Sloane Sisters - Vorhang auf, New York! - Anna Carey - E-Book

Sloane Sisters - Vorhang auf, New York! E-Book

Anna Carey

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Beschreibung

New York. Manhattan. Vier neue Schwestern.

Unfassbar: Cate und Andie Sloanes Upper-East-Side-Vater heiratet Stella und Lola Childs britische Model-Mom – damit ist die Patchworkfamilie geboren! Ob das gut geht?

Cate Sloane führt an der exklusiven Ashton Prep die neunte Klasse an. Doch jetzt könnte sie Konkurrenz bekommen, denn Stella Childs war das It-Girl an ihrer Londoner Schule.

Andie Sloane will unbedingt Supermodel werden und nicht mal ihre Größe (momentan 149 Zentimeter) wird sie aufhalten.

Lola Childs dagegen musste in London mit dem Spitznamen »Stöckchen« vorlieb nehmen. Das soll anders werden in Manhattan. Doch leider steht der supersüße Kyle ausgerechnet auf Andie …

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Anna Carey

SLOANE

SISTERS

Vorhang auf, New York!

Aus dem Amerikanischen

von Tanja Ohlsen

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1. Auflage 2022

Copyright © 2009 by Alloy Entertainment

© 2020 für die deutschsprachige Ausgabe

cbj Kinder- und Jugendbuch Verlag in der

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Sloane Sisters« bei HarperCollins Publishers

Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen

Umschlaggestaltung: Kathrin Schüler

Umschlagmotive © Shutterstock.com (Roman Samborskyi, Ron Dale)

skn · Herstellung: bo

Satz: KCFG–Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-16302-0V001

www.cbj-verlag.de

Für die Schwestern,

die ich unter Freunden gefunden habe

PROLOG

Es waren einmal vor langer Zeit vier wunderschöne, zauberhafte Schwestern. Nur dass sie noch keine Schwestern sind. Und vor langer Zeit? Na ja, das ist eben jetzt.

Es gibt jede Menge Geschichten über Mädchen in New York City, aber nichts geht über ein modernes Märchen. Und es gibt keinen magischeren Ort als Manhattan mit seinen glitzernden Wolkenkratzern, stattlichen Villen und bezaubernden Einwohnern.

Unsere Geschichte beginnt mit Cate und Andie. Ihre Mutter starb, als beide noch sehr jung waren. Klingt doch wie der Auftakt zu einem Disney-Film, oder? Falsch. Cate betrachtet ihre tragische Vergangenheit als Ausrede für ihr augenblickliches Diva-Getue. Und was Andie angeht, sie will eigentlich nur etwas von dem Rampenlicht abbekommen, in dem ihre ach so perfekte ältere Schwester steht. Wenn sie doch nur eine gute Fee – äh, Schwester – hätte, die ihr sagt, wie …

Stella, auf der anderen Seite des großen Teiches, ist so schön und gesellig – um nicht zu sagen flatterhaft – wie ein Schmetterling. Ihre kleine Schwester Lola? Nicht ganz so. Aber vielleicht kann eine Luftveränderung die freche kleine Raupe in eine bezaubernde Schönheit verwandeln. Schließlich ist die Verwandlung doch das zeitloseste aller Themen.

Also lehnt euch zurück und genießt die kleine Gutenachtgeschichte. Und glaubt ja nicht, dass ihr schon wisst, wie das alles endet.

Nicht alle Märchen haben ein Happy End.

NICHTSGEHTÜBERZUHAUSE

Stella Childs sah ihre zwölfjährige Schwester Lola genervt an, als diese ihre Burberry-Katzentransporttasche auf dem schwarzen Ledersitz festhielt und hineinsah.

»Keine Angst, Toffee«, säuselte sie. »Wir sind da! In New York Sittiieh!«

Durch das Gitter schauten ein paar Schnurrhaare heraus und der große gelbe Kater miaute. Stella verdrehte die Augen und sah wieder aus dem Fenster.

»Stella, Liebes, ist alles in Ordnung?«

Emma Childs sah ihre älteste Tochter an, die auf der anderen Seite der Katzentasche in der großen Limousine saß und mit dem Finger über einen roten Streifen im Burberry-Muster strich.

»Bestens.«

Einfach bestens. Stella fuhr die getönte Fensterscheibe herunter und ließ sich den warmen Wind durch ihre schulterlangen blonden Locken wehen. Draußen sauste gerade der Times Square mit seinen hoch aufragenden bunten Reklametafeln vorbei. Auf einer sechs Stockwerke hohen Rolex stand 16:07 Uhr. Das bedeutete, dass es in London kurz nach 21 Uhr war. Robin Lawrence gab eine Party in seiner Wohnung in South Kensington, wie jedes Jahr am Freitag, bevor die Schule wieder anfing. Er hatte große dunkelbraune Augen und wirres schwarzes Haar, das aussah, als hätte man es mit einer Machete geschnitten. Er war himmlisch. Da hätte Stella sein sollen.

Emma hielt den Blick auf Stella gerichtet und machte den obersten Knopf ihres kurzen beigefarbenen Trenchcoats auf.

»Ich freue mich so auf das Wochenende zusammen mit euch. So können wir uns eingewöhnen, bevor ihr mit der Schule anfangt. Ich habe euch diesen Sommer so vermisst!«

Stella und Lola hatten den Sommer bei ihrer Großmutter in der Toskana verbracht, die zehn Jahre zuvor dorthin ausgewandert war, um Biotrauben zu züchten und ihren eigenen essigsauren Wein herzustellen. Aber alles war besser, als in London zu bleiben, wo die Boulevardpresse jedes Detail der kürzlich vollzogenen Scheidung ihrer Eltern veröffentlichte.

»Mum, kommst du auf die Reklametafeln von Ralph Lauren?«, fragte Lola aufgeregt und betrachtete eine Anzeige für eng anliegende weiße Boxershorts von Calvin Klein.

»Das nehme ich an«, erwiderte Emma. »Aber wir haben noch nicht angefangen mit den Fotos, daher wird es wohl noch dauern.«

Stella verdrehte die Augen. Emma, so britisch wie Cricket, Tee und Scones, war jetzt das Gesicht des amerikanischsten Modelabels der Welt. Bald würde sie wohl Maisbrot essen und am 4. Juli Grillpartys schmeißen.

»Wirst du bei der Fashion Week bei ihrer Show in der ersten Reihe sitzen?«, fuhr Lola begeistert fort.

»Wahrscheinlich«, lächelte Emma.

»Dann richte Ralph meinen Dank aus dafür, dass er mein Leben ruiniert hat«, murrte Stella und hielt den Blick auf das senfgelbe Taxi gerichtet, das neben ihnen fuhr. Der kleine Junge auf dem Rücksitz hatte den Finger in der Nase vergraben.

»Ich weiß, dass es schwer für dich ist, Stella, aber New York wird uns guttun. Und Winston freut sich sehr darüber, dass ihr kommt«, sagte ihre Mutter leise. »Ich bin froh, dass ihr ihn endlich richtig kennenlernt.«

Stella krampfte die Zehen in den Espadrilles zusammen. Da war wieder dieser Name – Winston. Das erste Mal hatte Stella bei Emmas Rückkehr im Frühling von ihm gehört, nachdem sie den Vertrag bei Ralph Lauren unterschrieben hatte. Stella und Lola waren mit ihrer Mutter in Kensington Gardens spazieren gegangen und hatten den Segelbootmodellen auf dem Teich zugesehen, als Emma ihnen die Neuigkeiten verkündet hatte. Stella hatte nur ein paar Worte mitbekommen – tiefe Verbundenheit, New York, magisch, Bankier, zwei Töchter –, doch es reichte aus, um zu wissen, dass ihre Mutter einen Freund hatte. Und sie wollte nicht darüber nachdenken, dass Emma eine »tiefe Verbundenheit« zu jemandem empfand.

Fünf Monate später war klar, dass Winston nicht verschwinden würde – aber Stella hatte vor, ihm so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Immerhin hatte New York acht Millionen Einwohner. Das konnte ja nicht so schwer sein.

Ihre Mutter betrachtete ihre ältere Tochter, während sie Lolas windzerzauste Locken mit den Fingern kämmte.

»Ich weiß, dass du mir böse bist«, sagte sie, während sich die Limousine durch den Central Park schob, wo Gruppen von Teenagern auf Stranddecken lagen und ihren faulen Freitagnachmittag genossen. »Aber es war genau das Richtige für uns, hierherzuziehen. Ich wollte euch nicht eine Sekunde länger in London lassen. Dieser Job war nicht nur eine gute Gelegenheit für mich – es wird uns allen guttun. Es ist nur …« Ihre Stimme brach.

Stella wartete darauf, dass sie weiterredete, dass sie ihren Dad und die Affäre ansprach, die sie nach New York gebracht hatte, doch das tat sie nicht.

Lola schoss ihr einen Warum-musst-du-nur-so-eklig-sein-Blick zu, doch Stella grinste nur zurück. Sie war nicht eklig, sie war nur ehrlich.

Es stimmte, dass London im letzten Jahr grauenvoll gewesen war, doch im Herbst hätte Stella an die Millshire Preparatory School kommen sollen, die elitärste Schule in ganz London. Mit ihren besten Freundinnen Pippa und Bridget war sie bereits Outfits für das gesamte erste Halbjahr shoppen gegangen. Doch jetzt würde sie die Ashton Prep besuchen, eine reine Mädchenschule, an der sie jeden Tag eine Uniform tragen musste. Es war schrecklich, London mit einer neuen Garderobe im Gepäck zu verlassen, die das Tageslicht nur an den Wochenenden sehen würde.

Stella biss sich auf die Fingernägel. Sie hasste New York. Sie hasste es, dass sie ihre Freunde zurücklassen musste, ihre Schule, ihre Kleider, ihr ganzes Leben. Doch noch mehr als alles andere hasste sie Cloud McClean, diese catsuittragende völlig idiotische Popsängerin, die ihrer Mutter – und ihnen allen – ihren Vater, Duke Theodore »Toddy« Childs gestohlen hatte.

Nachdem sie herausgefunden hatte, dass ihr Vater mit der Britney Spears von Großbritannien fremdging, hatte sie nicht darüber sprechen oder auch nur darüber nachdenken wollen. Selbst jetzt waren Pippa und Bridget die beiden Einzigen außerhalb ihrer Familie, die den Grund kannten, warum sich ihre Eltern hatten scheiden lassen.

»Tut mir leid, Mum«, sagte Stella schließlich so leise, dass sie sich fragte, ob Emma sie überhaupt gehört hatte. Ihre Mutter legte seufzend einen Finger an die Schläfe. Sogar wenn Emma nervös oder aufgeregt war, war sie wunderschön. Ihr hellblondes Haar fiel ihr bis auf die Schultern und ihre wöchentliche Gesichtsbehandlung ließ ihre Haut permanent strahlen.

»Sieh mal!«, rief Lola.

Die Limousine fuhr eine breite Straße Richtung Norden, und Stella sah die Läden vorüberziehen: Armani, Versace, Donna Karan, Chloé – sie hatte das Gefühl, alte Freunde wiederzusehen. Sie rutschte auf den mittleren Sitz, um Lola über die Schulter zu blicken. Ein Mädchen mit einer riesigen schwarzen Gucci-Sonnenbrille spazierte aus dem Donna-Karan-Laden, die Hände voller Einkaufstüten von Searle und Prada.

Ein paar Blocks weiter bogen sie in eine baumgesäumte Straße ein und hielten vor einem fünfstöckigen viktorianischen Haus an, das mit leuchtend grünem Efeu bewachsen war. An einer Seite befand sich ein gemauerter Turm, der es fast wie ein Schloss wirken ließ. Vorne umgab es ein niedriger schmiedeeiserner Zaun und über der glänzend schwarzen Tür prangte ein großes, halbrundes Fenster.

»Das ist es«, verkündete Emma und sah die Mädchen erwartungsvoll an.

»Oh, verdammt!«, entfuhr es Stella beim Anblick des großen Ziegelbaus.

»Stella! Pass auf, was du sagst!«, mahnte ihre Mutter sanft.

»Das ist super!«, rief Lola und stieg mit der Katzentasche in der Hand aus. »Sieh nur, Toffee!« Sie musste sich anstrengen, um mit ihren mageren Armen die Stofftasche so weit anzuheben, dass der neun Kilo schwere Kater besser sehen konnte. »Das ist ja ein richtiges Schloss!«

Toffee drückte die rosa Nase ans Gitter und miaute.

»Das ist … unser neues Haus?«, fragte Stella, rutschte über den glatten Sitz und stieg aus. Sie liebte ihre Stadtvilla in West London, ein dreistöckiges beigefarbenes Haus mit je zwei Säulen rechts und links der roten Tür. Doch dies hier war großartig, ein Haus für eine Prinzessin – eine frisch eingetroffene Upper-East-Side-Prinzessin.

»Mum?« Stella sah ins Auto, wo Emma mit im Schoß gefalteten Händen und ein wenig blass um die Nase sitzen geblieben war. »Mum?«

»Ach so«, sagte Emma und stieg endlich ebenfalls aus. Der Fahrer, ein muskulöser Rothaariger, ging nach hinten und machte den Kofferraum auf. Emma legte die Finger an die Platinkette um ihren Hals und spielte nervös damit. »Ich muss euch noch etwas sagen.«

Lola wirbelte herum und stellte die Katzentasche ab, was Toffee mit neuerlichem Miauen quittierte.

»Kriegen wir jeder unser eigenes Stockwerk?«, fragte sie, die grünen Augen weit aufgerissen.

»Nein«, antwortete Emma langsam und legte die Hände auf die verwaschene A.P.C.-Jeans. »Es war schwierig, während des Sommers etwas zu finden, daher dachte ich, wir könnten es mit einer Art … Übergangslösung versuchen.«

»Das ist großartig, Mum, wirklich.« Stella fragte sich, ob hinten ein Garten war oder einer dieser lustigen Swimmingpools mit Gegenstromanlage, in denen man stundenlang schwimmen konnte, ohne vom Fleck zu kommen. Vielleicht würde das Leben hier doch nicht so schlecht werden.

Der Fahrer stellte vier Louis-Vuitton-Koffer auf den Gehweg. Stella nahm einen der kleineren und machte sich bereit, ins Haus zu stürmen.

»Stella …« Ihre Mutter legte ihr die Hand auf die Schulter, um sie aufzuhalten. »Das ist Winstons Haus. Wir werden eine Weile bei ihm wohnen, hier, mit seinen Töchtern.«

»Was?« Stella wirbelte herum.

Lola presste sich die Hände an die sommersprossigen Backen.

»Es ist nur ein Versuch«, fuhr Emma fort. »Wir lassen es ruhig angehen und sehen, wie es läuft. So könnt ihr am Montag zusammen mit den Mädchen an der Ashton Prep anfangen.« Stella packte den Griff des Koffers so fest, dass ihr das Leder an der Hand klebte. »Ich glaube, du wirst sie mögen, Stella. Sie sind wirklich reizend.«

Stella sah sich wieder das Haus an. Ihr war schwindelig. Über dem Briefkasten hing ein kleines goldenes Schild mit dem eingravierten Wort »Sloane«. Der schwarze Metallkasten quoll über von Post – die Post der Sloanes. Sie sah durch das Fenster. Der Flur war in weißem Marmor gehalten, und sie sah eine breite Treppe und einen prunkvollen, mit Seide bezogenen Sessel, der aussah, als hätte man ihn in Versailles gestohlen. Es war das Foyer der Sloanes, ihre Treppe, ihr Sessel. In einem der Fenster im oberen Geschoss sah ein Mädchen hinter dem Vorhang hervor.

Plötzlich schien das Haus nicht mehr ganz so großartig.

Lola klatschte schnell mit den Händen vor dem Gesicht, wie sie es immer tat, wenn sie aufgeregt war. Es war unglaublich nervig, aber im Augenblick waren Lolas spastische Bewegungen Stellas geringstes Problem.

Ein Mann öffnete die Tür und kam die steinernen Stufen herunter.

»Emma!«, rief er. Er war Ende vierzig, hatte grau meliertes dunkles Haar und ein sonnengebräuntes, markantes Gesicht. Er trug ein frisch gebügeltes blaues Hemd und bordeauxrote Slipper.

»Du musst Stella sein«, meinte Winston und streckte ihr die Hand hin. Stella hielt die Arme steif an den Seiten. Auf keinen Fall. Auf keinen Fall würde sie diesem Mann die Hand schütteln und schon gar nicht in seinem Haus wohnen.

Sie drehte sich um, um wieder in die Limousine einzusteigen, doch die fuhr bereits davon.

Es ist noch nicht zu spät, dachte sie, als der Wagen am Ende des Blocks an der Ampel halten musste. Sie konnte ihm hinterherlaufen. Der Fahrer konnte sie zum Flughafen bringen und sie würde ins nächste Flugzeug nach Heathrow steigen. Dann konnte sie in ihrem blauen Matrosenträgerkleid zwischen Pippa und Bridget durchs Schultor spazieren und sie würden ein weiteres tolles Jahr zusammen verbringen.

Stella sah in das besorgte Gesicht ihrer Mutter, dann zu Winstons von einem Sommer am Strand zu tief gebräuntem Gesicht und zu Lolas großen grünen Augen und schließlich wieder zum Haus der Sloanes. Das Mädchen war vom Fenster verschwunden.

Sie ließ den Louis-Vuitton-Koffer fallen, der mit einem dumpfen Knall auf dem Boden landete. Winston nahm ihre schlaffe Hand in seine und schüttelte sie mindestens zehn Sekunden, während er wie ein Bekloppter grinste.

Willkommen daheim!

SPIEGLEIN, SPIEGLEINANDERWAND, WERISTDIESCHÖNSTEIMGANZENLAND?

Cate Sloane strich sich das dunkelbraune Haar hinter die Ohren und betrachtete sich in dem weiß gerahmten Ganzkörperspiegel. Ihr dunkelblaues Tory-Burch-Kleid mit dem silbernen Logo-Button am Kragen flüsterte: Erfolg vorprogrammiert.

Leider brauchte sie im Augenblick eher etwas, was schrie: Greif an, wenn du provoziert wirst! Sie warf sich eine grasgrüne Kaschmirjacke über die Schultern, kam sich damit aber vor, als würde sie fünf Monate zu spät den St. Patrick’s Day feiern. Es stimmte einfach nicht. Nichts stimmte mehr. Gleich würde sie mit Emmas Töchtern zusammenwohnen – Stella und Lulu. Lulu! Hatte sie in zwölf ihrer vierzehn Jahre nicht schon genug unter Andie gelitten – die schleimige Möchtegern-Andie, die so klein war, dass man sie für einen Flüchtling aus Liliput halten konnte? Reichte das etwa nicht?

Sie ging zum Fenster, zog die Strickjacke aus und warf sie auf den Boden. Ihre Designerdecke mit Blumenmuster lag dreimal gefaltet am Rand ihres Bettes und die sechs Kissen lehnten in Zweiergruppen an dem weißen Gitter am Kopfende, davor die nelkenrosa Nackenrolle. Die Zeitschriften auf ihrem kunstvoll patinierten weißen Nachttisch waren aufgefächert wie in einem Wartezimmer und die verschnörkelten weißen Bilderrahmen an der Wand hinter ihrem Bett hingen in einer perfekten Reihe. Alles war perfekt … abgesehen von der Tatsache, dass ihr Heim von britischen Losern mit schlechtem Avantgarde-Modegeschmack und noch schlechteren Zähnen besetzt werden sollte.

Cates iPhone summte und sie kramte es aus der schwarz-weißen Balenciaga-Tasche auf ihrem Schreibtischstuhl.

BLYTHE: SAG, WENNDIEBÖSENSTIEFSCHWESTERNKOMMEN. MUSSALLESWISSEN.

Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte Cate. Blythe Finley war eine gute Freundin, die beste, die Cate je gehabt hatte. Sie war es gewesen, die Cate ihr geliebtes Erdnussbutter-Karamell-Eis gebracht hatte, als ihr die Mandeln herausgenommen worden waren, sie hatte Cate in achten Klasse nicht nur für eine, nicht für zwei, sondern gleich für drei Superlative nominiert: »Bester Stil«, »Beste Frisur« und für die ganz neue Kategorie »Die Stärkste«. Außerdem hatte Blythe Cate als Präsidentin der Chi Beta Phis vorgeschlagen.

Die Chi Beta Phis waren die beliebtesten Mädchen an der Ashton Prep. Cate, Blythe und ihre beste Freundin Priya Singh hatten die »Schwesternschaft« vor vier Jahren gegründet, als ihnen Veena, Priyas ältere Schwester, von den geheimen Schwesternverbindungen der Studentinnen in Yale erzählt hatte. Für den Namen hatten sie ihre Anfangsbuchstaben genommen: Chi für Cate, Beta für Blythe und Phi für Priya. Das neueste Mitglied war Sophia Sachs – sie hatten sie in der sechsten Klasse aufgenommen, als sie von der Donalty an die Ashton Prep gekommen war. Cate hatte darauf bestanden, dass sie keinen vierten Buchstaben an den Namen der Schwesternschaft hängten, weil er dann umständlich lang werden würde und Sigma außerdem kein schönes Wort war. Sophie, die sich irgendwie einbringen wollte, hatte daraufhin einen komplizierten geheimen Handschlag erfunden, bei dem man der anderen in den Hintern zwickte, aber das war so albern, dass sie nach zwei Wochen damit aufgehört hatten.

In der Sprechanlage knisterte es und Winstons Stimme erklang.

»Cate«, sagte er mit tiefer, autoritärer Stimme wie der Vater in einer lahmen Comedyserie. »Sie sind da …«

Cate lehnte sich über den zartrosa Schreibtisch und sah aus dem Fenster. Ihr Vater tat gerade so, als hätte sie um eine neue Familie gebeten. Sie hatte ihn um eine Menge Dinge gebeten – eine eigene Dachterrasse vor ihrem Fenster, ein rotes BMW-Cabrio zu ihrem sechzehnten Geburtstag, ein Sommerhaus in Nizza –, aber auf keinen Fall um eine neue Familie. Doch da unten vor dem Haus stand nun Emma mit zwei blonden Mädchen. Cate konnte nur ihre Köpfe von oben sehen.

Sie tastete nach dem Saphirring an ihrem Finger und rieb mit dem Daumen über den flachen blauen Stein. In solchen Momenten vermisste sie ihre Mutter am meisten. Seit sie gestorben war, versuchte Cate, jeden Tag etwas von ihr zu tragen, um das Gefühl zu haben, dass sie bei ihr war. Ja, es war schon sechs Jahre her, doch es kam ihr immer noch zu früh vor. Als hätte jemand ihr Leben vorgespult.

Wieder knisterte es in der Anlage.

»Cate?«

Die Stimme ihres Vaters verklang.

Cate stand auf und drückte den Knopf an der beigen Sprechanlage an der Tür.

»Ich komm ja schon!«, knurrte sie zwischen den Zähnen hervor. Winston antwortete nicht.

Sie ging in ihren begehbaren Schrank und nahm ihr universelles Outfit heraus: dunkle enge Jeans, flache schwarze Ballerinas und ein seidenes Nanette-Lepore-Top mit Leopardenmuster. Sie steckte sich Ohrringe mit goldenen Blättern an und holte tief Luft. Wer auch immer diese Mädchen waren und wie schlecht ihre Zähne auch sein mochten, sie wohnten jetzt zusammen. Ihre Strategie würde sein, das zu tun, was sie am besten konnte: oben bleiben – um jeden Preis.

Als sie die breite Mahagonitreppe erreichte, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Sie machte ein paar Schritte und sah über das Geländer. Emma stand neben dem Schrank im Eingangsbereich, hielt Winstons Hand und lächelte unablässig, so wie Ms. Elsa Kelley, Cates allzu bemühte Biologielehrerin, nachdem sie sich die Zähne hatte bleichen lassen. In der Nachmittagssonne, die durch das halbrunde Fenster über der Tür hereinschien, wirkte der weiße Marmor im Foyer viel zu hell und fröhlich.

Cate glitt die Treppe hinunter, den Kopf hoch erhoben. In ihrem Leoparden-Top kam sie sich wie ein wildes Tier vor, das sein Revier betrachtet. Das ist mein Haus, dachte sie und zog die Schultern zurück. Mein Reich. Auf der letzten Stufe blieb sie stehen, ein paar Zentimeter über allen anderen. Die beiden blonden Mädchen standen gegenüber von Winston und Emma vor der Mahagonikommode. Neben ihnen waren vier Louis-Vuitton-Koffer aufgereiht.

»Hi!«, rief Emma laut, ließ Winstons Hand los und umarmte Cate herzlich – ein wenig zu herzlich, wenn man bedachte, dass sie sich erst ein paarmal gesehen hatten. Emma war den ganzen Sommer da gewesen, was bedeutete, dass ihr Cate den ganzen Sommer aus dem Weg gegangen war.

Als Emma sie endlich losließ, deutete Winston zu den beiden Mädchen und dann zu Cate.

»Das ist meine Cate«, sagte er stolz. Die jüngere, ein schlaksiges Mädchen, deren blonde Haare aussahen, als hätte sie sie mit Poolwasser gewaschen, trat vor. In der Hand hatte sie eine Burberry-Tasche mit irgendeiner Art … Tier. Cate rümpfte die Nase. Sie hasste Tiere.

»Cate«, sagte Emma leise und verschränkte die Hände. »Das ist Lola.«

Richtig. Lola. Cate starrte das Mädchen an. Lola – der Name war nicht viel besser als Lulu – war groß und knochig und ungelenk. Sie sah aus wie eine sterbende Giraffe. Eine sterbende Giraffe in schmalen Jeans, die zwei Zentimeter zu kurz waren. Cate drehte sich der Magen um. Das Letzte, was sie brauchen konnte, war noch eine Loser-Schwester, der sie in der Öffentlichkeit aus dem Weg gehen musste.

»Hi«, sagte Cate tonlos und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie ließ den Blick über die magere Gestalt des Mädchens gleiten und einen kurzen Moment zu lange bei ihren bloßen Knöcheln verweilen.

»Stella, Liebes«, schmeichelte Emma. »Komm her.«

Stella ging zur Treppe und stellte sich neben Winston, der sich abwartend im Genick kratzte.

Cate schürzte die Lippen und begutachtete das Mädchen von Kopf bis Fuß. Stellas offene blonde Locken fielen ihr bis auf die Schultern und ihre großen Augen hatten die Farbe von Martini-Oliven. Sie trug ein ärmelloses rotes Kleid von Diane von Fürstenberg mit einer schwarzen Bordüre am Halsausschnitt. Über ihrer Schulter hing eine graue Marc-Jacobs-Mercer-East/West-Tasche, genau die, die sich Cate in der letzten Woche bei Bergdorf angesehen hatte.

Einen Augenblick lang standen sich die Mädchen schweigend gegenüber. Winston hüstelte laut und sah Emma an, die immer noch die Hände rang und die Lippen zusammenpresste. Dann machte Cate einen Schritt von der letzten Stufe, fast geräuschlos setzte sie die Füße auf dem Marmorboden auf. Sie sah Stella direkt an und lächelte langsam.

»Hi«, sagte sie leise. Wenn man ihre Kleidung als einen Hinweis betrachten konnte, dann war Stella … normal. Jemand, mit dem Cate sich in der Öffentlichkeit tatsächlich sehen lassen konnte. Sie konnte sich sogar vorstellen, mit ihr in der Ashton Prep den Gang entlangzugehen. Oder in Soho zusammen einzukaufen. Oder auf der Wiese im Central Park zu liegen und sich über die Frühjahrskollektion von Marc Jacobs zu unterhalten.

Stella berührte den breiten Träger von Cates Seidentop.

»Das gefällt mir«, sagte sie mit leichtem britischem Akzent. »Nanette Lepore. Und diese Ohrringe! Die sind toll.«

Cates Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.

»Ich liebe deine Tasche!«, entfuhr es ihr. »Die ist unglaublich.« Vorsichtig berührte sie das helle Leder.

»Die habe ich von meiner Mum. Es war ein Geschenk von einem ihrer Kunden.«

Cate starrte Emma ungläubig an. Abgestaubt? Von einem Kunden? Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht könnte sie Emma verzeihen, dass sie mit ihrem Vater ausging, dass sie nach New York gekommen war, dass es Lola – oder Lulu oder wie auch immer die mit den Fusselhaaren und den schlecht sitzenden Jeans hieß – gab. Wenn es bedeutete, dass es unbegrenzten Zugang zu Designerhandtaschen gab, ja, dann konnte sie ihr das bestimmt verzeihen.

Winston drehte sich um und küsste Emma auf die Stirn. Dann legte er einen Arm um ihre Schulter.

»Tolle Schuhe.« Cate deutete auf Stellas rote Espadrilles. »Von Juicy?«

Stella nickte, schlüpfte aus dem rechten Schuh und stieß ihn mit ihren zierlichen Zehen – mit French Nails – zu Cate hinüber. Die zog vorsichtig den Fuß aus dem schwarzen Ballerinaschuh und steckte ihn in Stellas Schuh.

Cate hielt den Atem an. Stella hielt den Atem an. Wie bei Cinderella kam nun alles darauf an, ob der Schuh passte.

Cate schob die Zehen bis nach vorne und drückte sanft die Ferse herunter. Es war perfekt. Sie nahm Stellas Hand, wippte auf den Zehenspitzen auf und ab und stellte sich vor, wie sie vor dem Spiegel stand.

»Er passt!«, rief Cate, und Stella lachte, sodass sich ihre Grübchen zeigten.

Stella schlüpfte in Cates Ballerina und streckte den Fuß vor, um den Sitz zu bewundern.

»Perfekt!«, rief sie.

Du bist perfekt!, hätte Cate beinahe gerufen, die ihre Aufregung kaum verbergen konnte. Und sobald sie es gedacht hatte, wusste sie auch, dass es wahr war. Hätte es einen Onlineshop für Stiefschwestern gegeben, hätte sie sich keine bessere aussuchen können.

WISHUPON A STAR … UNDZWAREINENSEHRBERÜHMTEN!

Die zwölfjährige Andie Sloane ging die Fifth Avenue entlang, vorbei am Metropolitan Museum. Ihre Stollen klapperten auf dem Gehweg. Auf der Treppe des Museums saßen Touristen, die meterlange Hotdogs verschlangen, sich über die Reiseführer stritten und die späte Augustsonne genossen. An dem langen, schmalen Springbrunnen vor dem Museum hatten sich ein paar Leute versammelt und starrten in ehrfürchtigem Entsetzen einem Straßenkünstler mit Baskenmütze auf dem Kopf zu, wie er einen ganzen Satz Edelstahlmesser verschluckte.

Andie blieb an der Ecke zur 82. Straße stehen und betrachtete ihr Spiegelbild in den Türen zum Excelsior, einem Wohnhaus, das aussah wie ein riesiges Karamellbonbon. Sie schürzte die Lippen und legte eine Hand an die Hüfte, um schnell eine Pose einzunehmen. Sicher, in ihrem Fußballtrikot sah sie eher nach Nike als nach Nicole Miller aus, aber die richtige Haltung hatte sie jedenfalls drauf.

»Mädchen, ich habe dir doch gesagt, dass diese Türen von innen durchsichtig sind«, erklärte ein Türsteher, der in einer zu kleinen grünen Uniform steckte. »Du veranstaltest wieder eine Show für die Leute in der Lobby.«

Andie lachte und ging weiter. Ab fünf Uhr würde sie ihr Haus mit dem Supermodel Emma Childs teilen. Sie musste sich vorbereiten.

Andies Traum war es, Model zu werden. Sie sah sich mit glühendem Eifer jede Folge von America’s Next Top Model an und machte sich Notizen zu den Aussagen der Juroren. Jeden Abend übte sie ihre Posen vor dem Ganzkörperspiegel an ihrer Schranktür. Sie wusste, wie sie »editorial« oder »avant-garde« auszusehen hatte. Außerdem zwang sie sich, kreativ zu sein und überraschende Posen zu erfinden.

Die Teen Vogue konnte sie sich nicht mehr ansehen, ohne sie frustriert in die Ecke zu werfen. Sie war ebenso gut wie all diese Models. Was machte es schon, dass sie einen Meter fünfzig groß war (na gut … einen Meter neunundvierzig)? Darum vergötterte sie Kate Moss so sehr. Sie war auch keine eins achtzig groß und dennoch eines der berühmtesten Models der Welt. Andie fragte sich immer WWKT (Was Würde Kate Tun).

Aber jetzt konnte sie sich WWET (Was Würde Emma Tun) fragen. Und dann konnte sie Emma selbst fragen. Oder ihre Töchter.

Vor dem fünfstöckigen Wohnhaus ihrer Familie blieb Andie stehen und lächelte, als sie sich vorstellte, wie sie mit Emmas Fashionista-Töchtern im Garten lag. Die beiden Mini-Emmas würden ihr sagen, welcher Bräunungsgrad sich auf Fotos am besten machte, und ihr helfen, sich für ein lässiges Outfit zu entscheiden, wenn sie zu einem Go-See ging. Zum ersten Mal im Leben würde sie freitagabends nicht allein fernsehen und dem Kichern und Kreischen der Chi-Beta-Phi-Karaoke-Übernachtungspartys lauschen. Sie hätte zwei neue Schwestern, zwei Chancen auf einen Neuanfang mit Mädchen, die in ihr nicht nur die lästige Nachmacherin sahen.

So war es zwischen ihr und Cate nicht immer gewesen. Als sie klein waren, hatten sie sich nahegestanden. Sie hatten die Kleider ihrer Mutter angezogen, Modenschau gespielt und Cate hatte Andies alberne Outfits bewertet. Andie hatte immer versucht, Cate zum Lachen zu bringen und eine Zehn zu bekommen. Doch als ihre Mutter gestorben war, hatte Cate mehr und mehr Zeit mit den Chi Beta Phis verbracht. Andie wollte gerne zu Cates Gruppe gehören und nicht nur eine Schwester, sondern auch eine Freundin für sie sein. Heimlich benutzte sie das MAC-Make-up ihrer Schwester und klaute ihre Modemagazine, kaufte alles mit einem bunten YES-Sticker. Sie machte nie Pläne für die Abende, an denen die Chi Beta Phis bei ihnen übernachteten, weil sie hoffte, dass sie sich neben sie setzen würden, wenn sie sie im Wohnzimmer vor The Hills sitzen sahen. Doch das taten sie nie. Cate würde lieber ein Jahr lang bei Kmart einkaufen, als Andie mit ihren Freundinnen zusammen sein zu lassen. Stattdessen machte sie sich über sie lustig und nannte sie C. C.– Copy Cate. Cate hatte in den Chi Beta Phis drei Schwestern. Sie brauchte offensichtlich keine weitere.