Kontakte möglichst strikt beschränkt werden sollen, kann sich jedes Kind glücklich schätzen, wenn es die Möglichkeiten und Fähigkeiten hat, auf digitalem Wege zu kommunizieren. Wobei in dieser Zeit auch deutlich wurde, dass Kinder reale Treffen mit Freundinnen und Freunden nicht weniger schätzen und wahrnehmen, wenn sie die Wahl haben, sondern vielmehr froh sind, wenn ihnen beide Möglichkeiten offenstehen. Mit ihren Freundinnen und Freunden entdecken Kinder spielerisch die Welt und tauschen sich mit zunehmendem Alter mehr und mehr über existenzielle Fragen aus. Kindergruppen sind meist geschlechtshomogen, was sich mit dem Übergang ins Jugendalter ändert. Es gibt verschiedene Orte, an denen Freundschaften zwischen Kindern entstehen können. Bildungsinstitutionen spielen dabei eine wichtige Rolle.
Die Schule ist der Hauptaufenthaltsort von Kindern, gleich nach ihrer Kernfamilie. Außerhalb der Familie bestimmt die Schule das Leben der Kinder wesentlich. Freundschaften werden geknüpft und gepflegt, Beziehungen zu anderen Kindern entstehen und werden immer wichtiger. Schule ist mehr als nur ein Ort der Bildung, denn Kinder lernen hier Sozialverhalten im Umgang mit Gleichaltrigen und das Auftreten gegenüber Autoritätspersonen. Kinder lernen, wie man sich in einer Gruppe verhält, und das besonders auch im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel, wie etwa den Abschluss eines Schuljahres. Auch Freizeitaktivitäten in Gruppen fördern Grundlagen für ein soziales Miteinander. Die Erlebnispädagogik kann einen wichtigen Beitrag für ein gutes Gruppengefüge leisten.
Die Schule hat gesellschaftlich gesehen einen hohen Stellenwert. Kindern wird früh nahegelegt, einen hohen Bildungsabschluss, inklusive Studium, anzustreben. Das Ziel von Schule ist es, Kinder an vielen Stellen zu fördern und zu fordern, was schon in der Grundschule beginnen kann. Deshalb ist es wichtig, in der Freizeitgestaltung mit Kindern immer auch die Schule im Blick zu haben. Wenn Kinder schulisch voll beschäftigt sind, bleibt wenig Zeit und Geduld für ein (über-)forderndes Programm in der Freizeit. Erlebnispädagogische Übungen sollten entsprechend gewählt werden.
Betrachtet man die Gesellschaft Deutschlands, fällt eines besonders auf: Kinder machen im Vergleich zu den Erwachsenen verschiedener Altersgruppen nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung aus. 2016 gehörten zur Gruppe der 6- bis 17-Jährigen nur knapp 11% der Gesamtbevölkerung. Wie alles, von dem es nur wenig gibt, sind auch Kinder heiß begehrt: Alle wollen sie haben. Musikverein, Sportgruppe, Kirche – sie alle werben um Kinder.9 Kinder haben in unserer Gesellschaft damit einen großen Wert und viele Wahlmöglichkeiten – vorausgesetzt, sie gehören zu den Kindern, deren Familien sich all diese Freizeitbeschäftigungen leisten können.
Leider wachsen in Deutschland rund 20% der Kinder in Armut auf10 und sind damit in quasi allen Lebensbereichen benachteiligt, wobei Kinder sowohl die Armut als auch die damit einhergehende Benachteiligung spüren.11 Dabei ist zu beachten, dass man hier von relativer Armut spricht. Diese schließt im Gegensatz zur absoluten Armut auch mangelnde Teilhabemöglichkeiten (Sportverein usw.) ein. Zwar besuchen auch arme Kinder die Schule, haben dabei aber meist weniger Unterstützung, weniger Selbstvertrauen in ihre Leistung und weniger Bildungsaspiration. Das heißt, sie wissen meist schon sehr früh ganz genau, dass ihre Chancen schlechter stehen als die anderer Kinder und streben gar nicht erst einen hohen Bildungsabschluss (wie z. B. das Abitur) an.
Auch in ihren Freizeitaktivitäten sind Kinder mit konkretem Armutserleben eingeschränkter. Oft fehlt einfach das Geld für Musikunterricht, Vereinsmitgliedschaften und die entsprechende Ausrüstung für diverse Hobbies. Kinder, die in Armut aufwachsen, wissen das. Sie fühlen sich ausgegrenzt und benachteiligt. Wichtig ist es daher, gerade sozial benachteiligte Kinder mit unseren Angeboten im Blick zu haben und allen Kindern eine Teilnahme zu ermöglichen.
Lea-Manon Burrer
1 Vgl. Corsa, Mike / Freitag, Michael (Hg.): #immerandersweiter. Bericht über die Lage der jungen Generation und die evangelische Kinder- und Jugendarbeit 2018, Arbeitsgemeinschaft d. Ev. Jugend, Hannover 2018, S. 26.
2 Vgl. www.worldvision.de/sites/worldvision.de/files/pdf/World-Vision-Zusammenfassung-vierte-Kinderstudie.pdf, S. 1.
3 Vgl. Corsa/Freitag: #immerandersweiter, S. 29.
4 Vgl. Corsa/Freitag: #immerandersweiter, S. 29.
5 Vgl. Corsa/Freitag: #immerandersweiter, S. 31.
6 Vgl. Corsa/Freitag: #immerandersweiter, S. 32.
7 Vgl. www.worldvision.de/sites/worldvision.de/files/pdf/World-Vision-Zusammenfassung-vierte-Kinderstudie.pdf, S. 2
8 Vgl. www.worldvision.de/sites/worldvision.de/files/pdf/World-Vision-Zusammenfassung-vierte-Kinderstudie.pdf, S. 8
9 Vgl. www.worldvision.de/sites/worldvision.de/files/pdf/World-Vision-Zusammenfassung-vierte-Kinderstudie.pdf, S. 14.
10 Nach Definition des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gilt in Deutschland als armutsgefährdet, wer weniger als 60% des Medians des Nettoequivalenzeinkommens zur Verfügung hat. Vgl. dazu auch: www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Indikatoren/Armut/Armutsrisikoquote/A01-Indikator-Armutsrisikoquote.html;jsessionid=3F6B360C1082C33E90E46484D5BAE4E9.
11 Vgl. www.worldvision.de/sites/worldvision.de/files/pdf/World-Vision-Zusammenfassung-vierte-Kinderstudie.pdf, S. 12 und Corsa/Freitag: #immerandersweiter, S. 29.
Kinder bewegen sich heute in einer Welt, in der viele unterschiedliche Anforderungen auf sie zukommen. Sie sind schon früh einem Leistungsdruck ausgesetzt und müssen in vielen Situationen „funktionieren“. Dabei sind Kinder eigenständige Persönlichkeiten, die wir in ihrer Entwicklung und ihrem Denken ernst nehmen müssen. Um Angebote zu schaffen, in denen Kinder sich entfalten können, müssen wir uns auf Augenhöhe mit ihnen begeben. Nur so können wir ihre Bedürfnisse und Interessen wahrnehmen und in der Programm- und Gruppengestaltung berücksichtigen. Im Folgenden betrachten wir vier wichtige Grundbedürfnisse von Kindern näher.
Wie die COPSY-Studie (Corona und Psyche) aus dem Jahr 2020 eindrucksvoll belegt, sind soziale Kontakte für Kinder von großer Bedeutung. Im Miteinander lernen sie die grundlegenden Regeln des Zusammenlebens. Sie machen Erfahrungen mit Nähe und Distanz und lernen die eigenen und die Grenzen anderer kennen. Im Miteinander lernen sie Vertrauen und Misstrauen und bauen Bindungen auf, die sich nicht aus Verwandtschaftsverhältnissen natürlich ergeben. Wie im Kapitel „Welt der Kinder heute: Wie Kinder in Deutschland aufwachsen“ erwähnt, sind die Beziehungen eines Kindes in den ersten Lebensjahren stark vom familiären Umfeld geprägt. Im Grundschulalter werden Gleichaltrige zu immer wichtigeren Bezugspersonen. Hier kommt unsere Arbeit mit Kindern ins Spiel.
Wie schon beschrieben, ist die Schule ein wichtiger Ort für Kinder, um soziale Kontakte zu knüpfen. An Bedeutung gewinnen zunehmend außerschulische Aktivitäten, bei denen Gleichaltrige getroffen werden können. Wenn wir auf unsere Angebote in Gemeinden und anderen kirchlichen Institutionen für Kinder schauen, dann wird deutlich, dass sie in erster Linie auf Beziehungen ausgelegt sind: Beziehungen zwischen den Kindern, aber auch Beziehungen zwischen Mitarbeitenden und Kindern. Damit greifen sie ein elementares Bedürfnis der Kinder auf, das Bedürfnis nach verlässlichen Beziehungen. Beziehungen, die tragfähig sind, Belastungen aushalten und ein unbeschwertes Zusammenleben ermöglichen, sind wichtig, damit Kinder ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln können.
Unsere Angebote für Kinder werden klassischerweise in Gruppenstrukturen angeboten. Kinder und Mitarbeitende treffen sich regelmäßig, z. B. wöchentlich, in einer festen und relativ verbindlichen Gruppe. Das meistverbreitete Modell für die Arbeit mit Kindern in Kirchen und Jugendverbänden ist die Jungschargruppe. Da Gruppenarbeit auf Dauer ausgelegt ist, bietet sie den idealen Rahmen, damit sich Kinder in Beziehungen ausprobieren können. Das können sie zwar auch im schulischen Kontext, doch gibt es zwei signifikante Unterschiede: In unseren Gruppenangeboten treffen Kinder mit Gleichaltrigen in einem Kontext zusammen, der auf Freiwilligkeit beruht. Inhalte und Angebote sind grundsätzlich frei von Zwang und Leistungsdruck. Das ermöglicht es den Kindern, sich auszuprobieren und in ungezwungenem Umfeld die eigenen Vorlieben, Gaben, Talente, Schwächen und Grenzen zu entdecken.
Um Kindern das Erlernen sozialer Kompetenzen, die die Basis für jede Beziehung bilden, zu erleichtern, sind wir Mitarbeitenden gefordert. Kinder, die unsere Angebote besuchen, stammen aus den unterschiedlichsten Verhältnissen. Ein großer Teil entstammt der Mittelschicht, lebt in gesicherten finanziellen Verhältnissen und wächst in einem liebevollen Umfeld auf. Aber auch Kinder aus schwierigen, benachteiligten und aus prekären Verhältnissen besuchen unsere Gruppenangebote. Wir wollen alle angemessen begleiten und ihnen die Chancen geben, die sie brauchen. Deshalb müssen wir in der Programmgestaltung auf Vielfalt und Abwechslung setzen und die Kinder immer wieder herausfordern. So dürfen sie z. B. einmal frei entscheiden, mit wem sie das Spiel oder die Aufgabe zusammen machen, mal werden sie von uns Mitarbeitenden eingeteilt und müssen sich mit ihren Teammitgliedern arrangieren. Die Kinder verbessern dadurch nicht nur ihre sozialen Kompetenzen, sondern können herausfinden, mit welchem Kind sie sich so gut verstehen, dass eine Freundschaft daraus entstehen kann.
Hier liegt eine weitere große Chance, denn Freundschaften, die in unseren Gruppen geschlossen werden, bauen auf Vertrauen. Dazu kommt die Komponente, die Menschen zusammenschweißt: gemeinsam Erlebtes. In gemeinsam Erlebtem gründet sich ein Wir-Gefühl. Dieses Gefühl steht für eine gemeinsame Gruppenidentität. Die Kinder fühlen sich zusammen- und zugehörig. Untereinander verbindet sie das gemeinsame Interesse an der Gruppe und dem Gruppenprogramm. Durch dieses vertrauensvolle Miteinander und die gemeinsamen Aktionen können Kinder zu selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen. Was in der Familie mit der Kernfamilie beginnt, wird in unseren Gruppen weitergeführt (s. auch Kap. „Welt der Kinder heute: Wie Kinder in Deutschland aufwachsen“).
Denn natürlich kommt es im Miteinander auch immer wieder zu Konfliktsituationen. Konflikte sind für den Erwerb sozialer Kompetenzen wichtig. In Auseinandersetzungen erleben Kinder, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Sie lernen, Kompromisse einzugehen, und schulen ihre Empathie. Werden sie in diesen Situationen pädagogisch begleitet, lernen sie, herausfordernde Situationen selbst zu lösen. Auch die eigene Kritikfähigkeit steigt. Diese Lernprozesse brauchen Zeit und Gelegenheit, um ausprobiert werden zu können. Gerade erlebnispädagogische Inhalte können diese Fähigkeiten in spielerischem Rahmen fördern: eine Aufgabe oder Herausforderung, die gemeinsam gelöst werden muss, anschließend ein Reflexionsprozess, der den Kindern helfen soll, das eben Erlernte zu festigen. Da es während der Übungen immer wieder zu Unstimmigkeiten kommen kann, werden in den anschließenden Gesprächen diese Situationen besprochen und reflektiert. Erlebnispädagogik kann somit einen wichtigen Beitrag zum Erlernen sozialer Kompetenzen beitragen.
Nicht nur Freundinnen und Freunde sind für Kinder von großer Bedeutung, sondern auch Menschen, die sie sich zum Vorbild nehmen können. Kinder brauchen Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Sie finden diese Vorbilder überall in ihrem Umfeld: Sind es zuerst wieder die Mitglieder der eigenen Familie, deren Verhalten und Meinungen nachgeahmt und übernommen werden, wenden sich Kinder im Älterwerden dann anderen Personen zu.
Vorbilder können neben der Familie Lehrerinnen/Lehrer, Freundinnen/Freunde, Trainerinnen/Trainer, Berühmtheiten oder wir Mitarbeitende sein. Das stellt uns in eine besondere Verantwortung. Die Kinder verbringen viel Zeit mit uns. Dabei beobachten sie unser Verhalten und prüfen es auf Authentizität. Sie merken, wenn wir leere Drohungen aussprechen, die ohne Konsequenzen bleiben, oder wenn wir uns selbst nicht an die eingeforderten Werte halten. Deshalb müssen wir uns klar darüber sein, dass unsere Rolle als Vorbild verschiedene Aspekte beinhaltet.
Mitarbeitende sind Wertevermittlerinnen und Wertevermittler. Unser Zusammenleben richtet sich nach gemeinsamen Werten, die in Regeln und Verhaltensweisen ihren Ausdruck finden. Oft werden zu Beginn einer (neuen) Gruppenphase gemeinsame Regeln aufgestellt, die Ausdruck der Werte innerhalb der Gruppe sind. So ist die Regel „Wir sind pünktlich“ Ausdruck der Werte Rücksicht und Zuverlässigkeit. Die Regel „Wir benutzen keine Schimpfwörter“ weist auf Wertschätzung und Respekt hin. Haben wir solche Regeln in unserer Gruppe, sind auch wir Mitarbeitende in der Verantwortung, diese umzusetzen. Wir können kaum von den Kindern fordern, pünktlich zu sein, wenn es Mitarbeitende gibt, die ständig zu spät kommen. Kinder merken, wenn Aussagen und Verhalten nicht miteinander übereinstimmen.
Ein weiterer Aspekt in unserer Vorbildfunktion ist der der Orientierung. Die Welt der Kinder wird immer komplexer. Unsere Welt wandelt sich so schnell wie noch nie. War es Anfang der 2000er Jahre kaum möglich, gleichzeitig zu telefonieren und das Internet zu nutzen, haben mittlerweile alle ein Gerät in der Hosentasche, das ohne Probleme beides kann. Was heute noch galt, ist morgen schon überholt. Oft fällt es Erwachsenen schon schwer, hier den Überblick zu behalten. Wie soll es da Kindern gelingen? Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es Personen gibt, an denen sich Kinder orientieren können. Hier kommen wir ins Spiel. Natürlich haben wir auch nicht auf alle Fragen eine Antwort. Es reicht aber schon, wenn wir offen und ehrlich mit den Kindern über ihre Fragen und Anliegen ins Gespräch gehen. Eine Meinung müssen sie sich selbst bilden. Trotzdem sollten wir unsere Rolle nicht unterschätzen. In den Angeboten der Kirchen und Jugendverbände spielen Fragen des täglichen Lebens eine große Rolle. Die Kinder- und Jugendarbeit möchte ja nämlich genau das anbieten: Orientierung. Angelehnt an die Hoffnung, die alle Christinnen und Christen in Jesus Christus finden, soll auch Kindern das Angebot gemacht werden, mit Jesus durchs Leben zu gehen. Wenn wir Mitarbeitenden uns bewusst sind, was wir selbst glauben, wovon wir überzeugt sind und wo wir Zweifel und Fragen haben, können wir Kindern Orientierungspersonen sein. Durch Gespräche und Impulse kann sich das Kind mit seiner eigenen Weltsicht und der der Mitarbeitenden auseinandersetzen. Wir begleiten die Kinder auf ihrem Weg. Wir stecken den Rahmen, in dem die Kinder auf Entdeckungsreise gehen können.
Mitarbeitende sind auch Vertrauenspersonen für die Kinder. Beziehungen, die verlässlich und langfristig sind, werden immer weniger. Durch die Regelmäßigkeit unserer Angebote haben Kinder Zeit, Vertrauen aufzubauen. Sie finden in uns Mitarbeitenden Personen, die sich für sie interessieren, die ein offenes Ohr für ihre Probleme und Schwierigkeiten haben. Aus dieser Akzeptanz ihrer Person heraus ergibt sich ein vertrauensvolles Miteinander.
Als letzten Aspekt greifen wir die Vorbildfunktion im Glauben auf, die uns Mitarbeitenden zufällt. Glaube und Religion sind sehr abstrakte Themen. Sie handeln von einem Wesen, das niemand sehen oder anfassen kann. Die Zugänge zum Glauben sind so unterschiedlich wie wir Menschen. Damit Kinder Gott und Jesus (be-)greifen können, orientieren sie sich an uns Mitarbeitenden. Wir sind gefragt, nicht nur unterschiedliche Methoden des Glaubenslebens anzubieten, sondern selbst Glaubensthemen umzusetzen und zu leben.
Eine Stärke in unseren außerschulischen Angeboten liegt in ihrem großen Gestaltungsspielraum. Unser Programm kann vielfältig sein. Unsere Gruppenstunden bieten viel Raum, damit sich Kinder weiterentwickeln können. Wichtigstes Tool sind Experimentierräume. Experimentierräume sind Orte, an denen Kinder die Möglichkeit haben, etwas Neues auszuprobieren. Dabei ist entscheidend, dass Kindern nicht alles vorgegeben wird, was sie ausprobieren können. Ihnen wird Freiraum gelassen. So lernen sie, selbst Entscheidungen zu treffen und sich mit wenigen Hilfsmitteln auf kreative und individuelle Art zu beschäftigen und Neues zu entdecken.
Dabei gehen wir davon aus, dass jedes Kind eine sogenannte Komfortzone hat. Das ist der Bereich, den es kennt und in dem es sich sicher fühlt. Jenseits dieser Komfortzone gibt es die Risikozone, in der das Kind leicht überfordert wird. Experimentierräume versuchen nun, aus der Komfortzone zu locken, ohne für die Kinder ein großes Risiko darzustellen. So wird Wachstum ermöglicht und die Komfortzone erweitert sich. Denn was zunächst unbekannt und vielleicht beängstigend war, ist hinterher bekannt und gehört somit zum sicheren Bereich.
Experimentierräume können ganz unterschiedlich aussehen. Grundsätzlich gilt: Ausprobieren können sich Kinder beinahe überall (selbstverständlich in einem ungefährlichen Rahmen). Wunderbar geeignet ist die Natur. Das kann in ländlichen Gegenden auf dem freien Feld oder am Bach sein, in der Stadt vielleicht eher im Park oder am Teich. Genauso eignet sich Kunst zum Ausprobieren: Räume können gestaltet werden, Kinder sich ausprobieren auf Papier oder mit verschiedenen Materialien (Ton, Pappmachee o. Ä.). Selbst mit der eigenen Sprache kann experimentiert werden, indem beispielsweise Geschichten verfasst, erzählt oder schauspielerisch dargestellt werden. Selbstverständlich bieten auch die unterschiedlichen Wissenschaften tolle Experimentierräume. Genauso dienen Medien in Form einer Fotostory oder eines Filmdrehs zum Experimentieren. In Sport und Handwerk gibt es ebenso vielfältige Möglichkeiten. Experimentierräume gibt es fast überall, man muss sie nur finden und nutzen!
Experimentierräume sind für Kinder in ihrer Entwicklung essenziell. Viele Kinder gehen den ganzen Tag zur Schule und bekommen viel Wissen „vorgesetzt“, das sie verinnerlichen müssen. Auch lassen Freizeitbeschäftigungen oft wenig Freiräume, weil das Ziel der Beschäftigung schon vorgegeben ist, z. B. das Fußballspiel im Fußballverein. Experimentierräume sollen den Kindern die Möglichkeit bieten, sich auszuprobieren, ihre Kreativität zu nutzen und Freiräume zu genießen, die im Alltag verloren gehen. Dabei ist es wichtig, dass Kinder ihre Komfortzone kennen, also wissen, wo sie Sicherheit finden.
Astrid Lindgren hat hierfür ein super Beispiel geschaffen: Pippi Langstrumpf. Pippi tut, was ihr in den Sinn kommt. Wenn sie Lust hat zu verreisen, dann macht sie das einfach. Sie probiert sich eigentlich pausenlos aus. Aber: Sie hat auch Sicherheiten. Sie weiß, dass ihr Papa immer wieder zu ihr zurückkommt, sie hat ihre Freunde Tommi und Annika und ihre große Villa Kunterbunt, die ihr Heimat und Schutz bietet. Natürlich ist Pippi ein sehr außergewöhnliches und unrealistisches Beispiel. Aber man kann an ihren Geschichten sehr schön sehen, wie viel Raum sie zum Experimentieren hat (und das macht die Geschichten letztlich auch aus). Zu den Experimentierräumen gehört die Komfortzone aber untrennbar dazu.
Experimentierräume ermöglichen, sich auszuprobieren, ohne überfordert oder ängstlich sein zu müssen. Sie stellen für Kinder unserer Gesellschaft ein wichtiges Gegenstück zu ihrem oft vollen und verplanten Alltag dar. Durch die Freiheiten, die Experimentierräume bieten, können Kinder Gaben und Fähigkeiten an sich entdecken, die sonst vielleicht verborgen blieben. Sie lernen Unbekanntes kennen und erweitern damit ihren Horizont. Dabei stellen sie fest: „Das kann ich!“ Sie sind vielleicht über sich selbst überrascht und erfreut – und das stärkt das Selbstbewusstsein. Ebenso stärkend wirkt der Mut, etwas getan zu haben, was man sich nie zugetraut hätte.
Wenn Kinder Raum haben, sich auszuprobieren, lernen sie auch, Probleme selbst zu lösen. Wenn sie mit Unbekanntem konfrontiert werden, müssen sie sich dem stellen und möglicherweise eine Lösung für eine Herausforderung finden. Dabei lernen sie auch, Entscheidungen zu treffen, und sehen meist recht unmittelbar deren Auswirkungen. Das regt zum Nachdenken an und möglicherweise auch die Überlegung zu einer neuen, vielleicht besseren Entscheidung. In dieser Entscheidungsfindung lernen Kinder, kooperativ mit anderen umzugehen und gemeinsam zu einer Entscheidung zu kommen.
Wenn wir uns über Experimentierräume Gedanken machen, merken wir, dass die Erlebnispädagogik genau hier ansetzt. Kinder sollen keinen kognitiven Lernprozessen ausgesetzt sein, sondern ganzheitliche Erfahrungen machen. Sie sollen in der Situation überlegen, wie man als Gruppe zu einer Lösung kommt. Durch Ausprobieren, Kommunizieren und auch mal in die falsche Richtung Denken lernen Kinder kreative Lösungsansätze kennen. Sie merken: Wenn sie nicht gleich aufgeben, kommen sie in der Regel trotzdem ans Ziel. Auch wenn es manchmal länger dauert, Hürden gemeistert werden müssen, wenn es Rückschläge gibt. Dabei entdecken und entwickeln sie Fähigkeiten und Stärken. Auch die ein oder andere Schwäche kann auftauchen, bei der es gut ist, dass es andere gibt, die das ausgleichen können.
Das besondere an den Experimentierräumen der Erlebnispädagogik sind die abschließenden Reflexionsrunden. Sie übertragen das eben Gelernte in den Alltag der Kinder. Dabei sind auf unterschiedliche Reflexionsmethoden zu achten. Eine rein sprachliche Reflexion wird vor allem bei jüngeren Kindern (6 bis 10 Jahre) nicht sehr nachhaltig sein. Hier braucht es ergänzende Methoden, die das Gesagte für Kinder verdeutlichen.
Konfuzius hat es einmal so formuliert:
Erzähle mir – und ich vergesse.Zeige mir – und ich verstehe.Lass es mich tun – und ich behalte.
Experimentierräume fordern heraus. Sie verlangen Mut, Offenheit und manchmal Überwindung. Deshalb wenden wir uns jetzt noch dem Grundbedürfnis der Sicherheit zu.
Damit Kinder gut aufwachsen können, brauchen sie ein Grundmaß an Sicherheit. Sie bildet die Grundlage, damit sich Kinder zu selbstbewussten Erwachsenen entwickeln können. Wir denken im Kontext unserer Arbeit dabei vor allem an Rahmenbedingungen, Strukturen und Regeln, auf die sich Kinder verlassen können und innerhalb derer sie sich ausprobieren können.
Sicherheit und Stabilität, das sind Merkmale einer Gruppe, wie sie üblicherweise in unseren Jugendverbänden und Kirchen zu finden sind. Das ergibt sich aus der Kontinuität, auf die die Gruppen ausgelegt sind. Obwohl Sicherheit für viele Kinder eine wichtige Rolle spielt, müssen Freiräume bleiben. Die Spannung zwischen Sicherheitsgefühl und Entdeckerdrang wird bei der Beobachtung von Kleinkindern deutlich. Beim Spaziergang stapfen sie munter darauf los, laufen hierhin und dorthin und erkunden ihre Umwelt. Doch es dauert nicht lange, da drehen sie sich um und prüfen, ob die Eltern noch in der Nähe sind. Erst dann können sie gelassen und neugierig weitergehen.
In der Arbeit mit Kindern bewegen wir uns in ebendiesem Spannungsfeld. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Gruppen und Kreise funktionieren. Wir haben eine Aufsichtspflicht und wollen die Kinder, uns und Dritte vor Schaden bewahren. Trotzdem wollen wir den Kindern Freiräume zum Experimentieren und Ausprobieren ermöglichen. Wir stehen damit auch im Gegensatz zu den Schulen. Schulen bieten maximale Sicherheit, alles läuft nach Stundenplan. Die Regeln sind unveränderlich. Der Lernstoff ist für alle gleich. Dabei sind die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten beschränkt. In unseren Gruppenangeboten sind wir freier in der Gestaltung. Wir entscheiden selbst, wie eng wir Regeln fassen und in welchem Rahmen sich die Kinder ausprobieren können. Eine gute Mischung aus Einschränkung und Freiraum befriedigt das Sicherheitsbedürfnis der Kinder und schenkt ihnen gleichzeitig unzählige Entfaltungsmöglichkeiten, um Stärken zu entdecken und Schwächen in geschütztem Rahmen zu erkennen. Erlebnispädagogik bietet genau das: Bei ihr werden Rahmenbedingungen gesetzt, die den Kindern Sicherheit bieten. Gleichzeitig bietet sie genug Spielraum, sich als Individuum zu entfalten.
Lena Bertsch